Achtes Kapitel.

[170] Erklärt das Abenteuer vom Eselgeschrei, nebst dem lustigen vom Puppenspieler, zugleich mit den merkwürdigen Wahrsagungen des wahrsagenden Affen.


Der Boden brannte unter Don Quixote, wie man zu sagen pflegt, bis er die Wunderdinge gehört hatte und wußte, die ihm von dem Manne, der die Waffen führte, versprochen waren. Er suchte ihn da auf, wo der Wirt ihm gesagt hatte, daß er sich befinde; er traf ihn auch an und sagte zu ihm, er möchte ihm sogleich über alles Bescheid erteilen, was er ihn unterwegs gefragt habe. Der Mann antwortete: »Dazu müssen wir mehr Zeit haben; so stehenden Fußes kann ich Euch meine Wunderdinge nicht erzählen. Laßt mich nur, mein lieber guter Mann, mein Tier vollends abfüttern, so will ich Euch Dinge erzählen, die Euch in Erstaunen setzen werden.«

»Es zu beschleunigen«, antwortete Don Quixote, »will ich Euch gern in allen Dingen helfen.« Dies tat er auch sogleich; er fegte die Gerste und reinigte die Krippe, welche Herablassung den Mann verpflichtete, ihm alles gern zu erzählen, was er nur verlangte. Er setzte sich also auf eine steinerne Bank und Don Quixote neben ihn, als Zuhörer und Senat umher der Vetter, der Page, Sancho Pansa und der Wirt, worauf der Mann auf folgende Weise anfing:

