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1.
O Lieb' und Ruhm! was seid ihr, daß ihr immer
Uns fern umschwebt und selten uns besucht?
Die Meteor' am Nordpol fliehen nimmer
Mit so erhabner und geschwindrer Flucht.
Das Auge folgt wohl eurem holden Schimmer,
Uns aber hemmt der Kette schwere Wucht;
In tausend Farben sehen wir euch funkeln,
Dann laßt ihr uns auf eis'gem Pfad im Dunkeln.
2.
Und ihnen gleicht dies Epos, so zu sagen,
Ein immer wechselnd, regellos Gedicht,
Das über Wüstenein und Eis und Plagen
Hinfunkelt, ein gereimtes Nordpol-Licht.
Wer weiß, was Alle sind, muß uns beklagen,
Trotz dessen hoff' ich, daß nicht viel verbricht,
Wer über alles lacht; denn, Hand aufs Herz,
Ist alles nicht am End' ein Puppenscherz?
3.
Man wirft mir vor, mir, Schreiber dieses hier
Vorliegenden Gedichts – – ich weiß nicht was!
Ich unterschätze, höhne, persifflir'
Des Menschen Herz und Geist und dies und das;
Das sagen sie, und ohne viel Manier.
Bei Gott, mich wundert dieser Leute Haß;
Was ich gesagt, das sagte schon Cervantes
Und Salomo und die Comödie Dante's
[5]
4.
Und Rochefoucault und Machiavel und Swift
Und Luther, Rousseau, Fénélon und Plato
Und viele andre noch in Wort und Schrift,
Die niemand drum verketzert hat bis dato,
»Daß diese Welt Schund sei.« Was mich betrifft,
Ich spiel' nicht den Diogenes und Cato;
Wir leben und wir sterben, und ihr wißt
So wenig wie ich selbst, was besser ist.
5.
Sokrates sagte: »Alles, was du weißt,
Ist, daß der Mensch nichts wissen kann.« Da wären
Denn alle Denker, die man pries und preist,
So klug wie Esel oder alte Mähren.
Und Newton, dieses Synonym für Geist
Mit allen seinen Lorbern mußt' erklären,
Er fühle sich nur »ähnlich einem Kinde,
Das an dem Meer der Wahrheit Muscheln finde.«
6.
Salomo sagt, »daß alles eitel sei,«
Auch mancher Pfarrer sagt es und bewährt es
Durch sein Exempel. Kurz, es bleibt dabei,
Ein jeder weiß es oder er erfährt es;
Gedicht und Prosa, Predigt, Litanei
Nennt diese Welt die Bühne hohlen Wertes,
Und ich allein, ich soll aus Furcht vor Streit
Vertuschen dieses Lebens Nichtigkeit?
7.
Hund' oder Menschen! – – doch ich übertreibe,
Wenn ich euch Hunde nenne, ihr seid schlimmer.
Lest oder lest es nicht, was ich jetzt schreibe,
Um euch zu schildern ohne falschen Schimmer.
Wie Wolfsgeheul nicht stört des Mondes Scheibe,
So wird die Muse ihren Himmeln nimmer
Den kleinsten Strahl entziehn; heult meinetwegen!
Sie strahlt doch silbern euren finstern Wegen.
[6]
8.
»Von ungetreuem Krieg und grimmer Liebe« – –
Ich glaub,' ich habe hier ein Wort versetzt,
Obwohl auch so der Sinn noch richtig bliebe;
Ich singe beid' und bombardire jetzt
Auf eine Stadt, den Schauplatz blut'ger Hiebe,
Zuerst belagert und erstürmt zuletzt
Von Suwaroff, (der Russe sagt Suwároff,)
Dem Blutbad war, was Hochzeit einem Pfarrhof.
9.
Die Stadt heißt Ismail und liegt ganz hart
Am linken Donauarme linker Hand,
Mit Häusern nach des Morgenlandes Art,
Jedoch als Festung ersten Rangs bekannt,
Wofern sie nicht seitdem verschändet ward,
(Denn eure Helden schänden Stadt und Land.)
Sie liegt an achtzig Werst' entfernt vom Meer,
Ihr Umfang tausend Ruten ungefähr.
10.
Ein Flecken innerhalb der Festungswälle
Liegt links auf einer langen Höh' und der
Beherscht die Stadt wie eine Citadelle.
Ein schlauer Grieche hatte rings umher
Ein Pallisadenwerk an dieser Stelle
Errichtet, aber perpendiculär!
So daß die Pfähle, statt den Platz zu schützen,
Am Feuern hindern und dem Feinde nützen.
11.
Aus diesem Umstand merkt ihr ungefähr,
Er war ein Vauban und that Wunderdinge;
Der Graben war jedoch tief wie das Meer,
Der Wall war höher, als man gerne hinge.
An Vorsicht aber mangelt' es gar sehr,
(Verzeiht, daß ich im Festungsrotwelsch singe,)
Nicht Außenwerk noch Schanze war zu sehn,
Als leiser Wink, »hieher darf man nicht gehn.«
[7]
12.
