11. Szene.

[106] Estrella, Astolf.


ASTOLF.

O wie selten lügt das Schicksal,

wenn es Mißgeschicke meldet!

Denn so sicher stets im Schlimmen

ist's, wie zweifelhaft im Bessern.

Weise wär ein Astrolog,

der nur immer Unglücksfälle

prophezeite; denn kein Zweifel,

daß sie immer Wahrheit werden.

Auch an mir und Sigismunden

läßt, Estrella, jetzt sich eben

die Erfahrung, und an beiden

auf verschiedne Weis, erkennen.

Denn von ihm weissagt es uns

Unheil, Mord und Stolz und Härte;

und es sprach in allem wahr,[106]

weil sich alles zeigt am Ende.

Doch von mir, dem es beim Anblick

dieses heitern Lichts, o Herrin,

das die Sonne macht zum Schatten

und des Himmels Glanz zum Nebel,

Glück und Segen prophezeite,

Wonne, Beifall und Trophäen,

sprach es schlimm und sprach es gut;

denn nur dann bewährt's sein Wesen,

wenn es täuscht mit Gunstbezeigen

und erfüllet mit Verschmähen.

ESTRELLA.

Ich betracht als reine Wahrheit

alle diese Schmeichelreden;

doch sie sind für jene Dame,

deren Bild, Astolf, Ihr zärtlich

ließt an Euerm Halse hangen,

als ich Euch zuerst gesehen.

Und da dem so ist, verdienet

sie nur diese Liebesreden;

laßt sie Euch von ihr bezahlen.

Denn es gelten nicht als Wechsel

vor der Liebe Tribunal

Schmeicheleien und Versprechen,

die man ausgestellt im Dienste

andrer Damen, andrer Herrscher.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 106-107.
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