»Wißt also, meine Herren, daß in einem Orte, welcher vier und eine halbe Meile von hier entfernt liegt, es sich zutrug, daß einem dortigen Richter durch die Bosheit und Schelmerei einer jungen Magd – was sehr weitläufig zu erzählen wäre – ein Esel verlorenging; und ob dieser Richter gleich allen Fleiß anwandte, ihn wiederzufinden, so war es doch unmöglich. Vierzehn Tage waren schon, wie das allgemeine Gerücht[171] sagt, verflossen, seitdem der Esel fehlte, als der Richter, der den Verlust erlitten, auf dem Platze stand und ein anderer Richter des nämlichen Ortes zu ihm sagte: ›Was gebt Ihr mir, Gevatter? Ich habe Euren Esel gesehen.‹ – ›Ich will Euch ein ansehnliches Geschenk geben‹, antwortete der andere; ›aber sagt mir doch, wo hat er sich gezeigt?‹ – ›Auf dem Berge‹, antwortete der Finder, ›habe ich ihn diesen Morgen gesehen, ohne Sattel und Zeug und so vermagert, daß es ein Jammer war, ihn anzusehen. Ich wollte ihn vor mir hertreiben und ihn so zu Euch bringen, aber er ist schon so wild und unbändig, daß, wie ich ihm nahe kam, er sich davonmachte und in den abgelegensten Teil des Berges hineinlief. Wenn es Euch aber gefällt, daß wir beide gehen, um ihn zu suchen, so will ich nur diese Eselin erst in mein Haus stellen und gleich wiederkommen.‹ – ›Ihr erzeigt mir eine große Gefälligkeit‹, sagte der vom Esel, ›und ich werde mich bemühen, Euch mit gleicher Münze wiederzubezahlen.‹ Mit allen diesen Umständen und auf eben die Weise, wie ich es Euch erzähle, erzählen es alle, die um den wahren Zusammenhang der Sache wissen. Kurz, die beiden Richter begaben sich zu Fuß und Hand in Hand nach dem Berge; und als sie an Ort und Stelle gekommen, wo sie den Esel zu finden glaubten, fanden sie ihn nicht, auch ließ er sich in der ganzen Gegend nicht sehen, sosehr sie ihn auch suchten. Da sie also sahen, daß er nicht zum Vorschein kam, sagte der Richter, der ihn gesehen hatte, zum andern: ›Schaut, Gevatter, mir ist ein Pfiff eingefallen, wodurch wir das Vieh gewiß ausfindig machen, und wenn es in den Eingeweiden der Erde steckte, geschweige denn im Berge. Ich kann nämlich herrlich wie ein Esel brüllen, und wenn Ihr es auch etwas versteht, so ist die Sache abgemacht.‹ – ›Etwas, meint Ihr, Gevatter?‹ sagte der andere; ›bei Gott, ich gebe keinem darin nach, selbst nicht den Eseln!‹ – ›Das wollen wir gleich sehen‹, antwortete der zweite Richter; ›denn mein Plan ist, daß Ihr um die eine Seite des Berges geht, ich um die andere, und von Zeit zu Zeit sollt Ihr brüllen, und ich will brüllen, und so muß uns der Esel durchaus hören und antworten, wenn er noch im Berge ist.‹ Worauf der Herr des Tieres antwortete: ›Nun wahrhaftig, Gevatter, der Pfiff ist kostbar und Eures geistreichen Kopfes würdig.‹ Sie trennten sich hierauf beide nach der Abrede, und es geschah, daß sie beide zu einer Zeit brüllten und jeder, vom Gebrüll des anderen getäuscht, herbeilief, um sich zu suchen, weil jeder glaubte, der Esel sei zum Vorschein gekommen, und als sie sich erblickten, sagte der, welcher ihn verloren: ›Ist es möglich, Gevatter, daß es nicht mein Esel war, der gebrüllt hat?‹ – ›Nein, ich war's‹, antwortete der andere. – ›Nun, so muß ich sagen‹, versetzte jener, ›daß zwischen Euch und einem Esel, Gevatter, gar kein Unterschied ist, wenigstens was das Brüllen anbetrifft; denn in meinem Leben habe ich nicht so etwas Ähnliches gesehen oder gehört.‹ – ›Diese Lobeserhebungen und Schmeicheleien‹, antwortete der, welcher die Erfindung gemacht, ›kommen mehr Euch zu, Gevatter, als mir; denn bei dem Gott, der mich geschaffen hat, Ihr könnt dem allergrößten und kundigsten Brüller von der ganzen Welt noch zwei Schreie vorgeben; denn die Art, wie Ihr in die hohen Töne hineinsteigt, die gehaltene und volle Stimme und die vielen und vollen Kadenzen sind von der Art, daß ich mich für überwunden bekennen muß und Euch die Palme und den Lorbeer dieser seltenen Geschicklichkeit nicht mehr streitig mache.