Doch dick gemauert, eine Bastion,
Dick wie die Schädel mancher Menschenarten,
Ließ ihre Batterien am Strome drohn,
Theils à barbette und theils in Mauerscharten,
In voller Wehr, wie Englands Schutzpatron.
Rechts aber von der Stadt, in Reihe, starrten
Auf einem vierzig Fuß erhöhten Platze
Zwanzig Geschütze hinter einer »Katze«.
13.
Am Strom dagegen lag der Ort ganz frei:
Der Türke glaubte niemals, daß der Russe
Zu Schiffe kommen könnt', und blieb dabei,
Bis er belagert ward und nun zum Schlusse
Einsah, daß es zu spät zum Schanzen sei.
Indessen waten kann man nicht im Flusse,
Und unser Türke rief, als die Flotilla
Nun wirklich kam, bloß Allah! und Bismillah!
14.
Die Russen standen fertig zu Attaquen;
Wie aber, Gott des Ruhms! wie buchstabir' ich
Die Namen aller tapferen Kosacken?
Warum ist ihr Chronist zu sein so schwierig?
Weshalb entbehren sie Applaus und Claquen?
Achilles selbst war kaum so mordbegierig
Wie dieses Volk gebildeter Tartaren,
Die leider völlig unaussprechlich waren.
15.
Des Wohllauts wegen führ' ich ein'ge an;
Da war zum Beispiel Strackonoff und Struckenstow,
Meknop, Serj Lwow, der Grieche Arsnjew dann,
Und Tschitsschakoff und Schurkonoff und Tschlukenstow,
Zwölf Consonanten größtentheils per Mann.
In Bulletins fänd' ich noch mehr so schmucken Stoff,
Indeß die Metze Fama steckt voll Launen
Und hat auch Ohr, so scheint's, nicht bloß Posaunen,
[8]
16.
Und kann nicht reimen auf die Dissonanzen,
Die immerhin in Moskau Namen sind.
Doch war da mancher Held, für meine Stanzen
Passend wie für die Eh' ein hübsches Kind,
Auch mancher sanfte Name, weich im Ganzen,
Wie Londonderry's Stotterrede rinnt,
Auf »ischkin«, »uschkin«, »iffschki« oder »uski«, –
Ich habe hier nur Platz für Rusamuski,
17.
Scherematoff und Krematoff, Kokluftis,
Koklobski, Muschkin, Puschkin, Korczuczin,
Von denen jeder jeden Türken Schuft hieß,
Und wenig Helden waren ihnen vorzuziehn.
Sie fragten nicht nach Mahomed und Mufti's,
Es sei denn, um das Fell ihm übers Ohr zu ziehn
Und Trommeln draus zu machen, falls im Kriege
Kalbsfell vielleicht zu sehr im Preise stiege.
18.
Auch gab es da aus allen Nationen
Ein Heer von Fremden, lauter Volontären,
Die nicht für Vaterländer oder Kronen
Mitfochten, sondern nur gern Oberst wären
Und wünschten einer Plündrung beizuwohnen,
(Ein großer Spaß, ich kann's mir wohl erklären.)
Auch ein'ge Schock Engländer kämpften mit,
Darunter sechzehn Thomsons, neunzehn Smith.
19.
Die Thomsons hießen, die gesammte Schar,
»Jemmy,« wie der Poet, bis auf zwei »Jacks«;
Ich weiß nicht, wie ihr Helm und Wappen war,
Doch solch ein Path' ist mehr als Siegelwachs.
Drei hießen Peter von den Smith's, und zwar
Befand sich auch der Held von Halifax,
Der weltberühmte Hauptmann unter ihnen,
Der damals diente unter Katharinen.
[9]
20.
Der Rest hieß Jack und Will und Bill und Bob Smith,
Und die Notiz, daß Jack Smith Senior
Aus Cumberland war und sein Vater Grobschmidt,
Ist alles, was ich weiß von diesem Corps.
Er nahm drei Zeilen officiellen Lobs mit
Aus diesem Leben, als er seins verlor
Vor irgend einem Nest, woselbst er fiel, –
»Unsterblich« nennt man das im Zeitungsstil.
21.
Ob eine Zeitungsspalt' ein Pflaster ist
Für einen Spalt im Kopf, ein Loch im Magen?
Ich ehre ja Gott Mars wie jeder Christ,
Doch halt' ich's nicht für Sünde so zu fragen;
Auch ein gewisser Shakspeare, wie ihr wißt,
Läßt jemand etwas Analoges sagen
In einem jener Stücke toll und wild,
Die zu citiren heut für geistreich gilt.
22.
Dann waren da Franzosen, tapfer, heiter,
Indessen ihre Namen lass' ich fort;
Kein Patriot verherrlicht Galliens Streiter,
Zehn Lügen lieber als ein wahres Wort!
Denn solche Wahrheit ist Verrat, nichts weiter,
Und dessen Zunge, wie man sagt, verdorrt,
Wer englisch spricht von Frankreich und dabei
Nicht ausspricht, daß der Franz' ein Erbfeind sei.
23.
Der Russe hatt' ein Eiland mit Kanonen
Besetzt; damit bezweckt' er zweierlei:
Zunächst, die Stadt mit blauen Eisenbohnen
In Grund zu schießen, freilich nebenbei
Die armen Teufel auch, die sie bewohnen
Es schien, als ob dies ganz gegeben sei;
Die Stadt lag nämlich aufgestuft am Flusse,
Und jedes Haus lag sehr bequem zum Schusse.
[10]
24.
Dann dacht' er zweitens in der Confusion
Mit einem plötzlichen und kühnen Schlag
Das türkische Geschwader zu bedrohn,
Das höchst gemütlich auf der Rhede lag.
Auch war es möglich durch den Schrecken schon
Zum Ziel zu kommen; Abzug und Vertrag
Ist oft des Kriegers Sehnsucht, um so heißer,
Je weniger er selbst ein Bullenbeißer.
25.
Stets war es tadelnswerth, die zu verachten,
Mit denen man zum Waffengange schritt,
Und solche dünkelhafte Grillen brachten
Auch hier ins Unglück Tschitsschakoff und Smith,
Smith, einen jener neunzehn mehrgedachten
Hochherz'gen Smiths, die erst gereimt auf »mit«;
Der Nam' ist so vermählt mit »Herr« und »Madam«,
Daß man fast meint, der erste Smith war Adam.
26.
Die Batterien waren unvollständig;
Man baute sie zu rasch und über Nacht.
Derselbe Grund, der einen Vers elendig
Und Longman und John Murray trübe macht,
Weil sich das Publikum nicht so unbändig
Um ihre Bücher reißt, wie sie gedacht,
Verpfuscht auch manchmal das, was die Historia
Zuweilen »Mord« nennt und zuweilen »Gloria«.
27.
Ob nun ihr Ingenieur ein dummes Vieh war,
Ob es Verschleiß war, ob zu große Eil',
Ob es des Lieferanten Theorie war,
Daß, wer die Mörder prellt, sein Seelenheil
Befördre, kurz die neue Batterie war
Von Festigkeit das grade Gegentheil;
Sie fehlte stets und wurde nie gefehlt,
Und täglich fehlten Leute, ungezählt.
[11]
28.
Ein böser Irrthum über Fern- und Nahsein
Macht' all ihr Manövriren incorrect;
Drei Brander endeten ihr schönes Dasein,
(Die Lunte war zu früh in Brand gesteckt,)
Und nichts hielt nun ihr Sprühen und Geras' ein;
Sie flogen in die Luft ganz ohn' Effect
Mitten im Strom und sanken in die Tiefen,
Indeß die Türken fest wie immer schliefen.
29.
Doch standen sie um sieben auf und sahn
Die Russenflotte sich stromabwärts wagen;
Der Türke ließ die Schiffe ruhig nahn,
Bis sie um neun auf Kabellänge lagen.
Nun ging das Feuern los, und der Osman
Bezahlte sie mit Zinsen, kann ich sagen,
Mit Kleingewehr, Kartätschen und Granaten
Und Munition von allerlei Formaten.
30.
Sechs Stunden trotzten sie ganz unverdrossen
Dem Türkenfeuer, unterstützt von ihren
Landbatterien, die ganz vorzüglich schossen.
Am Ende fand man, daß das Kanoniren
Allein die Stadt nicht zwing', und sie beschlossen
Deswegen gegen Eins zu retiriren.
Ein Boot flog auf, ein andres nah am Strand
Blieb sitzen und geriet in Feindeshand.
31.
Die Türken hatten gleichfalls Wrack' und Todte.
Doch als sie merkten, daß der Gegner wich,
Bemannten rasch die Deli's ein'ge Boote
Und pfefferten die Russen fürchterlich.
Als aber gar dies Corps zu landen drohte,
Ließ der Erfolg die Wünsche doch im Stich;
Graf Damas trieb sie wieder in die Flut
Mit einem ganzen Bulletin von Blut.
[12]
32.
»Wenn,« sagt hier mein Chronist, »ich niederschriebe,
Was alles Russen an dem Tage thaten,
So könnt' ich Bände füllen, und ich bliebe
Gleichwohl im Rückstand noch mit meinen Daten.«
Und folglich schweigt er, nur ein Wort der Liebe
Weiht er den hochgebornen Glückssoldaten,
Dem Prince de Ligne und Langeron und Damas,
Erlauchte Namen in den Büchern Fama's.
33.
Da seht, was Ruhm ist! Männer der Elite,
Preux Chevaliers, vielleicht noch jetzt am Leben,
Der Durchschnittsleser aber hört – ich biete
Euch jede Wett' an – ihre Namen eben
Zum ersten Mal! 's ist Treffer oder Niete:
Sogar der Ruhm wird uns vom Glück gegeben.
Der Prinz de Ligne freilich schrieb Memoiren,
Die ihn vor dem Vergessen halb bewahren.
