Viertes Kapitel.

[390] In welchem der Zweifel über Mambrins Helm und das Reitkissen aufgeklärt wird, nebst andern Begebenheiten, die sich zugetragen, nach der Wahrheit erzählt.


»Das sagt Ihr nun, meine Herren«, sagte der Barbier, »daß diese trefflichen Leute immer noch behaupten und dabei bleiben, daß dies kein Bartbecken, sondern ein Helm sei?«

»Und wer das Gegenteil behauptet«, sagte Don Quixote, »dem will ich zeigen, daß er lügt, wenn er ein Ritter ist, ist er aber ein Stallmeister, so lügt er tausend- und tausendmal.«

Unser Barbier, der immer zugegen war, da er die seltsame Gemütsart Don Quixotes sehr gut kannte, wollte ihn noch toller machen und den Spaß so weit treiben, daß alle lachen mußten, er wandte sich also zu dem fremden Barbier und sagte: »Herr Barbier, oder was Ihr sonst sein mögt, wißt, daß ich auch ein Mitglied dieser Kunst bin und schon seit länger als zwanzig Jahren mein Examen überstanden habe, auch bin ich ein Kenner aller Instrumente der Barbierkunst ohne Ausnahme, und ebenso war ich auch eine Zeit in meiner Jugend Soldat und weiß daher recht gut, was ein Helm und eine Pickelhaube ist, nebst andern Sachen, die zur Miliz, das heißt zur Rüstung eines Soldaten, gehören, und ich behaupte daher, wobei ich aber mein Urteil immer bessern Einsichten unterwerfe, daß das, was dieser edle Herr jetzt in seinen Händen hält, nicht nur kein Bartbecken sei, sondern dem auch so entfernt ist, wie es das Weiße vom Schwarzen oder die Wahrheit von der Lüge ist; doch behaupte ich auch, ob es gleich ein Helm ist, so ist es doch kein vollkommener Helm.«[391]

»Nein, wahrlich nicht«, sagte Don Quixote, »denn es fehlt ihm die untere Hälfte, nämlich die Halsberge.«

»So ist es«, sagte der Pfarrer, der die Absicht seines Freundes, des Barbiers, wohl eingesehen hatte, und dasselbe bestätigte Cardenio, Don Fernando und dessen Begleiter; ja der Hörer würde seinerseits auch zu dem Spaße mit beigetragen haben, wenn ihn nicht der Antrag des Don Luis zu tiefsinnig gemacht hätte; der Ernst aber, der jetzt seine Gedanken beschäftigte, war Ursach, daß er sich wenig oder gar nicht um den Schmerz bekümmerte.

»Großer Gott!« rief hierauf der betrogene Barbier, »wie ist es doch möglich, daß so viele angesehene Leute behaupten, daß dieses kein Bartbecken, sondern ein Helm sei? Das könnte doch wahrlich eine ganze Universität in Erstaunen setzen, wenn sie gleich noch so verständig wäre. Nun gut! Wenn dieses Bartbecken ein Helm ist, so ist dieses Reitkissen wohl auch ein Pferdesattel, wie dieser Herr erst behauptet hat.«

»Mir scheint es ein Reitkissen«, sagte Don Quixote, »aber ich habe schon gesagt, daß ich mich darein nicht menge.«

»Ob es ein Reitkissen oder ein Sattel sei«, sagte der Pfarrer, »das steht nur dem Herrn Don Quixote zu zu entscheiden, denn in allen Rittersachen halten ihn diese Herren, wie ich es auch tue, für einsichtsvoller als alle.«

