Erster Auftritt

[51] Adolar schwarz gerüstet, das Schwert, mit dem er sich den Weg gebahnt, in der Hand, steigt langsam den Pfad von rechts nieder und bleibt, im Kampfe mit sich, sinnend stehen. Euryanthe in wallendem Haar und in einem einfachen weißen Kleide, folgt ihm matt und bebend.

Nr. 15. Recitativ und Duett.

Recitativ.


EURYANTHE.

Hier weilest du? Hier darf ich ruhn?


Sich rechts vorn an ein Felsstück lehnend.


O gönn' auch Frieden meiner Seele nun!

Bei Sonnenglut, bei Sternenschimmer

Durchirrtest du den öden Hain,


Sie wendet sich mit einigen Schritten zu ihm


Verschmähtest Rast und Labung immer,

Und neben dir, o Gott! war ich allein!

Sei milde nun!

Adolar wendet sich und blickt sie durchbohrend an.


EURYANTHE flieht von ihm.

Weh! solch ein Blick ist Tod!

Was ist's, daß mir dein Zürnen droht?

Du wendest dich hinweg von meinen Leiden?

Laß mich nicht ohne Trost verscheiden!

Ein lindernd Wort nur laß der Lipp' entbeben,

Nur einen Blick, wie du mir sonst gegeben![51]

ADOLAR.

Dies ist der Ort,

So schaurig, öd' und still,

Wie meine That ihn will!

Ich führte dich zum Tode fort.

EURYANTHE.

Barmherzigkeit!

ADOLAR.

Vernimm mein letztes Wort!

Es wecke meine Stimme

Dein schlummerndes Gewissen!

Du sollst in meinem Grimme

Erbarmen nicht vermissen.

Bereu'!

EURYANTHE.

Ich bin mir Liebe nur bewußt!

Fühlst du nicht meine Treu' in deiner Brust?

ADOLAR.

Du, die entweiht das heiligste Vertrauen,

Den Himmel log und barg des Abgrunds Grauen –

Duett.


ADOLAR.

Wie liebt' ich dich! Du warst mein höchstes Gut!

Du warst mein höchstes Gut! wie liebt' ich dich!

EURYANTHE.

O stille deines Zornes Glut!

Mein Herz ist rein, wie meine Thaten.

ADOLAR.

Der höchsten Liebe sprachst du Hohn!

So gräßlich ward noch nie die Treu verraten;

Empfange nun der Unthat Lohn!

EURYANTHE.

O höre mich.

ADOLAR.

Zu oft von deinen Lippen

Hört ich den holden Liebeton.

Sirenenlied an Todesklippen,

Verstumm' auf ewig!

EURYANTHE.

Kann nichts dich bewegen,

So töte mich! Mein letzter Hauch ist Segen

Für dich, mein letzter Herzschlag dir geweiht!

ADOLAR.

Verworfene! Zum Tode sei bereit!

EURYANTHE.

Du klagst mich an!

ADOLAR.

Der Tod macht dich –[52]

EURYANTHE.

O herbe Pein!

ADOLAR.

Von Makel rein!

EURYANTHE.

Vertraun und Glauben sind geschwunden –

ADOLAR.

Der Tod macht dich von Makel rein!

EURYANTHE.

Du klagst mich an –

ADOLAR.

Im Sterben nur –

EURYANTHE.

O herbe Pein!

ADOLAR.

Kannst du gesunden!

EURYANTHE.

Vertraun und Glauben sind verschwunden,

So bittrer Tod war nie gefunden,

Mein Leben war in dir allein!

ADOLAR.

Mein Herzblut quillt aus deinen Wunden!

Weh, daß ich muß dein Richter sein!

EURYANTHE.

Du klagst mich an!

ADOLAR.

Der Tod macht dich –

EURYANTHE.

O herbe Pein!

ADOLAR.

Von Makel rein!

EURYANTHE.

Vertraun und Glauben sind verschwunden,

Mein Leben war in dir allein!

Du klagst mich an, o herbe Pein,

Mein Leben war in dir allein!

ADOLAR.

Weh, daß ich muß dein Richter sein!

Der Tod macht dich von Makel rein,

Weh, daß ich muß dein Richter sein!

EURYANTHE scheint Gräßliches zu gewahren und eilt zurück an Adolars Brust, als wolle sie ihn schützen.

Entsetzen! rette dich!


Nach links hineinsehend.


Sieh, eine Schlange, fürchterlich,

Wälzt sich herbei durch das Gestein!

Hinweg, laß mich das Opfer sein!

Für dich zu sterben, o versage

Dies höchste Glück nicht meinem Fleh'n!

Schon naht die Schlange, flüchte!

ADOLAR sie von sich stoßend.

Nicht verzage!

Mit Gott will ich den Kampf bestehn!


Ab nach links vorn.
[53]


Quelle:
Carl Maria von Weber: Euryanthe. Leipzig [o.J.], S. 51-54.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.

114 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon