Erster Aufzug


[483] Eine anmutige Berggegend.

Cyprianus tritt auf, in der Tracht eines Gelehrten; ihm folgen Clarin und Moscon, als Studenten gekleidet. Die letzteren tragen einige Bücher.


CYPRIANUS.

In der holden Einsamkeit

Dieses stillen Aufenthaltes,

In dem schönen Labyrinthe

Dieser Bäume, Blumen, Pflanzen

Lasset mich allein, und bei mir

Laßt, die ich mir g'nügend achte

Zur Gesellschaft, diese Bücher,

Die auf mein Geheiß ihr traget.

Denn ich, während Antiochia

Feiert mit so hohem Glanze

Die Vollendung jenes Tempels,

Heut gewidmet dem erhabnen

Jupiter, da man im Pompe

Des Triumphzugs seine Statue

Dahin trägt, wo sie den würd'gern,

Ehrenvollern Platz erhalte –

Ich will, fliehend das Getöse

Jener Märkte, jener Gassen,

Hier mit Studien verbringen,

Was noch übrig ist vom Tage.

Geht ihr zwei nach Antiochia,

Freut euch ihrer mannigfachen

Fest' und kehrt hierher zurück,

Wann die Sonn herniederwallend

Sich bestattet in den Wogen,

Die, von Wolken schwarz umhangen,[483]

Jenen großen goldnen Leichnam

Kühl umfahn im Silbergrabe.

Hier dann trefft ihr mich.

MOSCON.

Ich muß,

Wie gewalt'ge Lust ich habe

Zu dem Feste, dennoch, Herr,

Eh ich geh, es zu betrachten,

Dir vorher zum mindsten vier-

Bis fünftausend Worte sagen:

Wie? An einem Tage solcher

Festlichkeiten, solchen Glanzes

Und Genusses, kannst du dabei

Mit vier Büchern einsam wandern

Auf das Land und allen seinen

Jubel mit dem Rücken ansehn?

CLARIN.

Mein Gebieter tut sehr wohl;

Denn es ist nichts abgeschmackter

Als ein Prozessionentag,

Wo's nur Gaukler gibt und Pfaffen.

MOSCON.

Du, Clarin, der vorn und hinten

Nichts als List und Trug geladen,

Bist ein achselträgerischer

Schmeichler, weil du stets in allem

Recht ihm gibst und niemals sprichst,

Wie du denkst.

CLARIN.

Du irrst dich, Alter

(Höflicher läßt kein: du lügst!

Einem ins Gesicht sich sagen),

Und ich sage, was ich denke.

CYPRIANUS.

G'nug, Clarin! G'nug, Moscon! Lasset

Eure Zänkerei; denn immer[484]

Seid ihr beiden Ignoranten

Im Gefecht, das Widerspiel

Einer von dem andern haltend.

Geht hinweg, und, wie gesagt,

Suchet mich, wann niederwallend

Dann die Nacht den wundervollen

Bau der Welt in ihre Schatten

Einzuhüllen naht.

MOSCON.

Was gilt's?

Ob du's gleich zum Grundsatz machtest,

Es sei gut, das Fest nicht sehen,

Gehst du, es zu sehn?

CLARIN.

Die klare

Folg ist das; denn keiner eben

Tut, was er zu tun den andern

Rät.

MOSCON.

Um Livia zu sehn,

Wünscht ich Flügel anzuhaben.


Ab.


CLARIN.

Sag ich Wahrheit: Livia ist es,

Die mir alle Sinne raubte.

Aber da dein Name mehr

Als den halben Weg schon machte,

Mach die andre Hälfte nun:

Livia, komm, sei mein Livianchen!


Ab.


CYPRIANUS.

Jetzt bin ich allein und kann,

Wenn dies mein Gedank erlanget,

Untersuchen das Problem,

Welches mir die Seele spannet,

Seit im Plinius ich las

In geheimnisvoller Sprache

Die Definition von Gott;[485]

Denn nicht findet mein Gedanke

Diesen Gott, der in sich solche

Merkmal und Mysterien fasset.

Diese tiefverborgne Wahrheit

Hab ich zu erspähn.


Er setzt sich zum Lesen.

Der Dämon tritt auf, in reicher Kleidung.


DÄMON für sich.

Trotz allem

Diesem Forschen, Cyprianus,

Sollst du nimmer sie erlangen;

Denn ich berge sie vor dir.

CYPRIANUS.

Ein Geräusch hör ich im Walde.

Wer da? Wer ist hier?

DÄMON.

Ein Fremder,

Edler Herr, der diesen ganzen

Morgen schon, verirrt, umher

Im Gebirge zieht, so lange,

Daß sein Roß, von Müdigkeit

Ganz erschöpft, auf dem Smaragde,

Dieser Berge grünem Teppich,

Weidet nun zugleich und rastet.

Antiochia such ich auf

Wichtiger Geschäfte halber;

Und indes ich, jene Leute,

Welche mit mir ziehn, verlassend,

Überdachte meine Sorgen

(Ein Besitz, der keinem mangelt!),

Irrt ich ab vom Weg, und ab

Von den Dienern und Kamraden.

CYPRIANUS.

Sehr verwundert's mich, daß Ihr

Angesichts von den erhabnen

Türmen Antiochias so[486]

Euch verirrt. Von allen Pfaden

Dieses Berges gibt es keinen,

Lauf er schräge, lauf er grade,

Der Euch nicht zu ihren Mauern

Wie zu ihrer Mitte bringet.

Welchen Ihr auch immer wählt,

Geht Ihr recht.

DÄMON.

Das ist die Plage

Der Unwissenheit: stets blind sein

Angesichts der Wissenschaften.

Und da es nicht ratsam scheinet,

Daß ich als ein Unbekannter

Mich in eine fremde Stadt

Wage, ganz allein und fragend,

So gedenk ich hier zu weilen,

Bis die Nacht obsiegt dem Tage;

Denn die Tracht und diese Bücher

Um Euch her, worin Ihr laset,

Machen einen tiefgelehrten

Mann mir kund; und groß Gefallen

Hat mein Herz an jedem echten

Freund der edlen Wissenschaften.


Er setzt sich.


CYPRIANUS.

Habt Ihr auch studiert?

