[25] Rosaura, Clotald, Clarin, Soldaten.
ROSAURA zu Clotald.
Da ich sehe, daß der Stolz
so dich aufbringt, fleh ich zagend
nur in Demut um ein Leben,
das zu deinen Füßen schmachtet.
Übe Mitleid gegen mich;
denn zu strenge wirst du handeln,
finden, Herr, vor deinen Augen
weder Stolz noch Demut Gnade.
CLARIN.
Und wenn weder Stolz noch Demut
dich bewegen, Personagen,
die in geistlichen Komödien
tausendmal zur Rührung zwangen:
So will ich, der weder Demut
hat noch Stolz, nur eingeschachtelt
zwischen beiden, dich ersuchen,
daß du Schutz und Hilf uns schaffest.
CLOTALD.
Holla![26]
SOLDATEN.
Herr?
CLOTALD.
Entwaffnet beide
und verhüllt zugleich ihr Antlitz,
daß sie nicht, von wo und wie
man hinweg sie führt, gewahren.
ROSAURA zu Clotald.
Hier mein Degen; denn ich kann
dir allein ihn überlassen,
weil du unter allen diesen
scheinst der Erste. Minderm Ansehn
gibt er nicht sich Untertan.
CLARIN.
Meiner gibt sich unbeschadet
auch dem Schlechtsten hin; da nehmt.
Er gibt seinen Degen einem Soldaten.
ROSAURA.
Wenn ich sterben muß, so laß ich,
im Vertraun auf deine Huld,
dir ein Pfand, nicht klein zu achten,
um des willen, dem es ehmals
angehört. Es zu bewahren
sei dir Pflicht; denn kenn ich gleich
sein Verborgnes nicht, doch ahn ich,[27]
daß mit diesem goldnen Schwerte
sich ein groß Geheimnis gattet,
weil ich, ihm allein vertrauend,
kam nach Polen, um empfangnen
Schimpf zu rächen.
CLOTALD den Degen betrachtend, für sich.
Heil'ger Himmel!
Was ist dieses? Wie belasten
mich Entsetzen und Verwirrung,
Kummer, Angst und bittre Qualen!
Zu Rosaura.
Sprich, wer gab es dir?
ROSAURA.
Ein Weib.
CLOTALD.
Und ihr Name?
ROSAURA.
Nicht verraten
darf ich ihn.
CLOTALD.
Allein woher
kannst du wissen oder ahnen,
ein Geheimnis haft am Schwert?[29]
ROSAURA.
Die es mir gegeben, sagte:
»Geh nach Polen; und durch Kunst,
Klugheit und Gewandtheit mache,
daß die Edelsten und Größten
dort dich sehn mit dieser Waffe;
denn ich weiß, daß ihrer einer
Gunst und Schutz dir wird gestatten;
doch weil er vielleicht gestorben,
so verschweig ich seinen Namen.«
CLOTALD für sich.
Hilf mir, Himmel! Was vernehm ich?
Noch nicht weiß ich mir zu sagen,
ob ich vor den Augen hier
Täuschung oder Wahrheit habe.
Dieses Schwert ist's, das ich einst
ließ der schönen Violante,
als ein Zeichen, wer es trüge,
solle mich in jeder Lage
liebend finden, als mein Sohn,
und ihn schützend, als sein Vater.
Was beginn ich nun (weh mir!)
in so arg verworrnem Falle,
wenn, der einst es trug zum Schutz,
jetzt es trägt als Todesgabe?
Denn zum Tode schon verurteilt,
naht er meinen Füßen. Hartes
Schicksal! Traurige Verwirrung![30]
Ungewisses Los von Wanken!
Dieser ist mein Sohn; die Zeichen
sagen's wohl, auch offenbart es
mir mein Herz; denn ihn zu sehn
klopft es an die Brust und flattert
mit den Flügeln, und, die Schlösser
zu erbrechen nicht imstande,
tut's, wie ein Gefangner tut,
welcher, Lärmen auf der Gasse
hörend, an das Fenster eilet:
So das Herz, weil's nicht erfahren,
was geschieht, und Lärmen hört,
eilt's den Augen sich zu nahen,
welche Fenster sind der Brust,
sich durch Tränen Ausgang bahnend.
Was beginn ich? Hilf mir, Himmel!
Was beginn ich? Zum Monarchen
ihn geleiten, heißt, zum Tod
ihn geleiten (weh mir Armen!),
weil, dem König ihn zu bergen,
nicht mein Lehenseid gestattet.
Selbstlieb hält von einer Seite,
Dienertreue von der andern
mich gefesselt. Doch was zweifl ich?
Treue gegen den Monarchen,
geht sie nicht vor Ehr und Leben?
Jene leb und diese fallen!
Überdies bemerkt ich eben,
daß er sprach, er komm, um Rache
für empfangnen Schimpf zu üben.[31]
Ein beschimpfter Mensch trägt Schande,
ist mein Sohn nicht, ist mein Sohn nicht,
führt nicht meines Blutes Adel. –
Aber wie? Wenn nun ein Unfall
ihn betraf, vor dem zu wahren
keiner sich vermag? Der Ehre
Stoff ist freilich ein so zarter,
daß ein Blick sie schon erschüttert,
daß ein Lufthauch sie bemakelt.
Was vermag er mehr, was mehr,
er, geschmückt mit eignem Adel,
als, mit Wagnis der Gefahr,
hier zu suchen, was ihm mangelt?
's ist mein Sohn, mein Blut ist in ihm,
weil ihn solcher Mut durchmannet.
So, in dieser Zweifel Mitte,
wähl ich dieses, dem Monarchen
ihn, als meinen Sohn, zu bringen,
daß er mit dem Tod ihn strafe.
Denn vielleicht wird dieser Eifer
meiner Ehr ihm Gnade schaffen;
und wenn ich sein Leben rette,
dann verhelf ich ihm zur Rache
seiner Schmach. Doch wenn der König,
bei der Strenge fest beharrend,
ihm den Tod gibt, sterb er dann,
unbewußt, ich sei sein Vater.
Zu Rosaura und Clarin.
Folget mir, ihr beiden Fremden!
Fürchtet nicht, es mög euch mangeln[32]
an Genossen eures Unglücks;
denn ich selbst, in solchem Schwanken
zwischen Tod und Leben, weiß nicht,
welches schwerer sei zu tragen.
Alle gehen ab.
Freier Platz vor dem königlichen Schlosse.
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