8. Szene.

[156] Rosaura, Clotald.


ROSAURA Clotald zurückhaltend.

Rufet gleich zu Kampf und Sieg

dich dein Mut mit edelm Grimme,

dennoch höre meine Stimme;

denn auch hier ist alles Krieg.

Wohl ist dir es nicht verborgen,

daß ich elend, arm, voll Gram,

ohne Schutz nach Polen kam;

doch du wolltest für mich sorgen,

und mir riet dein mildes Herz,

daß ich, fremde Kleidung wählend,

im Palaste mich verhehlend,

bergen sollte Lieb und Schmerz

und Astolfen fliehn. Indessen

ward er mich gewahr; und doch

spricht er diesen Abend noch

mit Estrella, ehrvergessen,[156]

dort im Park. Nun siehe, mein

ist der Schlüssel zu dem Garten;

dort nun kannst du seiner warten,

um zu enden meine Pein.

Dort, durch Kühnheit, Kraft und Mut,

kannst du mir die Ehr erneuen;

denn ich weiß, du wirst nicht scheuen

mich zu rächen durch sein Blut.

CLOTALD.

Es ist wahr, ich muß es sagen,

seit ich dich zuerst gesehn,

fühlt ich mir den Trieb entstehn

(Zeugen sind ja deine Klagen),

alles gern für dich zu tun.

Erst sucht ich dich zu bewegen,

jene Kleidung abzulegen,

daß, säh auch Astolf dich nun,

er dich säh in deiner Tracht,

und so töricht kühnes Walten

nicht für Leichtsinn möchte halten,

der die Ehr unheilbar macht.

Dann bedacht ich einen Plan

zur Erstattung deiner Ehre,

die du eingebüßt, und wäre

(so viel lag mir selbst daran)

auch der Preis Astolfens Leben.

Aberwitz'ge Zuversicht!

Doch er ist mein König nicht,

und so darf ich nicht erbeben.[158]

Töten wollt ich ihn fürwahr;

doch als Sigismund entbrannte,

mich zu töten, da verwandte,

trotz der eigenen Gefahr,

seine Neigung mir bezeigend,

er für mich den höchsten Mut,

in verwegner Zornesglut

alle Kühnheit übersteigend.

Sollt ich nun dem Dankgebot

meines Herzens widerstreben?

Dem, der mir einst gab das Leben,

geben sollt ich dem den Tod?

Und so, da ich Lieb und Bangen

gleich verteilt euch beiden habe,

weil ich dir verliehn die Gabe,

die ich selbst von ihm empfangen:

weiß ich nicht, wem meine Hand

Hülf und Beistand solle weihn,

wenn ich dir mich durch Verleihn,

durch Empfangen ihm verband.

Und so, wie sich's auch entscheidet,

bleibt mein Kummer unverwandelt;

denn ich bin es, welcher handelt,

und ich bin es, welcher leidet.

ROSAURA.

Keinem ist es je entgangen,

daß, wie einen Mann von Wert

immerdar das Geben ehrt,

so ihn schändet das Empfangen.[159]

Denkst du hierin gleich mit mir,

bist du nicht zum Dank verbunden;

denn hast du an ihm gefunden

den, der einst das Leben dir,

wie du mir es gabst: so hat

er gezwungen deinen Adel

nur zu einer Tat voll Tadel,

ich zu einer edeln Tat.

Folglich hat er dich gekränkt,

wie ich dich verpflichtet habe;

gabst du nämlich mir die Gabe,

die du nahmst von ihm geschenkt.

Und so darf ich kühn verlangen

Ehrenschutz von deinem Mut;

denn ich geh ihm vor, so gut

wie das Geben dem Empfangen.

CLOTALD.

Kann der Geber auch allein

Adel der Gesinnung hegen,

so muß Dankbarkeit dagegen

des Empfängers Tugend sein.