DÄMON.

Das nicht;

Doch ich weiß genug, das glaub ich,

Um kein Ignorant zu sein.

CYPRIANUS.

Welche Wissenschaften habt Ihr?

DÄMON.

Viele.

CYPRIANUS.

Selbst das längste Studium

G'nügt nicht, eine ganz zu fassen;[487]

Und Ihr habt (o Eitelkeit!)

Ohne Studium so viele?

DÄMON.

Ja; aus einem Lande bin ich,

Wo die tiefsten Wissenschaften

Ohne Studium man besitzt.

CYPRIANUS.

Wär ich doch aus diesem Lande!

Denn hier weiß bei längerm Forschen

Man nur wen'ger.

DÄMON.

Was ich sagte,

Ist so wahr, daß, ohne Studium,

Ich verwegen g'nug mit andern

Eifrig um den ersten Lehrstuhl

Mich bewarb; und fast gelang es,

Denn ich hatte viele Stimmen.

Und verlor ich ihn, so acht ich

G'nug, daß ich gestrebt; denn oft

Kann Verlust auch Ruhm verschaffen.

Wenn Ihr dies nicht glauben wollt,

Sagt, was Ihr studiert, und lasset

Wetten uns: obwohl ich nicht

Weiß den Standpunkt, den Ihr einnehmt,

Will ich, wär es auch der richt'ge,

Kühn den Widerpart Euch bieten.

CYPRIANUS.

Sehr erfreut's mich, daß Eur Geist

Sich an solche Dinge waget.

Eine Stell im Plinius ist's,

Welche tausendfach mich martert,

Um herauszubringen, wer

Sei der Gott, von dem sie redet.

DÄMON.

Diese Stelle (wohl entsinn ich

Ihrer mich) spricht solchermaßen:[488]

Gott ist eine höchste Güte,

Wesen, durch sich selbst vorhanden,

Ist allwissend, ist allmächtig.

CYPRIANUS.

Ja, so spricht sie.

DÄMON.

Und was fandet

Ihr für Anstoß?

CYPRIANUS.

Nicht zu finden

Den Gott, von dem Plinius handelt.

Soll er sein die höchste Güte,

Da die höchste Güte mangelt

Selbst dem Jupiter? Denn sündhaft

Sehn wir ihn in manchem Falle;

Danae sag es, die Bezwungne,

Sag's Europa, die Geraubte:

Wie nun kann die höchste Güte,

Deren ewig heil'ges Handeln

Göttlich sein muß, Raum gewähren

Menschlich niedern Leidenschaften?

DÄMON.

Das sind Märchen nur, worein

Die profanen Schriftverfasser

Mit der Götter Namen künstlich

Einzuhüllen sich vermaßen

Die Moralphilosophie.

CYPRIANUS.

Das genügt nicht, was Ihr saget;

Denn die Würde Gottes sollte

Solche sein, daß anzutasten

Seinen Namen frecher Vorwurf

Nie vermöcht, und wenn auch falscher.

Und um tiefer einzudringen:

Kommt den Göttern zu der Name[489]

Höchste Güte, muß ihr Wille

Allzeit nach dem Besten trachten;

Wie nun wollen ein'ge dieses,

Andre jenes? Solches aber

Findet sich in ihrer Bilder

Oft zweideutigen Orakeln;

Damit Ihr nicht sagt hernach,

Ich berief mich auf Profane.

Zweien Herren ward von zwei

Götterbildern Sieg im Kampfe

Zugesagt, und eins verlor:

Ist nun hieraus nicht der klare

Schluß zu folgern, daß zwei Willen,

Ganz im Widerspruch befangen,

Nimmer auf denselben Zweck

Können gehn? Drum, als einander

Widersprechend, muß, wenn einer

Gut ist, böse sein der andre.

Böser Wille wird in Gott

Schon gesetzt durch den Gedanken;

Folglich wohnt nicht höchste Güte

Jenen bei, wenn Eintracht mangelt.

DÄMON.

Euern Vordersatz vernein ich;

Denn es gehen die Orakel

Solcher Art auf einen Zweck,

Unserm Scharfsinn zu erhaben.

Dies ist Vorsehung; und mehr

Vorteil bringen mußt im Kampfe

Dem Verlierer zu verlieren

Als dem Siegenden zu siegen.

CYPRIANUS.

Zugegeben; doch es mußte

Jener Gott (denn Götter schaffen

Keine Täuschung) nicht den Sieg

Erst versichern; g'nügend war es,[490]

Zu gestatten den Verlust,

Ohne Sieg erst zuzusagen.

Folglich nun: ist Gott allwissend,

Mußte jeder Gott der Sache

Ausgang klar und deutlich sehn

Und, ihn sehend, nicht zusagen,

Was geschehn nicht sollte. Folglich:

Mag die Gottheit auch sich spalten

In Personen, dennoch muß,

Auch in jedem kleinsten Falle,

Sie nur eine sein im Wesen.

DÄMON.

Nötig war's bei dieser Sache,

Zu entflammen die Gemüter

Durch Orakel.

CYPRIANUS.

War Entflammen

Nötig, gibt es Genien doch,

Welche die Gelehrten alle

Gut und böse nennen; Geister,

Die, dem Aug unsichtbar, wandern

Unter uns umher, einflößend

Gute so wie böse Taten.

Die Unsterblichkeit der Seele

Ruhet ganz auf diesem Satze.

Und wohl konnte jener Gott

Durch sie, ohn als lügensagend

Sich zu zeigen, die Gemüter

Zur Genüg entflammen.

DÄMON.

Achtet

Hierauf nur, daß Widersprüche

Solcher Art sich wohl vertragen

Mit der heil'gen Götter Einheit;

Denn nie wichen sie in Sachen

Von Bedeutung ab; und wohl[491]

Wird dies an dem wundersamen

Bau des Menschen klar, denn ihn

Schuf ein einziger Gedanke.

CYPRIANUS.

Folglich: schuf ihn nur ein einz'ger,

So hat dieser vor den andern

Viel voraus; und sind sie gleich

(Da Ihr findet, daß einander

Wohl sie können widerstehn,

Was Ihr nicht zu leugnen waget),

Konnte bei des Menschen Schöpfung,

Wenn im Sinn sie einer hatte,

Wohl vielleicht ein andrer sprechen:

Ich will nicht, daß man ihn schaffe.

