Zweiter Auftritt

[26] Die Vorigen ohne die Frauen und ihre Begleitung.


LYSIARD für sich.

Schon atm' ich freier!


Laut.


Was entgegnest du?

ADOLAR zu seiner Rechten.

Dies acht ich keiner Antwort wert.

Komm in den Wald, dort schließet dir mein Schwert,

Mit Gott! die gift'gen Lippen zu.[26]

LYSIART.

Um schnöden Anlaß kämpfen? Nie!

Die Warnung gab ich, nütze sie!

Mein junger Freund, wärst du der Preis der Ritter,

Wär ich der Niedrigste, ich schwör es dir,

Die Liebe deiner Braut gewänn' ich mir

Trotz deiner Rosenwang' und goldnen Zither!

ADOLAR wirft Lysiart seinen Handschuh vor die Füße.

Erbärmlich eitler Prahler nenn' ich dich,

Den Handschuh nimm! dich lehr' ich Frauen ehren!

LYSIART.

Ich nehm' ihn nicht. Besiegtest du gleich mich,

Doch unbesiegt noch meine Gründe wären.

Wag' es getrost, bekämpfe die!

Du prüftest wohl die Teure nie?

ADOLAR.

Für Euryanthe bürgt der Glaube

In meiner Brust!

LYSIART.

Du fromme Turteltaube,

Dein Glück zu stören trüg' ich Scheu!

KÖNIG.

Mein Adolar, laß ab von diesem Streite!

LYSIART.

Du hörst, die Weisheit ist auf meiner Seite!

ADOLAR.

Mein Gut und Blut an Euryanthes Treu'!

Nr. 4. Terzett mit Chor.


LYSIART.

Wohlan, du kennst mein herrlich Eigentum?

Das Erbteil meiner Väter, reich an Ruhm!

Zum Pfande setz' ich's, es sei dein,

Nenn' ich nicht die Gepries'ne mein!

ADOLAR.

Es gilt! Es gilt!

KÖNIG UND CHOR.

Vermessenes Beginnen!

ADOLAR.

Kannst Euryanthes Liebe du gewinnen,

So nimm mein Gold, mein Gut, mein Land!

Zerrissen sei dann jedes süße Band,

Die Heimat meid' ich![27]

LYSIART.

Alles nach Gefallen!

Wie schön wirst du mit Kranz und Zither wallen!

ADOLAR.

Vermessener! Frohlocke nicht!

Schlägt es dir fehl, ruf' ich zum Gottgericht,

Dich Frevler, alsobald –

LYSIART.

Wohl! des sind alle Zeugen!

BEIDE.

Es gilt, wohlan!

CHOR.

Vermessenes Beginnen!

Kann nichts den starren Sinn euch beugen?

O geht zurück! Zu viel habt ihr gewagt!

KÖNIG.

O geh zurück!

LYSIART.

Kehrst du zurück?

ADOLAR.

Ich gab mein Wort!

CHOR.

O geht zurück!

KÖNIG.

Ich mach' es ungesagt.

LYSIART.

Du gabst dein Wort!

CHOR.

Zu viel habt ihr gewagt!

ADOLAR.

Des Edlen Wort kann nicht Gewalt vernichten!

CHOR.

O geht zurück! zu viel habt ihr gewagt!

KÖNIG.

Mein Adolar!

CHOR.

O geht zurück!

ADOLAR.

Ich gab mein Wort!

CHOR.

O geht zurück!

KÖNIG steigt vom Thron herab und nimmt zwischen Adolar und Lysiart die Mitte.

Du trotzest kühn der schleichenden Gefahr.

ADOLAR.

Mein König, Frauenehre schirmen, war

Die höchste stets von allen Ritterpflichten!

In Demut fleh' ich, nimm der Wette Pfand.


Er überreicht dem König seinen Ring.


LYSIART überreicht dem König ebenso den seinigen.

Hier diesen Ring in deine Königshand! –

Jetzt schleunig rüst' ich mich zur Reise,

Und siegreich kehr' ich heim!

KÖNIG steckt beide Ringe an seinen Finger.

Doch die Beweise?[28]

LYSIART.

Ein Zeugnis ihrer Huld dir darzubringen,

Verpflicht' ich mich.

CHOR.

Mög' es ihm nie gelingen!

König giebt nach rechts dem einen der Pagen einen Wink.

Page tritt vor, hebt den Handschuh Adolars auf und geht auf seinen Platz zurück.


ADOLAR.

Ich bau' auf Gott und meine Euryanth'!

Ich bau' auf Gott und meine Euryanth'!

LYSIART.

Ich bringe dir ein sich'res Unterpfand.

KÖNIG, CHOR.

Die Unschuld schütz', o Gott, mit starker Hand!

Alle wenden sich zum Abgang nach dem Mittelportal.

Verwandlung.

Burggarten zu Revers; Umfriedung mit Mittelthor. Aus dem Wäldchen im Hintergrund sieht man die Turmspitzen der alten Burg hervorragen. Rechts vorn eine Rasenbank. Links hinten ein Gruftgewölbe, aus dessen Fenstern die ewige Lampe dämmert.

Es ist Abend.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Euryanthe. Leipzig [o.J.], S. 26-29.
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