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1.
Als Newton einen Apfel fallen sah,
Fand er in diesem Apfel, (wie es heißt,
Verbürgen kann ich's nicht,) er fand allda
Die Formel, die aufs deutlichste beweist,
Daß diese Welt (man nennt es »Schwerkraft« ja)
In einem Wirbel ganz natürlich kreist;
Der erste Mensch seit Adam, dem's auf Erden
Gelang durch Fall und Apfel groß zu werden.
2.
Mit Aepfeln fiel der Mensch und stieg mit ihnen,
Wenn's wahr ist. Denn die Kraft in Newtons Hirne,
Die Straßen fand, wo Straßen nie erschienen,
Durch damals ungepflasterte Gestirne,
Muß uns zum Trost in unserm Elend dienen.
Denn schwanger ist seitdem des Menschen Stirne
Von allerlei Mechanik; nächstens thront
Er mittelst Dampfkraft oben auf dem Mond.
3.
Und dies Exordium, was soll es? – Just,
Wie ich dies lumpige Papier mir hole,
Fühl' ich ein stolzes Feuer in der Brust,
Mein Geist in mir macht eine Capriole.
Ich stehe tiefer, bin's mir auch bewußt,
Als solch ein Mann, der Sterne, Axen, Pole
Ausmißt und fährt dem Winde ins Gesicht;
Doch thät' ich Gleiches gern durch mein Gedicht.
[91]
4.
Ich fahr' dem Wind' auch ins Gesicht; für Sterne
Ist allerdings mein Telescop zu matt,
Doch segl' ich mindestens in weiter Ferne
Vom vielbetretnen Strand; an dessen Statt
Streift' ich das Meer der Ewigkeiten gerne.
Leicht ist mein Boot, doch fährt es scharf und glatt
Durch Brandungsdonner, und wer weiß? es hält
Sich flott vielleicht, wo manches Schiff zerschellt.
5.
Das Glück Juans, wie wir zuletzt gesehn,
War blühend, wenn vorerst auch noch nicht rot;
Und übel würd' es meinen Musen stehn,
(Denn mehr als eine Muse trägt mein Boot,)
Ihm weiter als zum Thronsaal nachzugehn.
Genug, Fortuna fand ihn frei von Not,
Voll Jugend, Schönheit, Kraft und allen Dingen,
Die manchmal stutzen des Genusses Schwingen.
6.
Indeß sie wachsen nach, er flieht von hinnen.
»O daß ich flöge,« seufzet der Psalmist,
»Auf Taubenflügeln, Ruhe zu gewinnen!«
Und wer die jungen Jahre nicht vergißt,
Auch wann er grau und alt ist, stumpf von Sinnen,
Mit einer Phantasie, die gichtig ist,
Würd' er die Seufzer seines ältsten Knaben
Nicht lieber als Großvaters Husten haben?
7.
Doch Seufzer schwinden, Thränen trocknen ein,
Selbst Witwenthränen, wie des Arno Flut
Im Sommer, wann er, schmal und seicht und klein,
Beschämt des Winterstroms gelbbraune Wut.
Ein Monat ändert viel! Gram hat den Schein
Wie reicher Acker, der nie müßig ruht;
Auch thut er's nicht, die Pflüger wechseln nur
Und furchen neuer Glückssaat neue Flur.
[92]
8.
Auf Seufzer folgt der Husten; oft, noch eh'
Die Seufzer schweigen, fängt er an zu plagen,
Wann noch die Stirnen glat sind wie ein See,
Eh' noch die Uhr des Lebens Zehn geschlagen.
Dann glühn die Wangen hektisch wie der Schnee
Der Berg' an fast entschwundnen Sommertagen,
Und Tausende mit so verklärten Mienen
Glühn, lieben, hoffen, sterben, – wohl ist ihnen!
9.
Zu sterben war Juan nun nicht gesonnen;
Er stand im Focus solcher Herrlichkeit,
Wie sie durch Gunst des Mondes wird gewonnen
Und Weibergunst. Sie währt nicht lange Zeit,
Mag sein, – doch wer verschmäht die Junisonnen,
Bloß weil es im December künftig schneit?
Im Gegentheil, hofirt dem Sonnenschein
Und sammelt Wärme für den Winter ein.
10.
Auch hatt' er Gaben, für gereifte Damen
Noch mehr als für die jüngre Brut pikant;
Die Henn' ist schlau, das Küchlein kennt den Namen
Der Liebe meistens nur aus einem Band
Gedicht' und Träumen (auch der Traum spielt Dramen)
Von jenem Himmel, wo die Lieb' entstand.
Man rechnet Weiber nach den Sonnenjahren,
Nach Monden wär' ein besseres Verfahren.
11.
Warum? Der Mond ist keusch und wechselt gern,
Sonst wüßt' ich keinen Grund, und also bleibt
Mit eurem hastigen Verdacht mir fern,
Ihr, die ihr vorzugsweis' an mir euch reibt,
Was »nicht Geschmack noch Maß« verrät, ihr Herrn,
Wie mit so viel Applomb Freund Jeffrey schreibt:
Na, ihm vergeb' ich, er wird hoffentlich
Sich selbst verzeihn, und will er nicht, muß ich.