‹ – ›Von nun an‹, antwortete der Herr des Esels, ›werde ich mich für etwas besser als bisher halten; ich werde einigermaßen gut von mir denken, da ich doch eine Gabe besitze; denn wenn ich auch der Meinung war, daß ich gut brüllte, so habe ich mir doch nie eingebildet, daß ich so der Sache Meister sei, wie Ihr mir sagt.‹ – ›Ich sage aber gleichfalls‹, antwortete der andere, ›daß viele herrliche Talente in der Welt verlorengehen und daß sie bei denen übel angewandt sind, die sie nicht zu benutzen verstehen.‹ – ›Unsere Gaben‹, antwortete der Herr des Esels, ›können uns doch bei keiner anderen Gelegenheit als bei der gegenwärtigen Dienste leisten, und gebe Gott nur, daß sie uns hierbei etwas helfen.‹ Als sie dies gesprochen hatten, trennten sie sich von neuem und fingen von neuem ihr Brüllen an, und bei jedem Schritte wurden sie betrogen und stießen aufeinander, bis sie sich ein Merkzeichen machten, daß, um zu wissen, sie wären es und nicht[172] der Esel, sie zweimal hintereinander brüllen wollten. Somit verdoppelten sie bei jedem Schritte das Brüllen und gingen um den ganzen Berg herum, ohne daß ihnen der verlorne Esel, selbst nur mit Zeichen, geantwortet hätte. Wie konnte aber auch der arme Unglückselige antworten, da sie ihn im dichtesten Gebüsche fanden, von Wölfen aufgefressen? Als sein Herr ihn so erblickte, sagte er: ›Ich habe mich darum gewundert, daß er nicht antwortete; denn er mußte tot sein, um nicht zu brüllen, wenn er uns gehört hätte, oder er wäre kein Esel gewesen; aber da ich Euch dafür so anmutig habe brüllen hören, Gevatter, so halte ich doch die Mühe, ihn aufzusuchen, für gut angewandt, ob ich ihn gleich tot gefunden habe.‹ – ›Ihr seid in der Vorhand‹, antwortete der andere; ›denn wenn der Abt gut singt, so stimmt der Mesner gut ein.‹ Hiermit kehrten sie trostlos und heiser in ihr Dorf zurück, wo sie ihren Freunden, Nachbarn und Bekannten erzählten, was ihnen begegnet sei, als sie den Esel hätten suchen wollen, wobei einer das Talent des anderen im Brüllen sehr herausstrich. Diese Geschichte verbreitete sich auch in den benachbarten Örtern, und der Teufel, der nie schläft, sondern gern allenthalben Zank und Zwietracht säet und ausstreut und große Händel und Zwiespalt oft aus nichts erzeugt, machte und richtete es so ein, daß die Leute aus anderen Dörfern, wenn sie einen aus unserem Dorfe sahen, brüllten, wodurch sie sich über das Gebrüll unserer Richter aufhielten. Dies verbreitete sich auch auf die Jungen, und nun war es nicht anders, als wenn alle Teufel aus der Hölle zusammen losgelassen wären; denn das Brüllen lief wie ein Feuer von einem Dorfe zum anderen, daß die Einwohner von dem Dorfe des Gebrülles so bekannt sind, wie man die Schwarzen von den Weißen kennt und unterscheidet. Und dieser unangenehme Spaß ist schon so weit gegangen, daß die Verspotteten gegen die Spötter oft mit gewaffneter Hand und in Heerscharen ausgerückt sind, um ihnen ein Treffen zu liefern, ohne daß da Gesetz und Befehl oder Obrigkeit etwas gilt. Ich glaube, daß morgen oder übermorgen die ganze Mannschaft aus meinem Dorfe aufbrechen wird, welches das vom Brüllen ist, gegen ein anderes Dorf, zwei Meilen von dem unsrigen, welches die sind, die uns am meisten verfolgen; und um desto besser im Felde zu erscheinen, habe ich die Lanzen und Hellebarden gekauft, welche Ihr gesehen habt. Dies sind nun die Wunderdinge, die ich Euch zu erzählen versprochen habe; sind sie Euch nicht so vorgekommen, so weiß ich keine andere.« Hiermit beschloß der gute Mann seine Rede.

