Erstes Kapitel.

[117] Enthält ein unglückliches Abenteuer, welches Don Quixote begegnete, indem er einigen ungefügen Yanguesern begegnete.


Der weise Cide Hamete Benengeli erzählt, daß Don Quixote, nachdem er von seinen Wirten und allen übrigen, die bei dem Begräbnisse des Schäfers Chrysostomus gegenwärtig waren, Abschied genommen, sich mit seinem Stallmeister in dasselbe Gebüsch wandte, in welchem sich die Schäferin Marcella verloren hatte. Als er länger als zwei Stunden nach allen Seiten suchend herumgestreift war, ohne sie zu finden, hielten sie auf einer Wiese an, die frisches Gras bedeckte und durch die ein frischer, so angenehmer Bach floß, welches sie einlud und nötigte, hier die Stunden der Siesta zuzubringen, welche schon mit der größten Hitze einzutreten begann. Don Quixote und Sancho stiegen also ab und ließen den Esel und Rozinante nach ihrem Gelüste von dem schönen Grase fressen, sie selbst aber eröffneten den Schnappsack, und Herr und Knecht verzehrten friedlich und gesellig miteinander, was sie darin antrafen. Sancho hatte Rozinantes Füße nicht gebunden, denn er kannte ihn als so sanft und einen solchen Feind aller Ausschweifungen, daß ihn alle Stuten von der Weide von Kordova nicht von dem Wege rechtens ablenken könnten. Das Schicksal und der Teufel, der nicht immer schläft, fügten es aber, daß ein Zug galizischer Füllen von Yanguesern durch das Tal getrieben wurde, die mit ihren Koppeln mittags gern an Orten stilliegen, wo sie Gras und Wasser finden; der Platz also, auf welchem Don Quixote ruhte, war auch den Yanguesern sehr willkommen.[117]

Es schickte sich so, daß in Rozinante der Wunsch aufstieg, sich mit den liebenswürdigen Stuten zu ergötzen; er witterte sie also kaum, als er auch schon gegen seine sonstige Gewohnheit und Natur, ohne von seinem Herrn Erlaubnis zu erbitten, sich in einen kleinen, etwas muntern Trab setzte, um mit ihnen sein Bedürfnis zu befriedigen. Diesen aber war, wie es schien, mehr an der Weide als an so etwas gelegen; sie empfingen ihn also mit Hufen und Zähnen, so daß sie ihm bald den Gurt zersprengten und er nackt, ohne Sattel dastand. Was ihm aber freilich noch empfindlicher fallen mußte, war, daß die Treiber, da sie die Gewalt sahen, die ihren Stuten geschah, mit Knütteln herbeieilten und ihn mit Prügeln so bedeckten, daß er schlimm zugerichtet auf den Boden stürzte.

Don Quixote und Sancho, die die Abprügelung des Rozinante mit angesehen hatten, liefen eiligst herbei, und Don Quixote sagte zu Sancho: »Wie ich gewahr werde, Freund Sancho, sind jene dort keine Ritter, sondern gemeine Menschen und schlechtes Volk. Dieses wird gesagt, weil du mir deshalb wohl in der gerechten Rache beistehen darfst, die ich wegen der Befährdung Rozinantes nehmen will, die er unter unsern Augen erlitten hat.«

»Was Teufel können wir für Rache nehmen?« antwortete Sancho, »sie sind über zwanzig Mann, und wir sind nur zwei, ja vielleicht gar nur anderthalb.«

»Ich bin für hundert!« versetzte Don Quixote, zog, ohne sich in weitere Gespräche einzulassen, den Degen und griff die Yangueser an, ebenso tat Sancho Pansa, vom Beispiele seines Herrn gereizt und angefeuert. Sogleich gab Don Quixote dem einen einen starken Hieb, der in die Schulter drang und das lederne Koller zerschnitt. Da die vielen Yangueser sich so von zwei einzelnen Menschen gemißhandelt sahen, liefen sie alle mit ihren Knütteln herbei, trieben die beiden in die Mitte hinein und schlugen nun mit vieler Gewalt und Berührigkeit von allen Seiten auf sie ein. Schon mit der zweiten Begrüßung lag Sancho auf dem Boden, und ebendies begegnete dem Don Quixote, ohne daß ihn Geschicklichkeit oder Mut retten konnten, und das Schicksal fügte es, daß er zu den Füßen des Rozinante niedersank, der sich noch nicht hatte aufheben können; woraus man abnehmen kann, wie gewaltig die Wirkung von Krippenstangen in den Händen erzürnter Bauern ist. Als die Yangueser nun glaubten, genug und zu viel getan zu haben, trieben sie eilig die Koppeln zusammen und ließen die beiden Abenteurer in schlechtem Zustande und noch schlechterm Humore liegen.

Der erste, der sich besann, war Sancho Pansa, der, da er sich so nahe bei seinem Herrn fand, mit schwacher und kranker Stimme sagte: »Herr Don Quixote! ach Herr Don Quixote!«

»Was begehrst du, Bruder Sancho?« erwiderte Don Quixote ebenso schwach und erschöpft wie Sancho.

»Ich begehrte, wenn's möglich wäre«, antwortete Sancho Pansa, »daß Euer Gnaden mir nur zwei Schluck von dem Tranke Fieberfraß reichen möchten, wenn Ihr ihn gerade bei der Hand habt, denn vielleicht ist er für zerschlagene Knochen nicht minder als für Wunden nützlich.«

»Wenn ich Unglückseliger diesen Trank besäße, was ginge uns dann ab?« sagte Don Quixote; »aber ich schwöre dir auf die Ehre eines irrenden Ritters, Sancho Pansa, nicht zwei Tage sollen verlaufen, wenn das Glück es nicht anders fügt, und ich will ihn besitzen oder nicht gesund vor dir stehen.«

»Wie viele Tage werden dann«, fragte Sancho Pansa, »nach Eurer Meinung verlaufen, in denen wir weder gehen noch stehen können?«

»In Ansehung meiner muß ich bekennen«, sagte der zerprügelte Ritter Don Quixote, »daß ich die Zahl dieser Tage nicht genau anzugeben weiß; aber ich messe mir selber alle Schuld bei, indem ich nicht gegen Menschen das Schwert hätte ziehen müssen, die nicht so wie ich geschlagene Ritter sind; ich glaube daher, daß zu meiner Strafe, der ich die Gesetze der Ritterschaft verletzte, es der Gott der Schlachten zugegeben hat, daß ich deshalb gezüchtigt würde; darum, Bruder Sancho, laß dir dieses für jetzt undimmerdar gesagt sein, weil es für unsre beiderseitige Wohlfahrt wichtig ist, daß du nämlich, wenn du siehst, daß dergleichen Pöbel uns eine Ungebühr erzeigt, nicht darauf wartest, bis ich das Schwert ziehe, denn ich werde solches keinesweges wieder tun, sondern greife du sogleich nach deinem Degen und züchtige sie nach Herzenslust; kommen ihnen aber Ritter zu Hülfe, dann werde ich dir auch mit aller meiner Gewalt zu helfen wissen, denn du hast ja tausend Zeichen und Beweise gesehen, wie weit sich die Kraft dieses meines tapfern Armes erstrecke.«

So eingebildet war der arme Mann auf die Besiegung des wackern Biscayers. Dem Sancho Pansa aber schien diese Weisung seines Herrn nicht so durchaus trefflich, er antwortete daher: »Gnädiger Herr, ich bin ein friedfertiger, stiller, ruhiger Mann, ich bin eingelernt, Leiden zu tragen, denn ich habe Frau und Kinder, die ich ernähren und erziehen muß; lasse es sich der gnädige Herr also ebenfalls gesagt sein, befehlen kann ich es nicht, daß ich auch keinesweges mein Schwert ziehen werde, so wenig gegen gemeine Leute wie gegen Ritter, indem ich alle Ungebühr nach Gottes Barmherzigkeit verzeihe, die man mir erwiesen hat, erweist oder die mir noch künftig erwiesen werden möchte, erwiesen wird und erweislich gemacht sein kann von hoch oder niedrig, arm oder reich, Ritter oder Knecht, ohne Akzeption irgendeines Standes oder Gewerbes.«