[93]
12.
Wenn alte Feind' einander 'mal verzeihn,
So sei's auf immer! das ist Ehrensache;
Rückkehr zum Haß würde unverzeihlich sein,
Flieht ihn wie Knoblauch! lange Beine mache
Und lange Arme mach' er obendrein,
Ich laufe schneller doch als er und lache.
Ein alter Schatz, ein neues Weib mag hassen,
Bekehrte Feinde sollen's bleiben lassen.
13.
Das wär' der schlimmste Abfall: – Renegados,
Selbst Southey, der die Lüge incarnirt,
Schließt kaum sich wieder an die »Reformados«,
Seit er im Schweinestall des Hofs logirt.
Kein Ehrenmann von Island bis Barbados,
In Welschland nicht, in Schottland nicht, lavirt
Mit jedem Wind und zeigt euch gleich die Krallen,
Sobald ihr aufgehört habt zu gefallen.
14.
Der Kritiker und der Jurist gewahrt
Von Kunst und Leben stets die schlimmste Ader;
Gesehn wird alles, wenn nicht offenbart,
Beim Fegen dieser Doppelflur voll Hader.
Der Durchschnittsmensch macht blind die Pilgerfahrt,
Der Anwalt aber, wie der Stahl der Bader
Secirt das ganze Innre jedes Falles,
Herz, Nieren, Digestionsprozeß und alles.
15.
Juristen sind moral'sche Schornsteinfeger,
Sich ex officio mit Ruß beschmutzend,
Und ihre Farbe gleicht darum dem Neger.
Ob auch mit allerreinstem Hemd sich putzend,
Sie bleiben schwarz wie jene Besenträger
(So wenigstens sind ihrer elf vom Dutzend)
In allem ihrem Thun; du nicht, fürwahr!
Wie Cäsars Toga trägst du den Talar.
[94]
16.
All unsre kleine Feindschaft, mindstens meine,
Mein Jeffrey! einst mein Feind, und wohl ein schlimmer,
(Als noch Kritik und Reim' uns im Vereine
Zu solchen Puppen machte,) schwand für immer.
Ein Hoch der »alten Zeit« in diesem Weine!
Ich sah dich nie und seh' vielleicht dich nimmer,
Jedoch du handeltest recht brav an mir,
Und hier aus vollem Herzen sag' ich's dir.
17.
Und floß von »alter Zeit« hier etwas ein,
So gilt's nicht dir, ich sag' es mit Bedauern;
Bei Gott, ich tränk' am liebsten meinen Wein
Mit dir und Scott in euren stolzen Mauern.
Nein, – alles dies soll gar nicht geistreich sein, –
Mich überkömmt schuljungenhaftes Trauern, –
Halb schottisch von Geburt, schottisch erzogen,
So ist das Herz dem Kopfe nachgeflogen.
18.
Die »alte Zeit« bringt mir mein schottisch Land,
Tartan und blaue Höhn und klare Fluten,
Dee, Don, Balgounie's schwarze Brückenwand,
All meine Knabenträum' und Sehnsuchtsgluten,
Gekleidet in ihr eignes Grabgewand,
Wie Banquo's Enkel. Durch die Seele fluten
Die Tage meiner Kindheit, – kindisch Leid
Mag's sein, es ist ein Schimmer »alter Zeit.«
19.
Und wenn ich auch, du weißt es, in der Hitze
Der Rach' und Reimeslust, noch jung und heftig,
Auf Schotten schalt, verlockt von raschem Witze,
Der sehr empfindlich war und sehr geschäftig,
Es half mir nichts: trotz aller meiner Blitze
War das Gefühl der Kindheit doch zu kräftig;
Der Schotte stak mir selbst zu tief im Blut,
Ich lieb' es noch, »das Land der Berg' und Flut.«
[95]
20.
Juan, der in Idee und Wirklichkeit, –
Das läuft auf eins hinaus, denn was ihr denkt,
Bleibt, wann ihr Denker wen'ger wirklich seid
Als was ihr dachtet. Geist wird nicht versenkt
Und wehrt sich gegen's Fleisch in tapfrem Streit,
Obwohl man sich verblüfft fühlt und beschränkt
Am Saume dessen, was man »Jenseits« nennt,
Und einsieht, daß man nichts als Nacht erkennt: –
21.
Juan ward Russe, ein polirter Russe,
Wie sag' ich nicht, ihr sagt euch selbst weswegen.
Ein junges Herz stemmt sich dem starken Flusse
Der Anfechtung nur selten stark entgegen,
Und seine lud so lockend zum Genusse
Wie ein bequemes Bett zum Niederlegen.
Tanz, Mädchen, Feste, Rubel machten wonnig
Das Eis des Nordens und den Winter sonnig.
22.
Die Gunst der Czarin mocht' ihm wohl behagen,
Und war sein Dienst auch manchmal schwer, so schien er
Doch leicht für einen jungen Mann zu tragen.
Er grünte wie ein Baum, ein wohlgediehner,
Für Liebe, Krieg und Ruhm gleich gut beschlagen,
Ruhm, Lieb' und Krieg, die ihre Lieblingsdiener
Belohnen, bis das Alter in das Thor zieht,
Das meistentheils die Landesmünzen vorzieht.
23.
Ich fürchte, daß Juan um diese Zeit,
Von Jugend und Verführungen bestrickt,
Ein bischen locker ward. Es thut mir Leid,
Weil dies die frischeren Gefühl' erstickt,
Und außerdem weil schwache Menschlichkeit
Verschiedne Laster gar zu leicht verquickt;
Der Trieb der Selbstsucht wächst, verschlossen haust er
In unsrer Brust und macht das Herz zur Auster.
[96]
24.
Dies übergehn wir. Wozu wollt ihr klar
Das Schauspiel, das gewöhnlich sich begiebt, sehn,
Wann wir ein ungleich assortirtes Paar,
Leutnants von einer Kaiserin geliebt sehn,
Die zwar nicht alt ist, aber jünger war
Im königlichen Schmuck der süßen Siebzehn.
Das Alter kehrt sich nicht an Potentaten,
Und Runzeln sind verdammte Demokraten.
25.
Und Tod, der Fürst der Fürsten und desgleichen
Der Gracchus alles Fleisches, nivellirt
Durch sein agrarisch Recht das Gut des Reichen,
Der schwelgt und schwärmt und tanzt und triumphirt,
Zu einem Rasenplätzchen, das erst Leichen
Zum Dünger braucht, wo auch der Strolch logirt,
Der nie ein Fleckchen Erde sein genannt, –
Der Tod ist als Reformer weltbekannt.
26.
Er lebte (nicht der Tod, Juan) in Jubel
Und Saus und Braus und Pracht und Pomp und Flitter,
Im schönen Land der Bärenpelz' und Rubel.
Der Pelz guckt immer (ungern werd' ich bitter)
Durch Seid' und Purpur beim geringsten Trubel
Und stört im Auge unbefangner Dritter
Den Scharlachprunk, der auch für Babylon
Mehr paßt als für die Hur' auf Rußlands Thron.
27.
Dies Stadium schildr' ich nicht. Ich thät' es gern,
Nach der Erinnrung oder Hörensagen;
Doch Dante's »finstrer Wald« ist nicht mehr fern,
Die böse Sonnenwend' in unsren Tagen,
Das Haus auf halbem Weg, wo kluge Herrn
Den alten Postgaul vor dem Lebenswagen
Sacht angehn lassen, bis zur Seufzerbrücke
Des Alters, wo man Abschied nimmt vom Glücke.
[97]
28.
Ich will nicht schildern, will auch nichts erläutern,
Wenn nur der Trieb dazu sich bänd'gen läßt;
Er hält mich, wie sich junge Wölf' an Eutern
Festsaugen, durch dies Thal der Rätsel fest,
Verwächst mit mir, wie Fels mit Sodakräutern
Und wie ein Kuß mit Lippen, die er preßt
Zum ersten Trunk; trotzdem, ich will auf Erden
Nicht Philosoph, ich will gelesen werden.
29.
Der Hof hofirt' ihm, – eine Seltenheit.
Zum Theil verdankt er's seiner Jugendblüte,
Zum Theil dem Rufe seiner Tapferkeit
Und dem bewiesnen Vollbluthengstgeblüte;
Viel Wirkung that auch jedes neue Kleid,
In welchem seine Schönheit prächt'ger glühte,
Wie Sonn' im Wolkenpomp; die meiste Schuld
Trug aber eines alten Weibes Huld.
30.
Er schrieb nach Haus an seine Freundeskreise,
Und da sie sahn, daß er in guter Lage,
Für sich und für Cousins die besten Preise
Zu fischen, schrieben sie am selben Tage.
Verschiedne rüsteten sich schon zur Reise
Und aßen Eis und sagten, daß man sage,
Daß, wenn man nur an Pelzwerk nicht zu arm sei,
Madrid und Moskau ungefähr gleich warm sei.
31.
Auch Ines, seine Mutter, da sie fand,
Daß, statt zu ziehn auf seinen Banquier,
Bei welchem sein Guthaben stark verschwand,
Sein Spesenconto hübsch zu Anker geh',
Schrieb ihm, er habe Sünd' und eitlen Tand
Jetzt hinter sich, wie sie mit Freuden seh';
Denn wahre Weisheit zeige sich im Leben,
Wenn einer lerne wenig auszugeben.
[98]
32.
Sie wünschte, Gott, nicht minder Gottes Sohn
Und Gottes Mutter mög' ihm gnädig sein;
Sie warnt' ihn vor der griech'schen Confession,
Bat ihn jedoch, den äußern Abscheu fein
Zu mäßigen, denn das sei guter Ton;
Sie schrieb, er hab' ein kleines Brüderlein
Aus zweiter Eh', und pries insonderheit
Der Czarin »mütterliche« Zärtlichkeit.
33.
Zu loben sei es in dem höchsten Maße,
Daß sie den jungen Männern Huld erzeige;
Ihr Alter und noch mehr die nord'sche Race
Und Klima mache, daß Verleumdung schweige.
In Spanien freilich wär' es außerm Spaße,
Dort aber, wo der Frost auf zwanzig steige,
Ja bis auf dreißig Grad, da sicher müsse
Die Tugend schwerer aufthaun als die Flüsse.
34.
O Vierzig-Pfarrer-Kraft! um dir zum Ruhme
Zu singen, Heuchelei! O einen Chor,
Laut wie du selbst mit deinem Christenthume!
O Weltgerichtsposaunen! oder Ohr-
Trompete meiner guten alten Muhme!
Die, als die Brille ihre Kraft verlor
Und ihr der heil'ge Druck zu dunkel ward,
Noch Trost einsog auf jene andre Art.
35.
Sie heuchelte doch nicht, die gute Tante;
Sie ging zum Himmel schlicht wie je ein Christ,
Den je das Buch der Auserwählten kannte,
Das Buch, wonach man einst die Güter mißt
Im Himmel, ähnlich wie das sogenannte
»Gerichtsbuch« des Erobrers Wilhelm ist;
Bekanntlich macht' er ja für seine Ritter
An sechzigtausend Lehn' aus Aeckern Dritter.
[99]
36.
Ich kann mich nicht beklagen: mein Geschlecht
Erneis, Radulphus, nahm mehr oder minder
An funfzig Höfe – (doch ich rechne schlecht) –
Als Löhnung an von Bill dem Ueberwinder
Nun muß ich eingestehn, es war nicht recht
Die Sachsen auszuziehn nach Art der Schinder;
Indeß sie bauten Kirchen von der Beute
Und waren folglich liebe fromme Leute.
37.
So blühte denn Juan; doch im Geheimen
Fühlt' er sich wie die Blume, welche bebt
Vor der Berührung, wie ein Fürst vor Reimen,
(Es sei denn, daß ihr Southey's Reim' ihm gebt.)
Vielleicht mocht' Heimweh nach den Landen keimen,
In denen Stromeis nicht bis Maitag lebt;
Vielleicht auch mocht' er in den souveränen
Gewalt'gen Armen sich nach Schönheit sehnen.
38.
Vielleicht – – doch kein Vielleicht. Was quäl' ich mich
Um Gründe jung und alt? Der Krebswurm nährt
Auch an der frischen, jungen Wange sich,
Wie er der welken letzten Rest verzehrt.
Frau Wirtin Sorge bringt uns wöchentlich
Die Rechnung und, trotz unsres Zorns, begehrt
Ihr Geld; man hat vielleicht sechs gute Tage,
Der siebte aber bringt Fordrung und Klage.
39.
Ich unterdrücke meine Hypothesen;
Kurz, er ward krank und Katharina bange.
Ihr Arzt (er war auch Peter's Arzt gewesen)
Erklärt', in seines Pulses wildem Gange,
So lebhaft er auch sei, den Tod zu lesen
Und ein Symptom von fieberhaftem Hange.
Darob erschrak die Kaiserin noch heftiger,
Der Hof ward aufgeregt, die Mittel kräftiger.
[100]
40.
Dumpf war das Flüstern, vielfach die Erklärungen:
Man raunte von Potemkin und Vergiften,
Man sprach sehr weise von gewissen Schwärungen,
Erschöpfung, allem, was gelehrte Schriften
Von Säften melden oder deren Gährungen,
Die mit dem Blut zu gern ein Bündniß stiften.
Dagegen schworen Andre fest, es liege
An den Strapazen bloß im letzten Kriege.
41.
Wie, wenn ich eins von den Recepten annäh'?
»Sodae sulphat. z iij. i.j. sennae haust:
Aq. fervent. f. z iss. z tinct. Mannae
Optim.« (Hier schröpft ihn des Chirurgen Faust.)
»Px Pulv. Com. gr. iij. Ipecacuanhae«
(Ist es zu wundern, wenn's den Aermsten graust?)
»Bolus Potassae sulphuret. sumendus
Et haustus ter in die capiendus.«
42.
So bringt der Doctor Leben oder Tod
Secundum artem: der Gesunde neckt
Und höhnt ihn, aber in der Zeit der Not
Ruft er nach ihm, da wird der Spott Respect.
Wann jener traurige »hiatus« droht,
Den Scheit und Karst mit Schollen einst verdeckt,
Dann, statt den Lethe still hinabzugleiten,
Macht man den Aerzten erst Weitläufigkeiten.
43.
Juan blieb taub bei dieser Kündigung;
Obwohl der Tod an Zwangsvollstreckung dachte,
Blieb unser Freund am Platz, denn er war jung,
Was denn die Aerzt' auf andre Wege brachte.
Doch war sein Zustand zart, nur Dämmerung
Der Blüte, die vordem so lustig lachte,
Zuckt' auf den hohlen Wangen, und die weisen
Ratgeber sagten ihm, er müsse reisen.
[101]
44.