Indes trat in die Tür der Schenke ein Mann, der ganz, Strümpfe, Hosen und Wams, in Gemsleder gekleidet war, und rief mit lauter Stimme: »Herr Wirt! Habt Ihr Quartier? denn es kommt der wahrsagende Affe und das Spiel von der Befreiung der Melisendra.«

»Daß dich der Teufel!« rief der Wirt aus, »da ist ja Meister Peter! Nun werden wir einen lustigen Abend haben.«

Es ist noch vergessen, zu sagen, daß dieser Meister Peter das linke Auge und fast die halbe Wange mit einem grünen Pflaster bedeckt hatte, ein Zeichen, daß er auf dieser Seite einen Schaden haben mußte. Der Wirt fuhr hierauf mit diesen Worten fort: »Ei, seid mir vielmals willkommen, wertester Meister Peter! Wo ist denn der Affe und das Spiel? Ich sehe sie ja nicht.«

»Sie sind ganz nahe«, antwortete der ganz Gemslederne; »ich bin nur vorangegangen, um zu sehen, ob wir Quartier fänden.«

»Dem Herzoge von Alba selbst würde ich es nehmen, um es dem werten Meister Peter zu geben«, antwortete der Wirt. »Laßt nur den Affen und das Spiel kommen; denn es sind heute abend Leute in der Schenke, die sowohl das Schauspiel wie die Geschicklichkeit des Affen bezahlen werden.«

»Nun, in des Glückes Namen«, antwortete der mit dem Pflaster; »ich will den Preis billig machen und mich mit meiner Zehrung schon für gut bezahlt halten. Jetzt geh ich, um den Karren herzubringen, auf dem sich das Spiel und der Affe befindet.« Zugleich verließ Meister Peter die Schenke.[173]

Don Quixote fragte den Wirt, wer der Meister Peter sei und was er für ein Spiel und für einen Affen bei sich habe. Worauf der Wirt antwortete: »Der Mann ist ein großer Puppenspieler, der schon seit lange in diesem Teil von Aragon herumzieht und ein Spiel aufführt, wie Melisendra von dem berühmten Don Gaiferos befreit wird: eine von den schönsten vorgestellten Historien, die man seit vielen Jahren in diesem Teile des Königreichs gesehen hat. So hat er auch einen Affen bei sich von der seltensten Gabe, die man nur bei Affen antreffen kann, ja die wohl bei Menschen etwas Unglaubliches sein würde; denn wenn man ihn etwas fragt, so hört er, was man fragt, sehr aufmerksam an, dann springt er seinem Herrn auf die Schultern, macht sich an sein Ohr und sagt ihm die Antwort auf das, was man gefragt hat, worauf sie denn Meister Peter laut ausspricht; er sagt aber mehr von vergangenen als von zukünftigen Dingen. Und wenn auch nicht allemal alles zutrifft, so hat er doch in den meisten Sachen recht, so daß wir auch alle glauben, der Teufel müsse ihm im Leibe stecken. Zwei Realen nimmt er für jede Frage, wenn der Affe antworten soll, ich meine, wenn sein Herr für ihn antwortet, nachdem er es ihm in die Ohren geflüstert hat. Man glaubt daher auch, daß dieser Meister Peter sehr reich ist; er ist auch ein galant uomo und ein buon compagno, wie man in Italien zu sagen pflegt, und führt das beste Leben von der Welt. Er spricht für sechs und trinkt für zwölf, alles auf Unkosten seiner Zunge und seines Affen und seines Spieles.«

Indes kam Meister Peter zurück, und auf einem Karren kam auch das Spiel und der Affe an, der groß war, keinen Schwanz und runzelige Hinterteile hatte; doch aber war sein Gesicht nicht unangenehm. Don Quixote sah ihn kaum, als er ihn fragte: »Sagt mir doch gefälligst, mein Herr Wahrsager, was werden wir heute essen und wie wird es uns sonst gehen? Zugleich sind hier meine zwei Realen.« Er befahl auch dem Sancho, sie dem Meister Peter zu geben, welcher im Namen des Affen antwortete: »Mein Herr, das Tier beantwortet nichts und zeigt nichts an, was die Zukunft betrifft; vom Vergangenen weiß es etwas und auch vom Gegenwärtigen ein weniges.«

»Daß dich!« sagte Sancho, »ich gebe nicht einen Heller darum, um das zu erfahren, was mir sonst begegnet ist; denn wer kann das besser wissen als ich selber? Und daß ich dafür etwas bezahlen sollte, daß man mir sagt, was ich weiß, wäre eine große Narrheit; da er aber auch das Gegenwärtige weiß, so sind hier meine zwei Realen, und nun, mein Herr von Affe, sagt mir doch, was macht jetzt meine Frau Theresa Pansa, und womit beschäftigt sie sich?«

Meister Peter wollte das Geld nicht nehmen, sondern sagte: »Ich will meinen Lohn nicht voraushaben, sondern der Dienst muß vorhergehen.« Er schlug hierauf mit der rechten Hand zweimal auf die linke Schulter, und mit einem Satze war der Affe hinaufgesprungen, worauf er sein Maul dicht an das Ohr legte und die Zähne sehr hastig voneinander und wieder zusammen tat; und nachdem er diese Gebärde so lange, als ein Vaterunser währt, gespielt hatte, war er mit einem zweiten Satze wieder auf der Erde, und sogleich stürzte sich Meister Peter zu Don Quixotes Füßen nieder, umfaßte dessen Beine und sagte: »Ich umarme diese Schenkel, als wenn es die beiden Säulen des Herkules wären, o du glänzender Erwecker der schon in Vergessenheit versunkenen irrenden Ritterschaft! O du niemals so, wie er sollte, gepriesener Ritter Don Quixote von la Mancha, du Seele der Ohnmächtigen, Stütze der Fallenden, Arm der Gefallenen, Stab und Trost aller Unglückseligen!«

Don Quixote stand erstaunt, Sancho in Verwunderung, der Vetter verwirrt, der Page überrascht, der vom Eselschrei maulsperrend, der Wirt erschrocken und alle von den Worten des Puppenspielers entsetzt; der also fortfuhr: »Und du, o wackerer Sancho Pansa, edelster Stallmeister des edelsten Ritters von der Welt, sei fröhlich, denn deine wackere Frau Theresa ist noch wacker und hechelt zu gegenwärtiger Stunde ein Pfund Flachs, und zum Wahrzeichen steht an ihrer linken Seite ein oben zerbrochener Krug, der ein wackeres Maß Wein enthält, womit sie sich bei ihrer Arbeit stärkt.«[174]

»Das glaub ich gern«, antwortete Sancho, »denn sie ist ein herrliches Weib, und wäre sie nicht so eifersüchtig, so würde ich sie nicht gegen die Riesin Andandona vertauschen, die, nach meinem Herrn, eine sehr vorzügliche und schätzbare Frau war, und meine Therese gehört zu denen, die sich nichts abgehen lassen, und wenn es auch auf Kosten ihrer Erben geschehen sollte.«

»Nun spreche ich«, sagte hierauf Don Quixote, »daß derjenige, der viel liest und viel reist, viel sieht und viel erfährt. Ich sage dieses deshalb, denn welche Überredung wäre doch wohl hinreichend, mich zu überreden, daß es Affen in der Welt gibt, welche wahrsagen, wie ich es doch nun mit meinen eignen Augen gesehen habe? denn ich bin dieser nämliche Don Quixote von la Mancha, von welchem dieses gute Tier gesprochen hat, außer daß es in meinem Lobe etwas zu weit gegangen ist; aber wer ich auch immer sein mag, so danke ich dem Himmel dafür, daß er mir ein zartes und mitleidiges Gemüt geschenkt hat, welches immer wünscht, allen Gutes und keinem Menschen Übles zuzufügen.«

»Wenn ich Geld hätte«, sagte der Page, »so wollte ich den Herrn Affen fragen, was mir auf der Wanderschaft begegnen wird, die ich vorhabe.«

Worauf Meister Peter antwortete, der indessen von Don Quixotes Füßen wieder aufgestanden war: »Ich habe schon gesagt, daß dieses Tierchen nichts vom Zukünftigen beantworten kann, denn wenn es antworten könnte, so würde der Mangel des Geldes kein Hindernis sein; denn um dem gnädigen Herrn Don Quixote, welcher gegenwärtig ist, gefällig zu sein, würde ich allen Eigennutz aufopfern. Auch jetzt halte ich es für meine Schuldigkeit, ihm ein Vergnügen zu machen, und darum will ich mein Spiel aufschlagen und allen, die in der Schenke sind, eine Lust machen, ohne die geringste Bezahlung zu verlangen.«

