Fünftes Kapitel.

[480] Welches auf das vierte folgt und Sachen enthält, die wegen der Deutlichkeit der Geschichte nicht ausgelassen werden durften.


Sancho schlief die Nacht in einem Rollbette, mit dem Don Quixote in einem Zimmer, dessen er zwar, wenn es hätte sein können, gern entübrigt gewesen wäre, weil er wußte, daß sein Herr ihn mit Fragen und Antworten nicht würde schlafen lassen, und er befand sich nicht in der Stimmung, viel zu sprechen, denn die Schmerzen seiner überstandenen Martern machten ihm diese immer gegenwärtig und ließen ihm die Zunge nicht frei, darum wäre es ihm gelegener gewesen, in einer Hütte allein zu schlafen als in diesem kostbaren Zimmer in Gesellschaft. Seine Furcht war auch so gegründet und sein Argwohn so gewiß gewesen, daß sein Herr kaum in das Bett gestiegen war, als er zu ihm sagte: »Was dünkt dir, Sancho, von der Begebenheit dieser Nacht? Groß und gewaltig ist die Kraft der verschmähten Liebe, wie du mit deinen eignen Augen Altisidora hast tot gesehen, nicht von andern Pfeilen noch einem andern Schwerte, noch einem andern mörderischen Instrumente, noch einem tötenden Gifte, sondern bloß durch die Erwägung meiner Strenge und durch die Verachtung, mit welcher ich sie immer behandelt habe, hingerichtet.«

»Mag sie in Gottes Namen sterben, wann sie will und wie sie will«, antwortete Sancho, »und mich nur in Ruhe lassen, denn ich habe sie zeit meines Lebens weder verliebt gemacht noch verachtet. Ich weiß[481] es nicht und kann es auch gar nicht begreifen, wie das Leben der Altisidora, eines mehr unklugen als verständigen Mädchens, wie ich schon einmal gesagt habe, mit der Zermarterung des Sancho Pansa zusammenhängt. Aber jetzt sehe und erkenne ich deutlich und bestimmt, daß es Zauberer und Bezauberungen in der Welt gibt, von denen Gott mich befreien möge, denn ich weiß mich nicht davon frei zu machen; aber mit alledem bitte ich Euch inständigst, laßt mich schlafen und fragt mich nichts mehr, wenn Ihr nicht wollt, daß ich aus dem Fenster hinausspringen soll.«

»Schlafe, Freund Sancho«, antwortete Don Quixote, »wenn es dir die Nadelstiche und die empfangenen Zwicke und die aufgedrückten Fratzen erlauben.«

»Kein Schmerz«, versetzte Sancho, »ist der Kränkung mit den Fratzen zu vergleichen, und zwar aus keiner andern Ursache, als daß sie mir Dueñas gemacht haben, die der Teufel holen mag; und laßt mich schlafen, das bitt ich nochmals flehentlichst, denn der Schlaf ist eine Erleichterung alles Unglücks, das man nur jemals im Wachen haben kann.«

»Schlaf gesund«, sagte Don Quixote, »und Gott möge dich behüten!«

So schliefen sie beide ein, und unterdessen will Cide Hamete, der Verfasser dieser großen Geschichte, uns Rechenschaft geben, was die Herzoge bewog, das Gebäude des eben geschilderten Betruges aufzuführen. Der Baccalaureus Simson Carrasco hatte es nicht vergessen, wie er als Ritter von den Spiegeln von Don Quixote überwunden und niedergestürzt war, welche Besiegung und Niederlage alle seine Plane vereitelte und vernichtete, weshalb er die Sache noch einmal versuchen wollte, indem er auf einen glücklicheren Erfolg als den ersten rechnete; er erkundigte sich also bei dem Pagen, welcher der Therese Pansa, der Frau des Sancho, den Brief und das Geschenk überbracht hatte, wo Don Quixote sei, schaffte neue Waffen und Pferd an und führte in seinem Schilde einen silbernen Mond, welches alles er auf ein Maultier lud, das ein Bauer führte, aber nicht Thomas Cecial, sein voriger Stallmeister, damit er weder vom Don Quixote noch vom Sancho erkannt würde. So kam er zum Schlosse des Herzogs, der ihm den Weg anzeigte, welchen Don Quixote genommen hatte, und wie dieser die Absicht habe, bei den Turnieren zu Saragossa gegenwärtig zu sein. Er erzählte ihm auch, was sie für Spaß mit ihm gehabt, den Plan, die Dulcinea zu entzaubern, welches auf Kosten vom Hintern des Sancho geschehen solle. Er teilte ihm ebenso den Possen mit, den Sancho seinem Herrn gespielt hatte, indem er ihm eingebildet, daß Dulcinea bezaubert und in eine Bäuerin verwandelt sei, und wie die Herzogin, seine Gemahlin, dem Sancho wieder eingebildet habe, daß er der Getäuschte sei, weil Dulcinea in der Tat bezaubert wäre, worüber der Baccalaureus sehr lachte und sich verwunderte, indem er den Scharfsinn und die Dummheit des Sancho erwägte, so wie er im äußersten Grad über die Narrheit des Don Quixote erstaunte. Der Herzog bat ihn, wenn er ihn anträfe, er möchte ihn nun überwinden oder nicht, zu ihm zurückzukehren und ihm den Erfolg zu melden. Dies versprach der Baccalaureus, reiste ihm nach, fand ihn aber nicht zu Saragossa, worauf er weiterging und sich das zutrug, was oben erzählt ist. Er kehrte nach dem Schlosse des Herzogs zurück und zeigte diesem alles an, nebst den Bedingungen des Treffens, und daß Don Quixote schon umkehre, um als ein braver irrender Ritter das Wort zu halten, welches er von sich gegeben habe, sich auf ein Jahr nach seinem Dorfe zurückzuziehen; in dieser Zeit ist es vielleicht möglich, sagte der Baccalaureus, daß er von seiner Tollheit geheilt werde, denn dieses sei die Absicht, die ihn bewogen habe, diese Verkleidungen anzustellen, weil es zu bedauern, daß ein Edelmann von so guten Einsichten, wie Don Quixote, sich als ein Toller zeige. Hiermit beurlaubte er sich vom Herzoge und ging in sein Dorf zurück, wo er wartete, daß ihm Don Quixote nachkommen solle. Davon nahm der Herzog Gelegenheit, diese Posse anzustellen, so sehr ergötzte er sich an dem, was Don Quixote und Sancho taten. Er ließ alle Wege, weit und breit um das Schloß herum, wo er nur irgend glaubte, daß Don Quixote vorbeikommen könne,[482] mit vielen seiner Bedienten zu Fuß und zu Pferde besetzen, damit sie ihn im Guten oder Bösen zum Schlosse brächten, wenn sie ihn fänden; sie fanden ihn, gaben dem Herzoge Nachricht, der schon alles das eingerichtet hatte, was geschehen sollte, und daher gleich, als er die Meldung von seiner Ankunft empfing, die Fackeln und die Lampen auf dem Hofe anzünden ließ, worauf sich Altisidora auf ihr Grabmal legte und alle jene Zubereitungen geschahen, welche erzählt sind und die so täuschend und gut ausfielen, daß zwischen ihnen und der Wirklichkeit nur ein geringer Unterschied war; und Cide Hamete fügt hinzu, daß er der Meinung sei, die Spötter wie die Verspotteten seien gleiche Toren und daß die Herzoge nicht zwei Fingerbreit vom Wahnsinn entfernt gewesen, da sie es mit solchem Eifer betrieben, mit zwei Wahnsinnigen eine Posse anzustellen, welche, der eine jetzt im tiefen Schlafe liegend und der andere mit seinen bekümmerten Gedanken wachend, der Tag jetzt beleuchtete und ihnen die Lust aufzustehen erregte: denn niemals erfreuten, weder als Sieger noch Besiegter, die müßigen Federn Don Quixote.

