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[6] 907. An Adolf Nöldeke
Wiedensahl Montag. [6. März 1893]
Lieber Adolf!
Durch Mutter laß ich dir 160 Mk. schicken p. Postanweisung. – In Celle ging's wieder gut. – Frau Bachmann, der vor 14 Jahren ein Gewächs von[6] 18 aus dem Leib geschnitten wurde, hat sich wieder derselben Operation unterziehen müßen. Sie liegt seit 5 Wochen in der Frauenklinik in Göttingen. In diesen Tagen soll der Verband abgenommen und sie dann, wenn alles gut geht, wie bisher, gegen Ende des Monats entlaßen werden.
Otto war gestern Nachmittag mit einigen Klosterbrüdern hier. Sie erwarten mit Ostern eine neue Hausdame und eine neue Hausordnung. Wie in Erichsburg: Nur offizieller Verkehr mit der Tante; jede Flasche Bier muß angezeigt werden etc. Aber ich denke, dergleichen, so verdrießlich es ist, kann auch ertragen werden. Es ist ja überall so und wird noch mehr so werden. Wir leben in einer Reactionszeit; man will die Leute ducken und ihnen zeigen, daß es Herren giebt. Dieser Wind, der von oben weht, wird nun gleich gewittert von Allen, denen Gewaltsamkeit schon so wie so ein Pläsir macht. Die Bänder werden angetrieben, und schließlich platzt die Geschichte mit Krach. – Der Kluge nimmt's wie Regenwetter, schimpft nicht, sondern läßt's in Geduld über sich hinziehn.
Der neue Spräenbaum, Eiche, liegt schon über 8 Tage streckelangs im Anger. Die Kasten sind fertig; nur an der Fahne fehlt's noch. Demnächst, an einem trockenen Tage, soll Richtinge sein.
Mit herzl. Grüßen von uns Allen
dein getr. Onkel Wilhelm.