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[40] 988. An Nanda Keßler
Wiedensahl 28. Oct. 94.
Meine liebe Nanda!
So ist's recht! Es soll also annersch werden in Zukunft; ruhig, besonnen und seßhaft. Es ist doch gut, seh ich, wenn man einen Freund zur Seite hat bei Tag und Nacht, einen kleinen Sokrates, wie den Hudi, mit seinen "logischen Schlüßen". Und zu der neuen Freundin gratulir ich. Sie ist von Adel, was an sich schon verehrungswürdig; sie ist betriebsam und wird die zurückgelaßenen Bildniße ihres entschlafenen Gatten gewiß günstig verwerthen; vor allem scheint sie klug und verständig zu sein, denn kaum ist das eine Eisen kalt gestellt unter der Erdkruste, so hat sie schon zwei andre im Feuer. Vielleicht giebt sie eins ab. Das Öfchen, um's einzulegen, ist ja immer geheizt. Sei nur recht offenherzig gegen sie, erzähl ihr nur alles, was du weißt – nein, halt! – Frag erst den Hudi, wie sein "logischer Schluß" lautet in dieser Beziehung. Dann auf und hinaus nach Italien, Griechenland, bis in die Türkei; dort giebt's Leut, welche Geld brauchen, grad genug. Nur keine alten schundigen Geisböck bringt mit, wenn ihr heimkommt, ihr zwei lustigen Weiber; sondern jedwede einen feinen Signor Dolcefarniente, oder Papapipopolos, oder einen stattlichen Pascha, geschmückt mit drei Roßschweifen. "Und dann lebten sie glücklich und zufrieden, bis an ihr seliges Ende." – Gelt, ein lustiges Lied! – Aber ich kenne ein zierliches Ohr, das auch den leisen, herzlichen, ernsthaften Grundbaß hört, der überall mitklingt. –
Die beglaubigte Urkunde über den Boccaccio wirst du inzwischen erhalten haben. Es sollte mich freun, wenn er käme und leidlich präsentabel wäre. – Mit dem französischen Buch ist's was Anders: Die Hand verschönt die Gabe, diese mag sein, wie sie will.
Stets dein getreuer
Onkel Wilhelm.[40]