1. Szene.

[137] Clarin.


CLARIN.

Für das, was ich weiß, geschieht mir's,

in dem Zauberturm zu stecken.

Was wird, was ich nicht weiß, kosten,

kostet, was ich weiß, mein Leben?

Daß ein Mensch mit solchem Hunger

soll lebend'gen Leibes sterben!

Mitleid hab ich mit mir selbst;

alle werden's sagen, denk ich,

und sich denken kann man's wohl,

da zu meinem Namen eben

nicht dies Schweigen paßt; ich heiße

ja Clarin, und soll nicht sprechen!

Die mir hier Gesellschaft leisten

sind, um frei herauszureden,

weiter nichts als Mäus und Spinnen;

ei, wie allerliebste Lerchen![137]

Von den Träumen dieser Nacht

ist mein armer Kopf beständig

voll von tausend Gaukelspielen,

von Schalmeien und Trompeten,

Kreuzen und Prozessionen,

Büßenden und Geißeln; jene

steigen auf und diese schwinden,

und in Ohnmacht fallen welche,

wenn sie sehn, wie andre bluten.

Ich, die Wahrheit zu vermelden,

fall in Ohnmacht schier vor Hunger;

denn hier sitz ich im Gefängnis

und studiere Tag für Tag

die gesamte Hungerlehre,

und die Wissenschaft des Fastens

hab ich dann bei Nacht zu lernen.

Wenn das Schweigen Heil'ge macht,

wie im neuen Festkalender,

so ist Sankt Sekret mein Heil'ger,

denn ihm fast ich ohn Ergötzen;

ob ich gleich für wohl verdient

diese Züchtigung erkenne,

denn ich schwieg und bin ein Diener,

und das ist der größte Frevel.


Trommeln, Trompeten, und Geschrei von außen.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 137-138.
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