»Beim Himmel, werte Herren«, sagte Don Quixote, »so manche und so seltsame Dinge sind mir in diesem Kastelle beide Male, daß ich hier herbergte, zugestoßen, daß ich mich nicht unterstehe, irgend etwas mit Sicherheit zu beantworten, was dieses Schloß betrifft, denn ich halte dafür, daß hier alles vermittelst Bezauberungen zugehe. Das erste Mal quälte mich ein verzauberter Mohr, der sich hier aufhält, unsäglich, und dem Sancho fiel er mit seinem Gehülfen nicht minder lästig; in dieser Nacht bin ich wohl an diesem Arm zwei Stunden gehangen, ohne daß ich begreifen kann, wie oder wie ich nicht in dieses Mißgeschick verfiel. Darum wäre es ein Unternehmen von ziemlicher Verwegenheit, in einer Sache, die so sehr verworren ist, mein Urteil zu sagen. Was das betrifft, daß dieses ein Bartbecken und kein Helm sein soll, darüber habe ich schon geurteilt, aber ob dieses ein Kissen oder ein Sattel sei, darüber unterstehe ich mich nicht, eine Erklärung von mir zu geben, sondern überlasse dieses ganz Euerer Entscheidung; vielleicht, weil Ihr keine geschlagene Ritter seid, wie ich, mögen sich die Bezauberungen dieses Ortes nicht auf Euere Augen erstrecken, daß Ihr die Sinne frei behalten und über die Sachen in diesem Kastell ein Urteil fällen mögt, wie sie wahrhaft sind, und nicht, wie sie mir erscheinen.«

»Wahrlich«, sagte Don Fernando, »Herr Don Quixote hat es trefflich erwiesen, daß uns die Entscheidung zukomme; damit aber dieses gründlicher geschehen könne, will ich im geheimen die Stimmen dieser Herren sammeln und nachher bekanntmachen, was sich daraus ergibt.«

Für diejenigen, die mit Don Quixotes Laune bekannt waren, war alles dieses etwas sehr Lächerliches; denen aber, die nichts davon wußten, schien es die größte Tollheit von der Welt zu sein, vorzüglich den vier Dienern des Don Luis, dem Don Luis selber und drei anderen Fremden, die in die Schenke gekommen waren und das Ansehen von Häschern hatten, welches Amt sie auch in der Tat bekleideten; wer aber am meisten darüber toll werden wollte, war der Barbier, dessen Bartbecken sich unter seinen Augen in den Helm Mambrins verwandelt hatte und der gar nicht zweifelte, daß aus seinem Kissen auch ein herrlicher Pferdesattel werden würde. Alle lachten, als Don Fernando herumging, die Stimmen zu sammeln, und sein Ohr hinhielt, um in aller Heimlichkeit zu erfahren, ob jenes Kleinod, über welches sich soviel Streit entsponnen, ein Kissen oder ein Sattel sei. Nachdem er alle Stimmen von denen gesammelt hatte, die mit Don Quixote bekannt waren, sagte er laut: »Mein guter Mann, ich bin es müde, so viele Urteile[392] einzuholen, denn ich sehe, daß, wen ich nur um seine Meinung frage, antwortet, daß es toll sei, dies für ein Eselskissen zu halten, da es doch ein Pferdesattel sei, und zwar von einem Pferde von echter Race, deshalb müßt Ihr Euch in Geduld fassen, denn trotz Euch und Euerem Esel ist dies ein Sattel und kein Kissen, und somit habt Ihr Euere Sache verloren.«

»Nein, im Himmel nicht«, rief der arme Barbier aus, »Ihr irrt Euch, meine Herren, denn so gewiß ich auf meine Seligkeit hoffe, so gewiß ist es ein Kissen und kein Sattel; aber Gewalt geht vor Recht – – – Mehr will ich nicht sagen, aber ich bin doch wahrhaftig nicht besoffen, denn ich bin noch nüchtern, sonst mag mich der Satan gleich abrufen. Mehr kann ich nicht tun.«

Alle mußten über die närrischen Reden des Barbiers ebenso wie über die Tollheiten des Don Quixote lachen, der nunmehr sagte: »Nun ist also nichts weiter zu tun, als daß jeder das Seinige nehme; und was Gott ihm gegeben, mag Sankt Peter ihm gesegnen.«

Einer von den vieren sagte: »Wenn das nicht ein abgeredeter Spaß ist, so kann ich unmöglich glauben, daß Leute, die so verständig sind wie die hier gegenwärtigen, oder die mir wenigstens klug scheinen, sich unterstehen sollten, es mit Hartnäckigkeit zu leugnen, daß dieses ein Bartbecken, jenes ein Reitkissen sei; da ich aber sehe, daß alle es leugnen, so muß gewiß etwas dahinterstecken, auf einer Sache so hartnäckig zu bestehen, die so sehr gegen Vernunft und Augenschein streitet; denn das will ich schwören« – wobei er den kräftigsten Fluch ausstieß –, »daß mich alle Menschen in der ganzen Welt nicht davon abbringen sollen, daß dieses kein Bartbecken und jenes kein Eselskissen sei.«

»Es könnte ja auch von einer Eselin sein«, sagte der Pfarrer.

