Sechstes Kapitel.

[157] Von dem niemals erhörten und nie gesehenen Abenteuer, welches kein weltberühmter Ritter in der ganzen Welt jemals mit weniger Gefahr vollbracht, als es vom tapfern Don Quixote von la Mancha vollbracht wurde.


»Es ist nicht anders möglich, gnädiger Herr, denn diese Kräuter geben ein aufrichtiges Zeugnis davon, als daß hierherum eine Quelle oder ein Strom sich befinden muß, der diese Kräuter naß macht, darum wäre es wohl dienlich, wenn wir etwas weiter gingen, damit wir irgendwas antreffen, womit wir diesen schrecklichen Durst löschen könnten, der uns quält und der wahrhaftig noch mehr als der Hunger peinigt.«

Dieser Rat schien dem Don Quixote gut, er nahm also den Rozinante beim Zügel, Sancho nahm seinen Esel beim Stricke, auf welchen die Überbleibsel ihres Nachtessens geladen wurden, und so zogen sie tappend über die Wiese, denn die Finsternis der Nacht war so groß, daß sie nichts sehen und unterscheiden konnten. Sie hatten noch keine zweihundert Schritte gemacht, als sie das gewaltige Gebrause eines Wassers hörten, wie wenn es sich von hohen und steilen Felsen herunterstürzte. Dieses Brausen war ihnen sehr erfreulich, und sie hielten still, um zu unterscheiden, von welcher Seite das Geräusch komme; indem aber hörten sie ein anderes Rauschen, das ihnen die Freude über das Wasser zu Wasser machte, dem Sancho besonders, der von Natur furchtsam und kleinmütig war; sie hörten nämlich, wie taktmäßig gewisse Schläge ertönten zugleich mit einem Gerassel von Eisen und Ketten; dies, mit dem fürchterlichen Rauschen des Wassers verbunden, hätte jedes andre Gemüt als das des Don Quixote mit Furcht erfüllt.[158] Die Nacht war, wie gesagt, dunkel, und sie standen jetzt unter einigen hohen Bäumen, deren Blätter, vom sanften Winde erregt, still und schauerlich rauschten, so daß die Einsamkeit, der Ort, die Dunkelheit, das Geräusch des Wassers und das Flüstern der Blätter Furcht und Grausen erwecken durften, um so mehr, da die Schläge nicht aufhörten, der Wind nicht ruhig wurde, noch der Morgen anbrach, wobei ihnen noch die Gegend völlig unbekannt war, in der sie sich befanden; doch Don Quixote, angefrischt von seinem furchtlosen Herzen, bestieg den Rozinante, nahm den Schild, faßte den Bauernspieß und sprach: »Freund Sancho, wissen mußt du, daß ich durch Gunst des Himmels geboren bin, um in dieser unsrer Ehernen Zeit das Alter zu rufen, welches man nur das von Gold oder das Goldne zu nennen pflegt. Ich bin es, dem Gefahren, große Tathandlungen, mächtiges Unterfangen aufbewahrt sind; ich bin, sage ich noch einmal, derjenige, der die Tafelrunde, die zwölf französischen Pairs, die neun Helden erwecken muß, ja ich muß die Platirs, die Tablantes, Olivantes und Tirantes, die des Phoebus und die Belianis' in Vergessenheit bringen, samt der ganzen Schar berühmter irrender Ritter in vormaligen Jahrhunderten, indem ich in unserm gegenwärtigen Jahrhunderte dergleichen Großtaten ausüben werde, so wunderseltsame Waffenkämpfe, daß sie die glorreichsten verdunkeln müssen, die jene jemals vollbrachten. Du merkst, getreuer und redlicher Stallmeister, wohl die Finsternisse dieser Nacht, die wundersame Einsamkeit, dieses dumpfe, verwirrende Flispern der Bäume, das fürchterliche Rauschen jenes Wassers, welches wir aufsuchten und das hernieder zu stürzen und zu brausen scheint von den hohen Mondgebirgen, samt dem unaufhörlichen Schlagen, das unsre Ohren trifft und sie verwundet; welche Dinge zusammen, ja jedes für sich hinreichend, Furcht, Schrecken und Grausen selbst der Brust des Mars einzuflößen, wieviel mehr dem Herzen desjenigen, der nicht gewöhnt ist an dergleichen Begegnisse und Abenteuer. Alles aber, was ich dir geschildert, sind ebenso viele Erwecker und Entzünder meines Mutes, so daß mir das Herz im Busen vor Begierde springt, mich in dieses Abenteuer einzulassen, stelle es sich gleich mit den furchtbarsten Schwierigkeiten entge gen. Darum also ziehe dem Rozinante den Sattelgurt ein wenig zusammen und lebe wohl, erwarte mich hier drei Tage und nicht länger; wenn ich in so vieler Zeit nicht zurückkehre, magst du nach unsrer Heimat zurückkehren und von dort, um mir Liebe zu erzeigen und etwas Verdienstliches zu tun, dich nach Toboso wenden und der unvergleichlichen Herrin, meiner Dulcinea, verkündigen, daß der ihr ergebene Ritter umgekommen sei, indem er sich Taten unterfangen, die ihn würdig gemacht hätten, sich den Ihrigen zu nennen.«

Als Sancho diese Rede seines Herrn hörte, fing er an überaus kläglich zu weinen und sagte: »Gnädiger Herr, ich weiß gar nicht, warum Ihr Euch doch mit solchem gräßlichen Abenteuer einlassen wollt; es ist jetzt Nacht, kein Mensch sieht uns hier, wir können ja schnell umlenken und der Gefahr aus dem Wege gehen, wenn wir auch in drei Tagen nichts trinken sollten; da uns auch kein Mensch hier sieht, so kann uns ja auch keiner für feige Leute ausgeben; da ich noch überdies den Pfarrer in unserm Dorfe, den Ihr wohl auch kennen werdet, habe predigen hören, daß, wer sich mutwillig in Gefahr begibt, darin umkomme; also ist es nicht gut, Gott so in Versuchung zu führen und so ein gräßliches Wesen anzugreifen, wo man nicht anders als durch ein Wunderwerk entrinnen kann; da der Himmel überdies so viel für Euch schon getan hat, indem er Euch von der Prelle lossprach, die mich betroffen, indem Ihr als Sieger gesund und frei aus dem Treffen mit der großen Schar kamt, die den Verstorbenen begleitete; rührt und bewegt aber alles dieses noch nicht Euer hartes Herz, so glaubt nur zuverlässig, und der Gedanke muß Euch bewegen, daß, sowie Ihr von mir geht, ich aus Furcht dem meine Seele gebe, der sie nur mitnehmen mag. Ich habe Vaterland, Weib und Kinder verlassen, um in Eure Dienste zu kommen, weil ich mich zu verbessern, aber nicht zu verschlimmern dachte; aber freilich, allzuviel zerreißt den Sack, und so sind auch meine Hoffnungen in die Brüche gefallen, denn als ich es nun am nächsten glaubte, die fatale und vermaledeite[159] Insula zu bekommen, die Ihr mir so oft versprochen habt, sehe ich, daß Ihr mich statt des Lohns und statt aller Bezahlung an einem wüsten Orte fallenlassen wollt, den kein menschlicher Fuß betritt. Oh, um tausend Gotteswillen, gnädiger Herr, erzeigt mir nicht eine so fürchterliche Ungebühr, oder wenn Ihr denn ja durchaus darauf bestehen wollt, Euch dieser Tathandlung zu unterfangen, so wartet doch wenigstens bis zum Morgen, denn soviel ich mit meiner Kunst begreife, die ich als Schäfer gelernt habe, muß binnen drei Stunden Tagesanbruch sein, denn der Kopf des Kleinen Bären steht ganz gerade über uns, und Mitternacht ist, wenn er sich unter der Linie linker Hand befindet.«

»Wie kannst du, Sancho«, antwortete Don Quixote, »diese Linie oder das Gesicht oder Kopf gewahr werden, wovon du sprichst, da die Nacht so finster ist, daß kein einziger Stern am Himmel scheint?«

»Freilich ist kein Stern da«, sagte Sancho, »aber die Furcht hat so viele Augen, daß sie die Dinge unter der Erde sehen kann, geschweige denn am Himmel, und es läßt sich auch schon aus dem puren Verstande begreifen, daß es nicht mehr weit vom Tage sein kann.«

»Dem sei, wie ihm wolle«, antwortete Don Quixote, »man soll weder jetzt noch jemals von mir sagen können, daß Tränen und Bitten mich abgehalten, das zu tun, was ich meiner Ritterpflicht schuldig bin; also bitte ich dich, Sancho, ruhig zu sein, denn der Gott, der es mir ins Herz gepflanzt, mich in dieses nie gesehene und entsetzliche Abenteuer einzulassen, wird auch für meine Wohlfahrt sorgen und dich in deiner Traurigkeit trösten; was dir jetzt obliegt, ist, dem Rozinante den Sattelgurt fest zu machen und dann hier zu warten, denn ich kehre bald, lebendig oder tot, zurück.«

Da Sancho sah, wie unerschütterlich der Entschluß seines Herrn sei, wie wenig über ihn seine Tränen, Ratschläge und Bitten vermochten, entschloß er sich, sich seiner Klugheit zu bedienen und zu machen, wenn es möglich sei, daß er den Tag erwarten müsse; indem er also dem Pferde den Sattelgurt festzog, band er zugleich sacht und unvermerkt mit dem Stricke seines Esels dem Rozinante beide Beine zusammen, so daß Don Quixote, als er fortreiten wollte, es nicht konnte, weil sich das Pferd nicht anders als in Sprüngen bewegte. Als Sancho den guten Erfolg seiner Hinterlist bemerkte, sagte er: »Seht, gnädiger Herr, wie, von meinen Tränen und Bitten bewegt, es der Himmel so verordnet, daß sich Rozinante nicht bewegen kann, wollt Ihr nun doch auf Eurem Sinn beharren und ihn spornen und anreizen, so werdet Ihr dadurch das Glück nur böse machen und, wie man sich auszudrücken pflegt, gegen den Stachel lecken.«

Don Quixote wollte hierüber verzweifeln, denn je mehr er dem Pferde die Sporen gab, je weniger wollte es sich fortbewegen, und ohne auf den Verband zu verfallen, faßte er den Entschluß, ruhig zu bleiben und zu warten, ob entweder der Tag anbrechen oder Rozinante berühriger werden möchte, weil er gewiß die Schuld jeder andern Ursache, nur nicht Sanchos Erfindsamkeit beimaß; er sagte also: »Da dem so ist, Sancho, daß Rozinante sich nicht bewegen kann, so muß ich damit zufrieden sein, zu warten, bis mir die Morgenröte lacht, ob ich gleich darüber weine, daß sie ihre Ankunft verzögern wird.«

»Ihr braucht nicht zu weinen«, antwortete Sancho, »denn ich will Euch Zeitvertreib genug verschaffen und bis zum Tage Geschichten erzählen, wenn Ihr nicht etwa absteigen und auf dem frischen Grase nach irrender Ritter Weise schlafen wollt, damit Euch der Tag noch munterer findet und Ihr um so besser das entsetzliche Abenteuer, das Euch bevorsteht, anfassen könnt.«

»Was nennst du absteigen oder schlafen?« sagte Don Quixote, »gehöre ich denn etwa zu jenen Rittern, die Ruhe in den Gefahren suchen? Schlaf du, der du zum Schlafen geboren bist, oder tue, was du willst, ich werde meinerseits das tun, was meiner Würde am besten zusteht.«

»Seid nicht böse, mein lieber gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »ich hab's nicht darum gesagt.« Zugleich drängte er sich dicht an ihn, stemmte die eine Hand auf den vorderen Sattelknopf, die andere auf das Hinterteil des Sattels, so daß er den linken Schenkel seines Herrn umarmt hielt, ohne es zu wagen,sich einen Fingerbreit zu entfernen: solche Furcht flößten ihm die Schläge ein, die unaufhörlich abwechselnd erklangen.

Don Quixote sagte, er möchte nun zur Unterhaltung eine Geschichte erzählen, wie er es versprochen habe, worauf Sancho erwiderte, daß er es tun wolle, wenn ihn die Furcht vor dem Spektakel dazu kommen ließe. »Aber ich will mich dennoch anstrengen, eine Historie vorzutragen, die, wenn mir die Erzählung gelingt und ich schwarz und weiß noch unterscheiden kann, gewiß vor allen andern die schönste Historie ist; nun aber gebt acht, denn ich fange an.

Es war das, was war, das Gute, das uns kömmt, sei mit allen, das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht; merkt nämlich, gnädiger Herr, wie die Alten ihre Märlein nicht auf diese Weise anfingen wie wir heutzutage, sondern mit einer Sentenz des römischen Katers Censor, welcher sagt, das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht, welches sich hier paßt wie der Schuh auf den Fuß, damit Euer Gnaden sich ruhig halte und nirgend hingehe, um das Schlimme zu suchen, sondern daß wir lieber einen andern Weg einschlagen, denn kein Mensch zwingt uns ja, diesen zu verfolgen, auf dem so vielerlei Schrecken auf uns lauern.«

»Verfolge du, Sancho, deine Erzählung«, sagte Don Quixote, »aber für den Weg, den wir zu verfolgen haben, überlaß mir die Sorge.«

»Ich sage also«, fuhr Sancho fort, »daß in einem Dorfe von Estremadura ein Ziegenhirt von Schäfer wohnte, ich will nämlich sagen, der Ziegen hütete; dieser Schäfer oder Ziegenhirt also, wie ihn meine Geschichte nennt, hieß Lope Ruiz, und dieser Lope Ruiz war in eine Schäferin verliebt, die Torralva hieß; diese Schäferin, die Torralva hieß, war die Tochter von einem reichen Hirten, und dieser reiche Hirte – – –«

»Wenn du so deine Erzählung erzählst, Sancho«, sagte Don Quixote, »und immer zweimal das eben Gesagte wiederholst, so wirst du in zwei Tagen nicht fertig; sprich ordentlich und erzähle wie ein vernünftiger Mensch, wo nicht, so laß es gar bleiben.«

»Gerade so, wie ich erzähle«, antwortete Sancho, »werden bei mir zu Hause alle Märlein erzählt, ich kann sie auch nicht anders erzählen, und es ist unrecht, von mir zu verlangen, daß ich neue Sitten aufbringen soll.«

»Sprich, wie du willst«, antwortete Don Quixote; »da es das Schicksal einmal will, daß ich dir zuhören muß, so fahre nur fort.«

»Also denn, mein allerliebster Herr«, fuhr Sancho fort, »wie ich schon gesagt habe, war dieser Schäfer in die Schäferin Torralva verliebt, die ein rundes, unbändiges Mädchen war und so etwas Kerlhaftiges an sich hatte, denn sie hatte selbst ein Stückchen Schnurrbart, daß ich sie noch immer vor mir zu sehen glaube.«

»So hast du sie also gekannt?« fragte Don Quixote.