Als dies sein Herr hörte, antwortete er: »Ich wünschte nur etwas mehr Atem zu haben, um ohne große Beschwer reden zu können, und daß sich der Schmerz in den Seiten nur so lange legte, bis ich dir, Pansa, bewiesen hätte, in welchem Irrtume du dich befindest. So antworte mir doch darauf, du feiger Knecht: Wenn sich der Glückswind, der uns bisher entgegenwehte, nun zu unserm Vorteil dreht, die Segel unsrer Entwürfe anschwellt, daß wir sicher und ohne Gefahr in den Hafen von einer der Inseln einlaufen, die ich dir versprochen habe, wie würdest du fahren, wenn ich sie gewönne und dich zum Herrn einsetzte? denn du machst es zur Unmöglichkeit, daß du jemals ein Ritter werdest, du wünschest es auch nicht zu sein, dir würde auch so wenig Mut als Wille zu Gebote stehen, erlittenes Unrecht zu rächen und dein Besitztum zu verteidigen; denn du mußt wissen, daß in neueroberten Reichen und Provinzen die Gemüter der Eingebornen nie so ganz beruhigt oder gänzlich auf der Seite ihres neuen Herrn sind, daß, wenn sie nicht von Furcht gezügelt werden, sie nicht etwas unternehmen sollten, um die Lage der Sachen zu verändern und, wie man zu sagen pflegt, ihr Heil zu versuchen; es ist also notwendig, daß der neue Herrscher Verstand habe, um sich gehörig zu betragen, und Tapferkeit, um jeglichem Unfall zuvorzukommen oder sich dagegen zu beschützen.«

»In dem, was uns jetzt zugefallen ist«, antwortete Sancho, »hätte ich gewünscht, den Verstand und die Tapferkeit, wovon Ihr sprecht, zu besitzen; aber ich will darauf schwören, so wahr ich ehrlich bin, daß ein Pflaster mehr als Reden heilsam wäre. Seht doch, gnädiger Herr, ob Ihr aufstehen könnt, so wollen wir dem Rozinante aufhelfen, der es freilich nicht verdient, denn er ist doch die hauptsächlichste Ursache der ganzen Prügelei. Ich hätte so was nie vom Rozinante geglaubt, denn ich hielt ihn für einen so keuschen und ordentlichen Kerl wie mich selber. Aber es ist wohl wahr, man braucht lange Zeit, um die Leute kennenzulernen, und kein Ding ist in diesem Leben gewiß. Wer hätte das denken sollen, gnädiger Herr, als Ihr jenem unglückseligen irrenden Ritter die greulichen Hiebe gabt, daß so bald hinterher eine so tüchtige Tracht von Prügeln folgen sollte, die nun unsre armen Schultern haben erleiden müssen?«

»Doch sind die deinigen, Sancho«, antwortete Don Quixote, »wahrscheinlich noch zu dergleichen Vorfallenheiten abgehärtet, aber da die meinigen in feinem holländischen Leinen erwachsen sind, so ist es deutlich, daß ich die Leiden dieses Unfalles noch tiefer empfinden müsse; und wäre es nicht, daß ich meinte – ei! was sage ich, meinen? –, ich weiß es gewiß, daß dergleichen Unannehmlichkeit notwendig[121] mit Tragung der Waffen verbunden ist und ich mich also nicht obstinieren darf, so würde ich vor bloßem Zorne augenblicklich sterben.«

Hierauf antwortete der Stallmeister: »Gnädiger Herr, da nun solche Unglücksfälle einmal das Obst und die Ernte der Ritterschaft sind, so sagt mir doch, ob sie selten oder oft eintreffen oder ob sie nur in gewissen Jahreszeiten zur Reife kommen, denn ich glaube, daß wir nach zwei solchen Obsternten vergeblich auf die dritte lauern würden, wenn uns Gott nicht nach seiner unendlichen Barmherzigkeit zu Hülfe käme.«