Als dies der Wirt hörte, war er außerordentlich fröhlich; er bezeichnete sogleich einen Ort, wo das Spiel konnte aufgeschlagen werden, welches in einem Augenblicke geschah. Don Quixote war mit den Wahrsagungen des Affen nicht sonderlich zufrieden; denn es schien ihm ungeziemlich, daß ein Affe wahrsagte, es mochte nun vergangene oder zukünftige Dinge betreffen. Indessen also Meister Peter sein Spiel einrichtete, zog sich Don Quixote mit Sancho in einen Winkel des Stalles zurück, wo er, ohne daß ihn jemand hören konnte, zu jenem sagte: »Siehe, Sancho, ich habe die ungemeine Geschicklichkeit dieses Affen wohl in Erwägung gezogen, und ich finde nach meiner Rechnung, daß dieser Meister Peter, sein Herr, ohne Zweifel mit dem Satan ein Gepakt, ein stillschweigendes und besonderes, errichtet haben muß.«

»Wenn es ihm der Satan eingepackt hat«, sagte Sancho, »so kann es wohl nichts so Besonderes sein, sondern es ist gewiß etwas Dreckiges; und da kann ich doch nicht einsehen, was es dem Meister Peter hilft, daß er sich dergleichen einpacken läßt.«

»Du verstehst mich nicht, Sancho, ich meine, daß er mit dem Satan einen Vertrag errichtet haben muß, so daß dieser die Geschicklichkeit in seinen Affen gesenkt, wodurch er sich sein Brot verdient; und wenn jener ihn reich gemacht hat, so muß er dafür seine Seele geben, denn das ist es, was dieser allgemeine Feind sucht. Was mich darauf gebracht hat, ist: daß der Affe nur von vergangenen oder gegenwärtigen Dingen Antwort zu geben weiß; weiter erstreckt sich aber auch die Wissenschaft des Teufels nicht, denn das Zukünftige weiß er nicht als nur durch Vermutungen, und auch das nicht immer, denn nur Gott ist es vorbehalten, den ganzen Umfang der Zeit zu erkennen, für ihn gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern alles ist Gegenwart. Wenn dem nun so ist, wie es denn ist, so erhellt deutlich, daß dieser Affe aus Gewalt des Teufels spricht, und das nimmt mich sehr wunder, daß ihn die heilige Inquisition nicht ergriffen und examiniert hat, um von ihm herauszubringen, aus was Kraft er wahrsagt; denn es ist doch ein ausgemachtes Ding, daß dieser Affe kein Astrologus ist, denn weder er noch sein Herr wissen jene Figuren zu zeichnen, durch welche man rechnet und die in Spanien jetzt so gebräuchlich sind, daß es kein altes Weib, keinen Pagen, keinen verdorbenen Schuhflicker gibt, die sich nicht unterstehen sollten, eine[175] solche Figur zu zeichnen, als wenn dies nicht mehr Verstand erforderte, als etwa den Spatenbauer abzuzeichnen, wodurch sie mit ihren Lügen und ihrer Unwissenheit die glorreiche Wahrhaftigkeit dieser Wissenschaft verdunkeln. Von einer Dame weiß ich, daß sie einen von diesen Zeichendeutern fragte, ob eine kleine Hündin, die sie hatte, trächtig werden und werfen würde und wieviel und von welcher Farbe die Jungen sein würden. Worauf der Herr Zeichendeuter, nachdem er seine Figur gemacht, zur Antwort gab, daß die Hündin trächtig werden und drei Junge werfen würde, ein grünes, ein rotes und ein geflecktes; doch unter der Bedingung, daß diese Hündin zwischen eilf und zwölf, bei Tage oder in der Nacht, belegt würde, und zwar an einem Montage oder Sonnabend. Was sich aber ergab, war, daß nach zwei Tagen die Hündin an einer Unverdaulichkeit starb; aber der Herr Prophet blieb doch als der geschickteste Mann in dem nämlichen Ansehen, wie es mit allen oder den meisten dieser Propheten zu geschehen pflegt.«

»Ich wünschte dennoch«, sagte Sancho, »daß Ihr dem Meister Peter sagtet, daß er seinen Affen fragen möchte, ob das wahr ist, was Euch in der Höhle des Montesinos begegnet ist; denn ich für meine Person halte, mit Eurer gnädigen Erlaubnis, dafür, daß alles nur Lug und Trug oder wenigstens Traum und Schaum war.«