34.
Hier aber sehn wir tapfres Volk in Menge,
Das sich so tapfer schlug wie je ein Held;
Jedoch ersäuft vom Wirrwarr gleicher Klänge,
Verhallten ihre Namen für die Welt.
So kömmt auch guter Ruf oft ins Gedränge,
Wo allzu früh er auslischt und zerfällt.
Von keiner neuren Schlacht, was gilt die Wette?
Merkt ihr neun Namen euch aus der Gazette.
35.
Kurz, dieser Angriff, reich an Ruhm und Preise,
Bewies, daß irgendwo und wie was fehlte,
Und Admiral Ribas, der berühmte Weise,
Erklärte, daß zu stürmen sich empfehle.
Dem opponirten aber Jung' und Greise
In langen Reden, die ich euch verhehle,
Denn wenn ich niederschrieb' all ihr Gewäsche,
So brächt' ich wenig Leser bis zur Bresche.
[13]
36.
Ein Mann war, – – red' ich denn von einem Manne?
Na, mannbar war er, und ein Herkules,
Sonst hätt' er jung schon seines Lebens Spanne
Beendigt, ohne jenen Schlußprozeß,
Da morsch und matt er unter einer Tanne
Sein Ende fand, ein ungesegnetes,
Auf grüner Flur, die er verwüstet hatte,
Wie eine Heuschreck' auf verherter Matte.
37.
Das war Potemkin, – einst ein großer Held,
Als Mord und Unzucht Heldengröße brachte.
Er hätte fast so reichlich Ruhm wie Geld,
Wenn Rang und Ordensglanz unsterblich machte.
Er maß sechs Fuß, und ähnlich auch verhält
Sich's mit der zarten Glut, die er entfachte
In Rußlands Kaiserin, die, wie ihr wißt,
Die Männer maß, wie man Kirchthürme mißt.
38.
Indeß die Sache so dahinstand, schrieb
Ribas dem Fürsten, den er persuadirte,
Den Plan zu fördern, welchen er betrieb.
Ich weiß nicht näher, wie er demonstrirte,
Genug, daß er am Ende Sieger blieb.
Der Schanzenbau inzwischen avancirte,
Und achtzig Stück Geschütz' am Donaufluß
Wechselten mit den Türken Schuß um Schuß.
39.
Am zwölften, als ein Theil der Combattanten
Schon eingeschifft und Abzug nah in Sicht war,
Da wurden all der Kriegskunst Dilettanten
Und alles, was auf Zeitungsruhm erpicht war,
Neu aufgefrischt durch einen Abgesandten,
Der angesprengt kam; markig sein Bericht war;
Der Schlachtenfreund, so lautete die Zeitung,
Feldmarschall Suwaroff erhält die Leitung.
[14]
40.
Der Brief, den der Herr Fürst dem Marschall schrieb,
War eines Sparters wert, wenn dieser Strauß
Ein Kampf wär' um ein würdiges Princip,
Um Freiheit, Vaterland, um Herd und Haus;
Jedoch der rohen Macht Zerstörungstrieb,
Der ihn dictirt, verdient nicht viel Applaus,
Bis auf den Stil. Es war ein kurz Geheiß:
»Sie nehmen Ismail um jeden Preis.«
41.
»Es werde Licht!« sprach Gott »da wurde Licht.«
»Blut fließe!« spricht der Mensch, da fließt's in Meeren.
Ein Stündchen kann, wenn er sein Fiat spricht,
(Der Nacht verzognes Kind,) so viel verheren,
Daß hundert helle Sommermond' es nicht
Erneuern, wenn es auch die Sommer wären,
Die Edens Früchte reiften; denn der Hauch
Des Kriegs verzehrt die Wurzel mit dem Strauch.
42.
Der guten Türken Allah-Rufe schollen,
Sobald es hieß, der Russe retirirt!
Sie irrten sich verdammt. Die meisten wollen
Baldmöglichst glauben, daß ihr Feind verliert – –
(»Verliere«, glaub' ich, hätt' ich schreiben sollen,
Wer kann auf Regeln achten, wenn er schmiert?)
Die Türken, sag' ich, die das Schwein verachten,
Hatten doch wen'ger Schwein, als sie sich dachten.
43.
Drei Tage drauf sah man von weitem zwei
Berittne nahn; man hielt sie für Kosacken,
Das heißt im Anfang. Ihre Päckerei
Beschwerte wenig ihrer Rosse Nacken;
An Hemden hatten beid' im Ganzen drei.
Sie trabten rasch auf ihren Steppenkracken,
Bis endlich man erkannte, das dies Paar
Freund Suwaroff mit seinem Führer war.
[15]
44.
»Heil London jetzt!« schrieb ein verrückter Dichter,
Als London eines Tags illuminirte,
Was stets John Bull, der große Biervernichter,
Zuerst gethan hat, wann er phantasirte;
Sind seine Straßen nur voll bunter Lichter,
So giebt mein John, er Hochcivilisirte,
Geld, Seele kurz sein Alles und sein Nichts hin,
Wie eine Riesenmotte, blos aus Lichtsinn.
