8. Szene.

[53] Clotald, Rosaura, Clarin.


CLOTALD für sich.

Zwar mein Schicksal mildert sich;

doch, daß er mein Sohn ist, will ich,

da ich's meiden kann, nicht sagen.


Laut.


Nun, ihr beiden fremden Pilger,

ihr seid frei.[53]

ROSAURA.

Herr, tausend Küsse

deinen Füßen!

CLARIN.

Tausend Bisse!

Denn nicht wichtig unter Freunden

ist ein Buchstab mehr und minder.

ROSAURA.

Herr, das Leben gabst du mir;

und, es dir in Rechnung bringend,

werd ich nun auf ew'ge Zeiten

ganz dein Sklave sein.

CLOTALD.

Mitnichten

war, was ich dir gab, ein Leben;

denn ein Mann von edelm Sinne,

wenn man ihn beschimpft, nicht lebt er.

Kamst du nun, um für erlittnen

Schimpfes Unbill dich zu rächen,

wie du selber mir berichtet,

so gab ich kein Leben dir,

eben weil du keins besitzest;

denn ein ehrlos Leben ist keins.


Beiseite.


Das muß seinen Mut beschwingen.[55]

ROSAURA.

Ob ich's gleich von dir empfange,

weiß ich, daß ich's nicht besitze.

Doch so strahlend soll durch Rache

werden meiner Ehre Schimmer,

daß mein Leben alsobald,

furchtlos mit Gefahren ringend,

könn als deine Gab erscheinen.

CLOTALD ihr den Degen zurückgebend.

Nimm den blanken Degen wieder,

den du trugest; wohl, ich weiß es,

genüget er, vom Blute triefend

deines Feindes, dich zu rächen.

Denn ein Schwert, das mein war (diese

Zeit durch, sag ich, diese Weile,

da es meine Hände hielten),

weiß zu rächen.

ROSAURA.

Auf dein Wort

nehm ich diesen Degen wieder;

und auf ihm nun schwör ich Rache,

wär auch er, der mich beschimpfte,

noch viel mächt'ger.

CLOTALD.

Ist er mächtig?[56]

ROSAURA.

So sehr, daß es dir verschwiegen

bleibe; nicht, weil ich auch Größers

deiner Klugheit nicht verriete:

nur, damit ich deine Gunst,

die ich ehr in dieser Milde,

nicht verlieren mag.

CLOTALD.

Es sagen,

würde leichter mich gewinnen;

denn dies hemmte mir den Weg,

Hilfe deinem Feind zu bringen.


Beiseite.


Wüßt ich doch nur, wer es ist!

ROSAURA.

Wohl; daß du nicht denkst, ich hielte

für so wertlos dein Vertrauen,

so vernimm denn: Kein geringrer

als Astolf, der Fürst von Moskau,

ist mein Feind.

CLOTALD beiseite.

Mich überwindet

dieser Schmerz; er ist viel größer,

sichtbar nun, als eingebildet.

Tiefer auf den Grund der Sache!


[57] Laut.


Bist du denn ein Moskowite

von Geburt, so konnte kaum

dich dein Landesherr beschimpfen.

Geh zurück ins Vaterland;

dämpfe deinen Feuerwillen,

der dich stürzen muß.

ROSAURA.

Ich weiß,

ja, er konnte mich beschimpfen,

war er gleich mein Fürst.

CLOTALD.

Nein, sag ich;

wenn auch seine Hand (o Himmel!)

frech dein Angesicht berührte.

ROSAURA.

Größer war die Last des Schimpfes.

CLOTALD.

Sag ihn mir; denn etwas Ärgers,

als ich fürchte, sagst du nimmer.

ROSAURA.

Sagen möcht ich's; doch ich muß

so voll Ehrfurcht auf dich blicken,

so voll Innigkeit dir huld'gen,

so voll Hochachtung dir dienen,[58]

daß ich bebe, dir zu sagen,

dies Gewand, das du erblickest,

sei ein Rätsel, weil es dem

nicht gehört, der's trägt. Nun richte,

wenn ich nicht bin, was ich scheine,

und Astolf sich will verbinden

mit Estrella, ob er kann

mich beleid'gen. Gnug verriet ich.


Ab mit Clarin.


CLOTALD.

Höre, warte doch, verweile! –

Welch verworrnes Irrgewinde,

dessen Faden die Vernunft

selber nicht vermag zu finden!

Tief gekränkt ist mir die Ehre,

mächtig ist, der uns beschimpfte,

ich Vasall, und sie ein Weib.

Zeig uns einen Weg der Himmel!

Doch ich weiß nicht, ob er's kann,

wenn in dieses Irrsals Tiefen

mir der Himmel wird zum Rätsel

und die Welt zum Schreckenbilde.

Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 53-60.
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