Drittes Bild

[18] 1. Lied mit Chor

Hinter dem geschlossenen Vorhang.

2. Tanz und Gesang

Das Frauengemach Turandots


MÄDCHENCHOR.

Nacht wird zum Tag,

Schauet!

Leuchtend wird nun der Saal;

Leben, rhythmisch bewegt,

Wogt auf und ab.

Mädchen,

Freuet euch!

Bald empfängt euch der Bräutigam,

Nacht wird zum Tag,

Leben wogt

In seinem Arm.

3. Rezitativ und Arie


TURANDOT ungeduldig. Genug. Mein Kopf steht nach anderen Dingen. Es pocht mein Herz in ungewohntem Schlage. Mein Geist trübt sich. Das Blut, es stockt und jagt. Ich fühle unsicher.

Arie


Daß ich ihn liebe,

Sollt' es so sein?

Daß ich ihn hasse,

Doppelte Pein.

Noch wich ich keinem

Mir selbst betreut,[18]

Würd' es sich wenden,

Schnell wär's bereut.


O, daß ich fände,

Was ihn beschämt,

Doch all mein Denken

Starret gelähmt.

Und ob er siege,

Ob er erliege:

Mein schöner Stolz, ach

Fällt, ach, bezähmt.


Richte Dich aufwärts

Mein hoher Mut,

Zum letzten Male

Wehre Dich gut:

Ein würd'ges Ende

Herbeigeführt!

Turandot sterbe,

Doch unberührt.

ADELMA. Ich erkenn' Euch nicht wieder, so sehr gebärdet Ihr Euch fremd. Hat der Anblick dieses Glücksprinzen das Metall Eurer Seele zum Glühen gebracht? Mir wär's drum leid.

TURANDOT. Du empörst mich.

ADELMA. Ich möchte Euch gern zufrieden sehen, verzeiht.

TURANDOT. Du meinst es ja redlich. Sag', was sollt' ich tun?

4. Intermezzo dialogato


ADELMA. Hören wir zunächst was Truffaldino meldet. Er kommt von seinem Auftrag erst zurück.

Truffaldino tritt würdig auf und kniet nieder.


TURANDOT. Was bringst Du?

TRUFFALDINO. Meine angebetete Prinzessin, Ihr habt Euch an den Rechten gewandt. Alles ging vortrefflich. Möchte[19] ein jeder seine Intelligenz vor dem Einfluß der Leidenschaften bewahren. Die niederen Funktionen zehren von der Klarheit des Gehirns. Daran habe ich nicht zu tragen. Mein Kopf ist der Triumph der Zucht.

TURANDOT ungeduldig. Komm zur Sache.

TRUFFALDINO. Welcher Sache? Ach ja. Wenn ich von mir selber spreche, erscheint mir alles andere recht sekundär. Er seufzt. Nun, da Ihr sie verlangt zu wissen, hier ist die Geschichte:

5. Aria


TRUFFALDINO.

Ich schlich geschickt

Und unerblickt

In den bewachten Raum,

Da lag gereckt

Und ausgestreckt

Der Bub in Schlaf und Traum.


Ich holte sacht,

Was ich gebracht,

Den Zauberrettich vor;

Die löst' dem Jung'

Die starre Zung',

Die Wurzel Mandragor.


Er zeigt die Wurzel.


Da ist sie.

Recht knabenhaft

Und ekelhaft

Seufzt er 'ner Windlad' gleich,

Er dreht sich rund

Wie'n junger Hund

Und spricht so butterweich:

TURANDOT.

Spricht seinen Namen, sag'?

TRUFFALDINO.

Ja, er sagt: Tod oder Turandot.

Und weitres war nicht aus ihm zu locken.

TURANDOT.

Unfähiger Mann, ist dies Dein ganzer Witz!

Hinweg! Hinweg! Pack Dich![20]

TRUFFALDINO.

Mann oder Un-Mann,

Unfähig, fähig:

Meinen Witz kann mir niemand schneiden.

Verdienst lohnt Undank, das ist nun alt,

Geist wird verhöhnt,

Genie weckt Ärger.

Truffaldino

Bleibt er selber,

Wird der Neid auch

Gelb und gelber:

Mann von Verstand,

Scharf und gewandt,

Von reinen Sitten,

Stern im Reich der Mitten,

Keuschen Wandelns,

Strengen Handelns ...

Dero getreu untertänigster Sklav!


Er geht, nachdem er sich dreimal verbeugt hat.


ADELMA. Seid getrost, Prinzessin, noch lange währt dieser lange Tag, wer weiß was Euch die nächste Stunde bringt.

TRUFFALDINO schnell zurück. Der Kaiser kommt zur Prinzessin. Ab.

Pantalone und Tartaglia, die dem Kaiser gefolgt sind, verweilen hinter der Türe, jedoch dem Zuschauer sichtbar, neugierig horchend.


ALTOUM. Mein Kind –!

TURANDOT zurückhaltend. Was befiehlt mein kaiserlicher Vater?

PANTALONE. Die Kröte!

TARTAGLIA. Die Ka-Ka-Kanaille!