»Wißt, Freund Sancho«, sagte Don Quixote, »daß das Leben der irrenden Ritter tausend Gefahren und Unglücksfällen unterworfen ist, und auch gleicherweise ist es im augenblicklichen Bereich der irrenden Ritter, Könige und Kaiser zu werden, wie es die Erfahrung an so vielen und verschiedenen Rittern bewiesen hat, deren Geschichte ich umständlich weiß; wie ich dir auch gleich von einigen erzählen könnte, wenn es mir die Schmerzen erlaubten, die sich bloß durch die Stärke ihres Armes zu einer solchen Höhe emporgeschwungen haben, nachdem sie sich vorher oft und vielmals in mancherlei Unglück und Trübsal befunden hatten. Denn der tapfere Amadis von Gallia sah sich in der Gewalt seines Todfeindes, des Zauberers Arcalaus, von welchem als gewisse Wahrheit erzählt wird, daß er ihm mehr als zweihundert Streiche mit dem Zaume seines Pferdes gegeben habe, nachdem er ihn an eine Säule in seinem Hofe festgebunden. Ein geheimer, aber glaubwürdiger Autor schreibt ebenfalls, wie der Ritter des Phoebus in einem gewissen Schlosse plötzlich in eine gewisse Falle geraten sei, die sich unter seinen Füßen eröffnet habe; er sei hierauf in einem tiefen unterirdischen Abgrund an Händen und Füßen gefesselt worden, worauf sie ihm, was man ein Klistier nennt, aus Schneewasser und Sand gegeben, welches ihm übel bekam, und wäre ihm nicht in dieser großen Fährlichkeit ein Weiser, sein guter Freund, zu Hülfe gekommen, so möchte es dem armen Ritter schlimm ergangen sein. Ich darf mich also wohl mit diesen wackern Leuten trösten, denn der Unglimpf, den sie erduldeten, war noch härter, als den wir heute haben aushalten müssen; überdies, Sancho, mußt du mitwissend sein, daß die Wunden nicht verunglimpfen, die man mit den Instrumenten erhält, die ein anderer zufällig in den Händen hat, auch steht es im Gesetze vom Duelle mit ausdrücklichen Worten: ›Schlägt ein Schuster einen andern mit dem Leisten, den er in den Händen hat, so kann von jenem nicht gesagt werden, daß er geprügelt sei, wenn freilich gleich Leisten und Prügel aus Holz erwachsen.‹ Ich sage dieses, damit du nicht auf den Gedanken verfällst, daß, weil wir in diesem Kampfe zerschlagen sind, wir darum auch verunglimpft wären, denn die Waffen, die jene Menschen führten und mit denen sie uns zerklopften, waren nichts weiteres als ihre Krippenstangen, und kein einziger von ihnen, soviel ich mich erinnern kann, führte eine Lanzenstange oder Schwert und Dolch.«

»Mir ließen sie gar nicht Zeit«, antwortete Sancho, »dies alles zu beschauen, denn kaum hatte ich meinen wackern Degen herausgezogen, so ölten sie mir die Schultern mit ihren Hebebäumen auch schon so ein, daß ich Gesicht und Gehör verlor und mich auf den Beinen nicht halten konnte, so daß ich hingelegt wurde, wo ich jetzt noch liege und wo es mir keinen Kummer macht, nachzudenken, ob mir die Stangenkrücken eine Verunglimpfung sind oder nicht, so überwältigte mich der Schmerz von den Hieben, die sich ebenso meinem Gedächtnisse wie meinen Schultern eingedrückt haben.«

»Du mußt dessenungeachtet erfahren, Freund Pansa, daß es kein Andenken gibt, welches die Zeit nicht verlöscht, und keinen Schmerz, den der Tod nicht vertilgt.«

»Ich weiß nicht, wie es noch ein größeres Unglück geben könnte als solches, wobei man warten muß, daß es die Zeit vertilgt oder der Tod verlöscht. Wäre unser Unglück doch lieber von der Art, daß wir es mit etlichen Pflastern ausheilen könnten, das käme erwünschter; aber ich sehe wohl ein, daß alle Salben in einem Hospitale nicht hinreichen würden, uns nur leidlich aufzuhelfen.«[122]

»Höre auf damit und nimm Kraft aus deiner Schwäche, Sancho«, antwortete Don Quixote, »und so will ich ebenfalls tun, damit wir nach dem Rozinante sehen können; ich glaube, daß der Arme nicht den schlechtesten Teil unsers Unglücks genossen hat.«

»Darüber muß man sich nicht verwundern«, antwortete Sancho, »denn er ist ebenfalls irrender Ritter. Worüber ich mich aber verwundere, ist, daß der Esel so frei und ohne Handgeld davongekommen ist, da unsre Hände und Füße es so haben entgelten müssen.«

