[106] Estrella, Astolf.
ASTOLF.
O wie selten lügt das Schicksal,
wenn es Mißgeschicke meldet!
Denn so sicher stets im Schlimmen
ist's, wie zweifelhaft im Bessern.
Weise wär ein Astrolog,
der nur immer Unglücksfälle
prophezeite; denn kein Zweifel,
daß sie immer Wahrheit werden.
Auch an mir und Sigismunden
läßt, Estrella, jetzt sich eben
die Erfahrung, und an beiden
auf verschiedne Weis, erkennen.
Denn von ihm weissagt es uns
Unheil, Mord und Stolz und Härte;
und es sprach in allem wahr,[106]
weil sich alles zeigt am Ende.
Doch von mir, dem es beim Anblick
dieses heitern Lichts, o Herrin,
das die Sonne macht zum Schatten
und des Himmels Glanz zum Nebel,
Glück und Segen prophezeite,
Wonne, Beifall und Trophäen,
sprach es schlimm und sprach es gut;
denn nur dann bewährt's sein Wesen,
wenn es täuscht mit Gunstbezeigen
und erfüllet mit Verschmähen.
ESTRELLA.
Ich betracht als reine Wahrheit
alle diese Schmeichelreden;
doch sie sind für jene Dame,
deren Bild, Astolf, Ihr zärtlich
ließt an Euerm Halse hangen,
als ich Euch zuerst gesehen.
Und da dem so ist, verdienet
sie nur diese Liebesreden;
laßt sie Euch von ihr bezahlen.
Denn es gelten nicht als Wechsel
vor der Liebe Tribunal
Schmeicheleien und Versprechen,
die man ausgestellt im Dienste
andrer Damen, andrer Herrscher.
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