Hieraus folgt, ist Gott allmächtig,

Daß, wann ihn der eine machte,

Ihn der andre stracks vertilgte.

Wenn nun beid allmächtig waren,

Ganz einander gleich an Macht,

Aber ungleich im Verlangen:

Welcher dann von beiden siegt?

DÄMON.

Mit unmöglichen und falschen

Sätzen gibt es keinen Streit.

Und was folgert Ihr aus allem

Diesem? Sprecht!

CYPRIANUS.

Es sei ein Gott,

Höchste Güte, höchste Gnade,

Allmacht und Allwissenheit;

Als unfehlbar stets wahrhaftig,

Als der Höchste nimmer kämpfend,

Gott, nicht seinesgleichen habend,

Uranfänglich, sonder Anfang,

Wesen durch sich selbst vorhanden,

Eine Kraft, ein einz'ger Wille.[492]

Und mag er als solcher haben

Eine, zwei und mehr Personen:

Eine Gottheit ohne Schranken

Muß nur eine sein im Wesen,

Urgrund von den Gründen allen.


Er steht auf.


DÄMON.

Wär es möglich wohl, zu leugnen,

Was so augenscheinlich klar ist?

CYPRIANUS.

So verdrießt es Euch?

DÄMON.

Wen sollt es

Nicht verdrießen, macht ein andrer

Ihm den Preis des Scharfsinns streitig?

Und ob Antwort mir nicht mangelt,

Halt ich dennoch sie zurück,

Weil ich Leute hör im Walde;

Auch ist es für mich nun Zeit,

Weiter nach der Stadt zu wandern.

CYPRIANUS.

Geht in Frieden.

DÄMON.

Bleibt in Frieden. –

Beiseite: Da dein Studium das erlangte,

Mach ich, daß du es vergessest,

Bald von seltner Schönheit Glanze

Festgebannt; denn auch Justina

Zu verfolgen ward gestattet

Meiner Wut. Mit einem Schlag

Nehm ich so an beiden Rache.


Ab.


CYPRIANUS.

Nimmer sah ich solchen Mann!

Doch da meine Diener lange

Zögern, will ich meiner Zweifel

Gegenstand nochmals betrachten.


Er setzt sich wieder zum Lesen.


[493] Lälius und Florus treten auf.


LÄLIUS.

Gehn wir weiter nicht voran!

Diese Felsen, diese Schatten

Dichter Zweige, die den Zugang

Auch der Sonne selbst versagen,

Sollen unsers Kampfes einz'ge

Zeugen sein.

FLORUS.

Herausgefahren

Mit dem Schwert! Jetzt gilt die Tat,

Wenn vorhin die Worte galten.

LÄLIUS.

O ich weiß, auf freiem Kampfplatz

Darf der stumme Mund des Stahles

So nur reden.


Sie fechten.


CYPRIANUS zwischen sie tretend.

Was ist dieses?

Halt ein, Lälius! Florus, halte!

G'nug, ich steh hier zwischen euch,

Steh ich gleich hier ohne Waffen.

LÄLIUS.

Sprich, von wannen, Cyprianus,

Kommst du, störend meine Rache,

Jetzt heran?

FLORUS.

Bist du Geburt

Dieser Berge, dieses Waldes?


Moscon und Clarin treten auf.


MOSCON.

Lauf geschwind, denn unsern Herrn,

Glaub ich, hat man überfallen.[494]

CLARIN.

Mich zu nähern solchen Dingen,

Pfleg ich nicht zu laufen, wahrlich;

Doch mich zu entfernen, ja.

MOSCON UND CLARIN.

Herr!

CYPRIANUS zu den Dienern.

Kein Wort mehr sollt ihr sagen! –

Nun, was gibt es hier? Zwei Freunde,

Die durch Blut und Ruf dermalen

Als des ganzen Antiochia

Augenmerk und Hoffnung prangen,

Einer des Statthalters Sohn

Und der andre von dem alten

Hohen Hause der Colaltos,

Setzen so aufs Spiel und wagen

So zwei Leben, die zum Ruhm

Könnten sein dem Vaterlande?

LÄLIUS.

Cyprianus, wenn die Achtung,

Die ich, vieler Gründe halber,

Dir geweiht, auch meinen Degen

Jetzt vermag zurückzuhalten,

Dennoch, in die Ruh der Scheide

Kannst du nicht ihn wieder bannen.

Mehr von Wissenschaften weißt du

Als vom Zweikampf, nicht gewahrend,

Daß nie Achtung, welch es sei,

Auf dem Platz zwei Herrn vom Adel

Kann versöhnen; was nur dadurch

Wird bewirkt, daß einer falle.

FLORUS.

Dies sag ich dir auch, und bitte,

Geh mit deinen Leuten abwärts;

Aber uns laß unsern Kampf

Ohne Fahr und Vorteil halten.[495]

CYPRIANUS.

Dünkt euch schon, daß unbekannt

Mein Beruf mich läßt mit allem

Brauch des Zweikampfs, den der Mut

Und die Tapferkeit beachten,

Dennoch irrt ihr euch; auch mir

Macht nicht minder als euch andern

Die Geburt zur Pflicht das Wissen,

Welches Ehr ist, welches Schande;

Und nicht hat, daß ich den Studien

Lebte, mir den Mut erschlaffet,

Denn oft reichten schon die Hand

Wissenschaften sich und Waffen.

Wenn, sich auf den Platz zu stellen,

Die Bedingung ist des Kampfes,

So seid ihr, die ja gekämpft,

Jener Schmähung schon entgangen;

Und so könnt ihr wohl den Grund

Eures Zwistes mir entfalten.

Denn wofern ich nach Anhörung

Des Berichts die Einsicht habe,

Daß der eine von euch beiden

Muß Genugtuung verlangen,

Geb ich euch mein Wort, sogleich

Hier euch beid allein zu lassen.

LÄLIUS.

Wohl denn; unter der Bedingung,

Daß, wenn du den Grund erfahren,

Du nicht hindern wirst den Kampf,

Biet ich an, ihn dir zu sagen:

Eine Dame lieb ich hoch,

Und auch Florus liebt die Dame.

Siehe nun, ob hier Vereinung

Möglich ist; denn nicht verlange,

Daß zwei edle Nebenbuhler

Über Neigung unterhandeln.[496]

FLORUS.

Ja, sie lieb ich, und nicht soll

Er sie anzuschauen wagen,

Noch die Sonne selbst; und da

Nichts hier half und du versprachest,

Unsern Zweikampf nicht zu hindern,

So begib dich nun von dannen.

CYPRIANUS.

Halt! Denn mehr zu wissen noch

Gibt es hier: Bei dieser Dame,

Sprecht, ist ein Erlangen denkbar,

Ist undenkbar ein Erlangen?

LÄLIUS.

So glänzt ihre Würd und Tugend,

Daß, wenn mit der Sonne hadern

Florus wollt in Eifersucht,

Wär's ein grundlos Unterfangen;

Denn ich glaub nicht, daß die Sonne

Selbst sie anzuschauen waget.

CYPRIANUS zu Florus.

Würdest du dich ihr vermählen?

FLORUS.

Das ist einzig mein Verlangen.

CYPRIANUS zu Lälius.

Und du?

LÄLIUS.

O gefiel's dem Himmel,

Daß ich solches Glück erlangte!

Denn, wie äußerst arm sie ist,

Tugend g'nügt als Morgengabe.

CYPRIANUS.

Da ihr also auf Vermählung

Beide hofft: ist's nicht ein falsches,

Sträfliches, unwürd'ges Treiben,

Ihrem Ruf vorher zu schaden?[497]

Was wohl sagte man, nähm einer

Von euch beiden sie zur Gattin,

Wenn er ihrethalb den Gegner

Umgebracht? Denn ob's an allem

Grund zu solchem Sagen fehle,

G'nügt auch ohn ihn solches Sagen.

Das nicht sag ich, daß gleichzeitig

Huld'gung ihr und Liebestrachten

Sollet dulden; denn nicht führen

Zu so schimpflichem Vertrage

Will ich, weil, wes Eifersucht

Mitbewerbung eines andern

Anfangs übersieht, hernach

Übersehn wird auch die Schande.

Doch dies sag ich: ihr müßt forschen,

Wer von euch ihr mag gefallen;

Und deshalb ...

LÄLIUS.

Halt ein! Nicht weiter!

Welch ein niedrig feiges Handeln

Wär's, zu wollen, daß sie selber,

Wen sie wählt, uns solle sagen!

Denn mich wählt sie oder ihn.

Wählt sie mich, so wird die Plage,

Die mich drückt, nur um so schlimmer;

Denn wohl plagt es, daß ein andrer

Da sei, der, die mich liebt, liebe;

Wählt sie ihn: dann noch gewalt'ger

Martert's mich, daß, die ich liebe,

Einen andern liebt. Drum aber

Ist es unnütz, daß sie spreche,

Weil ja doch in jedem Falle

An des Degens Endurteil

Wir zuletzt uns müssen halten:

Der, den sie erwählt, aus Ehre,

Der, den sie verwirft, aus Rache.[498]

FLORUS.

Ich gesteh es, diese Meinung

Wird als recht und gut betrachtet,

Doch nur bei verliebten Frauen,

Die bald wählen, bald verlassen.

Drum beim Vater will ich werben

Heut; und da ich g'nügend achte,

Auf den Kampfplatz mich gestellt

Und das Schwert entblößt zu haben,

Aus dem Grund hauptsächlich, weil

Uns ein Dritter stört im Kampfe:

Laß ich, hinlänglich befriedigt,

Lälius, in die Scheid es fallen.


Er steckt den Degen ein.


LÄLIUS.

Einesteils hat mich dein Grund

Überzeugt, und ohne langes

Grübeln will ich ihn befolgen,

Sei's ein wahrer, sei's ein falscher.

Heut beim Vater will ich werben.


Er steckt den Degen ein.


CYPRIANUS.

Festgesetzt, daß diese Dame

Davon, daß ihr beid ihr huldigt,

Keinen Nachteil kann erfahren,

Da ihr beide sie, einmütig,

Tugendhaft und strenge nanntet:

Sagt mir, wer sie ist; denn ich,

Der ich in der Stadt des Ansehns

Viel besitze, will bei ihr

Führen euer beider Sache,

Daß sie vorbereitet sei,

Wenn ihr Vater davon anfängt.

LÄLIUS.

Du hast recht.[499]

CYPRIANUS.

Wer ist's?

FLORUS.

Justina,

Tochter des Lysander.

CYPRIANUS.

Wahrlich,

Dieser Name zeigt, wie arm

Eure Lobesworte waren;

Denn sittsam ist sie und edel.

Gleich nun will ich ihr mich nahen.

FLORUS.

Lenk, o Himmel, mir zum Besten

Das Gemüt der Undankbaren!


Ab.


LÄLIUS.

Krön, o Liebe, nennt er mich,

Meine Hoffnung mit dem Kranze!


Ab.


CYPRIANUS.

Laß, o Himmel, mir's gelingen,

Daß ich Unheil wehr und Schaden!


Ab.


MOSCON.

Hat Eur Gnaden wohl gehört,

Unser Herr sei auf dem Wege

Zu Justina?

CLARIN.

Ja, mein Herr;

Geh er oder nicht: was macht es?

MOSCON.

So viel macht es: nichts zu tun

Hat Eur Gnaden dort.

CLARIN.

Wieso denn?

MOSCON.

Weil Justinas Kammermädchen,

Livia, tödlich mich entflammet;[500]

Und ich will nicht, daß die Sonne

Selbst sie anzuschauen wage.

CLARIN.

Schon genug; denn schlagen will

Ich mich nicht um eine Dame,

Welche meine Frau soll werden.

MOSCON.

Dieser Satz hat mein Gefallen;

Und so mag denn sie erklären,

Wer ihr mißfällt, wer ihr ansteht.

Laß uns zu ihr gehn; sie selbst

Wähle dann.

CLARIN.

Kein übler Handel!

Fürcht ich gleich, sie wird dich wählen.

MOSCON.

Woher kommt dir solches Bangen?

CLARIN.

Weil's die undankbaren Livias

Immer mit dem Schlechtsten halten.


Beide ab.

Zimmer in Lysanders Haus. Justina und Lysander treten auf.


JUSTINA.

Nein, nie tröst ich mich fürwahr,

Daß ich heute, Herr, gesehen

Dies entsetzliche Vergehen,

Da des Volks gesamte Schar

Weihte Tempel und Altar

Einem Bilde, welches nimmer

Kann ein Gott sein; denn wär immer

Ihm davon auch nur ein Schein,

Gibt der Höllengeist allein

Stummen Erzen Lebensschimmer.[501]

LYSANDER.

Teures Kind, du wärest nicht,

Die du bist, wenn deiner Zähren

Ströme nicht geflossen wären,

Als vor deinem Angesicht

Unsrer heil'gen Glaubenspflicht

Heut so bittre Schmach geschah.

JUSTINA.

Deine Tochter bin ich ja;

Und nicht wär ich dir entsprossen,

Wenn nicht meine Tränen flossen

Bei dem Jammer, den ich sah.

LYSANDER.

Ach, Justina, nicht als zarte

Tochter warst du mir gewährt;

Solch Glück war mir nicht beschert. –

Gott! wie kam's? Ich offenbarte,

Was so lang ich tief bewahrte;

Schmerz war's, der mich überkam.

JUSTINA.

Herr, was sagst du?

LYSANDER.

Ach! der Gram

Macht mich ganz verwirrt, beklommen.

JUSTINA.

Oft hab ich von dir vernommen,

Was ich jetzt von dir vernahm;

Aber nie, bis diese Stunde,

Wagte mein verschüchtert Herz

Zu ergründen deinen Schmerz,

Zu erforschen meine Wunde.

Doch nun seh ich, tiefre Kunde

Wäre mir ein bessrer Rat;

Drum, und sei es schwere Tat,

Fleh ich, Herr, mir ohne Weilen[502]

Dein Geheimnis mitzuteilen,

Das in dir nicht Raum mehr hat.

LYSANDER.

Ein Geheimnis wicht'ger Art

Barg ich, Teure, dir bis heute:

Deine Herkunft; denn ich scheute,

Was sich der Entdeckung paart.

Doch da ich bei dir gewahrt

Reifer Überlegung Gabe,

Und gewahrt, daß ich am Stabe

Schon zur Erde, längst ergreist,

Hin mich beuge, welches heißt

Klopfen an die Tür zum Grabe,

So darf in Unwissenheit

Ich dich länger nun nicht halten;

Denn durch weitres Vorenthalten

Würde meine Pflicht entweiht.

Höre denn, zu meinem Leid,

Deine Lust.

JUSTINA.

Mit Angst und Zagen

Kämpf ich.

LYSANDER.

Schwer sind meine Plagen;

Doch so will's Vernunft und Pflicht.

JUSTINA.

Herr, laß mich zum Raube nicht

Dieser Qual.

LYSANDER.

So laß dir sagen:

Teures Kind, ich bin Lysander,

Und nicht mag es dich befremden,

Daß ich anfing mit dem Namen;

Denn obwohl du schon ihn kennest,

Muß ich, um der Folge willen,

Dir ihn rufen ins Gedächtnis,[503]

Weil du nichts von mir noch weißt

Als nur meinen Namen eben.

Ja, Lysander bin ich, Sohn

Jener Stadt, auf sieben Bergen

Eine Hydra schier von Stein,

Weil sie sieben Häupter zählet;

Jener Stadt, anjetzt der Thron

Römischer Gewalt, Herberge

Und Asyl der Christenheit,

Denn nur Rom ist würdig dessen.

Dort ward ich erzeugt von niedern

Eltern, darf man niedrig nennen

Jene, die als reiche Güter

So viel Tugenden vererbten.

Beide, Christen von Geburt,

Rühmten sich entstammt von Vätern,

Die mit ihrem Blut die Wahrheit

Einst bezeugt und aus des Lebens

Hartem Kampf hervorgegangen

Mit des Todes Siegstrophäen.

In der Religion der Christen

Wuchs ich auf, so wohl belehret,

Daß ich gern, sie zu verteid'gen,

Opfre tausendmal das Leben.

Jüngling war ich, als in Rom

Heimlich ankam der verständ'ge

Alexander, unser Papst,

Der den apostol'schen Sessel

Innehatt, allein nicht hatte,

Wo er hin ihn konnte stellen;

Denn dieweil die Tyrannei

Der grausamen Götzenknechte

Löschet ihren Durst mit Blute,

Welches sie entzieht den Märt'rern,

Muß die erstgeborne Kirche

Ihre Söhne jetzt verbergen,

Nicht weil sie zu sterben weigern,[504]

Nicht weil sie die Marter fürchten,

Sondern daß nicht auf einmal

Allesamt sie der Rebellen

Wut vertilg und nach der Kirche

Untergang es keinen gebe,

Der die Heiden unterrichte,

Ihnen pred'ge, sie belehre.

Nun, nach Rom kam Alexander,

Und ich, der mit gläub'gem Sehnen

Heimlich ihn besucht, empfing

Seinen Segen, und aus gnäd'ger

Hand die heil'gen Orden alle,

Deren Würde selbst der Engel

Neid erregt; denn ihr Besitz

Ist ein Vorrecht nur des Menschen.

Mir befahl der Papst, ich solle

Mich gen Antiochia wenden,

Um dort im geheimen Christi

Wort zu pred'gen. Dem Befehle

Folgsam und so vieler Völker

Roher Willkür preis mich gebend,

Zog ich schnell gen Antiochia;

Und als ich von jener Berge

Gipfel nun zuerst erblickte

Ihrer Kuppeln goldne Menge,

Da gebrach die Sonne mir,

Und mit sich den Tag entfernend,

Ließ sie freundlich zur Gesellschaft

Mir die Stern als Stellvertreter

Ihres Lichts und ihrer bald'gen

Rückkehr gleich als Unterpfänder.

Mit der Sonne schwand der Weg,

Und in Traurigkeit des Berges

Labyrinth durchirrend, fand ich

Mich in düsterm Waldgehege,

Wo sogar die regen Strahlen

Solcher Menge von lebend'gen[505]

Fackeln nicht sich ließen sehn;

Denn in dunkelndem Gedränge

Dienten hier als schwarze Wolken

Die am Tage grünen Blätter.

Hier nun denkend zu verziehn,

Bis die Sonne wiederkehrte,

Und der Phantasie das Recht,

Das ihr zukommt, gern gewährend,

Hielt ich mit den Einsamkeiten

Tausend wechselnde Gespräche.

So demnach war meine Lage,

Als von einem leisen Ächzen

Ein nicht wohl belehrtes Echo

Gab dem Herrn zurück die Hälfte;

Und nun, alle meine Sinne

In mein Ohr zusammendrängend,

Hört ich nochmals jenen Hauch,

Deutlicher, obwohl schon schwächer,

Stumme Sprache der Betrübten,

Die sich nur in ihr verstehen.

Eines Weibes war der Seufzer,

Und als dieser Hauch verschwebte,

Hört ich eines Mannes Stimme

Leisen Tones also sprechen:

»Eher, du, so edlen Blutes

Schandfleck, stirb von meinen Händen,

Ehe du den Tod empfangest

Von der Hand ehrloser Henker.«

Dieses unglücksel'ge Weib

Sprach mit abgebrochner Rede:

»Schenke Mitleid deinem Blute,

Da du mir kein Mitleid schenkest!«

Nahen wollt ich mich alsdann,

Um so grauser Tat zu wehren;

Doch vergebens, denn verstummt

Sind die Stimmen, und ich sehe

Einen Mann zu Roß im Dickicht[506]

Des Gebüsches sich entfernen.

Für mein Mitleid ein Magnet

War die Stimme, die entkräftet

Und schon stammelnd sprach, begleitet

Bald von Seufzern, bald von Tränen:

»Ich bin Märtyrin, dieweil ich

Schuldlos und als Christin sterbe.«

Und dem Pol der Stimme folgend,

Kam ich bald in einen engen

Hohlweg, wo ich fand ein Weib,

Das ich kaum nur konnt erkennen,

Im Begriff, den letzten Kampf

Mit dem Tode zu durchkämpfen.

Kaum vernahm sie mich, und sammelnd

Ihre Kräfte, sprach sie: »Kehre

Nur zurück, mein blut'ger Mörder;

Laß mir nicht auch diesen letzten

Lebensblick!« – »Ich bin nur«, sagt ich,

»Einer, den der Zufall sendet,

Und vielleicht geführt vom Himmel,

Um Euch beizustehn im Schrecken

Dieses Augenblicks.« – »Der Beistand«,

Sprach sie, »den Eur Mitleid spenden

Meinem Leben will, ist fruchtlos,

Denn schon ist es im Vergehen;

Doch gewährt ihn dieser Armen,

Die, aus meinem Grab ihr Leben

Heut empfangend, nach des Himmels

Willen wird mein Unglück erben.«

Sie verschied; da sah ich ...


Livia tritt auf.


LIVIA.

Herr,

Dieser Kaufmann, dem du Gelder

Schuldig bist, kommt mit den Dienern[507]

Des Gerichts, dich festzunehmen.

Du seist nicht zu Hause, sagt ich;

Jene Tür dort kann dich retten.

JUSTINA.

Wie betrübt's mich, daß er jetzt

Eben muß dich unterbrechen,

Da an deines Munds Erzählung

Hingen Seele, Geist und Leben!

Aber gehe nun, o Herr!

Nicht darf das Gericht dich treffen.

LYSANDER.

Wehe mir! Wie vieles Leid

Hat die Armut zu bestehen!


Er geht durch die Seitentür ab.


JUSTINA.

Sicher kommen sie hierher,

Denn ich höre draußen gehen.

LIVIA.

Sie nicht, Cyprianus ist es.

JUSTINA.

Was kann Cyprianus eben

Bei uns wollen?


Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf.


CYPRIANUS.

Euch zu dienen

Ist mein einziges Bestreben.

Da ich sah aus Euerm Hause

Die Gerichte gehn, so dränget

Meine Freundschaft sich herein,

In Lysanders Schuld sich sehend,

Nur um zu erspähn (ein Schwindel

Faßt mich!), ob vielleicht (welch heft'ger

Frost durchschauert mir die Adern!)

Mein Bestreben Euch im kleinen[508]

Dienen kann. (Wie übel sprach ich!

Nicht Frost, Glut fühl ich im Herzen.)

JUSTINA.

Gott erhalt Euch lange Jahre,

Daß Ihr auch in wicht'gern Fällen

Meinen Vater einst mit Eurer

Gunst beehren mögt.

CYPRIANUS.

Beständig

Bin ich ganz zu Euerm Dienste.

(Was verstört mir Sinn und Rede?)

JUSTINA.

Jetzo ist er nicht zu Hause.

CYPRIANUS.

Also kann ich jetzt, o Herrin,

Euch den eigentlichen Grund,

Der hierher mich führt, entdecken;

Denn nicht der, den Ihr vernommen,

Ist's allein, der mich beweget,

Euch zu suchen.

JUSTINA.

Was verlangt Ihr?

CYPRIANUS.

Mir ein kurz Gehör zu schenken. –

O Justina, Ihr, in deren

Reiz die menschliche Natur

Uns mit Stolz gebeut, die Spur

Einer göttlichen zu ehren!

Heut Euch Ruhe zu gewähren,

O wie fänd ich mich beglückt!

Aber seht, wie hart es drückt,

Was ich jetzt an mir erlebe,

Daß ich Euch die Ruhe gebe

Und Ihr meine mir entrückt.

Lälius, ganz von Lieb entzündet[509]

(Nie war Liebe so vollkommen!),

Florus, ganz von Lieb entglommen

(Nie war Schwachheit so begründet!),

Fielen, sonst so fest verbündet,

Für Euch auf den Tod sich an;

Für Euch stört ich sie (o Wahn!).

Aber seht, wie mich's betrogen,

Daß ich sie dem Tod entzogen,

Um von Euch ihn zu empfahn.

Nun, um Aufsehn zu vermeiden

Und des Stadtgerüchts Erfrechen,

Komm ich, um für sie zu sprechen.