»Mag's doch«, sagte der Diener, »denn darauf kommt es hier nicht an, sondern ob dies ein Reitkissen ist oder ob es das nicht ist, wie Ihr behauptet.«

Da dies einer von den angekommenen Häschern hörte, der den Streit mit angesehen hatte, rief er voller Bosheit: »Es ist so gewiß ein Eselskissen wie mein Vater, und wer etwas anderes sagt, der ist besoffen!«

»Das lügst du wie ein nichtswürdiger Halunke«, antwortete Don Quixote und hob seine Stange auf, die er niemals aus der Hand ließ, worauf er einen so gewaltigen Hieb nach seinem Kopfe ausholte, daß, wenn der Häscher nicht ausgewichen wäre, er ihn niedergeschlagen hätte; die Stange sprang hierauf auf dem Boden in Stücke, und da die übrigen Häscher sahen, wie übel man ihrem Gefährten begegne, fingen sie laut an nach Hülfe für die Heilige Brüderschaft zu schreien. Der Wirt, der ein Mitglied derselben war, kam sogleich mit seinem Stabe und Degen herbei und stellte sich seinen Gefährten zur Seite; die Diener des Don Luis stellten sich um Don Luis, damit er ihnen nicht in dem Getümmel entwische; der Barbier, der den Tumult sah, griff wieder nach seinem Kissen, und ein Gleiches tat Sancho. Don Quixote nahm das Schwert zur Hand und griff die Häscher an, Don Luis schrie den Dienern zu, daß sie ihn lassen sollten und dem Don Quixote, Cardenio und Don Fernando beistehen, die sich alle des Don Quixote annahmen; der Pfarrer rief dazwischen, die Wirtin heulte, die Tochter weinte, Maritorne klagte, Dorothea war in Verwirrung, Luzinde erstaunt und Doña Clara in Ohnmacht. Der Barbier prügelte auf Sancho, Sancho drosch den Barbier, Don Luis – den ein Diener am Arm hielt, daß er nicht entwische – gab diesem einen Faustschlag, daß ihm das Gesicht mit Blut bedeckt wurde; der Hörer nahm sich seiner an; Don Fernando stand mit den Füßen auf einem Häscher, auf dem er nach Herzenslust herumtanzte; der Wirt fing wieder mit lauter Stimme an um Hülfe für die Heilige Brüderschaft zu schreien, so daß die ganze Schenke Klagen, Rufen, Schreien, Verwirrung, Entsetzen, Furcht, Unheil, Prügel, Maulschellen, Schläge, Tritte und Blutvergießen war. Mitten in diesem Chaos und unseligen Labyrinth von Verworrenheit kam es dem Don Quixote plötzlich in die Gedanken, daß dieses das Getümmel und[393] der Wirrwarr im Lager des Agramant sei, und deshalb schrie er so laut, daß seine Stimme durch die ganze Schenke dröhnte: »Haltet inne, stehet still, seid ruhig, hört mich an, wenn ihr das Leben behalten wollt!«

Auf diese furchtbare Stimme wurden alle ruhig, und er fuhr fort: »Sagt ich Euch nicht, meine Herren, daß dieses Kastell bezaubert sei und daß es der Wohnsitz von tausend bösen Geistern sein müsse? Zur Bestätigung dessen habt Ihr es mit Eueren eigenen Augen gesehen, wie sich unter uns die Unordnung und Zwietracht des agramantischen Lagers eingeschlichen hat. Seht, wie man hier um ein Schwert, dort um ein Pferd streitet; hier um einen Adler, dort um einen Helm, und wir alle kämpfen und wissen nicht, was wir wollen. Kommt hieher, mein Herr Hörer, und Ihr, Herr Pfarrer, damit der eine den König Agramant und der andere den König Sobrino vorstelle und so der Friede eingerichtet werde; denn beim allmächtigen Gott! Es ist eine große Hundsfötterei, daß sich so viele treffliche Männer, als hier zugegen sind, um solche Lumpereien ermorden.«