Das kalte Klima, warnte ihre Stimme,
Droh' ihn, den Sohn des Südens, umzubringen.
Die keusche Czarin war in ein'gem Grimme,
Denn Trennung haßte sie vor allen Dingen;
Doch als sie sah, wie matt sein Blick verglimme,
Gleich dem des Adlers mit gestutzten Schwingen,
Beschloß sie seine schickliche Verwendung
Zu einer seiner Stellung würd'gen Sendung.
45.
Es schwebten just gewisse Discussionen
Der brittischen und russischen Regierung
Um Protokolle oder Conventionen,
Geführt mit der gehör'gen Chicanirung,
Die Brauch ist zwischen großen Nationen.
Man stritt um Ostseeschiffahrt, Tarifirung,
Talg, Thran und Leder und das Recht der Thetis,
Das England festhält »uti possidetis«.
46.
Die Czarin, die es wundervoll verstand
Günstlinge zu versorgen, gab dies schwere
Geschäft dem jungen Freund. Er ward ernannt
Ihm selbst zum Lohn und »Unsrem Hof zur Ehre«,
So dachte sie. Er küßte ihre Hand,
Empfing für sein Piquetspiel Rat und Lehre,
Ward überhäuft mit Gaben aller Arten,
Die Katharina's Scharfblick offenbarten.
47.
Indeß sie hatte Glück, und Glück ist Macht.
Die Herscherinnen haben meistens Glück,
Gott weiß, warum Fortuna das so macht.
Doch weiter jetzt. Sie war in einem Stück
Noch völlig Backfisch, äußerst leicht entfacht,
Und hielt die Würd' auch lauten Schmerz zurück,
So grämte sie sich doch um ihren Schatz
Und dacht' im Anfang gar nicht an Ersatz.
[102]
48.
Doch Zeit bringt Trost, und vierundzwanzig Stunden
Und von Bewerbern doppelt diese Nummer
Erleichterten die kaiserlichen Wunden,
Und nächste Nacht genoß sie sanften Schlummer.
Sie war ja nicht zu rascher Wahl verbunden,
Die große Anzahl macht ihr keinen Kummer;
Sie hielt den Platz noch offen bis zu reifer
Erwägung, auch als Sporn für ihren Eifer.
49.
Indeß dies hohe Ehrenamt vacirt,
(Zwei Tage,) steig, o Leser, in den Wagen,
In welchem unser Held hinweg kutschirt
Von Petersburg. Er hat in frühren Tagen,
Mit kaiserlichem Wappenschild geziert,
Die schöne Autokratin selbst getragen,
Als sie gen Tauris zog wie Iphigenie;
Jetzt trug er ihren Liebling und dasjenige,
50.
Was dieser Liebling liebte. Mit ihm fuhr
Ein Fink, ein Hermelin, ein Bullenbeißer;
Juan hatt' eine Schwäche von Natur,
(Den wahren Grund erläuter' euch ein Weiser,)
Er liebte die lebend'ge Creatur,
Die Andre »Vieh« betiteln. Inn'ger, heißer
Liebt keine alte Jungfer Mops und Staar,
Obwohl er weder alt noch Jungfer war.
51.
Die Thiere saßen mit in seiner Kutsche;
Lakain und Schreiber gaben das Geleite
In andern Wagen. In Juans Barutsche
Saß Leila auch, das Kind, das er befreite
In Ismail bei jenem großen Putsche.
Wild wechselt meine Muse Sait' um Saite,
Doch nie vergißt sie jenes Kinderseelchen,
Das er beschirmt', ein lebendes Juwelchen.
[103]
52.
Das arme Ding! so schön und so docil,
Von jenem sanften Ernste, der so selten
Auf dieser Welt ist wie ein Menschfossil
Unter den Mammuthresten alter Welten.
Schlecht paßte solche Unschuld in das Spiel
Der großen Welt, wo List und Stärke gelten;
Indeß sie war zehn Jahr' erst und darum
Sehr ruhig, und sie wußte nicht warum.
53.
Sie liebte Juan, er liebte Leila, wie
Nicht Schwester, Tochter, Bruder, Vater lieben.
Nein, diese Liebe – – wie erklär' ich sie?
Er war zu jung, um väterlichen Trieben
Das Herz zu öffnen, und die Sympathie
Des Bruders war ihm unbekannt geblieben;
Er hatte keine Schwester, – hätt' er eine,
Er hätte sie vermißt, wie ich die meine.
54.
Noch wen'ger aber war es Sinnenglut.
Er war ja keiner von den alten Gecken,
Die gern mit saurer Frucht das Salz im Blut
(Wie schlummernd Alkali durch Säuren) wecken.
Zwar seine Keuschheit war (dies hohe Gut
Hängt von Planeten ab) nicht frei von Flecken,
Jedoch im Grunde seines Herzens saß
Platon'sche Reinheit, – was er nur vergaß.
55.
Hier war Versuchung völlig abgewandt;
Er liebte dieses Kind, das er gerettet,
Wie Patrioten (dann und wann) ihr Land.
