919. An Hermann Nöldeke

[14] 919. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 14. Juni 93.


Lieber Hermann!

Es freut mich, daß du mit Mutter glücklich in Hattorf gelandet bist und daß du deine Vegetabilien in leidlich erfreulichem Zustande angetroffen hast.

Hier hing am Sonntag der Himmel auch voll dicker Wolken; es regnete ein wenig; dann war's vorbei; der Wind kam, wie gewohnt, aus Norden. Jetzt weht er von Osten her, und nun ist's dürrer als dürr; kein Wölkchen ist zu sehn.

Kohl und Kohlrabi, salpetert und begoßen, wachsen tüchtig; Gurken weniger. Stangenbohnen haben sich erholt; Wachskrupbohnen hab ich nachgelegt. Von Wurzeln und Spinat säete Frau Nickels eine zweite Auflage. Auffällig rasch kommen die späten Bohnen hervor. Erbsen, noch immer muthig, kriegen doch allmählig gelbe Beine.

Die Rosen blühen gut, trotz der Trockenheit. Auch die niedrige, die lange nicht kommen wollte, treibt jetzt. Die hochstämmige matte duselt noch immer so hin. Hinter dem Hause die belle Lyonaise kommt zur Blüthe.

Landrath und Amtsrichter haben vorgestern bei Ronnenberg bis in die Nacht hinein eine Wahlversammlung gehalten. Wenn nur dieser amtliche Eifer nicht grade erst recht die Welfen ermuntert.

Pastors ließen anzeigen, daß sie am Sonntag ein kleines Mädchen gekriegt hätten. Gestern ließ ich durch Sophie nachfragen; Befinden gut.

Otto's Koffer, da Hormanns Knecht schon Sonnabend hier war, ist ohne die Hausschuhe abgegangen. Aber am Sonntag Morgen wären sie doch auch nicht fertig gewesen. Nun sind sie am Montag per Post gereist. – Adolf's Kiste und dein Faß sollen Ende dieser Woche mit Heine fort.

Wir Alle laßen dich und Mutter herzlich grüßen.

Dein getreuer Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 14.
Lizenz: