19. Szene.

[133] Sigismund.


SIGISMUND.

Dies ist Wahrheit; darum zäumen

wollen wir den rauhen Mut,

diesen Ehrgeiz, diese Wut,

wenn wir wieder einmal träumen.

Wohl geschieht's; denn in den Räumen

dieser Wunderwelt ist eben

nur ein Traum das ganze Leben;

und der Mensch (das seh ich nun)

träumt sein ganzes Sein und Tun,

bis zuletzt die Träum entschweben.

König sei er, träumt der König;

und in diesen Wahn versenkt,

herrscht, gebietet er und lenkt.

Alles ist ihm untertänig;

doch es bleibt davon ihm wenig,

denn sein Glück verkehrt der Tod

schnell in Staub (o bittre Not!);

wen kann Herrschaft lüstern machen,

der da weiß, daß ihm Erwachen

in des Todes Traume droht?

Auch der Reiche träumt; ihm zeigen

Schätze sich, doch ohne Frieden.

Auch der Arme träumt hienieden,

er sei elend und leibeigen.[134]

Träumet, wer beginnt zu steigen;

träumet, wer da sorgt und rennt;

träumet, wer von Haß entbrennt;

kurz, auf diesem Erdenballe

träumen, was sie leben, alle,

ob es keiner gleich erkennt.

So auch träumt mir jetzt, ich sei

hier gefangen und gebunden;[135]

und einst träumte mir von Stunden,

da ich glücklich war und frei.

Was ist Leben? Raserei!

Was ist Leben? Hohler Schaum,

ein Gedicht, ein Schatten kaum!

Wenig kann das Glück uns geben;

denn ein Traum ist alles Leben,

und die Träume selbst ein Traum.

Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 133-136.
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