45.
Er flucht »auf seine Augen!« – Albernheit!
Die sind verdammt, und selbst der Teufel nicht
Legt Wert auf diesen einst berühmten Eid,
Denn John verlor ja längst sein Augenlicht.
Schuld nennt er Reichthum, Steuern Seligkeit,
Und grinst die Hungersnot ihm ins Gesicht,
Mit hohlen Wangen, ei, dann wird geschworen,
Frau Ceres habe diese Not geboren.
46.
Jetzt aber zur Geschichte. Heil dem Heer!
Heil, Russe, Brite, Franzmann und Kosack!
Suwaroff's Ruhm glänzt wie ein Réverbère
Und weissagt die brillanteste Attack
Vielleicht auch wie im Moor ein Irrwisch, der
Die Leut' in Sümpfe lockt zum Schabernack,
Ein tanzend Licht, das hin und wider springt
Und Alle, die es sehn, zu folgen zwingt.
47.
Wahr ist es, alles war wie inspirirt,
Es herscht' Enthusiasmus und Applaus;
Zu Land und Wasser wurde salutirt,
Und Alle sahn schon den Triumph voraus.
Schußweit vom Platze ward fortan campirt,
Man machte Leitern, flickte Schäden aus,
Erbaute Schanzen, rüstete Faschinen
Und alle Arten lieblicher Maschinen.
[16]
48.
So treibt mit seinem Hauch ein einz'ger Geist
Die Menge, daß sie eines Weges schreitet,
Gleich wie der Wind die Wasser fließen heißt,
Gleich wie die Herde grast, vom Stier geleitet,
Gleich wie der Hund den Weg dem Blinden weist;
Wie von des Widders Glockenschall begleitet
Die Schafe sich zum langen Zug vereinen,
Also beherscht der große Mann die kleinen.
49.
Das ganze Lager schien berauscht, es war,
Als stund' ein Hochzeitsschmaus für sie bereit;
(Dies Gleichniß, dünkt mich, ist besonders wahr,
In beiden Fällen ist das Ende Streit;)
Der letzte Troßknecht brannte für Gefahr
Und Beute mit erhöhter Tapferkeit;
Warum? Ein kleiner, droll'ger, alter Mann
Im bloßen Hemd trat das Commando an.
50.
So aber war's. Man ging mit frischem Mut
Ans Werk, zum Stürmen alles vorzukehren;
In drei Colonnen stand die Vorderhut
Des Winks gewärtig, alles zu verheren;
Das zweite Treffen war nicht minder gut:
In drei Colonnen auch lechzt' es nach Ehren
Und Strömen Blutes, wie nach Wein ein Prasser;
Das dritte, zwei Colonnen, focht zu Wasser.
51.
Man baute neue Batterien und hielt
Dann großen Kriegsrat, wo die Einigkeit,
Die sonst beim Rate meist den Fremdling spielt,
Vorherschte. – Dies kömmt vor in schlimmer Zeit.
So war denn alles Wichtige erzielt,
Schon dämmerte des Siegs Erhabenheit,
Suwaroff aber übt', um ihn zu ketten
Die Mannschaft auf den Kampf mit Bayonetten.
[17]
52.
Er selbst, der Feldherr, hatte neben andern
Seltsamen Grillen namentlich auch die,
Als Corporal zum Drillen mitzuwandern;
Er schulte manche plumpe Compagnie,
Gerad' als brächt' er jungen Salamandern
Das Feuerschlucken bei, und lehrte sie
Auf Leitern (keine Jakobsleitern) klimmen
Und durch den Graben waten oder schwimmen.
53.
Auch putzt' er wohl Faschinen auf wie Truppen
Mit Turban, Dolch und krummer Säbelklinge,
Und führte sie Sturmschritt auf dieser Gruppen,
Als ob es gegen rechte Türken ginge;
Und waren sie dressirt auf diese Puppen,
Dann schienen sie ihm reif für große Dinge;
Die Klugen spöttelten mit Blick und Wort,
Suwaroff sagte nichts und nahm den Ort.
54.
So stand die Sach' am Abend vor der Schlacht,
Und rings im Lager, ernst und ahnungsvoll,
War tiefe Stille. Habt ihr das gedacht?
Und doch, wer in den Tod sich stürzen soll,
Pflegt still zu sein, wenn er sich deutlich macht,
Daß alles fertig ist. Kein Lärm erscholl,
Der Eine dacht' an Freund' und Vaterhaus,
Der Andre malte sich sein Ende aus.
55.
Suwaroff selber war auf jedem Fleck,
Befehlend, musternd, drillend, spaßend, lehrend;
Er war ein Wunder, das behaupt' ich keck,
Sich selber in sein Gegentheil verkehrend,
Hanswurst und Held, halb Dämon und halb Dreck,
Erziehend, betend, plündernd und verherend,
Momus und Mars, und vor berannten Städten
Ein wahrer Harlequin in Epauletten.
[18]
56.
Auch heute noch übt' er Rekruten ein
(Der große Feldherr war zugleich Sergeant,)
Als ein Kosackenpulk, im Dämmerschein
Wie Sperber streifend, ein'ge Fremde fand,
Von denen einer russisch sprach, nicht rein, –
Viel war's, daß man ihn überhaupt verstand,
Sie sahn jedoch aus Worten, Stimm' und Wesen,
Daß er einmal ihr Kamerad gewesen.
57.
Sie gaben ihm auf seinen Wunsch Geleit,
Sammt seinen Freunden, in das Hauptquartier.
Sie trugen Türkentracht, jedoch das Kleid
Des Islam war nur Maskerade hier,
Und drunter stak verkappte Christenheit,
Die hin und wider ihre innre Zier
Austauscht um äußern Prunk, woraus Versehen
Der wunderbarsten Art gar leicht entstehen.
58.
Suwaroff, welcher eine Compagnie
Kalmücken just (im Hemde) exercirte
Und Späße trieb und Donnerwetter schrie,
Wie er des Tödtens edle Kunst docirte, –
Denn Fleisch war Dreck nach seiner Theorie,
Und dieser große Denker demonstrirte
Den schlichten Kriegern, Tod im Schlachtgebraus
Und Pensionirung komm' auf eins hinaus; –
59.
Suwaroff, als er jene Streifpartie
Mit ihren Fang sah, richtete sofort
Sein plump Gesicht und bohrend Aug' auf sie:
»Woher?« – »Constantinopel heißt der Ort.
Gefangne, just entsprungen, ich und die.« –
»Was seid Ihr?« – »Was Sie sehn.« – Sehr kurz war dort
Der Dialog. Der Sprecher kannte den,
Mit dem er sprach; drum ließ er sich nicht gehn.
[19]
60.
»Wie heißt Ihr?« – »Johnson, und mein Freund Juan.
Die andern Zwei sind Fraun. Der Dritte soll
Nicht Mann noch Frau sein.« – »Euer Name kann
Mir nicht ganz fremd sein.« sprach gedankenvoll
Der Chef; »der Andre ist ein neuer Mann;
Die drei da mitzubringen, das ist toll.
Schon gut. Ihr wart im Laufe dieses Jahres
Beim Nikolajew-Regiment?« – »Ich war es.«
61.
»Ihr wart bei Widdin?« – »Ja.« – »Und führtet an?« –
»So ist's.« – »Was weiter?« – »Das ist mir entgangen.« –
»Wart Erster auf dem Wall?« – »Dem ersten Mann
Zu folgen war mein eifriges Verlangen.« –
»Was folgte?« – »Eine Kugel warf mich dann
Auf meinen Rücken, und ich ward gefangen.« –
»So rächt Euch. Diese Stadt ist zweimal stärker
Als jene, wo Ihr saßt im Türkenkerker.«
62.
»Wo wollt Ihr dienen?« – »Zu Befehl.« – »Ich weiß,
Daß Ihr am liebsten bei der Tête seid.
Ihr wünscht gewiß, dem Feind die Hölle heiß
Zu machen, nach dem ausgestandnen Leid.
Was kann denn dieser junge Ehrenpreis
Mit glattem Kinn und sehr zerfetztem Kleid?« –
»Ei, General, wenn er sich schlagen kann
Wie lieben, dann muß er beim Sturm voran.« –
63.
»Wagt er's? Er soll's.« (Bei diesem Compliment
Verbeugte sich Juan.) »Durch höhres Fügen
Hat morgen Euer altes Regiment
Den Angriff zu eröffnen das Vergnügen,
Vielleicht schon heute Nacht. Beim Sacrament!
In Kurzem soll man eggen oder pflügen,
Wo Ismail jetzt steht, und Hack' und Rechen
Wird an Moscheen sich keinen Zahn zerbrechen.«
[20]
64.
»Und so zum Siege, Jungen!« – Sprach's und wandte
Sich um und drillt' im reinsten Russisch weiter,
Bis jedes Herz für Ruhm und Rubel brannte,
Als ob ein Prediger, ein gottgeweihter,
(Der alle Erdengüter eitel nannte,
Nur Zehnten nicht) aufriefe Christi Streiter
Wider die Heidenbrut, die aus Malice
Auf die Armeen der frommen Czarin schieße.
65.
Johnson entnahm aus dieser Plauderei,
Daß er in Gunst stand, und er mochte wagen
Den Feldherrn, der mit Lärmen und Geschrei
Bei seiner Kurzweil war, direct zu fragen:
»Ich danke sehr, daß man in erster Reih'
Zu sterben mir erlaubt, das muß ich sagen,
Indeß mein Freund und ich erführen nun
Gern unsern Platz, um unsre Pflicht zu thun.« –
66.
»Recht. Ich vergaß. Ich habe wenig Ruh'.