Die Häscher, die des Don Quixote Redensarten nicht verstanden und sich von Don Fernando, Cardenio und seinen Gefährten so schlecht behandelt sahen, wollten nicht Frieden halten; der Barbier war dazu willig, denn im Kampfe war sein Bart und das Kissen zerrissen worden; Sancho gehorchte beim ersten Wink seines Herrn wie ein redlicher Diener; die vier Diener des Don Luis gaben sich auch zur Ruhe, da sie sahen, daß ihnen die Unruhe nicht bekam, nur der Wirt bestand darauf, daß man die Rasereien des tollen Menschen bestrafen müsse, der alle Augenblicke die Schenke in Aufruhr bringe; endlich aber beruhigte sich der Lärmen, das Kissen blieb ein Sattel bis zum Tage des Gerichts, das Bartbecken ein Helm und die Schenke in Don Quixotes Einbildung ein Kastell.

Da nun alles friedfertig war und alle auf des Hörers und Pfarrers Zureden Freunde geworden, bestanden die Bedienten des Don Luis von neuem darauf, daß er sogleich mit ihnen umkehren solle, und indem dies geschah, fragte der Hörer den Don Fernando, Cardenio und den Pfarrer um Rat, was er tun solle, wobei er ihnen alles wiederholte, was ihm Don Luis gesagt hatte. Man wurde dahin einig, daß sich Don Fernando den Dienern des Don Luis zu erkennen gab und ihnen sagte, daß es seine Absicht sei, daß Don Luis mit ihm nach Andalusien gehe, wo ihn der Marques, sein Bruder, so aufnehmen würde, wie Don Luis es verdiene, und daß dieser nicht willens sei, jetzt zu seinem Vater zurückzugehen, und wenn man ihn in Stücke risse. Da die viere die Würde des Don Fernando und die Absicht des Don Luis erfuhren, so beschlossen sie unter sich, daß drei zurückkehren sollten, um dem Vater zu erzählen, was sich zugetragen habe, der eine aber sollte zu den Diensten des Don Luis bleiben und ihn nicht eher verlassen, bis jene zurückkämen oder er erführe, was der Vater seinetwegen beschlossen habe.

So wurden durch das Ansehen des Agramant und die Klugheit des Königs Sobrino diese verworrenen Händel entwickelt; da sich aber der Feind der Eintracht und der Widersacher des Friedens so verspottet und verachtet sah, und wie ihm so wenig Nutzen daraus erwachsen, daß er sie alle in dieses Labyrinth geführt hatte, beschloß er, noch einmal Hand anzulegen und Zwist und Unfrieden von neuem zu erwecken.

So kam es nun, daß die Häscher ruhig wurden, da sie gemerkt, daß sie mit vornehmen Leuten gestritten hatten; sie zogen sich aus den Händeln zurück, weil sie glaubten, es möchte sich entscheiden, wie es wollte, so würden sie in dieser Schlacht immer den kürzeren ziehen; der eine aber, der von Don Fernando geprügelt und getreten war, erinnerte sich, daß unter anderen Verhaftsbefehlen, die er gegen einige Delinquenten bei sich habe, er auch einen gegen Don Quixote mit sich führe, den die Heilige Brüderschaft deshalb ausgestellt, weil er die Galeerensklaven frei gemacht, wie Sancho es immer mit vielem Grunde befürchtet hatte. Da ihm dieser Gedanke einfiel, wollte er sich überzeugen, ob die angegebenen[394] Kennzeichen mit Don Quixote übereinstimmten, er nahm deshalb ein Pergament aus dem Busen und fand das, was er suchte; nun fing er an langsam zu lesen, denn das Lesen wurde ihm sauer, und bei jedem Wort, das er las, warf er die Augen auf Don Quixote und verglich die Kennzeichen des Befehls mit dem Gesichte des Don Quixote, worauf er überzeugt wurde, daß er der nämliche sei, den er hier beschrieben fand; und kaum wußte er dieses gewiß, als er sein Pergament wieder einsteckte, in der Linken den Befehl hielt und mit der Rechten den Don Quixote so kräftig beim Kragen ergriff, daß dieser kaum Atem holen konnte, wobei er mit lauter Stimme rief: »Im Namen der Heiligen Brüderschaft! und damit Ihr seht, daß ich recht habe, leset diesen Befehl, worin mir geboten wird, diesen Straßenräuber zu fangen.«