(O daß ich nie kam!) Entscheiden

Soll der Wettkampf dieser beiden

Sich vor Euerm Tribunal

Durch den Ausspruch Eurer Wahl;

Aber seht, welch hartes Fügen!

Jenen schaff ich Lieb und G'nügen,

Ihr mir Eifersucht und Qual.

Euch zu sprechen, Herrin, bot

Ich mich an, damit Ihr sollet

Wählen, welchen Ihr nun wollet,

Daß beim Vater (bittre Not!)

Er um Euch (es ist mein Tod!)

Werben darf. Das ist mein Trachten;

Aber seht (mich will's umnachten!),

Ist es billig (ich muß sterben!),

Daß ich soll für jene werben,

Daß ich soll für mich verschmachten?

JUSTINA.

So erstaunt mich das Erfrechen

Eures schnöden Antrags hier,

Daß Gedank und Rede mir

Jetzt zu gleicher Zeit gebrechen.

Nie, daß so Ihr durftet sprechen,

Bot ich Florus, nie fürwahr[510]

Lälius einen Anlaß dar;

Und wenn Gutes zu erkiesen

Ihr vermögt, so nehmt an diesen

Meiner Strenge Beispiel wahr.

CYPRIANUS.

Wenn Ihr liebtet irgendeinen,

Und ich würb um Eure Liebe,

Dann gehörten meine Triebe

Zu den niedern und gemeinen;

Doch weil ich Euch sah erscheinen

Als ein Fels, vom Meer umrollt,

Lieb ich Euch, und nimmer wollt

Jene mir zum Beispiel geben;

Denn nicht will ich, daß Ihr eben

Mich wie jene lieben sollt. –

Was sag ich dem Lälius?

JUSTINA.

Scheiden

Soll er von dem Liebeswahn,

Der so lang ihm weh getan.

CYPRIANUS.

Florus denn?

JUSTINA.

Er soll mich meiden.

CYPRIANUS.

Und mir?

JUSTINA.

Nicht sei unbescheiden

Eure Liebe!

CYPRIANUS.

Ist sie mir

Doch ein Gott!

JUSTINA.

Empfinget Ihr

Mehr als jene seiner Gaben?[511]

CYPRIANUS.

Ja.

JUSTINA.

Nun wohl denn, Antwort haben

Lälius, Florus und auch Ihr.


Beide zu verschiedenen Seiten ab.


CLARIN.

Pst, pst, Livia!

MOSCON.

Livia, pst!

CLARIN.

Alle beide sind wir hier.

LIVIA.

Was verlangt Ihr denn? Und Ihr,

Was verlangt Ihr?

CLARIN.

Daß Ihr wißt,

Wenn's Euch noch nicht kundbar ist,

Wie wir zwei um Euch uns quälen,

Eben schon uns an die Kehlen

Wollten wir: doch daß ein Mord

Aufsehn nicht erreg im Ort,

Sollt ihr einen von uns wählen.

LIVIA.

Mich betrübt in solchem Grad,

Was Ihr jetzt zu mir gesprochen,

Daß der Kummer schier gebrochen

Mir Verstand und Rede hat.

Einen wählen? Herber Rat!

Ewig müßt ich das beweinen.

Einen ich? Wär's denn für meinen

Geist (o Gott) nicht Spielerei,

Nähm ich auch auf einmal zwei?

Warum wählen soll ich einen?[512]

CLARIN.

Zwei auf einmal? Im Vertrauen:

Wär's nicht ein zu großer Bissen?

LIVIA.

O das nicht! Wir Weiber wissen

Zwei bei zwei sie zu verdauen.

MOSCON.

Doch wie meinst du denn, laß schauen,

Das zu machen?

LIVIA.

Dumme Frage!

Lieben werd ich, wie ich sage ...

MOSCON.

Wie?

LIVIA.

Alternative.

CLARIN.

Was

Heißt alternative?

LIVIA.

Das:

Jeden stets an einem Tage.


Ab.


MOSCON.

Diesen ersten Tag wähl ich.

CLARIN.

O das macht mir keine Sorgen;

Länger ja ist der von morgen.

MOSCON.

Livia, weiß ich sicherlich,

Lieb ich heut, heut liebt sie mich;

Schnell, daß ich mein Glück empfange!


Er will gehen.


CLARIN.

Hört, mein Herr, Ihr kennt mich lange.[513]

MOSCON.

Wozu sagst du das? Nur her!

CLARIN.

Wißt, sie ist nicht Euer mehr

Mit dem zwölften Stundenklange.


Beide ab.

Platz vor Lysanders Haus; im Hintergrund das Meer. Es ist Nacht. Lälius tritt auf.


LÄLIUS.

Kaum erst hat die dunkle Nacht

Ausgedehnt die schwarze Hülle,

Und schon komm ich, voll Verehrung

Diese Schwelle zu begrüßen;

Denn ich muß, um Cyprianus

Willen, zwar den Degen zügeln,

Doch nicht mein Gefühl; denn nimmer

Zügeln lassen sich Gefühle.


Florus tritt auf von der andern Seite.


FLORUS.

Hier soll mich Aurora finden;

Denn gezwungen weilen müßt ich

Überall sonst; überall

Wär ich fern von meinem Glücke.

Mag doch Amor bald den Tag

Und herbei die Antwort führen,

Die mir Cyprianus bringet,

Glück mir oder Leid verkündend!

LÄLIUS.

Ein Geräusch dort an dem Fenster

Hört ich.

FLORUS.

Ein Geräusch verspürt ich

Dort auf dem Balkon.


[514] Der Dämon erscheint auf dem Balkon von Lysanders Haus.


LÄLIUS.

Ein Mensch

Kommt heraus dort, wenn's mir glückte,

Recht zu sehen.

FLORUS.

Jemand zeigt sich

Dort, wenn nicht das Dunkel trüget.

DÄMON für sich.

Um das Unheil, das Justina

Ich bestimmt, nun anzuschüren,

Will ich ihre Tugend so

Zu verlästern mich erkühnen.


Er steigt auf einer Strickleiter herab.


LÄLIUS.

Weh mir Armen! Was erblick ich?

FLORUS.

Weh mir Armen! Was verspür ich?

LÄLIUS.

Vom Balkon zur Erde nieder

Steigt ein Mensch in schwarzer Hülle.

