Siebentes Kapitel.

[45] Was dem Don Quixote mit seinem Stallmeister begegnete, nebst andern höchst denkwürdigen Begebenheiten.


Kaum sah die Haushälterin, daß sich Sancho Pansa mit ihrem Herrn eingeschlossen habe, als sie gleich auf die wahre Absicht der beiden verfiel und sich vorstellte, daß die Beratschlagung auf den Entschluß eines dritten Auszuges hinauslaufen würde. Sie nahm daher ihren Schleier und machte sich voller Angst und Ärger auf den Weg, den Baccalaureus Simson Carrasco aufzusuchen; denn sie meinte, daß er als ein Mann, der gut sprach, und als ein ganz neuer Freund ihres Herrn ihn am ersten überreden könnte, seinen unglückseligen Vorsatz aufzugeben. Sie fand ihn im Hofe seines Hauses auf und ab gehend, und sowie sie ihn sah, fiel sie keuchend und ohne Atem vor seine Füße nieder. Als Carrasco sie mit diesen Zeichen des Schmerzes und Entsetzens sah, fragte er: »Was ist Euch, Frau Haushälterin? Was ist denn vorgefallen, das Euch die Seele aus dem Leibe zu ängstigen scheint?«

»Es ist nichts, mein Herr Simson, als daß mein Herr hinausläuft, daß er ganz gewiß ausläuft.«

»Und wo läuft er denn aus?« fragte Simson; »hat er sich denn einen Teil seines Körpers zerbrochen?«

»Er läuft nirgend anders aus«, antwortete sie, »als durch das Tor seiner Unvernunft; ich meine, mein allerliebster Herr Baccalaureus, daß er noch einmal ausziehen will, und dies wird nun sein dritter Auszug sein, um das zu suchen, was er Teuerlichkeiten nennt, wovon ich aber nicht begreife, wie er ihnen diesen Namen gibt. Das erstemal brachten sie ihn uns wieder, quer über einen Esel gepackt und von Prügeln zerschlagen; das zweitemal auf einem Ochsenkarren, gesperrt und eingebauert in einen Käfig, wo er[46] der Meinung war, daß er verzaubert sei, und er kam so elend an, daß ihn die Mutter nicht wiedergekannt hätte, die ihn geboren hat, so dürr war er, so bleich, die Augen in den allertiefsten Winkeln des Kopfes zurückgesunken, so daß es mir, um ihn nur etwas wieder zurechtzubringen, über sechshundert Eier gekostet hat, wie es Gott im Himmel und die ganze Welt und meine Hühner bezeugen können, die mich nicht werden Lügen strafen.«

»Ich glaube es sehr gern«, antwortete der Baccalaureus; »denn sie sind so gut, so fett und so wohl aufgezogen, daß sie nicht ein Ding statt eines andern sagen würden, und wenn sie bersten sollten. Aber, Frau Haushälterin, ist es nichts weiter, und ist sonst kein Unglück geschehen, als daß Ihr das befürchtet, was der Herr Don Quixote jetzt im Sinne hat?«

»Nein, mein Herr«, antwortete sie.

»Nun, so macht Euch keine Sorge«, antwortete der Baccalaureus, »sondern geht in Gottes Namen wieder nach Hause, macht etwas Warmes zum Frühstück zurecht und betet unterwegs das Gebet der heiligen Apollonia, wenn Ihr es wißt; denn ich will Euch sogleich folgen, und dann werdet Ihr Wunder sehen.«

»Lieber Gott«, versetzte die Haushälterin, »Ihr meint, ich soll das Gebet der heiligen Apollonia hersagen? Das wäre ganz nützlich, wenn es meinem Herrn in den Zähnen säße; aber so hat er ja den Schaden im Gehirn.«

»Ich weiß, was ich sage, Frau Haushälterin; geht nur immer zu, ich bin Baccalaureus und habe zu Salamanca disputiert, drum laßt Euch in kein weiteres Disputieren ein«, antwortete Carrasco. Hiermit ging die Haushälterin fort, und der Baccalaureus machte sich sogleich auf den Weg, den Pfarrer aufzusuchen, um das mit ihm abzureden, was man zu seiner Zeit erfahren wird.