»Das Glück läßt bei Unfällen immer noch eine Tür offen, durch welche man sich retten kann«, erwiderte Don Quixote; »hiermit mein ich, daß dieses Tierlein uns nunmehr den Rozinante ersetzen muß, damit ich so ein Kastell aufsuchen möge, in welchem ich von meinen Wunden genese. Auch halte ich diese Reiterei mir nicht zu Unehren, denn ich erinnere mich gelesen zu haben, daß jener wackere alte Silenus, Begleiter und Erzieher des fröhlichen Gottes des Gelächters, als er in die Stadt mit hundert Toren einzog, ungemein vergnügt auf einem herrlichen Esel ritt und saß.«

»Es ist gut, wenn er ritt und saß, wie Ihr da erzählt«, antwortete Sancho, »aber es ist doch ein großer Unterschied, ob einer so ritt und saß oder wie ein Sack mit Dreck querüber hängt.«

Hierauf erwiderte Don Quixote: »Die Wunden, die in Schlachten empfangen werden, geben Ehre, aber nehmen sie nicht; also, Freund Pansa, trachte nichts Weiteres zu erwidern, sondern, wie schon gesagt, erhebe dich lieber, so gut du vermagst, und lege mich dann, wie es dir am besten deucht, über deinen Esel, damit wir fortziehen, ehe die Nacht beginnt, und wir aus diesem einsamen Walde kommen mögen.«

»Ich habe aber von dem gnädigen Herrn sagen hören«, antwortete Sancho, »daß es für die irrenden Ritter ganz was Besonderes ist, in Einöden und Wüsteneien zu schlafen den größten Teil des Jahres, und daß sie sich das zum trefflichen Glücke rechnen.«

»Dieses geschieht«, sagte Don Quixote, »wenn sie nicht weiter können oder wenn sie verliebt sind; und wahr ist es, daß mancher Ritter sich auf einem Felsen der Sonne und dem Schatten sowie allen Unfreundlichkeiten der Witterung zwei Jahre hindurch aussetzte, ohne daß es seine Dame wußte, und einer von diesen war Amadis, als er sich Schöndunkel nannte und auf dem Felsen Armut wohnte, ich weiß nicht ob acht Jahr oder acht Monate hindurch, denn hierin bin ich nicht so ganz gewiß, weil er dort, über ich weiß nicht welche Betrübnis, Buße tat, die ihm die Dame Oriana erzeigt hatte. Aber lassen wir dieses, Sancho, und vollbringe, ehe dem Esel ein ähnlicher Unfall wie dem Rozinante zustößt.«

»Das wäre gar der Teufel!« sagte Sancho, und mit dreißig Seufzern, sechzig Jammerausrufungen und hundertundzwanzig Flüchen und Verwünschungen über den, der ihn dort hingebracht habe, machte er Anstalt und stand auf dem halben Wege, wie ein Bogen zusammengekrümmt, ohne daß es ihm möglich war, sich gerade aufzurichten; in solcher Mühseligkeit zäumte er demnach seinen Esel auf, der sich ebenfalls bei der unmäßigen Freiheit dieses Tages ziemlich weit entfernt hatte. Darauf gingen sie zum Rozinante, der, wenn er sich nur hätte beklagen können, gewiß nicht hinter Sancho oder seinem Herrn zurückgeblieben wäre. Kurz, Sancho packte Don Quixote über den Esel, an dessen Schweif er den Rozinante band, er selbst führte den Esel am Stricke, und so trat er nach und nach den Marsch nach der Gegend an, wo er die große Straße vermutete. Das Schicksal, welches ihn aus dem Guten ins Bessere führte, brachte sie nach einer kleinen Meile auf den wirklichen Weg, auf dem sich eine Schenke zeigte, die ohne Widerspruch nach Don Quixotes Gedanken ein Kastell war. Sancho bestand darauf, es sei eine Schenke, Don Quixote nein, sondern ein Kastell; ihr Streit bestand so lange, bis sie ganz nahe gekommen waren, worauf denn Sancho ohne weitere Untersuchung mit seiner ganzen Koppel hineinzog.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 1, S. 117-119,121-123,125.
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