Das Regiment ist schon postirt, und Ihr
Schließt Euch nur an. He! Katskoff! führe du
(Hier rief er einen Unteroffizier,)
Dem Nikolajew-Regiment ihn zu.
Den fremden Junker lasset nur bei mir.
Der Jung' ist nett. Das Weibsvolk mag zur andern
Bagage oder zum Spitale wandern.«
67.
Hier aber gab's 'ne kleine Episode.
Die Damen waren gar nicht aufgelegt
Versandt zu werden nach so neuer Mode,
Obwohl der Harem nichts so sorglich pflegt
Wie jene höchst vortreffliche Methode,
Passive Folgsamkeit. Ganz aufgeregt
Warfen sie ihre Arm' in heller Wut,
Wie Hennen ihre Flügel um die Brut,
[21]
68.
Um dieses avancirte Ritterpaar,
Geehrt vom größten Feldherrn, welcher je
Die Höll' erfüllt mit todter Heldenschar
Und Landschaft oder Reich mit Gram und Weh.
O blinde Menschen! Thoren immerdar!
O stolzer Lorber! ebbelose See
Von Blut und Thränen fließt um deinen Baum,
Der unverwelklich ist und – nur ein Traum.
69.
Suwaroff gab auf Thränen nicht sehr viel,
Und Blut anlangend fühlt er nicht sehr zart;
Jedoch der Damen banges Mienenspiel
Und flatternd Haar erweckt' ihm eine Art
Gefühl. Wer Metzger ist im großen Stil,
Wird durch Gewohnheit gegen Völker hart;
Dagegen rührt ein einzeln steh'nder Schmerz
Auch Helden wohl, – Held war er, ohne Scherz.
70.
Er sprach im freundlichsten Kalmückenton;
»Was Teufel, Johnson, sollen Weiber hier?
Ich lasse sie mit aller Discretion
Zum Train geleiten. Sonst ist kein Quartier,
Das türkische Kanonen nicht bedrohn.
Gepäck wie dies – das glaubt' ich, wüßtet Ihr, –
Taugt nie. Rekrut, der eine Frau hat, bleibe
Im ersten Jahr der Ehe mir vom Leibe.« –
71.
»Erlauben Excellenz,« sprach unser Britte,
»Dies sind nicht unsre, sondern fremde Bräute.
Ich bin in meiner Waffenbrüder Mitte
Zu gut geschult, als daß ich plötzlich heute
Mit meiner Frau in Euer Lager schritte.
Ich weiß, daß nichts die Herzen tapfrer Leute
So sehr genirt an einem Schlachtenmorgen
Wie die Errinnrung an Familiensorgen.«
[22]
72.
»Die hier sind aber nur zwei türk'sche Damen,
Nebst Diener, die uns aus der Haft befreit
Und später Theil an unsern Nöten nahmen
In diesem etwas zweifelhaften Kleid.
Ich bin daran gewöhnt, sie aber kamen
Durch uns in häßliche Verlegenheit.
Drum bitt' ich, wenn ich sorglos fechten soll,
Behandelt sie ein wenig rücksichtsvoll.« –
73.
Die armen Mädchen standen unterdessen
Und weinten sich die armen Aeuglein rot,
Als wären sie verraten und vergessen.
Auch waren sie erstaunt, trotz ihrer Not:
Ein alter Mann, anscheinend halb besessen,
In schlechter Kleidung, ganz bespritzt mit Kot,
In bloßer West', und die nicht allzu rein,
Schien mächt'ger als der Sultan selbst zu sein!
74.
Von seinem Wink ward alles hier regiert,
Und da es nun im Orient System ist,
Daß sich der Sultan herrlich ausstaffirt
Mit reichem Schmuck, der äußerst unbequem ist,
Und wie ein kaiserlicher Pfau stolzirt,
(Der Vogelfürst, deß Schweif ein Diadem ist,)
In allen Pomp der Macht, so hielt dies Pärchen
Die Macht, die Pomp verschmähte, für ein Märchen.
75.
John Johnson gab auf seine Art sich Mühe
Zu trösten, ob er gleich nicht viel verstand
Vom Orient und wie sein Feuer glühe.
Juan, der weicher, zärtlicher empfand,
Schwor, daß er kommen wollte mit der Frühe,
Sonst soll' es schlimm ergehn dem Russenland!
Seltsam genug, dies tröstet ein'germaßen,
Denn Weiber lieben übertriebne Phrasen.
[23]
76.
Und schluchzend, küssend, mußten sie sich trennen,
Um abzuwarten das, was Menschenwitz
Vorsehung oder Zufall pflegt zu nennen,
Je wie die Kugel fliegt aus dem Geschütz.
Ein Segen, daß wir nicht die Zukunft kennen,
Die Hypothekenlast auf dem Besitz!
Die Männer rüsteten, um eine Stadt
Zu stürmen, die sie nie beleidigt hatt'.
77.