Altisidora, in der Meinung des Don Quixote vom Leben zum Tode erstanden, der Laune ihrer Gebieter sich fügend, mit dem nämlichen Kranze geschmückt, den sie auf dem Grabmale trug, bekleidet mit einem leichten Gewande von weißem Taffet, mit goldenen Blumen gestickt, die Haare über die Schultern fließend, sich lehnend auf einen Stab von schwarzem und dem feinsten Ebenholze, trat jetzt in das Gemach des Don Quixote, der, darüber erstaunt und verwirrt, sich zusammenkrümmte und fast ganz in die Decken und Kissen seines Bettes verkroch, mit stummer Zunge, ohne auch nur auf irgendeine Artigkeit zu denken. Altisidora setzte sich in einen Stuhl zu seinem Haupte nieder, und nachdem sie einen tiefen Seufzer ausgestoßen, sagte sie mit zärtlicher und schwacher Stimme zu ihm: »Wenn vornehme Damen und sittsame Jungfrauen über ihre Ehre hinwegschreiten und der Zunge die Erlaubnis geben, daß sie durch alle Schranken brechen und öffentlich die Geheimnisse bekanntmachen darf, welche im Herzen verschlossen liegen, so müssen sie sich in der schlimmsten Bedrängnis befinden. Ich, Herr Don Quixote von la Mancha, bin eine von diesen, eine Bedrängte, Besiegte und Verliebte; aber dessenungeachtet eine so Duldende und so Sittsame, daß, weil ich es so sehr bin, mir das Herz am Schweigen brach und ich das Leben verlor. Vor zwei Tagen hat mich die Erwägung der Grausamkeit, mit welcher du mich behandelt hast,


O härter du als Marmor meinen Klagen!


steinerner Ritter, zur Leiche gemacht, oder wenigstens wurde ich von allen dafür gehalten, welche mich sahen; und hätte die Liebe nicht, sich meiner erbarmend, meine Erweckung in der Marter dieses ehrlichen Stallmeisters festgestellt, so würde ich in der andern Welt geblieben sein.«

»Die Liebe hätte wohl«, sagte Sancho, »sie in der meines Esels feststellen können, und ich würde es ihr Dank gewußt haben. Aber sagt mir doch, Señora, wie Euch der Himmel einen andern zärtlichern Liebhaber als meinen Herrn bescheren möge, was habt Ihr denn in der andern Welt gesehen? Wie steht es denn in der Hölle? denn wer in der Verzweiflung stirbt, muß doch notwendig dorthin kommen.«

»Wenn ich Euch die Wahrheit sagen soll«, antwortete Altisidora, »so muß ich wohl nicht so ganz gestorben sein, denn ich kam nicht in die Hölle; wäre ich da hineingekommen, so hätte ich einmal für allemal nicht heraus gekonnt, wenn es auch mein Wunsch gewesen wäre; zwar kam ich bis an das Tor, wo wohl ein Dutzend Teufel standen und den Ball schlugen, alle in Kamisol und Beinkleidern und wallonischen Kragen, die mit brabantischen Spitzen besetzt waren, nebst Manschetten von derselben Art, und die vier Fingerbreit von den Knöcheln zurückstanden, damit die Hände um so länger schienen, in welchen sie feurige Raketen hatten; was mich aber am meisten verwunderte, war, daß sie sich statt der[483] Bälle der Bücher bedienten, die voller Wind und Flocken schienen, ein wunderbares und seltsames Ding; dies erstaunte mich aber noch nicht so sehr, als daß ich sah, da doch sonst bei den Spielern die Gewinner lustig und die traurig sind, welche verlieren, wie bei diesem Spiele hier alle grunzten, alle brummten und sich alle verfluchten.«

»Das ist kein Wunder«, antwortete Sancho, »denn die Teufel mögen spielen oder nicht spielen, so könnten sie doch niemals vergnügt sein, sie mögen gewinnen oder nicht gewinnen.«

»Das muß wohl so sein«, antwortete Altisidora, »aber es war noch etwas anderes dabei, was mich in Erstaunen setzt – ich will sagen, was mich damals in Erstaunen setzte –, nämlich, daß beim ersten Schlage gleich einem Balle nichts übrigblieb, er auch nicht wieder gebraucht werden konnte, wodurch eine Menge alter und neuer Bücher draufging, daß es ein Wunder war. Eins davon, das ganz neu und gut eingebunden war, bekam eine solche Maulschelle, daß die Eingeweide heraushingen und die Blätter herumflogen. Ein Teufel sagte zum andern: ›Sieh doch, was dies für ein Buch ist‹, und der Teufel antwortete ihm: ›Dieses ist der zweite Teil der Geschichte des Don Quixote von la Mancha, nicht vom Cide Hamete, seinem ersten Autor, verfaßt, sondern von einem Aragoneser, der, wie er sagt, aus Tordesillas gebürtig ist.‹ – ›Fort damit‹, antwortete der andere Teufel und schleudert es in die Abgründe der Hölle, ›daß es meine Augen niemals wieder sehen.‹ – ›Ist es so schlimm?‹ fragte der andere. ›So schlimm‹, versetzte der erste, ›daß, wenn ich mich selber dazu niedersetzte, um es schlimmer zu machen, ich es nicht vermöchte.‹ Sie setzten ihr Spiel fort und schlugen mit andern Büchern Ball, und ich, weil ich Don Quixote nennen hörte, welchen ich liebe und verehre, suchte diese Vision in meinem Gedächtnisse zu behalten.«