Der Pfarrer nahm den Befehl und sah, daß der Häscher die Wahrheit sagte, da alle angegebene Kennzeichen auf Don Quixote paßten. Dieser aber, da er sich von einem so gemeinen Bösewicht so schlecht behandelt sah, geriet in die äußerste Wut, er strengte alle seine Kräfte an und packte mit beiden Händen den Häscher bei der Gurgel, daß, wenn ihm seine Gefährten nicht zu Hülfe gekommen, dieser eher den Geist aufgegeben als Don Quixote seine Beute fahrengelassen hätte. Der Wirt, der ihnen vermöge seines Amtes beistehen mußte, lief sogleich hinzu, um ihnen Hülfe zu leisten; die Wirtin, die ihren Mann von neuem in Händel verwickelt sah, erhob von neuem ihre Stimme, bei deren Klang auch Maritorne und die Tochter einstimmten und den Himmel sowie die Umstehenden um Hülfe riefen. Da Sancho sah, was vorging, rief er aus: »So wahr Gott lebt, es ist doch wahr, was mein Herr von den Bezaubereien dieses Kastells sagt, denn man kann nicht eine Stunde ruhig darin leben!«

Don Fernando trennte den Häscher und Don Quixote und machte ihnen beiden zu ihrer Freude die Hände los, die dieser im Koller und jener in der Gurgel des andern verwickelt hatte; deshalb wollten aber die Häscher ihre Beute nicht fahrenlassen, sie riefen, man solle ihnen helfen den Menschen binden, dies sei man dem Könige und der Heiligen Brüderschaft schuldig, in deren Namen sie wiederum um Beistand baten, um diesen Spitzbuben, Straßenräuber und Buschklepper gefangenzunehmen.

Don Quixote lachte, als er diese Reden hörte, und sagte mit großer Leutseligkeit: »Hört doch, ihr törichten und schlecht erzogenen Menschen; nennt ihr das die Straßen berauben, wenn man Gefesselte befreit, Gefangene losmacht, den Elenden Hülfe leistet, die Gefallenen aufrichtet, die Hülfsbedürftigen tröstet? O ihr nichtswürdigen Menschen, ihr verdient durch eure niederträchtige Dummheit, daß euch der Himmel die Trefflichkeit niemals einsehen läßt, welche die irrende Ritterschaft mit sich führt, daß er niemals diese sündhafte Unwissenheit von euch nimmt, die euch hindert, den Schatten eines irrenden Ritters zu verehren, wieviel mehr den Ritter selbst mit seiner körperlichen Gegenwart! Hört doch, ihr aufhaschenden Spitzbuben und keine Häscher! Ihr Straßenräuber unter Erlaubnis der Heiligen Brüderschaft! Wer war denn der Narr, der diesen Verhaftsbefehl gegen einen solchen Ritter ausfertigte, wie ich bin? Wer war so töricht, nicht zu wissen, daß die irrenden Ritter von jedem Gerichte ausgenommen sind, daß ihr Schwert ihr Gesetz, ihre Stärke ihr Gericht, ihr Wille ihre Vorschrift ist? Wer war jener Lumpenkerl, frage ich noch einmal, der es nicht wußte, daß kein anderer Mensch so außerordentliche Vorzüge und Befreiungen hat, als welche der irrende Ritter an dem Tage erhält, wenn er zum Ritter geschlagen wird und sich dem schweren Handwerke der Ritterschaft unterzieht? Welcher irrende Ritter zahlt Tribut, Zoll, Akzise, Fuhren, Fährgeld? Welcher Schneider legt ihm über seine Kleidung eine Rechnung vor? Welcher Kastellan nimmt ihn wohl in sein Kastell auf und läßt sich die Zehrung bezahlen? Welcher König zieht ihn nicht zur Tafel? Welche Jungfrau vertraut ihm nicht und übergibt sich gänzlich seiner Willkür? Und endlich: Welcher irrende Ritter war, ist und wird wohl in der Welt sein, der nicht die Gewalt hätte, für sich ganz allein vierhundert Häschern Prügel zu geben, wenn sie ihm in den Weg treten?«

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 1, S. 390-395.
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