Längst schon ward zum Eigentum,

weil ich wohl zu geben weiß,

mir des Edelmutes Preis:

Laß mir auch des Dankes Ruhm,

da ich jetzt ihn kann erlangen,

wenn ich Dankbarkeit so gut

üben werd als Edelmut;

denn wie geben ehrt empfangen.[160]

ROSAURA.

Leben hast du mir gewährt;

aber als ich es bekommen,

hab ich von dir selbst vernommen,

Leben, das ein Schimpf entehrt,

sei kein Leben, drum ist klar,

daß ich nichts empfangen habe,

weil das Leben, jene Gabe

deiner Hand, kein Leben war.

Und wenn eher nun zu geben

als zu danken dir gebührt,

wie du selber angeführt,

wohl, so gib mir jetzt das Leben,

denn noch gabst du mir es nicht;

und weil Geben höher adelt,

gib zuerst, und ungetadelt

üb hernach des Dankes Pflicht.

CLOTALD.

Wohl denn! Überzeugt von dir,

üb ich erst den Edelmut:

Haben sollst du all mein Gut;

doch, Rosaura, folge mir,

geh ins Kloster; du ersinnst

für dein Wohl nichts so entscheidend,

weil du, ein Verbrechen meidend,

einen Zufluchtsort gewinnst.

Denn da dieses Reich im schweren

Sturm der Zwietracht scheint verloren,

darf, als Edelmann geboren,[161]

ich das Unheil nicht vermehren.

Aber wenn ich so geholfen,

handl ich an dem Reiche gut,

gegen dich mit Edelmut,

sowie dankbar an Astolfen.

Drum, zu deiner eignen Ehre,

wähle nach Vernunft und Pflicht;

denn, bei Gott, mehr tät ich nicht,

wenn ich auch dein Vater wäre.

ROSAURA.

Wärest du mein Vater, dann

würd ich diesen Schimpf verzeihn;

aber da du's nicht bist – nein!

CLOTALD.

Und was willst du tun? Sag an!

ROSAURA.

Ihn ermorden.

CLOTALD.

Wie? Und wäre

so von Mut ein Weib entbrannt,

das den Vater nicht gekannt?

ROSAURA.

Ja.

CLOTALD.

Was treibt dich an?[162]

ROSAURA.

Die Ehre.

CLOTALD.

In Astolfen mußt du sehn ...

ROSAURA.

Nie soll meine Rach ermatten!

CLOTALD.

Deinen Herrn, Estrellas Gatten.

ROSAURA.

Ha, bei Gott! Nie soll's geschehn.

CLOTALD.

Raserei!

ROSAURA.

Ich seh es ein.

CLOTALD.

Dämpfe sie.

ROSAURA.

Wie sollt' ich's können?

CLOTALD.

Du verlierst ...

ROSAURA.

Ich will's vergönnen.[163]

CLOTALD.

Ehr und Leben.

ROSAURA.

Mag es sein!

CLOTALD.

Und dein Ziel?

ROSAURA.

Zu sterben.

CLOTALD.

Glut

der Verzweiflung!

ROSAURA.

Ehrenpflicht.

CLOTALD.

Unverstand!

ROSAURA.

Nein, Zuversicht.

CLOTALD.

Tollheit ist es.

ROSAURA.

Rache, Wut.[164]

CLOTALD.

Gibt's auf Erden denn nicht eines,

diesen Sturm zu bänd'gen? Sprich!

ROSAURA.

Nein.

CLOTALD.

Wer wird dir beistehn?

ROSAURA.

Ich.

CLOTALD.

Und kein Mittel weiter?

ROSAURA.

Keines.

CLOTALD.

Denk, ob nicht ein andrer Schritt ...

ROSAURA.

Jeder Schritt führt ins Verderben.


Ab.


CLOTALD.

Wohl, so will ich mit dir sterben;

warte, Tochter, nimm mich mit.


Ab.[165]


Gebirge und Wald.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 156-166.
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