»Eine Vision muß es ohne Zweifel gewesen sein«, sagte Don Quixote, »denn es gibt kein anderes Ich in der Welt, und ob schon diese Geschichte von Hand zu Hand wandert, bleibt sie doch in keiner, sondern jeder gibt ihr einen Stoß mit dem Fuße. Ich habe mich nicht darüber geärgert, zu hören, wie ich mich als ein phantastischer Körper, sei es in den Finsternissen des Abgrunds oder in dem Lichte der Erde, herumtreibe, weil ich nicht derjenige bin, von dem diese Geschichte handelt. Wäre sie gut, aufrichtig und wahrhaft, so würde sie durch viele Zeitalter leben, ist sie aber schlecht, so wird der Weg von ihrer Geburt zu ihrem Grabe nicht weit sein.«

Altisidora wollte wieder fortfahren, sich über Don Quixote zu beklagen, als Don Quixote zu ihr sagte: »Vielmals habe ich Euch gesagt, Señora, wie es mir leid tut, daß Ihr Eure Gedanken auf mich gerichtet habt, denn die meinigen dürfen Euch wohl dankbar, aber niemals hülfreich sein. Ich wurde geboren, um der Dulcinea von Toboso zu gehören, und die Schicksalsschwestern, wenn es deren gibt, haben mich für sie bestimmt, und zu denken, daß eine andere Schönheit die Stelle in meiner Seele einnehmen könne, welche sie besitzt, heißt das Unmögliche denken. Hinreichend ist diese Enttäuschung, damit Ihr Euch in die Grenzen Eurer Sittsamkeit zurückziehen mögt, denn niemand kann sich zu Unmöglichkeiten verpflichten.«

Als Altisidora dies hörte, stellte sie sich sehr zornig und aufgebracht und sagte zu ihm: »Bei Gott, Don Bohnenstange, Kieselseele, Dattelschale, eigensinniger und gröber als ein Bauer, den man bittet, wenn er auf seinem Sinn besteht, wenn ich Euch unterkriege, so will ich Euch die Augen ausreißen. Meint Ihr denn vielleicht, Ihr Don Überwunden und Don Ausgeprügelt, daß ich für Euch gestorben bin? Alles, was Ihr gestern abend gesehen habt, war nur ein erdichtetes Wesen, denn ich bin kein solches Mädchen, die sich um ein dergleichen Kamel nur die Spitze eines Nagels sollte weh tun lassen, viel weniger deswegen sterben.«

»Das glaube ich wohl«, sagte Sancho, »denn wenn die Verliebten sterben wollen, so ist das nur ein Ding zum Lachen; sie können es wohl sagen, aber daß sie es tun werden, das mag Judas glauben.«[484]

Unter diesem Gespräche kam der Musikus, Sänger und Poet herein, welcher die beiden obigen Stanzen gesungen hatte, dieser machte dem Don Quixote eine tiefe Verbeugung und sagte: »Mein gnädigster Herr Ritter möge mich unter die Anzahl seiner getreuesten Diener zählen, denn schon seit lange bin ich ihm äußerst ergeben, sowohl seines Ruhmes als auch seiner Taten wegen.«

Don Quixote antwortete ihm: »Sagt mir, mein werter Herr, wer Ihr seid, damit meine Höflichkeit Euren Verdiensten entspreche.«

Der junge Mensch antwortete, daß er der Musiker und Lobredner vom vorigen Abende sei. »Wahrlich«, versetzte Don Quixote, »Ihr habt sehr recht; aber was Ihr sanget, schien mir nicht sonderlich passend zu sein, denn was haben die Stanzen des Garcilaso mit dem Tode dieser Dame zu tun?«