FLORUS.

Ja, ein Mann kommt aus dem Hause.

Himmel, töte mich nicht früher,

Als bis ich erfuhr, wer's ist.

LÄLIUS.

Kennen muß ich ihn, ergründen

Nun auf einmal, wem das Glück

Spendet, was ich eingebüßet.


Beide nähern sich dem Haus mit gezogenem Degen.


DÄMON für sich.

Nicht allein soll dies mein Tun

Jetzt Justinas Schmach bewirken,

Sondern Hader auch und Morde.[515]

Ha, sie kommen! Schnell, ihr Schlünde,

Öffnet euch, und Blindheit laßt

Ihren Augen!


Er versinkt.


LÄLIUS.

Mich gelüstet,

Kavalier, wer Ihr auch sein mögt,

Euern Namen zu enthüllen;

Und bereit auf jeden Fall,

Bitt' ich Euch, mir zu verkünden,

Wer Ihr seid.

FLORUS.

Wenn Ihr gedenket

Durch so trotziges Erkühnen

Zu erspähn, wer das Geheimnis

Eurer Lieb erfuhr, so dürfte

Mehr nach Euerm Namen mich

Als nach meinem Euch gelüsten;

Denn Euch treibt die Neugier nur,

Mich der Eifersucht Bestürmen.

Ha, bei Gott, wer dieses Hauses

Meister ist, muß ich ergründen,

Und wer jetzt, herniedersteigend

Vom Balkon, gewann die Früchte,

Die, an diesen Gittern weinend,

Ich verlor.

LÄLIUS.

Fürwahr, nicht übel,

Daß Ihr eben jetzt gedenket,

Mir der Sinne Licht zu trüben

Und den Frevel, den allein

Ihr begingt, mir aufzubürden.

Wissen muß ich, wer Ihr seid,

Töten den, der, niederschlüpfend

Vom Balkon, durch Eifersucht

Mich getötet.[516]

FLORUS.

Überflüss'ge

Vorsicht, sich verhüllen wollen,

Wenn die Liebe schon enthüllte!

LÄLIUS.

Nur umsonst erspäht die Zunge,

Was der Stahl mit leichter Mühe

Wird erspähn.

FLORUS.

Mit ihm antwort ich.


Sie fechten.


LÄLIUS.

Wissen will ich, wer, begünstigt

Als Geliebter, bei Justina

Zutritt fand.

FLORUS.

Dasselbe wünsch ich;

Sterben oder Euch erkennen!


Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf.


CYPRIANUS.

Hemmt, ihr Kämpfer, euer Wüten,

Wenn dazu euch kann bewegen,

Daß der Zufall her mich führte.

FLORUS.

Nichts bewegt mich, abzustehn

Von dem Ziel, das mich entzündet.

CYPRIANUS.

Florus?

FLORUS.

Ja; denn meinen Namen,

Bei entblößtem Schwert, verhüll ich

Nimmer.

CYPRIANUS.

Dir zur Seite steh ich;

Sterbe, wer dich angreift![517]

LÄLIUS.

Fürchten

Werd ich weniger euch alle,

Als ich ihn allein gefürchtet.

CYPRIANUS.

Lälius?

LÄLIUS.

Ja.

CYPRIANUS zu Florus.

Nicht dir zur Seite,

Zwischen euch zu stehn gebührt mir. –

Wie? Zweimal an einem Tage

Find ich not, euch zu versöhnen?

LÄLIUS.

Dieses sei das letzte Mal,

Denn wir sind bereits versöhnet,

Weil, indem ich ihn erkenne

Als Justinas Eigentümer,

Auch der mindeste Gedanke

Meiner Hoffnung von mir flüchtet.

Sprachest du noch mit Justina

Nicht von meiner Leiden Bürde,

Meinem Mißgeschick, so bitt ich,

Tu es nicht, weil ich ergründet,

Daß sie Florus im geheimen

Schon mit ihrer Gunst beglückte.

Vom Balkon kam er herab,

Vom Genuß, der mir entschlüpfet;

Und so schlecht ist meine Liebe

Nicht, daß sie noch lieben müßte,

Wenn die Eifersucht auf Zeichen

So vollkommner Art sich gründet.


Ab.


FLORUS will ihm nach.

Warte![518]

CYPRIANUS ihn zurückhalten.

Nicht ihm folgen darfst du

(Was er sprach, wird mich erwürgen!),

Denn wofern, was du gewannest,

Er verlor und sich begnüget

Zu vergessen: ist's nicht recht,

Die Geduld ihm zu ermüden.

FLORUS.

Du und er, ihr habt die meine

Längst durch dies Geschwätz ermüdet.

Und so sprich nur mit Justina

Nicht für mich; denn ob's mich lüstet,

Mich für dies Verschmähn zu rächen,

Wenn ich auch erliegen müßte:

Dennoch schwand, sie zu besitzen,

Jede Hoffnung; denn nicht würdig

Handelt, wer beharrt, wenn so

Sich die Eifersucht begründet.


Ab.


CYPRIANUS.

Himmel, was ist dies? Was hör ich?

Diese zwei, zugleich entzündet

Von der gleichen Eifersucht?

Und auf sie ich eifersüchtig?

Ganz gewiß hält eine Täuschung

Beid umstrickt, und danken müßt ich

Ihnen wohl, denn beide schon

Gaben sie, sich selbst betrügend,

Ihren Anspruch auf. – Ach! Unglück

Werd ich, ob auch bang erwünschten

Trost mir das Vernommne gab,

Dieser Täuschung danken müssen. –

Moscon, bring ein Festkleid morgen,

Du, Clarin, die Federbüsche

Samt dem Degen; denn es freut

An des bunten Schmuckes Fülle

Sich die Liebe ja; und nicht[519]

Will ich Studien mehr noch Bücher:

Sage man denn auch, die Liebe

Sei der Wißbegierde Würger!


Ab.


Quelle:
Calderón de la Barca, Don Pedro: Der wundertätige Magus. In: Spanisches Theater, Don Pedro Calderón de la Barca, Dramen, weltliche Schauspiele, in der Übertragung von Johann Dieterich Gries. München 1963, S. 481–605, S. 483-520.
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