Suwaroff sah die Ding' im Groben bloß,
Da er zu grob war, um Details zu sehn;
Ihm war der Mensch nichts als ein Erdenkloß
Und Schrein verwaister Völker Windeswehn;
War der Erfolg nur sein, der Sieg nur groß,
Dann fragt' er nach dem Schicksal der Armeen
Nicht mehr als Hiobs Weib nach Hiobs Beulen;
Was waren ihm zwei Mädchen, welche heulen?
78.
Gar nichts. Das Werk des Ruhms schritt lustig fort,
Die Rüstungen zu einer Kanonade,
Furchtbar wie die von Troja, wenn das Wort
Kanone vorkäm' in der Iliade.
Wir singen heut, anstatt von Hektors Mord,
Von einer höchst modernen Escalade,
Blei, Bomben, Breschen, Batterien, Haubitzen, –
Blitzwörter, die der Mus' im Hals festsitzen.
79.
O ewiger, unsterblicher Homer!
Der jedes Ohr und selbst das längste rührt,
Bloß weil du mit dem Dichterarme Wehr
Und Waffen schwingst, die jetzt kein Mensch mehr führt,
(Es sei denn, Pulver wirke nicht so sehr,
Wie mancher Hof hofft, der jetzt Angst verspürt
Und junge Freiheit tribulirt auf Erden;
Indeß die Freiheit wird kein Troja werden.)
[24]
80.
O ewiger Homer! der eine Tag,
Den ich nunmehr zu schildern hab', erschlug
Mit schlimmrem Mordwerkzeug und raschrem Schlag
Mehr Menschen als dein ganzer Griechenzug.
Ich weiß wohl, daß ich's dir nicht gleichthun mag,
Mit dir sich messen wollen, wär' so klug,
Als mäß' ein Bach sich mit des Weltmeers Flut,
Wohl aber thun wir's euch noch gleich an Blut;
81.
Thatsächlich wenigstens, wenn nicht poetisch,
Und Wahrheit ist das Theil, das ich erwähle;
Sie muß das Ganze tragen, wenn ästhetisch
Die Muse auch verziert, was ich erzähle.
Doch nun beginnt der Sturm! nun wird's pathetisch!
Ihr Seelen ruhmgekrönter Generäle,
Appoll sitzt auf der Lauer, um mit euern
Depeschen seine Strahlen blank zu scheuern.
82.
O großer Bulletinstil Bonaparte's!
O lange (minder große) Todtenlisten!
O Geist Leonidas, du Schirmer Sparter's
Vor Geiern, wie sie noch in Hellas nisten!
O Commentare Cäsars! euer zartes
Verblichnes Dämmerlicht, ihr Coloristen
Des Ruhms, borgt meiner Muse jetzt für ihre
Beschreibungen, daß sie mich nicht blamire.
83.
»Verblichen« nenn' ich euren Glanz im Kriege;
Ach jede Periode, jedes Jahr
Muß irgend einen Helden in der Wiege
Groß füttern, traurig ist es, aber wahr;
Und zieht man einst die Summ' all seiner Siege
Für Menschenglück, so findet man, er war
Ein großer Schlächter, welcher junge Thoren
So blendete, daß sie den Kopf verloren.
[25]
84.
Rang, Orden, Bänder, Scharlach, Achselschnur
Dünkt dem erhabnen Menschengeist erhaben,
Wie Purpurpracht der babylon'schen Hur'.
Was Fächer für die Weiber, ist für Knaben
Der bunte Rock. Steckt Bauern in Montur,
So glauben sie dem Ruhm voran zu traben.
Indessen Ruhm bleibt Ruhm, wie jedes Kind sieht,
Und Ruhm ist? – fragt das Ferkel, das den Wind sieht.
85.
Und sieht's ihn nicht, so fühlt's ihn doch und rennt
Recht wie ein Schwein vor ihm durch Dünn und Dick,
Oder – wofern ihr ungern Schweine nennt –
So sagt, es schwalkt vor ihm wie eine Brig,
Ein Schuner, ein – – Doch hier ist ein Moment,
Wo meine Muse einen Augenblick
Ruhn muß. Im nächsten Canto wird sie stürmen
Wie Feuerglockenschall von Dorfkirchthürmen.
86.
Horch! durch die stille, kalte, bange Nacht
Den leisen Marsch der Truppen, Corps auf Corps!
Sieh, dunkle Massen schleichen drüben sacht
Den Wall entlang und durch das Ufermoor!
Und der Gestirne halb verhüllte Pracht
Blinzt ängstlich durch den feuchten Nebelflor,
Der wunderlich sich kräuselt; schwärzer, dichter
Bedeckt bald Höllenqualm die Himmelslichter.
87.
Hier mach' ich Halt, – so wie auch dort jetzt eben
Die bange Pause zwischen Tod und Sein
Die Herzen rührt mit ahnungsvollem Beben,
Denn Tausend' atmen letzten Odem ein.
Ein Augenblick – und rings ist wieder Leben,
Der Marsch, der Sturm, der Kampfruf der Partein,
Hurrah! und Allah! – ein Moment danach
Der Todesschrei ersäuft im Schlachtgekrach!
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