Als sich Don Quixote und Sancho eingeschlossen hatten, fiel unter ihnen folgendes Gespräch vor, welches die Historie umständlich und genau wiedererzählt.

Sancho sagte zu seinem Herrn: »Gnädiger Herr, ich habe meine Frau schon dahin trepaniert, daß sie mich gern mit Euch ziehen läßt, wohin Ihr nur wollt.«

»Disponiert, mußt du sagen, Sancho, und nicht trepaniert«, sprach Don Quixote.

»Ein- oder zweimal«, antwortete Sancho, »wenn ich mich recht besinne, habe ich Euch schon gebeten, mir nicht immer die Vokabeln auszubessern, wenn Ihr versteht, was ich sagen will; und wenn Ihr mich nicht versteht, so sagt nur: Sancho oder Teufelskerl, ich verstehe dich nicht! Und wenn ich mich denn noch nicht deutlich mache, dann könnt Ihr mich verbessern; denn ich bin leicht zu insurgieren.«

»Ich verstehe dich nicht«, sagte Don Quixote sogleich; »denn ich weiß nicht, was das heißen soll: Ich bin leicht zu insurgieren.«

»Leicht zu insurgieren«, antwortete Sancho, »heißt soviel: Ich bin erstaunlich so.«

»Jetzt verstehe ich dich noch weniger«, versetzte Don Quixote.

»Wenn Ihr mich nicht verstehen könnt«, antwortete Sancho, »so weiß ich nicht, wie ich reden soll, ich weiß nichts weiter, und Gott befohlen.«

»Aha! Jetzt geht mir ein Licht auf«, antwortete Don Quixote; »du wolltest sagen: Du bist leicht zu instruieren, bist sanft und fügsam, so daß du gern das annehmen wirst, was ich dir sagen, und begreifen, was ich dir lehren werde.«

»Nun will ich wetten«, sagte Sancho, »daß Ihr mich gleich vom ersten Monument verstanden und begriffen habt; Ihr wollt mich aber nur immer gern konfus machen, um von mir wieder etliche hundert Rüpeleien zu hören.«

»Möglich«, versetzte Don Quixote; »nun, und was sagte denn nun Therese?«

»Therese sagte«, sprach Sancho, »ich soll mit Euer Gnaden ein richtiges Fundament suchen. Weiß und[47] Schwarz kann reden, wenn die Mäuler schweigen, der Kontrakt richtig macht den Prozeß nichtig, weil ein Haben mehr wert ist als zwei Kriegen; und ich sage: Weiberrat Narrenrat, und doch, wißt Ihr, sprechen Kinder und Narren die Wahrheit.«

»Das ist auch meine Meinung«, antwortete Don Quixote. »Fahre fort zu sprechen, Freund Sancho, denn du redest heute lauter Juwelen.«

»Der Fall ist nun der«, versetzte Sancho, »wie Ihr es selbst auch noch besser wissen werdet, daß wir alle dem Tode unterworfen sind, heute rot, morgen tot. Das Lamm ist vor dem Tode nicht sicherer wie der Hammel, und kein Mensch darf sich in dieser Welt eine längere Lebenszeit versprechen, als Gott ihm geben will; denn der Tod ist taub, und wenn er einmal an die Tür unseres Lebens klopft, so ist er immer in Eile, da läßt er sich weder durch Bitten noch durch Gewalt abhalten, weder durch Szepter noch Bischofsmützen; so sagt es uns wenigstens das allgemeine Gerücht, und so hören wir es auch von den Kanzeln.«

»Dies alles ist wahr«, sagte Don Quixote, »ich sehe aber noch nicht, wo du damit hinauswillst.«

»Ich will dahinaus«, sagte Sancho, »daß Ihr mir einen baren und klaren Gehalt ausmachen sollt, für jeden Monat, den ich Euch diene; und zwar muß mir dieser Gehalt bar ausgezahlt werden, weil ich mich nicht auf die Gnade verlassen will, die wohl spät oder schlecht oder gar nicht eintritt. Das Meinige segne mir Gott. Kurz, ich will wissen, was ich verdiene, es sei nun viel oder wenig, denn aus dem Ei wird die Henne, und viele Wenig machen ein Vieles; und wenn man nur etwas verdient, so geht einem nichts verloren. Wenn es sich nun freilich trifft – was ich aber weder hoffe noch glaube –, daß Ihr mir die Insel schenkt, die Ihr mir versprochen habt, so bin ich nicht so undankbar, will die Sache auch nicht so aufs Äußerste treiben, daß ich etwas dagegen hätte, wenn man mir das Einkommen einer solchen Insel berechnete und mir davon meinen Gehalt gar und ganz abzöge.«

»Freund Sancho«, erwiderte Don Quixote, »es trifft sich oft, daß eine Gans soviel wert ist als eine Ente.«

»Ich verstehe«, sagte Sancho; »ich wette aber, Ihr wolltet sagen, eine Ente soviel wie eine Gans. Doch das tut nichts, wenn Ihr mich nur verstanden habt.«

»Und zwar habe ich dich so verstanden«, antwortete Don Quixote, »daß ich das Innerste deiner Gedan ken ergründet habe und das Ziel erkenne, nach welchem du mit den unzähligen Pfeilen deiner Sprichwörter geschossen hast. Gern, Sancho, wollte ich dir einen Gehalt auszahlen, wenn ich in irgendeiner Historie von irrenden Rittern ein Beispiel gefunden hätte, welches mir nur eine schwache oder dämmernde Spur angäbe, wieviel Gehalt für einen Monat oder ein Jahr ausgezahlt wurde. Ich habe aber alle oder doch die meisten dieser Historien gelesen; doch erinnere ich mich nicht, jemals gefunden zu haben, daß ein irrender Ritter seinem Stallmeister ein bestimmtes Gehalt ausgemacht. Ich weiß nur, daß sie alle auf Gnade dienten und, wenn sie es am wenigsten dachten und ihre Herren ein günstiges Schicksal geführt hatte, sich plötzlich mit einer Insel belohnt sahen oder mit einem anderen Dinge von gleichem Werte oder doch wenigstens irgendeine ansehnliche Herrschaft erhielten. Willst du nun auf diese Hoffnungen und Aussichten wieder in meine Dienste treten, Sancho, so bist du mir willkommen; denn zu denken, daß ich einen uralten Gebrauch der irrenden Ritterschaft verrenken und aus seinen Angeln heben werde, heißt: etwas Unsinniges denken; also, mein Sancho, gehe nochmals nach Hause und erkläre deiner Therese meine Absicht, und wenn es ihr und dir recht ist, wieder auf Gnade mit mir zu sein, bene quidem, wo nicht, so bleiben wir so gute Freunde wie zuvor; denn wenn der Taubenschlag nur Futter hat, so wird es ihm auch nicht an Tauben fehlen. Und merke dies, mein Sohn: Eine gute Hoffnung ist besser als ein geringer Besitz; ein guter Prozeß ist besser als ein schlechtes Gewinnen. Ich spreche auf diese Weise, Sancho, um dir zu zeigen, daß ich auch kann Sprichwörter wie einen Platzregen herunterfallen lassen.[48] Kurz, ich will dir nur so viel sagen, daß, wenn du nicht auf Gnade mit mir ziehen willst und dasselbe Glück versuchen, welches ich versuche, so sei Gott mit dir und lasse es dir wohlgehen; denn mir wird es nicht an Stallmeistern fehlen, die gehorsamer, fleißiger, weniger gefräßig und nicht solche Schwätzer sind wie du.«

Als Sancho diesen festen Entschluß seines Herrn vernahm, wurde es ihm dunkel vor den Augen, und sein Herz entfiel ihm; denn er hatte geglaubt, daß sein Herr um alle Schätze der Welt nicht ohne ihn ziehen würde.

Indem er noch bekümmert und nachdenkend war, trat Simson Carrasco herein, nebst der Haushälterin und Nichte, die es gern anhören wollten, auf welche Weise er ihren Herrn überreden würde, nicht auf neue Abenteuer auszuziehen. Simson, dieser ausgemachte Schalk, trat hinzu, umarmte ihn wie das erstemal und rief mit lauter Stimme: »O du Blume der irrenden Ritterschaft! O du glanzverbreitendes Licht der Waffen! O du Ehre und Spiegel der spanischen Nation! Ich flehe zu ihm, dem mehr als Allgewaltigen, wie weit immer seine Herrschaft sich erstreckt, daß die Person oder die Personen, welche ein Hindernis in deinen Weg legen und deinen dritten Auszug stören wollen, kein Mittel dazu in dem Labyrinthe ihrer Absichten finden mögen und daß sich ihnen niemals erfülle, was sie so böslich wünschen.« Er kehrte sich zur Haushälterin und sagte: »Die Frau Haushälterin mag nur aufhören, das Gebet der heiligen Apollonia zu rezitieren; denn ich weiß, daß es im Gebiete der Sphären unwiderruflich beschlossen ist, daß der Herr Don Quixote sich wieder zur Ausübung seiner erhabenen und neuen Vorsätze wende, und ich würde sehr mein Gewissen beschweren, wenn ich diesen Ritter nicht beredete und anreizte, nicht länger die Kraft seines tapfern Armes und den Edelmut seiner hohen Gesinnung zu hemmen und anzuhalten; denn durch seine Zögerung vorenthält er die Geradheit der Krummen, den Beistand der Waisen, die Ehre der Jungfrauen, die Begünstigung der Witwen und die Stütze der Ehefrauen, nebst anderen Dingen dieser Art, die zugehören, anhängen, eingefugt und einverleibt sind dem Orden der irrenden Ritterschaft. Auf denn, mein Herr Don Quixote, der Schöne, der Gewaltige, lieber heute als morgen mache sich Euer Gnaden und Dero Hoheit auf den Weg, und wenn Euch noch etwas gebrechen sollte, um Euer Vorhaben auszuführen, so bin ich hier, um Euch mit meiner Person und allem, was ich habe, auszuhelfen; und wenn es nötig wäre, Deiner Durchlauchtigkeit als Stallmeister zu dienen, so würde ich solches für mein allerhöchstes Glück erachten.«

Hierauf sagte Don Quixote, indem er sich zu Sancho wandte: »Habe ich es dir nicht gesagt, Sancho, daß ich Stallmeister im Überflusse haben würde? Sieh nur, wer sich eben dazu anbietet, kein anderer als der unerhörte Baccalaureus Simson Carrasco, der immerwährende Comicus und Hauptergötzer in den Höfen der salamantinischen Schulen, gesund von Person, behend von Gliedern, schweigsam, ein Erdulder sowohl der Hitze wie der Kälte, sowohl des Hungers wie des Durstes, nebst allen jenen Eigenschaften, die zum Stallmeister eines irrenden Ritters gehören; aber es wäre gegen den Willen des Himmels, wenn ich, um meiner Lust zu folgen, die Kniesehnen zerschnitte oder es zerschmetterte, diese Säule der Wissenschaft oder dieses Gefäß der Gelehrsamkeit, und so verstümmelte, diese hochragende Palme der schönen und freien Künste. Er bleibe, der neue Simson, in seinem Vaterlande, und indem er es schmückt, schmücke er zugleich die grauen Haare seiner ehrwürdigen Eltern; denn ich will mich mit jedwedem anderen Stallmeister zufriedenstellen, wenn Sancho sich auch nicht die Ehre geben will, mit mir zu ziehen.«

»Ich will mir ja die Ehre geben«, antwortete Sancho gerührt und die Augen voller Tränen, indem er so fortfuhr: »Nein, gnädiger Herr, es soll nicht von mir gesagt werden, erst ißt er mit, und dann schleicht er sich aus der Gesellschaft. Nein, ich komme aus keiner undankbaren Familie; denn die ganze Welt und vorzüglich dies Dorf hier weiß, was die Pansas für Leute gewesen sind, von denen ich abstamme,[49] und da ich außerdem es weiß und einsehe, durch viele gute Werke und noch bessere Worte, daß Euer Gnaden die Absicht hat, mir Gnade zu erzeigen, und wenn ich mich also in Rechnungen und Fodern und Bieten meines Gehaltes wegen eingelassen habe, so ist es nur geschehen, um meiner Frau zu Willen zu sein, die, wenn sie sich einmal daranmacht, zu einer Sache zu überreden, mehr andrückt, daß das geschieht, was sie will, als nur irgendein Bötticher die Bänder um ein Faß andrücken kann; aber der Mann muß doch am Ende immer Mann sein und das Weib Weib, und da ich mich als Mann zeige, wenn es mir gefällt, was sie nicht leugnen kann, so will ich es auch in meinem Hause sein, verdrieß es auch, wen es verdrießen mag. Es ist also nun nichts weiter zu tun, als daß Ihr, gnädiger Herr, nun Euer Testament mit dem Kodizille macht, und zwar so, daß gegen diese keine Apfelnation aufkommen kann; und so wollen wir uns stracks auf den Weg machen, damit die Seele des Herrn Simson zur Ruhe komme, der gesagt hat, daß sein Gewissen es pusteliert, Euch zu bereden, zum dritten Male durch die Welt zu ziehen; und ich biete mich von neuem an, Euch treu und ehrlich zu dienen, so gut und noch besser, als es alle Stallmeister getan haben, die nur jemals in den vorigen und jetzigen Zeiten den irrenden Rittern gedient haben.«

