15. Szene.

[119] Estrella, Rosaura, Astolf.


ESTRELLA.

Was ist dies? Astolf? Asträa?

ASTOLF beiseite.

Ha, Estrella!

ROSAURA beiseite.

Lieb, o schenke

mir Erfindung, um mein Bild mir

zu verschaffen!


Laut.


Willst du, Herrin,

wissen, was geschah, so mach ich

dir es kund.

ASTOLF zu Rosaura.

Halt ein! Bedenke ...

ROSAURA.

Du befahlst mir, hier zu warten

auf Astolf und ein Gemälde

deinerseits von ihm zu fordern.[120]

Und wie's oftmals pflegt zu gehen,

daß Gedanken aus Gedanken

sich erzeugen, kam mir eben,

da ich so allein hier weilte,

in den Sinn, weil von Gemälden

du gesprochen, daß ich meines

bei mir trug. Ich wollt's besehen

(denn wer einsam ist, pflegt oft

sich mit Possen zu ergötzen),

und da fiel mir's aus der Hand

auf die Erd. Astolf, der eben

kam, dir jenes Bild zu bringen,

hob es auf, und denkt so wenig

dein Verlangen zu erfüllen,

daß er, statt dir eins zu geben,

auch das andre will behalten;

denn durch Bitten nicht noch Flehen

konnt ich meins zurückbekommen.

Jetzt, in Ungeduld entbrennend,

wollt ich's nehmen mit Gewalt.

Jenes Bild in seinen Händen

ist das meine, wirst du sehn;

sieh nur zu, es ist mir ähnlich.

ESTRELLA.

Gebt das Bildnis wieder, Herzog.


Sie nimmt es ihm weg.


ASTOLF.

Fürstin ...[121]

ESTRELLA es betrachtend.

Wahrlich, das Gemälde

ist nicht übel, muß ich sagen.

ROSAURA.

Ist es meins?

ESTRELLA.

Wer kann's verkennen?

ROSAURA.

Fordre nun von ihm das andre.

ESTRELLA gibt ihr das Bild.

Nimm dein Bildnis hier und gehe.

ROSAURA beiseite.

Ha, mein Bildnis hab ich wieder;

mag nun, was da will, geschehen!


Ab.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 119-122.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Leben ein Traum
Das Leben ist ein Traum
La vida es sueño /Das Leben ist Traum: Spanisch/Deutsch

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Robert Guiskard. Fragment

Robert Guiskard. Fragment

Das Trauerspiel um den normannischen Herzog in dessen Lager vor Konstantinopel die Pest wütet stellt die Frage nach der Legitimation von Macht und Herrschaft. Kleist zeichnet in dem - bereits 1802 begonnenen, doch bis zu seinem Tode 1811 Fragment gebliebenen - Stück deutliche Parallelen zu Napoleon, dessen Eroberung Akkas 1799 am Ausbruch der Pest scheiterte.

30 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon