5. Szene.

[82] Estrella, die vorigen.


ESTRELLA Sigismund begrüßend.

Eure Hoheit sei willkommen

tausendmal auf diesem Thron,

der zu langer Sehnsucht Lohn

dankbar jetzt Euch aufgenommen;

mögt Ihr, wie der Neid auch schmäle,

ihn so lang in Heil bewahren,

daß Eu'r Leben, nicht nach Jahren,

nach Jahrhunderten sich zähle.

SIGISMUND zu Clarin.

Wer ist diese Schönheit, sprich,

die in menschlicher Gestalt

übet göttliche Gewalt?

Sie, zu deren Füßen sich

senkt des Himmels Glanz und Wonne?

CLARIN.

Deine Muhm Estrella lerne

kennen, Prinz, in diesem Sterne.

SIGISMUND.

Sprich vielmehr in dieser Sonne.


Zu Estrella.[83]


Glück ist Euer Glückwunsch mir

zu dem Glück, das mir geschehen;

doch nur weil ich Euch gesehen,

ziemt sich dieser Glückwunsch hier.

Für dies hohe Glück allein,

das ich unverdient bekommen,

werd Eu'r Glückwunsch angenommen,

Stern, vor dem der hellste Schein

aller Himmelslichter dunkelt,

wenn Ihr aufgeht, klar und heiter!

Sagt, was bleibt der Sonne weiter,

da Ihr früh am Morgen funkelt?

Laßt mich küssen diese Hand,

wo der Tag mit gier'gen Strahlen

Klarheit schlürft aus Schneepokalen.

ESTRELLA.

Höflich seid Ihr und galant.

ASTOLF beiseite.

Reicht sie ihre Hand ihm willig,

ist's mein Tod.

ZWEITER DIENER beiseite.

Es kränkt Astolfen;

doch vielleicht wird ihm geholfen.


Zu Sigismund.


Herr, bedenk, es ist nicht billig,[84]

nimmst du solche Freiheit dir,

da Astolf ...

SIGISMUND.

Hielt ich nicht kaum

Eure Frechheit erst im Zaum?

ZWEITER DIENER.

Nur was recht ist, sag ich.

SIGISMUND.

Mir

ist dies alles zur Beschwer.

Was im Weg ist meinem Trachten,

kann ich nicht für recht erachten.

ZWEITER DIENER.

Doch du sagtest, Herr, vorher,

daß man in gerechten Sachen

müsse Dienst und Folge leisten.

SIGISMUND.

Doch ich sagt auch, einen Dreisten,

der mir Ärger sucht zu machen,

laß ich aus dem Fenster springen.

ZWEITER DIENER.

Leuten meiner Art kann dies

nimmermehr geschehn.[85]

SIGISMUND.

Gewiß?

Nun, bei Gott! Ich will's vollbringen.


Er faßt ihn in die Arme und trägt ihn hinaus. Die anderen, bis auf Astolf und Estrella, folgen ihm und

kommen hernach zurück.


ASTOLF.

Welchen Frevel muß ich sehen!

ESTRELLA.

Eilet alle, wehrt ihm ab!


Ab.


SIGISMUND kommt zurück.

Vom Altan ins Meer hinab

fiel er; konnt es doch geschehen!

ASTOLF.

Künftig größern Zeitraum laßt

Euch bei Euerm rauhen Walten;

Tier und Menschen ja verhalten

sich wie Wildnis und Palast.

SIGISMUND.

Künftig, sollt Eu'r kühnes Wagen

solche rauhe Wort erwählen,

könnte leicht der Kopf Euch fehlen,

um den Hut darauf zu tragen.


Astolf geht ab.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 82-86.
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La vida es sueño /Das Leben ist Traum: Spanisch/Deutsch

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