Der Baccalaureus stand erstaunt, die Art und Weise zu hören, wie Sancho sprach. Er hatte zwar den ersten Teil von der Historie seines Herrn gelesen, er hatte aber niemals geglaubt, daß er so lustig sei, als er dort geschildert ist; da er ihn aber jetzt von Testament und Kodizill reden hörte, gegen das keine Apfelnation aufkommen könne, statt eines Testaments und Kodizills, gegen welches keine Appellation aufkommen könne, so glaubte er alles, was er von ihm gelesen hatte, und überzeugte sich, daß er einer von den ehrwürdigsten Dummköpfen unseres Jahrhunderts sei; er sagte zu sich selbst, daß man zwei solcher Toren wie den Herrn und Diener noch niemals in der Welt gesehen habe. Kurz, Don Quixote und Sancho umarmten sich und blieben Freunde, und auf die Meinung und das Gutachten des großen Carrasco, der für jetzt sein Orakel war, wurde es so ausgemacht, daß er über drei Tagen seine Abreise bestimmte, in welcher Zeit er noch das Nötige zur Reise herbeischaffen und einen vollständigen Visierhelm aufsuchen könne, welchen Don Quixote, wie er behauptete, durchaus haben müsse.

Simson bot ihm einen an, weil er wisse, daß ihm diesen einer seiner Freunde nicht abschlagen würde, der ihn besitze, der aber von Staub und Rost mehr schwarz als von poliertem Stahle hell und blank erschiene. Die Flüche, welche die beiden, Nichte und Haushälterin, über den Baccalaureus aussprachen, lassen sich nicht zählen. Sie rissen sich die Haare aus, zerkratzten sich die Gesichter, und ganz nach der Weise der Klageweiber weinten sie über seine Abreise so, als wenn es der Tod ihres Herrn gewesen wäre.

Die Absicht, die Simson darunter hatte, ihn zu einem neuen Auszuge zu bereden, bestand darin, das ins Werk zu richten, was die Historie weiter unten erzählt; alles geschah mit Bewilligung des Pfarrers und Barbiers, mit denen er es vorher gemeinschaftlich überlegt hatte.

Kurz, in diesen dreien Tagen versahen sich Don Quixote und Sancho mit allem, was sie nötig zu haben glaubten; und nachdem Sancho seine Frau und Don Quixote seine Nichte und Haushälterin besänftigt hatte, machten sie sich am Abend, ohne daß einer sie sah, ausgenommen der Baccalaureus, der sie eine halbe Meile weit begleiten wollte, auf den Weg nach Toboso, Don Quixote auf seinem wackern Rozinante und Sancho auf seinem alten Grauen, den Schnappsack, mit Sachen zur Bukolik gehörig versehen, und den Beutel mit Geld, welches ihm Don Quixote auf unvorhergesehene Fälle gegeben hatte. Simson umarmte ihn mit der Bitte, ihm von seinem guten oder schlimmen Glücke Nachricht zu geben, damit er sich, wie solches die Gesetze der Freundschaft forderten, über jenes erfreuen, über dieses aber betrüben könne. Don Quixote versprach es ihm; Simson kehrte nach seinem Dorfe zurück, und die beiden nahmen den Weg nach der großen Stadt Toboso.

Quelle:
Cervantes Saavedra, Miguel de: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quixote von la Mancha. Berlin 1966, Band 2, S. 45-50.
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