Sie wär' ohn' ihn in Knechtschaft jetzt gekettet,
Sie ward vielleicht einmal von seiner Hand
Sanft in der Kirche heil'gen Schooß gebettet;
Nur eins war schlimm, die kleine Türkin brach
Hartnäckig ab, wenn man von Taufen sprach.
[104]
56.
Seltsam, daß dieser Eindruck noch so kräftig
Nach solchen Blut- und Schreckensscenen blieb.
Drei Bischöf' eiferten und schrien geschäftig,
Doch sie gewann Weihwasser nimmer lieb
Und schwärmt' auch für die Beichte nicht sehr heftig.
Vielleicht weil sie nichts Beichtenswertes trieb.
Kurzum, man pocht' an ein verschlossen Thor an,
Sie blieb bei ihrem Mahomed und Koran.
57.
Sie litt nur einen von den Christenscharen,
Das war Juan. Er macht' ihr alles gut,
Was sie verlor, was Freund' und Heimat waren.
Ihm war sie theuer, weil in seiner Hut.
Seltsames Paar! Der Vormund grün von Jahren,
Das Mündel nicht durch Alter noch durch Blut
Mit ihm verknüpft; doch eben dies Verschwinden
Jeglichen Bands mocht' inn'ger sie verbinden.
58.
Durch Warschau ging's, wo sich der Weg einherzog
An salz'gen Minen und an eh'rnen Jochen
Durch Curland auch, wo sich ein Narr von Herzog
Den argen Namen »Biron« zugesprochen.
Dies ist das Land durch welches Frankreichs Heer zog,
Gen Moskau, um in wen'gen kurzen Wochen
Die zwanzigjähr'gen Siege zu verlieren
Sammt seinen alten Gardegrenadieren.
59.
Denkt nicht, dies sei ein Antiklimax. »Weh
Um meine Garde!« rief der Gott von Thon.
Dem Carotidenschneider Castlereagh,
Das malt euch aus, erlag des Donnrers Thron.
Ach, daß auch Ruhm erfrieren kann im Schnee;
Doch sucht' ihr Wärm' in Polens Region,
Da ist Kosciusko's Name, welcher auch
Durch Eis noch flammt, wie Hekla's glühn'der Bauch.
[105]
60.
Sie reisten weiter. Preußen folgt auf Polen;
Da liegt die Hauptstadt Königsberg, bekannt
Durch etwas Eisen, Kupfer, Bretter, Bohlen
Und kürzlich durch den großen Denker Kant.
Juan indessen dachte, Gott befohlen,
Philosophie! und fuhr durchs träge Land
Der Deutschen, wo die Fürsten auf dem Throne
Weit besser spornen als die Postillone.
61.
Und durch Berlin und Dresden und noch mehr,
Bis an die burggekrönte Flut des Rheins.
Ihr gothischen Scenen wundervoll und hehr,
Wie greift ihr an das Herz, sogar an meins!
Mooswände, graue Thürm', ein rost'ger Speer, –
Vorzeit und Gegenwart verschwimmt in eins,
Die Grenze zwischen beiden scheint versunken,
Und drüber schwebt die Seele, – halbbetrunken.
62.
Juan kutschirte über Mannheim, Bonn, –
Da dräut der Drachenfels wie ein Gespenst
Der guten alten Ritterzeit, wovon
Du, Leser, nur – Gott Lob! – den Namen kennst.
In Köln sodann besah sich unser Don
Ein Schauspiel, das du wohl mit Ehrfurcht nennst,
Elftausend Jungfernschaften, all' in Knochen,
Die größte Zahl von der je Fleisch gesprochen.
63.
Von da nach Holland, Haag und Helvoetsluys,
Ins Wasserland mit Schleusen, Gräben, Deichen,
Ins Land wacholderduftigen Gebräus,
Das arme Leut' emporhebt zu den Reichen.
Der Staat verdamm' es und der Weise scheu's,
Doch bleibt es hart, dem Volk ein Gut zu streichen,
Das ihm in Folge milder Herrschaft jetzt
Zu oft nur Kleidung, Feurung, Fleisch ersetzt.
[106]
64.
Da ging's zu Schiff und tanzend durch die Wogen
Trug sie der Wind zum freien Inselreich,
Als sei er ungeduldig. Segel flogen,
Schaum spritzte, Passagiere wurden bleich.
Juan inzwischen, für die See erzogen
Durch frühre Reisen, blieb auf Deck sogleich
Und zählte die vorüberfliehnden Schiffe
Und spähte nach dem ersten Glanz der Riffe.
65.
Am Ende stieg sie auf, die weiße Wand,
Aus blauer See und er empfand sofort,
Was mancher junge Fremdling schon empfand
Vor Albions kreideweißem Felsenbord,
Stolz, so zu sagen, einzugehn ins Land
Der trotz'gen Krämer, die von Süd bis Nord
Mit Waaren und mit Machtgeboten handeln
Und selbst das Meer in Zollgebiet verwandeln.
66.
Ich habe wenig Grund, dies Stück der Welt,
Das mir kaum mehr als Leben gab, zu lieben,
Und das den Stoff zum größten Volk enthält.
Doch ist mir Ehrfurcht, Schmerz ist mir geblieben
Für seinen alten Ruhm, der jetzt verfällt.
Die Jahr' im Ausland, die bekannten sieben
Der Deportation, curiren Groll,
Wenn unser Land zum Teufel gehen soll.
67.
O könnt' es doch recht klar und wahr erkennen,
Wie seinen großen Namen Haß verzehrt,
Wie alle Völker auf die Stunde brennen,
Der seine Brust bloß legen wird dem Schwert,
Wie alle Land' es Feind und Todfeind nennen,
Schlimmer als Feind, den Freund, den sie geehrt,
Den falschen Freund, der Freiheit erst verheißt
Und dann sie ketten möchte, Leib und Geist.
[107]
68.
Will der sich stolz mit seiner Freiheit blähn,
Der nur der erste Sklav ist? Alles Land
Trägt Fesseln, doch den Schließer, was trifft den?
Auch er ist an Verlies und Schloß gebannt.
Das arme Recht den Schlüssel umzudrehn
Im Kerker, ist das Freiheit? Beiden schwand
Die Luft des Himmels und der Erde Güter,
Dem Kettenträger, wie dem Kettenhüter.
69.
Juan erblickte Albions erste Zier,
Dich, theures Dover! Rhede, Riff, Hotelwirt,
Dein Zollamt, auch ein liebliches Revier,
Die Kellner, die so rennen, wann geschellt wird,
Dein täglich, Postschiff, dessen Passagier
Zuerst an Bord und dann an Land geprellt wird;
Und schließlich sie, die Fremd' in Schrecken stürzt,
Die lange, lange Rechnung, die nichts kürzt.
70.
Juan, der junge, noble, königliche,
Der Reichthum, Rubel, Diamanten strahlte,
Und von der Zeche nicht so leicht was striche,
War diesmal doch verblüfft; indeß er zahlte.
Sein Majordomo, ein geriebner Grieche,
Verlas das Blatt, das so ins Große malte.
Indeß die Luft ist, wenn nicht aufgeklärt,
Doch frei, und schon das Atmen Geldes wert.
71.
Vorwärts nach Canterbury! Fliege! rolle!
Trapp trapp auf Kies, klatsch klatsch durch Pfütz' und Tümpel!
Hurrah! wie saust die Post, die wundervolle!
Nicht wie in Deutschland, wo ein träger Lümmel
Uns fährt, als ob er uns begraben wolle,
Und ewig still hält und sich stärkt mit Kümmel;
Halunken, die »Hundsfott«, »Vermaledeiter«
So wenig rührt wie Blitz den Blitzableiter.
[108]
72.
Nichts macht das Herz so leicht, so frisch den Sinn,
Nichts wärmt das Blut (gleichwie Cayenn' im Magen),
Wie sausender Galopp, – gleichviel wohin,
Nur hurtig, nur geschwind, – wer wird noch fragen?
Die bloße Schnelligkeit ist schon Gewinn.
Je wen'ger Grund man hat, so toll zu jagen,
Je größer ist der Spaß, wenn man den wahren
Endzweck der Reis' erreicht, und der ist Fahren.
73.
Sie sahn in Canterbury's Kathedrale
Des schwarzen Edward Helm und Beckets Stein.
Der Küster gab dazu die alte schale
Erklärung ab, als schlief' er dabei ein.
Da habt ihr wieder Ruhm, zum zehnten Male!
Ein rost'ger Stahlhut, zweifelhaft Gebein,
Ein letzter Rest von Salzen oder Kali's,
Den dieses Lebens bittre Mischung daließ.
74.
Natürlich, daß dies Don Juan entzückte:
Er atmete nur Cressy, als er dort
Den Helm sah, der nur vor der Zeit sich bückte,
Das Grab des mut'gen Pfaffen, den der Mord
In einem damals kühnen Kampf erdrückte,
Mit Fürsten, – welche jetzt dem Recht das Wort
Mindestens gönnen müssen. Leila schaute
Und frug, wozu man das Gebäude baute?
75.
Das Haus sei Gottes. – Gottes? dann logire
Er wirklich hübsch; nur sei es unerlaubt,
Daß man darin Ungläub'ge tolerire
Und Andren, die an Allah treu geglaubt,
Die heiligen Altäre ruinire.
Und Kummer beugte dann ihr kindlich Haupt,
Daß ihr Prophet solch einen Wunderbau
Wegwerfe wie die Perle vor die Sau.
[109]
76.
Fort, fort, – durch Wiesen, Gärten, weit und breit,
Ein Paradies der Hopfen und Cultur.
Wer in der Fremde war seit langer Zeit,
In warmer aber trocknerer Natur,
Und wieder grüne Aun sieht, der verzeiht
Den Mangel jener höheren Structur,
Die Wein und Oelwald, Eis und Pomeranzen,
Vulkan' und Gletscher formt zu einem Ganzen.
77.
Und denk' ich gar an ein Glas gutes Bier – –
Doch nein, nicht weinen! – Vorwärts, Postillon!