»Ich habe sie nicht gekannt«, antwortete Sancho, »aber der mir diese Geschichte vorerzählte, sagte mir, sie wäre so gewiß und zuverlässig, daß, wenn ich sie einem andern erzählte, ich darauf fluchen und schwören könnte, wie ich selber alles mit meinen Augen gesehen hätte. Also denn, wie nun so Tage gingen und Tage kamen, richtete es der Teufel, der niemals schläft und alles durcheinanderrührt, so ein, daß die Liebe, die der Schäfer gegen seine Schäferin hatte, sich in Haß und Widerwillen verkehrte; und die Ursache davon war, wie die bösen Zungen aussagen wollten, daß sie ihm eine gewisse Anzahl von Ursächelchen zur Eifersucht gegeben hatte, die wirklich über die Schnur und ins Unzüchtige gingen, worauf der Schäfer sie denn so zu hassen anfing, daß er, um sie nicht mehr zu sehen, sich von seiner Heimat scheiden wollte, um hinzugehen, wo seine Augen sie nimmermehr wiederfänden. Wie nun[163] Torralva merkte, daß sie von Lope verachtet würde, liebte sie ihn augenblicks stärker, als er sie jemals geliebt hatte.«

»So ist der natürliche Charakter der Weiber«, sagte Don Quixote, »diejenigen zu verachten, die sie lieben, und diejenigen zu lieben, von denen sie gehaßt werden. Aber fahre fort, Sancho.«

»So kam es denn«, sagte Sancho, »daß der Schäfer seinen Vorsatz auch ins Werk richtete, er trieb seine Ziegen zusammen und machte sich auf den Weg durch die Felder von Estremadura, um von da nach dem Königreiche Portugal zu gehen. Torralva, die dieses wußte, setzte ihm nach und folgte ihm zu Fuß und ohne Schuh von weitem, einen Reisestab in der Hand und einen Beutel um den Hals, in dem sie, wie man sagt, ein Stückchen Spiegel hatte, ein Stück von einem Kamme und noch eine kleine Flasche mit weißer Schminke fürs Gesicht. Aber mag sie auch in Gottes Namen, was sie will, bei sich gehabt haben, darum will ich mich jetzt nicht grämen, sondern nur das sagen, daß man mir gesagt hat, wie der Schäfer nun mit seiner Herde über den Fluß Guadiana setzen wollte, und dieser war gerade sehr gestiegen und beinahe übergetreten, und auf dem diesseitigen Ufer war kein Schiff oder Kahn, so daß sowenig er wie seine Herde nach dem jenseitigen übergefahren werden konnte, worüber er sich sehr ärgerte, denn er sah schon die Torralva dicht hinter sich herkommen, die ihm großen Verdruß mit ihren Tränen und Bitten machen würde. Er schaute aber so lange um, bis er endlich einen Fischer sah, der nicht weit davon in einem ganz kleinen Kahne saß, so daß in dem Kahne nicht mehr als ein Mensch und eine Ziege stehen konnten, er nahm aber darum doch mit diesem die Abrede, daß er ihn und die dreihundert Ziegen, die er bei sich hatte, übersetzen sollte. Der Fischer stieg in seinen Kahn und setzte eine Ziege über, er kam zurück und setzte eine andere über, er kam nochmals zurück und setzte noch einmal eine andere Ziege über. Zählt nun ja, gnädiger Herr, die Ziegen genau, die der Fischer übersetzt, denn wenn Ihr nur eine aus dem Gedächtnisse verliert, so ist die Geschichte zu Ende, und es ist nachher nicht möglich, noch ein einziges Wort davon zu erzählen. Ich fahre also nun fort und sage, daß der Landungsplatz auf der andern Seite voller Schmutz und Kot war, wodurch der Fischer viele Zeit mit Anlanden und Abstoßen verlieren mußte; aber doch kam er nun nach einer andern Ziege wieder, und nochmals fuhr er eine über und noch einmal.«

»Erzähle die Geschichte nun so«, sagte Don Quixote, »daß sie schon alle übergesetzt sind, nicht aber so, wie er ankömmt und wieder abfährt, denn sonst wirst du sie kaum in einem Jahre übergesetzt haben.«

»Wie viele sind nun jetzt schon übergesetzt?« fragte Sancho.

»Das mag der Teufel wissen«, antwortete Don Quixote.

»Da haben wir's nun, wie ich sagte, wie Ihr sie genau zusammenzählen möchtet, denn bei Gott, die Geschichte ist nun so völlig aus, daß ich nichts weiter erzählen kann.«

»Wie kann dies sein?« antwortete Don Quixote, »ist es denn in dieser Geschichte so wesentlich, ganz genau zu wissen, wie viele Ziegen übergesetzt sind, daß, wenn man nur um eine fehlt, du in der Erzählung nicht fortfahren kannst?«

»Durchaus nicht fortfahren, gnädiger Herr«, antwortete Sancho, »denn sowie ich Euch fragte, wie viele Ziegen nun übergesetzt wären, und Ihr mir die Antwort gabt, daß Ihr's nicht wüßtet, so entfiel mir in demselben Augenblicke alles, was noch übrig war, und wahrhaftig, das war von nicht geringer Anmut und Herrlichkeit.«

»Auf die Weise«, sagte Don Quixote, »ist nun die Geschichte aus?«

»Aus wie die Kirche«, sagte Sancho.

»Wahrlich«, antwortete Don Quixote, »du hast da eins der originellsten Märlein, Erzählungen oder Historien vorgetragen, was kein anderer Mensch auf der Welt hätte ersinnen können, auch diese Art,[164] es vorzutragen und abzubrechen, ist noch niemals in allen Zeiten gehört und gesehen worden; wenn ich gleich nichts Besseres von deinem Verstande erwartete. Ich darf mich aber hierüber nicht wundern, denn diese unaufhörlichen Schläge haben dir wahrscheinlich das Gehirn verrückt.«

»Das mag alles sein«, antwortete Sancho, »das weiß ich aber, daß es in meiner Geschichte nichts mehr zu erzählen gibt, weil sie gleich zu Ende ist, wie einer nur mit der Summe der übergesetzten Ziegen einen Fehler macht.«

»Mag sie in Gottes Namen zu Ende sein, wo sie nur Lust hat«, sagte Don Quixote, »sehen wir lieber zu, ob sich Rozinante bewegen kann.« Er gab ihm also wiederum die Sporen, und wiederum machte jener Sprünge und blieb auf demselben Flecke; so meisterhaft war er festgebunden.

Indem geschah es, vielleicht von der Kühle des Morgens, der schon anbrach, vielleicht auch, daß Sancho einige treibende Speisen gegessen hatte, oder ob es bloß eine Veranlassung der Natur sein mochte – und dieses scheint am glaubwürdigsten –, genug, es kam ihm der Wunsch und das Begehren an, das zu tun, was kein anderer für ihn tun konnte; aber die Furcht, die in sein Herz Eingang gefunden, war so groß, daß er sich nicht einen Fingerbreit von seinem Herrn zu entfernen getraute; aber der Vorsatz, das nicht auszurichten, wozu er Lust hatte, war ebenso unmöglich; was ihm also zum Besten seines Heiles zu versuchen übrigblieb, war, daß er seine rechte Hand von dem Hinterteile des Sattels herunternahm und mit dieser gewandt und ohne Geräusch die nie verschürzte Schleife löste, die ganz allein und ohne irgend andern Beistand seine Hosen in die Höhe hielt, so daß sie mit der aufgemachten Schleife plötzlich niederfielen und ihm wie Fußschellen blieben; worauf er denn das Hemd bestmöglichst erhob und in die Luft hinein beide Sitzteile reckte, die nicht unansehnlich waren. Dieses vollbracht – womit er glaubte das meiste vollstreckt zu haben, um aus seiner großen Angst und Not zu kommen –, zeigte sich eine andere, größere Not, denn er fürchtete, seine Tat nicht ohne Geräusch und Lärmen verrichten zu können, somit also biß er die Zähne zusammen, zog Kopf und Schultern in eins und hielt den Atem, so sehr er nur konnte, an sich; aber allen diesen Vorkehrungen zum Trotz war er so unglücklich, daß er demnach und unversehens ein kleines Geräusch verursachte, sehr verschieden von jenem, welches ihn in so große Furcht versetzte. Don Quixote vernahm es und sagte: »Welch ein Geräusch ist dieses, Sancho?« – »Ich weiß nicht, gnädiger Herr«, antwortete dieser, »es mag leicht wieder was Neues sein, denn Glücksfälle wie Unglücksfälle fangen niemals um ein Kleines an.« Wiederum versuchte er nun sein Glück, und es gelang ihm so gut, daß, ohne größeres Geräusch und Aufsehen als das vergangene, er sich von der Last befreit sah, die ihm so große Qual verursacht; da aber der Sinn des Geruchs bei Don Quixote nicht weniger reizbar als der des Gehörs war, Sancho ihm auch so nahe und zur Seite stand, daß fast in gerader Linie die Dünste zu ihm hinaufstiegen, so war es nicht anders möglich, als daß einige davon seine Nase erreichten, und kaum hatte sie diese verspürt, als er ihr auch schon zu Hülfe eilte und sie zwischen die Finger klemmte, worauf er mit einem etwas näselnden Tone sagte: »Es scheint, Sancho, du habest große Furcht.« – »Wohl hab ich sie«, antwortete Sancho; »aber woraus merkt das Euer Gnaden jetzt mehr als sonst?« – »Weil du jetzt stärker als sonst riechst, und nicht nach Ambra«, antwortete Don Quixote. »Das mag wohl sein«, sagte Sancho, »aber ich bin nicht schuld, sondern Euer Gnaden, der mich zur jetzigen Stunde und zu mir so ungewohnten Taten herumzieht.« – »Entferne dich drei oder vier Schritte von hier«, sagte Don Quixote – indem er immer noch die Nase zwischen den Fingern hielt – »und künftighin magst du besser berechnen, wer du seist und was du mir schuldig bist, denn meine große Herablassung gegen dich hat diese deine Geringschätzung erzeugt.« – »Ich wette«, versetzte Sancho, »Euer Gnaden denkt, ich habe mich in Ansehung meiner verrechnet und ein Ding getan, das nicht sein sollte.« – »Noch übler ist es, Freund Sancho, es zu rühren«, antwortete Don Quixote.[165]

Mit diesen und ähnlichen Gesprächen verbrachten Herr und Diener die Nacht; da aber Sancho merkte, daß der Morgen mehr heraufrücke, machte er mit vieler Behendigkeit den Rozinante los und sich die Hosen fest. Sowie Rozinante sich befreit sah, so wenig er sonst ungestümer Natur war, schien er wie neu belebt zu werden, denn er hob die Vorderbeine bis zur Schnauze, weil er – mit seiner Erlaubnis sei's gesagt – keine andere Kurbetten zu machen verstand. Da Don Quixote sah, wie sich Rozinante freiwillig bewege, nahm er dies für ein gutes Zeichen und hielt sich nun für geschickt, das furchtbare Abenteuer zu bestehen. Indem zeigte sich auch das helle Morgenrot, wobei man die Gegenstände genau unterscheiden konnte, und Don Quixote sah, daß er sich unter einigen hohen Bäumen befand, die Kastanien waren, welche den dichtesten Schatten machen; er hörte aber zugleich, wie das Stampfen fortging, doch sah er nichts, was es verursachen könne, deshalb ließ er ohne längern Verzug den Rozinante die Sporen fühlen, nahm wieder von Sancho Abschied und befahl ihm, drei Tage und nicht länger sein zu warten, wie er schon einmal getan hatte, und daß, wenn er in dieser Zeit nicht wiederkehre, er versichert sein möge, daß Gott einen Gefallen daran gefunden, seine Tage in diesem gefährlichen Abenteuer zu beendigen. Er wiederholte hierauf ebenfalls den Auftrag und die Gesandtschaft, welche er seinerseits bei der Dame Dulcinea auszurichten habe, daß er sich auch, was den Lohn für seine Dienste anbeträfe, keine Sorgen machen dürfe, denn er habe sein Testament gemacht, ehe er seine Heimat verlassen habe, in dem er ihm so viel vermacht, daß es eine hinlängliche Besoldung für die Zeit seines Dienstes vorstellen könne; führte ihn aber Gott lebendig, gesund und ohne Befährdung aus dieser Gefahr zurück, so könnte er gewisser als jemals die versprochene Insel erwarten. Sancho fing wieder an zu weinen, da er von neuem diese traurigen Reden seines trefflichen Herrn vernahm, und entschloß sich, ihn nicht bis zur letzten Vollendung dieses Handels zu verlassen. Diese Tränen und dieser ehrenvolle Entschluß des Sancho Pansa bestätigen den Verfasser dieser Geschichte darin, ihn für den Sohn guter Eltern oder wenigstens für einen alten Christen zu halten:, auch war sein Herr durch diese Gesinnung gerührt; aber nicht so sehr, daß er irgend Schwäche gezeigt hätte, sondern er verstellte sich, so gut er konnte, und richtete sich nun nach der Gegend, aus der das Geräusch des Wassers sowie das Stampfen ertönte. Sancho folgte ihm zu Fuß, am Stricke, wie er immer tat, seinen Esel führend, den treuen Gefährten seiner glücklichen und widerwärtigen Schicksale; nachdem sie so eine ziemliche Strecke zwischen den Kastanien und finstern Bäumen zurückgelegt hatten, gelangten sie auf eine kleine Wiese, die von hohen Felsen begrenzt wurde, von denen sich ein reißender Wasserstrom herunterstürzte; am Fuße der Felsen standen einige schlechtgebaute Hütten, mehr Trümmern von Gebäuden als Hütten ähnlich, aus denen, wie sie bemerkten, das Geräusch und Lärmen der ununterbrochenen Schläge ertönte. Rozinante wurde vor dem Gelärme des Wassers und der Schläge scheu, aber Don Quixote beruhigte ihn und ritt allgemach auf die Hütten zu, indem er sich von ganzem Herzen seiner Dame empfahl, sie anflehte, daß sie ihm in dieser greulichen Tathandlung und Unterfängnis begünstigen möge; auf dem Wege empfahl er sich Gott, ingleichen daß er ihn nicht vergessen möchte. Sancho blieb nicht zurück, machte den Hals so lang, als er nur konnte, und schaute dem Rozinante zwischen den Beinen hindurch, um zu sehen, was ihm so große Furcht und Angst verursacht hatte. Als sie noch hundert Schritte weitergegangen waren und um die Ecke eines Felsen lenkten, erschien und entdeckte sich offenbar die wahre Ursache – so daß kein Zweifel übrigblieb – von jenem entsetzlichen und furchtbaren Geräusch, welches ihnen so große Furcht und Angst die ganze Nacht hindurch verursacht hatte, und es waren – sei, teurer Leser, nicht zornig und verdrießlich deshalb – sechs Stampfen einer Walkmühle, die mit ihren abwechselnden Schlägen jenes Lärmen hervorbrachten.

Als Don Quixote sah, was es war, wurde er still und erschrak vom Kopf bis zu den Füßen. Sancho sah ihn an und bemerkte, wie sein Haupt auf die Brust gesunken war, ein Zeichen seiner Beschämung.Auch Don Quixote sah den Sancho an und bemerkte, wie dieser die Backen zusammenkniff und ihm die Lippen vor Lust zu lachen zitterten, mit deutlichen Zeichen, daß er vor Lachen platzen möchte, bei welchem Anblicke seine Melancholie nicht so anhaltend war, um ein Lächeln über Sanchos Miene zurückhalten zu können. Wie nun Sancho sah, daß sein Herr den Anfang gemacht habe, löste er seinen Zwang so gewaltsam auf, daß er sich mit den Fäusten die Seiten halten mußte, um nicht vor Lachen zu bersten. Viermal gab er sich zur Ruhe und viermal kehrte er zu seinem Gelächter mit gleichem Ungestüm zurück, worüber sich Don Quixote dem Teufel hätte ergeben mögen, da er noch überdies mit Grimassen diese Worte sagte: »Freund Sancho, wissen mußt du, daß ich durch Gunst des Himmels geboren bin, um in dieser unsrer Ehernen Zeit das Goldene Alter oder das von Gold zu rufen. Ich bin es, dem Gefahren, große Tathandlungen, mächtiges Unterfangen aufbewahrt sind«; und so hielt er nun wieder den größten Teil der Rede her, die Don Quixote gesagt hatte, als sie zuerst das furchtbare Stampfen vernommen. Da Don Quixote sah, daß Sancho Spaß über ihn machte, erzürnte und erboste er sich dergestalt, daß er den Spieß aufhob und ihm zwei Schläge zuteilte, so gewaltige, daß, wenn er sie auf den Kopf wie auf die Schultern bekommen hätte, er nicht nötig gehabt hätte, den Lohn auszuzahlen, wenn er ihn nicht seinen Erben hätte gönnen wollen. Da Sancho merkte, daß ihm sein Scherz so bösen Ernst eintrug, sagte er mit äußerster Demut, in Furcht, sein Herr möchte etwa noch weiter gehen: »Beruhigt Euch, gnädiger Herr, denn bei Gott, ich spaße nur.«

»Weil du spaßest, so spaße ich nicht«, antwortete Don Quixote. »Glaubt Ihr denn nicht, mein lustiger Herr, daß, wenn es nun, wie es Walkhämmer waren, ein ander gefährlich Abenteuer gewesen wäre, ich nicht hinlänglichen Mut gezeigt habe, um es zu unternehmen und zu vollenden? Bin ich denn, ein Ritter, verpflichtet, alle Töne zu kennen und zu unterscheiden, um zu wissen, welche von Walkstampfen herrühren und welche nicht? Da es überdies sein kann, wie es auch die Wahrheit ist, daß ich zeit meines Lebens nicht dergleichen gesehen habe, wie Ihr sie doch müßt gesehen haben, als ein gemeiner Bauer, unter derlei Dingen geboren und aufgewachsen. Sonst macht, daß diese sechs Stampfen sich in sechs Waldriesen verwandeln, und mögen sie mir einer nach dem andern entgegenspringen oder alle zugleich und wenn ich sie nicht alle mit aufgereckten Fersen niederstrecke, dann macht, soviel Ihr wollt, Euren Spaß aus mir.«

»Ich will's nicht wieder tun, mein gnädiger Herr«, versetzte Sancho; »ich bekenne ja auch, daß ich mit meinem Lachen ins Ungebührliche geraten bin; aber sagt mir doch, da wir wieder in Frieden leben, ob Gott Euch wohl aus irgendeinem Abenteuer, das Euch begegnet ist, so gesund und heil wie aus diesem errettet hat? Ist es denn nicht ein Ding zum Lachen und zum Erzählen, wie wir eine so erstaunliche Furcht ausgestanden haben? Wenigstens habe ich sie ausgestanden, denn von meinem gnädigen Herrn weiß ich wohl, daß er nicht weiß und einsieht, was Furcht und Bangigkeit ist.«

»Ich leugne nicht«, antwortete Don Quixote, »daß das, was uns zugestoßen, nicht ein Ding würdig zu lachen sei; aber nicht ebenso würdig ist es, zu erzählen, denn nicht alle Leute sind verständig genug, um den rechten Fleck einer Sache zu treffen.«

»Wenigstens«, antwortete Sancho, »wußte mein gnädiger Herr mit seiner Lanze den rechten Fleck zu treffen, er wollte mir dem Kopfe was anflicken und gab's den Schultern; gelobt sei Gott und meine Geschicklichkeit dafür, daß ich mich auf die Seite wandte, aber es mag nun so hingehen, denn man hat mir immer gesagt: ›Wer dich liebt, der züchtigt dich‹, besonders da große Herren, wenn sie einem Bedienten ein hartes Wort gesagt haben, ihm wohl ein Paar Hosen zu schenken pflegten, ob ich freilich wohl nicht weiß, was sie schenken, wenn sie gar Schläge austeilen, wenn die irrenden Ritter nicht nach Schlägen etwa Inseln oder Königreiche auf dem festen Lande verschenken.«[169]

»Also könnte es sich leichtlich fügen«, sagte Don Quixote, »daß alles, was du da sagst, zur Wahrheit würde; vergib also das Geschehene, künftig wirst du verständiger sein, wisse auch, daß die ersten Bewegungen nicht in der Gewalt des Menschen stehen, und sei von nun an für die Zukunft in einem Dinge unterrichtet, damit du dich in Schranken haltest und nicht so ohne Not Reden gegen mich führst; denn so viele Ritterbücher ich auch gelesen habe, deren unzählige sind, so habe ich doch niemals gefunden, daß irgendein Stallmeister mit seinem Herrn so viel gesprochen habe, wie du mit dem deinigen sprichst, und wahrlich, ich halte dieses für einen großen Fehler, sowohl von deiner als von meiner Seite: von deiner, daß du so wenig Achtung gegen mich hast; von meiner, daß ich mich nicht in größere Achtung setze; denn man liest vom Gandalin, dem Stallmeister des Amadis von Gallia, der nachher Graf von der festen Insel wurde, daß er nicht anders mit seinem Gebieter sprach, als das Barett in der Hand, den Kopf gesenkt und den Körper gebogen, nach türkischer Manier. Was sollen wir aber vom Gasabal, dem Stallmeister des Don Galaor, sagen, der so schweigsam gewesen, daß, um uns die Vorzüglichkeit seines wunderwürdigen Stillschweigens zu verstehen zu geben, sein Name nur ein einziges Mal in der ebenso langen als wahrhaftigen Geschichte genannt wird? Aus alle dem Gesagten magst du folgern, Sancho, daß es nötig sei, einen Unterschied zwischen Herrn und Knecht, zwischen Gebieter und Diener, zwischen Ritter und Stallmeister zu machen, so daß wir uns von nun an in Zukunft mit mehr Achtung behandeln, ohne über uns zu scherzen; denn sooft ich mich auch über Euch erzürnen möge, wird es immer übel für den irdenen Krug ausschlagen; die Gnaden und Wohltaten, die ich Euch versprochen, werden zu ihrer Zeit eintreten, und treten sie nicht ein, so kann wenigstens der Gehalt nicht verlorengehen, wie ich Euch schon einmal gesagt habe.«

»Alles ist ganz gut, wie Euer Gnaden spricht«, sagte Sancho, »aber ich möchte doch gern wissen – wenn vielleicht die Zeit der Gnaden nicht eintritt und ich also zum Gehalte meine Zuflucht nehmen muß –, wieviel der Stallmeister eines irrenden Ritters in jenen Zeiten verdiente und ob sie sich monatlich oder tageweise, wie die Handlanger bei den Maurergesellen, verdungen.«

»Ich glaube nicht«, antwortete Don Quixote, »daß dergleichen Stallmeister jemals für Gehalt gedient haben, gewiß immer nur für Gnade; habe ich dir aber in meinem zurückgelassenen Testamente etwas Bestimmtes ausgemacht, so ist es nur darum geschehen, weil ich nicht weiß, wie in unsern so unglückseligen Zeiten die Ritterschaft geraten wird, und weil ich nicht will, daß so geringfügiger Dinge wegen meine Seele in jener Welt Kummer leide; denn du mußt wissen, Sancho, es gibt keinen gefahrvollern Stand als den eines Abenteurers.«

»Das ist wahr«, sagte Sancho, »denn schon allein das Lärmen von Walkhämmern kann das Herz eines so männlichen irrenden Abenteurers, wie Euer Gnaden ist, erschrecken und beunruhigen; aber Ihr mögt sicher sein, daß ich künftig nicht meine Lippen auftun will, um was Lustiges über Eure Sachen zu sagen, sondern bloß um Euch als meinen Herrn und Gebieter Ehre zu erweisen.«

»So«, versetzte Don Quixote, »wirst du leben auf dem Angesichte der Erde, denn in Ermangelung der Eltern sollen die Herren so wie Eltern geehrt werden.«

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 1, S. 157-161,163-167,169-170.
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Klingemann, August

Die Nachtwachen des Bonaventura

Die Nachtwachen des Bonaventura

Erst 1987 belegte eine in Amsterdam gefundene Handschrift Klingemann als Autor dieses vielbeachteten und hochgeschätzten Textes. In sechzehn Nachtwachen erlebt »Kreuzgang«, der als Findelkind in einem solchen gefunden und seither so genannt wird, die »absolute Verworrenheit« der Menschen und erkennt: »Eins ist nur möglich: entweder stehen die Menschen verkehrt, oder ich. Wenn die Stimmenmehrheit hier entscheiden soll, so bin ich rein verloren.«

94 Seiten, 5.80 Euro

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Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

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