»Verwundert Euch hierüber nicht«, antwortete der Musikus, »denn unter den unbärtigen Poeten unsers Zeitalters ist es der Gebrauch, daß jeder schreibt, wie er will, und stiehlt, von wem er will, mag es doch zu seiner Absicht passen oder nicht passen, und jetzt gibt es keine Albernheit, die sie singen oder schreiben mögen, welche nicht auf die poetische Freiheit geschoben würde.«

Don Quixote wollte antworten, aber der Herzog und die Herzogin hinderten ihn daran, welche hereintraten, ihn zu besuchen, zwischen welchen ein weitläuftiges und anmutiges Gespräch vorfiel, in welchem Sancho so viele Scherze und so viele Bosheiten sagte, daß die Herzoge von neuem verwundert waren, sowohl über seine Dummheit wie über seinen Scharfsinn. Don Quixote bat sie um die gnädige Erlaubnis, noch an dem nämlichen Tage abzureisen, denn überwundenen Rittern, wie ihm, komme es mehr zu, einen Stall als königliche Paläste zu bewohnen. Sie gaben ihm gern die Erlaubnis, und die Herzogin fragte ihn, ob Altisidora in seiner Gunst bliebe.

Er antwortete: »Meine Gebieterin, Eure Hoheit muß wissen, daß das ganze Unglück dieses Mädchens aus dem Müßiggange entsteht, welcher durch eine anständige und fortwährende Beschäftigung vermieden werden kann. Sie hat mir eben gesagt, daß Spitzen in der Hölle getragen werden, und da sie diese gewiß machen kann, so lege sie sie nie aus der Hand, denn wenn sie damit beschäftigt ist, die Klöppel zu regieren, so wird nie ihre Einbildung von dem Bilde oder den Bildern dessen regiert werden, welchen sie liebt; und dieses ist die Wahrheit, dies ist meine Meinung, und dieses ist mein Rat.«

»Und der meinige«, fügte Sancho hinzu, »denn ich habe in meinem Leben keine Spitzenarbeiterin gesehen, die vor Liebe gestorben wäre; denn die arbeitenden Mädchen sind mehr darauf bedacht, ihr Tagewerk zu Ende zu bringen als auf ihre Liebeshändel zu denken. Ich weiß es an mir selbst, denn solange ich ackere, denke ich an meine Alte, an die Therese Pansa, nicht, die ich doch so lieb habe wie die Augen im Kopfe.«

»Ihr habt sehr recht, Sancho«, sagte die Herzogin, »und ich will dazu tun, daß meine Altisidora sich in Zukunft damit beschäftige, etwas Putz zu machen, worin sie sehr geschickt ist.«

»Es wird nicht nötig sein, gnädige Frau«, antwortete Altisidora, »sich dieses Mittels zu bedienen, denn die Erwägung der Grausamkeiten, mit denen mich dieser abscheuliche Spitzbube überhäuft hat, werden ihn aus meinem Gedächtnisse ohne andre Künstelei verlöschen, und so will ich mich denn mit der Erlaubnis Eurer Hoheit von hier wegbegeben, um nicht länger vor meinen Augen zu sehen seine nun nicht mehr traurige Gestalt, sondern seine widerwärtige und scheußliche Fratze.«

»Ich denke eben daran«, sagte der Herzog, »daß man wohl sagt,


Denn wer Schmähungsworte spricht,

Ist schon dem Vergeben nahe.«
[485]

Altisidora tat, als wenn sie sich die Tränen mit einem Tuche abtrocknete, worauf sie sich gegen ihre Herrschaft verneigte und das Zimmer verließ. »Geh nur«, sagte Sancho, »du armes Mädchen, geh nur, sage ich, du bist unglücklich angekommen, denn du hast es mit einer binsenen Seele und einem eichenen Herzen zu tun gehabt; wahrhaftig, hättest du es mit mir zu tun gehabt, so hätte dir wohl ein andrer Hahn gekräht.« – Das Gespräch war geendigt, Don Quixote kleidete sich an, aß mit den Herzogen und reiste am Abend ab.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 480-486.
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