»Alles wäre möglich«, antwortete Don Quixote; »ich will aber tun, was du mir rätst, ob mir gleich eine Art von Skrupel dagegen übrigbleibt.«

Indes kam Meister Peter, um Don Quixote zu suchen und ihm zu sagen, daß sein Spiel in Ordnung sei und daß er kommen möchte, es anzusehen, weil es sich der Mühe verlohne. Don Quixote teilte ihm seine Gedanken mit und bat ihn, sich sogleich von seinem Affen sagen zu lassen, ob gewisse Dinge, die ihm in der Höhle des Montesinos begegnet seien, Traum oder Wahrheit wären; denn nach seiner Meinung könnten sie beides sein.

Worauf Meister Peter, ohne ein Wort zu sagen, den Affen herbeiholte, ihn vor Don Quixote und Sancho stellte und sagte: »Seht, Herr Affe, dieser Ritter will wissen, ob gewisse Dinge, die ihm in der Höhle, welche die Höhle des Montesinos heißt, begegnet sind, wahr oder falsch sind.« Er machte hierauf das gewöhnliche Zeichen, der Affe sprang ihm auf die linke Schulter und schien ihm ins Ohr zu flüstern, und Meister Peter sagte hierauf: »Der Affe sagt, daß ein Teil von den Dingen, die Euer Gnaden gesehen oder die Euch in der gedachten Höhle begegneten, falsch sind, ein Teil aber wahrscheinlich und daß er dieses und nichts Weiteres zu sagen weiß, was diese Frage betrifft. Wenn Ihr aber mehr erfahren wollt, so will er am künftigen Freitage auf alle nur möglichen Fragen Antwort geben; denn für heute ist seine Kunst aus und wird nicht, wie er gesagt hat, vor dem Freitage wiederkommen.«

»Sagt ich's nicht«, rief Sancho, »daß ich mich nicht überzeugen könnte, daß alles, was Ihr, gnädiger Herr, von den Begebenheiten der Höhle erzählt habt, die Wahrheit sei, ja daß ich nicht die Hälfte glauben könnte?«

»Der Erfolg wird es lehren, Sancho«, antwortete Don Quixote; »denn die Zeit entdeckt alle Dinge, und es gibt nichts, was sie nicht an das Licht der Sonne hervorziehen sollte, und wenn es im Schoße der Erde verborgen läge. Doch für jetzt genug davon, wir wollen gehen und das Spiel des wackern Meister Peter sehen, das, wie ich glaube, eine Annehmlichkeit gewähren wird.«

»Nur eine?« antwortete Meister Peter, »zum wenigsten sechzigtausend. Ich sage Euch, mein gnädiger Herr Don Quixote, es ist eins von den Dingen in der heutigen Welt, die am meisten verdienen gesehen zu werden. Doch ›operibus credite et non verbis‹, und Hand ans Werk, denn es ist schon spät, und wir haben viel zu tun und zu sprechen und zu zeigen.«

Don Quixote und Sancho folgten ihm und sahen, daß das Schauspiel schon aufgestellt und zurechtgemachtwar, von allen Seiten mit brennenden Wachslichterchen umgeben, die es hell und glänzend machten. Meister Peter begab sich nun dahinter, weil er die Figuren des Kunstwerks regieren mußte, und vorn stellte sich ein Junge, der dem Meister Peter diente, um den Geheimnissen des Schauspiels als Dolmetscher und Erklärer zu dienen. Er hatte ein Stäbchen in der Hand, womit er die Figuren bezeichnete, welche heraustraten. Als nun alle in der Schenke versammelt waren, manche vorn, stehenden Fußes, und Don Quixote, Sancho, der Page und der Vetter auf den besten Plätzen niedergesetzt, fing der Dolmetscher an, das zu sagen, was der hören und sehen würde, welcher das folgende Kapitel zu hören oder zu sehen bekömmt.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 170-177,179.
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