Fort ging's im Flug. Juan bestaunte hier
Die Straßen dieser freien Nation.
Ein theures Land (auf beiderlei Manier)
Für Fremd' und Eingeborne! nur, mein Sohn,
»Löck' niemals widern Stachel;« wer es thut,
Der wird dafür geprickelt bis aufs Blut.
78.
Wie köstlich sind Causséen! So glatt, so eben,
Die Erde wird rasirt wie Luft vom Aar
Wann seine breiten Flügel niederschweben.
Apollo hätte Phaethon fürwahr,
Hätt's damals solche Straßen schon gegeben,
Zur Post nach York geführt, – »da, Junge, fahr!«
Indeß man aber hinsaust wonnevoll,
Surgit amari aliquid, – der Zoll!
79.
Ach, jede Zahlung ist ein tiefer Schmerz!
»Nehmt Leib und Weib, nehmt aber keine Thaler,«
Legt Machiavel den Königen ans Herz;
Fluch wäre sonst ihr Lohn, universaler.
Fatal sind Mörder, aber wer dem Erz,
Dem allgeliebten, nachstellt, ist fataler:
Schlagt Weib und Kinder todt, man trägt's gefaßt,
Wenn ihr die Hosentasch' in Frieden laßt.
[110]
80.
So spricht der Florentiner. Laßt euch sagen
Von eurem Meister, hohe Herrn! – Um Nacht
Sah endlich Don Juan den Hügel ragen,
Der stolz (vielleicht verächtlich) sie bewacht,
Die große Stadt. Ihr, deren Pulse schlagen
Von Cockney-Feuer, trauert oder lacht,
Nach eurer Neigung, jeder wie er will, –
Mitbürger! wir stehn jetzt auf Shooters-Hill!
81.
Die Sonne sank, Rauch stieg empor wie von
Halb ungelöschten Kratern, über Gassen,
Die man zuweilen »Belzebubs Salon«
Genannt hat, und der Name mag wohl passen.
Indeß, obwohl ein Fremdling, unser Don
Sah ehrfurchtsvoll auf die gewalt'gen Massen,
Die Mutter eines Volkes, das die Welt
Zur Hälfte schlachtet und zur Hälfte prellt.
82.
Ein steinern Meer, so weit die Augen spähen,
Rauch, Ziegel, Schiffe, schmutzig, fahl und stinkend;
Dazwischen Segel, die sich flüchtig blähen,
Und dann im Wald der Masten untersinkend;
Ein Dickicht spitzer Thürme, auf den Zehen
Durch ihren kohlenschwarzen Himmel blinkend,
Und über allen, mächtig, dämmrig, grau,
Wie eine Narrenkapp', ein Kuppelbau.
83.
Juan erblickt' in diesem Rauchmeer noch
Den Dunst aus alchymist'schen Feuerschloten,
Als braue hier ein weiser Zauberkoch
Reichthum der Welt, (Reichthum papierner Noten;)
In schwarzen Wolken, lastend wie ein Joch,
Die selbst die Sonne zu verlöschen drohten,
Sah er die Atmosphäre der Natur,
Die sehr gesund sei, – etwas trübe nur.
[111]
84.
Hier mach' ich Halt, wie Seeleut', eh' sie feuern.
Ich bin, geliebte Briten, jetzt so frei
Mit euch den alten Umgang zu erneuern
Und Ding' euch zu erzählen, allerlei,
Die ihr nicht glauben werdet, meine Theuern,
Weil sie die Wahrheit sind. Wie Mistreß Fry,
Mit sanftem Besen komm' ich euch entgegen,
Um ein'ge Spinngewebe wegzufegen.
85.
O Mistreß Fry! was thust du im Prison
Und predigst armen Schelmen? – Nein, beginnt
Im Carlton-Haus, im adlichen Salon,
Mit Sündern, die verstockt und vornehm sind.
Von Volksveredlung reden ist Jargon,
Verrücktheit, Schwindel, philanthropischer Wind:
Erst macht die bessern Stände besser. Ei,
Ich hielt dich doch für frommer, Mistreß Fry.
86.
Wasch' ihnen ihren sechzigjähr'gen Kopf,
Lehr' sie, daß Jugend, wann sie flieht, vorbei ist,
Heil' sie von Tartan, Tressen, falschem Schopf,
Sag' auch, daß feiler Beifall bloß Geschrei ist,
Sag' ihnen, daß Freund Curtis nur ein Tropf
Und selbst zu schal für schalste Narretei ist,
Witzloser Falstaff eines grauen Heinz,
Ein Narr, der nicht mal klingeln kann, so scheint's.
87.
Sag' ihnen auch, es sei vielleicht zu spät,
Am Grabesrand, matt, satt, mit Bauch und Glatze,
Groß sein zu wollen, aber nie zu spät
Um gut zu sein. Auch wär' ein Wink am Platze,
Daß ächtes Königthum den Pomp verschmäht.
Sag' auch – Indeß du willst nicht, und ich schwatze
Jetzt lang genug. Ich will ein ander Mal
Plaudern – wie Rolands Horn bei Ronceval.
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