4. Szene.

[25] Rosaura, Clotald, Clarin, Soldaten.


ROSAURA zu Clotald.

Da ich sehe, daß der Stolz

so dich aufbringt, fleh ich zagend

nur in Demut um ein Leben,

das zu deinen Füßen schmachtet.

Übe Mitleid gegen mich;

denn zu strenge wirst du handeln,

finden, Herr, vor deinen Augen

weder Stolz noch Demut Gnade.

CLARIN.

Und wenn weder Stolz noch Demut

dich bewegen, Personagen,

die in geistlichen Komödien

tausendmal zur Rührung zwangen:

So will ich, der weder Demut

hat noch Stolz, nur eingeschachtelt

zwischen beiden, dich ersuchen,

daß du Schutz und Hilf uns schaffest.

CLOTALD.

Holla![26]

SOLDATEN.

Herr?

CLOTALD.

Entwaffnet beide

und verhüllt zugleich ihr Antlitz,

daß sie nicht, von wo und wie

man hinweg sie führt, gewahren.

ROSAURA zu Clotald.

Hier mein Degen; denn ich kann

dir allein ihn überlassen,

weil du unter allen diesen

scheinst der Erste. Minderm Ansehn

gibt er nicht sich Untertan.

CLARIN.

Meiner gibt sich unbeschadet

auch dem Schlechtsten hin; da nehmt.


Er gibt seinen Degen einem Soldaten.


ROSAURA.

Wenn ich sterben muß, so laß ich,

im Vertraun auf deine Huld,

dir ein Pfand, nicht klein zu achten,

um des willen, dem es ehmals

angehört. Es zu bewahren

sei dir Pflicht; denn kenn ich gleich

sein Verborgnes nicht, doch ahn ich,[27]

daß mit diesem goldnen Schwerte

sich ein groß Geheimnis gattet,

weil ich, ihm allein vertrauend,

kam nach Polen, um empfangnen

Schimpf zu rächen.

CLOTALD den Degen betrachtend, für sich.

Heil'ger Himmel!

Was ist dieses? Wie belasten

mich Entsetzen und Verwirrung,

Kummer, Angst und bittre Qualen!


Zu Rosaura.


Sprich, wer gab es dir?

ROSAURA.

Ein Weib.

CLOTALD.

Und ihr Name?

ROSAURA.

Nicht verraten

darf ich ihn.

CLOTALD.

Allein woher

kannst du wissen oder ahnen,

ein Geheimnis haft am Schwert?[29]

ROSAURA.

Die es mir gegeben, sagte:

»Geh nach Polen; und durch Kunst,

Klugheit und Gewandtheit mache,

daß die Edelsten und Größten

dort dich sehn mit dieser Waffe;

denn ich weiß, daß ihrer einer

Gunst und Schutz dir wird gestatten;

doch weil er vielleicht gestorben,

so verschweig ich seinen Namen.«

CLOTALD für sich.

Hilf mir, Himmel! Was vernehm ich?

Noch nicht weiß ich mir zu sagen,

ob ich vor den Augen hier

Täuschung oder Wahrheit habe.

Dieses Schwert ist's, das ich einst

ließ der schönen Violante,

als ein Zeichen, wer es trüge,

solle mich in jeder Lage

liebend finden, als mein Sohn,

und ihn schützend, als sein Vater.

Was beginn ich nun (weh mir!)

in so arg verworrnem Falle,

wenn, der einst es trug zum Schutz,

jetzt es trägt als Todesgabe?

Denn zum Tode schon verurteilt,

naht er meinen Füßen. Hartes

Schicksal! Traurige Verwirrung![30]

Ungewisses Los von Wanken!

Dieser ist mein Sohn; die Zeichen

sagen's wohl, auch offenbart es

mir mein Herz; denn ihn zu sehn

klopft es an die Brust und flattert

mit den Flügeln, und, die Schlösser

zu erbrechen nicht imstande,

tut's, wie ein Gefangner tut,

welcher, Lärmen auf der Gasse

hörend, an das Fenster eilet:

So das Herz, weil's nicht erfahren,

was geschieht, und Lärmen hört,

eilt's den Augen sich zu nahen,

welche Fenster sind der Brust,

sich durch Tränen Ausgang bahnend.

Was beginn ich? Hilf mir, Himmel!

Was beginn ich? Zum Monarchen

ihn geleiten, heißt, zum Tod

ihn geleiten (weh mir Armen!),

weil, dem König ihn zu bergen,

nicht mein Lehenseid gestattet.

Selbstlieb hält von einer Seite,

Dienertreue von der andern

mich gefesselt. Doch was zweifl ich?

Treue gegen den Monarchen,

geht sie nicht vor Ehr und Leben?

Jene leb und diese fallen!

Überdies bemerkt ich eben,

daß er sprach, er komm, um Rache

für empfangnen Schimpf zu üben.[31]

Ein beschimpfter Mensch trägt Schande,

ist mein Sohn nicht, ist mein Sohn nicht,

führt nicht meines Blutes Adel. –

Aber wie? Wenn nun ein Unfall

ihn betraf, vor dem zu wahren

keiner sich vermag? Der Ehre

Stoff ist freilich ein so zarter,

daß ein Blick sie schon erschüttert,

daß ein Lufthauch sie bemakelt.

Was vermag er mehr, was mehr,

er, geschmückt mit eignem Adel,

als, mit Wagnis der Gefahr,

hier zu suchen, was ihm mangelt?

's ist mein Sohn, mein Blut ist in ihm,

weil ihn solcher Mut durchmannet.

So, in dieser Zweifel Mitte,

wähl ich dieses, dem Monarchen

ihn, als meinen Sohn, zu bringen,

daß er mit dem Tod ihn strafe.

Denn vielleicht wird dieser Eifer

meiner Ehr ihm Gnade schaffen;

und wenn ich sein Leben rette,

dann verhelf ich ihm zur Rache

seiner Schmach. Doch wenn der König,

bei der Strenge fest beharrend,

ihm den Tod gibt, sterb er dann,

unbewußt, ich sei sein Vater.


Zu Rosaura und Clarin.


Folget mir, ihr beiden Fremden!

Fürchtet nicht, es mög euch mangeln[32]

an Genossen eures Unglücks;

denn ich selbst, in solchem Schwanken

zwischen Tod und Leben, weiß nicht,

welches schwerer sei zu tragen.


Alle gehen ab.


Freier Platz vor dem königlichen Schlosse.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 25-33.
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