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[67] 99. An Nanda und Letty Keßler
Wiedensahl d. 21. Aug. 1871.
Liebe Nanda! Lieb's Lettychen!
Ihr hattet mir auch gar so lange nicht geschrieben, daß ich beinahe gedacht hätte: »Aber nein! Das sind ja rechte abscheuliche Mädchen!« und wollte schon anfangen, recht recht böse zu werden; aber als ich eben anfangen wollte, so zu denken, da schicktet Ihr mir die Briefe und die schönen Bilder und ich dachte: »Nein! Es sind doch wirklich recht nette Mädercher!« und ich wurde gar nicht böse, sondern, im Gegentheil, ich blieb wirklich recht gut. Besonders schön kam mir auf dem einen Gemälde der Tisch vor, wo die Flasche und die Gläser darauf stehen; denn das macht immer viele Freude, wenn etwas Gutes drin ist, was man herauskriegen darf. – Aber wenn ich wieder da bin, so will ich aber auch von Eurem Birnbäumchern eine Birne dazu eßen, eine rechte gute aber. – Und dann komme ich und hole die Letty ab, und die Letty und ich wir holen die Nanda aus der Schule ab, und die Nanda und die Letty und ich wir holen dann vom Meister Jost die Ohrfeigen und die Plätzcher ab, und die Nanda und die Ohrfeigen und die Letty und die Plätzcher und ich wir holen dann vom Obert die Kluntcher ab – und dann gehen wir alle mitsammen zum guten Mamache, die kriegt auch was ab.
Hier schicke ich auch das Rezept zu dem Obstpudding für die Mama; sie soll ihn aber auch nur recht bald zurecht machen; und dann schreibt mir aber auch recht bald, ob er Euch gut geschmeckt hat.
Viele, viele, viele Grüße von
Onkel Wilhelm
[67] Erst wasche Dich und schneuze Dich.
Und bist Du dann fein säuberlich,
So hole Dir mit leichtem Schritte
Die Pflaumen= und die Apfelschnitte
(Jedoch mit Andacht und Gefühl).
Dann koche sie und stell sie kühl.
Jetzt nimm von Millich ein Quartier,
Von Stärkemehl der Lothe vier,
Von Eiern sechse an der Zahl;
Als Würze nimm Zitronenschal
Und Zucker auch und auch Vanille
Nach dem Geschmacke der Familie.
Zwei Drittel Milch stell auf das Feuer
Mit dem Gewürz. – Das Gelb der Eier,
Die Stärke und den Rest der Millich
Rühr' durcheinand, wie's recht und billig.
Doch vom gesammten Eierweiß
Schlag steifen Schnee mit Kunst und Fleiß.
Nun thu zur Milch, die auf dem Feuer,
Den Brei der Stärke, Milch und Eier.
Und wenn's gekocht ein paar Minuten,
So heb' es von des Feuers Gluthen
Und rühre noch mit Seelenruh
Die Hälfte von dem Schnee hinzu.
Dies Alles gieße flink und flott
Auf das bewußte Obstcompott.
Und ist dann die Geschichte kalt,
Und geht's zu Tisch, so streiche halt
Mit einem Meßer sanft und lieb
Den Schnee darauf, der übrig blieb.
So – jetzt wären wir so weit! –
Noch Zimmt und Zucker draufgestreut.
Und nun an's Werk voll Kraft und Muth!
Ei, zapperment, wie ist das gut!!
Wiedensahl d. 21. Aug. 71
freundlichen Gruß
WB.
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