ALTOUM. Warum so feierlich? Siehst Du nicht wie ich Dich liebe und vor Dir zerfalle aus Gram? Ich bin ein sehr alter Mann geworden.

TURANDOT etwas weicher. Ich will Euch nicht betrüben.

ALTOUM. Ah, schön, brav und kindlich gesprochen! Guck mal her. Er winkt mit einer Rolle. Was ist das?[21]

PANTALONE. Was ist das?

ALTOUM. Eine Rolle.

TARTAGLIA. Eine Rolle.

ALTOUM. Was steht darin?

PANTALONE. Was steht darin?

ALTOUM. Die Namen die Du nicht weißt.


Pantalone und Tartaglia pfeifen lange und leise vor sich hin.


TURANDOT. Die ich nicht weiß?

ALTOUM nickt. Die Du nicht weißt.

TURANDOT. Mein Vater, ich kenn' die Namen – kenn' die Namen nicht – das soll morgen vor dem Diwan sich erweisen.

ALTOUM aufgebracht. Halsstarrige!

PANTALONE. Jetzt kriegt sie's.

ALTOUM. Unwissende!

TARTAGLIA. Er kommt in Aff-Affekt.

6. Arioso


ALTOUM. So höre. Er wird ganz Majestät. Heimliche Kunde kam mir zu. Von hoher Herkunft ist der Jüngling. würdig sein Stamm und strahlend das Geäst, die seine Tugend krönt. Er ist zu gut für Dich.

PANTALONE. Fein gegeben.

TARTAGLIA. Brill-brilliant!

TURANDOT mit Impuls. O Vater!

ALTOUM. Nichts von Vater diesmal! Bitten kommt zu spät –

TURANDOT. Bitten?!

ALTOUM. Nichts davon mehr. In Deiner eigenen Ratlosigkeit sollst Du Dich winden und gedemütigt sein vor aller Welt. Dies ist mein väterlicher Wille, meine Absicht heilsam. Und morgen hat das Teufelspiel ein Ende, und Du stehst beschämt vor aller Welt. Wendet sich zum Gehen. Soll ich sie so verlassen? Ich war ein bißchen hart. – Wendet sich zurück. Nun, meine Tochter ...?

TURANDOT. Morgen sollt Ihr Euer Unrecht bekennen.[22]

ALTOUM wieder barsch. Ha, Verstockte! Im Abgehen für sich. Schade, schade, schade.

PANTALONE. Schade.

TARTAGLIA. Schade.


Er wird an der Türe von den beiden empfangen und gestützt und sie gehen alle drei ab, indem sie immer »schade, schade« murmeln.


7. Duett


TURANDOT. Adelma, meine Freundin, sage Du daß ich recht tat, mich so zu geben.

ADELMA. Glaubt Ihr, Prinzessin, daß Euer Vater, Seine Majestät, Sie knixt. allein die wissenswerten Namen kenne?

TURANDOT. Adelma, wohin zielest Du?

ADELMA. O, ich meine: ob niemand andrer im Palast ebenso gebildet sei, als Kaiser Altoum?

TURANDOT. Wer könnt' es sein?

ADELMA. Sucht nicht zu weit.

TURANDOT. Die beiden Minister?

ADELMA. Sucht nicht zu hoch.

TURANDOT. Du scheinst etwas zu verbergen..

ADELMA. Vielleicht zu enthüllen...

TURANDOT. Adelma?

ADELMA.

Ihr nennt mich Freundin,

Ja, ich bin's zu Euch,

Ich darf es sein,

Da ich von Königen stamme;

Doch haltet Ihr mich als Sklavin.

Gebt mich frei,

Ihr sollt erfahren,

Was Ihr glühend wünscht zu kennen;

Denn ich – ich weiß des Fremden Kunst und Namen:

Ich schenk' Euch Freiheit,

Schenkt mir drum die meine,

Zwei kluge Mädchen[23]

Kommen leicht ins reine!

Freiheit gegen Freiheit. –

TURANDOT.

Es wär' Verrat!

ADELMA.

Er hat mich einst verlacht,

Als ich, ein Kind, die Arme nach ihm streckte.

Ich hab' es nie verwunden.

Nun ist an mir die Reihe,

Willigt ein.

TURANDOT. Du hast gelitten ... hast erduldet – Das macht allein Dich zur Fürstin. Sei fortan meine Schwester!

ADELMA. O Dank! Für sich. O, mein Triumph! Und jetzt, Prinzessin Turandot, süßeste Schwester, horch auf...


Sie flüstert Turandot ins Ohr.

Während dieser letzten Szene hat Truffaldino spioniert und scheinbar etwas erhorcht.


Vorhang fällt.

8. Intermezzo


Quelle:
Ferruccio Busoni: Turandot. Wiesbaden 1946, S. 18-24.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Turandot
Turandot-Suite op. 41 Busoni-Verz. 248 - Studienpartitur (PB 3837)

Buchempfehlung

Klingemann, August

Die Nachtwachen des Bonaventura

Die Nachtwachen des Bonaventura

Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon