Epilog.

[96] Schakta, der Sohn des Outalissi, der Saschem vom Stamm der Natsches, hat diese Geschichte dem Europäer René erzählt. Die Väter überlieferten sie ihren Kindern, und ich, der Pilgrim in fernen Landen, berichtete getreulich, was ich von den Indianern erfahren. Ich sah in dieser Erzählung die Schilderung eines jagd- und ackerbautreibenden Volks; ich sah in ihr die Religion, als die erste Gesetzgeberin der Menschen, sah in ihr die Gefahren der Unwissenheit und der religiösen Schwärmerei, entgegengesetzt den helleren Begriffen einer allgemeinen Menschenliebe und dem wahren Geiste des Evangeliums; den Kampf der Leidenschaften[96] und Tugenden in einem unverdorbenen Herzen, und den Sieg des Christenthums über die heftigste Leidenschaft und die höchste Furcht, die Liebesleidenschaft nämlich, und den Tod.

Als ein Siminole mir diese Geschichte erzählte, fand ich sie sehr schön und lehrreich, weil er die Blume der Wildniß, die Anmuth des patriarchalischen Lebens unter den Gezelten des Waldes, und eine Einfachheit der Schmerzensschilderung hineinlegte, welche ich mir nicht schmeichle, darin bewahrt zu haben. Eines blieb mir inzwischen noch zu wissen übrig. Ich fragte, was denn aus dem Pater Aubry geworden sei; doch Niemand konnte es mir mehr sagen. Auch hätt' ich sein Schicksal wohl nie erfahren, hätte mir nicht die Vorsehung, die jeden unserer Schritte lenkt, wie durch einen Zufall entdeckt, was ich suchte. Es geschah dieses, wie folgt:

Ich hatte die Gestade des Meschacebe besucht, welche ehemals die südliche Gränze von Neufrankreich bildeten, und war begierig, das nördliche Wunder dieses Reiches, den berühmten Niagarafall, zu sehen. Nahe bei demselben, in dem Land der Irokesen angelangt, sah ich eines Morgens, als ich die Ebene durchstreifte, eine Frau unter einem Baume sitzen, die ein todtes Kind auf dem Schooß hielt. Leise nahte ich mich der jungen Mutter und vernahm nun, wie sie zu dem bleichen Lieblinge also sprach:

Wenn du bei uns geblieben wärst, theures Kind, mit welcher Anmuth hätte dann deine Hand den Bogen gespannt! Dein Arm hätte den rasenden Bären bezwungen, und auf dem Gipfel des Berges hättest du selbst das flüchtige Reh eingeholt in seinem Lauf. – Weißes Hermelin des Felsens, so jung schon mußtest du ins Land der Geister hinuntersteigen! Wie wirst du es anfangen, um zu leben? Dein Vater wird nicht dort sein, um dich von der Jagd zu nähren. Du wirst frieren, und kein Geist wird dir Felle geben, um dich damit zu bedecken. O, ich muß eilen, mich wieder mit dir zu vereinen, um dir Lieder zu singen und dir die Brust zu reichen.

So lautete der Gesang der jungen Mutter, den sie mit vor Schmerz bebender Stimme sang; dabei wiegte sie das Kind auf ihren Knien, benetzte seine Lippen mit der Milch ihrer schneeigen[97] Brüste, und verschwendete an den Tod all jene zärtliche Sorgfalt, die man dem Leben zu widmen pflegt.

Diese Frau war in diesem Augenblick gerade damit beschäftigt, den Körper ihres Kindes nach indianischem Volksgebrauch auf Baumzweigen zu trocknen, um ihn dann in die Gräber der Väter zu tragen. Sie entkleidete daher den Neugeborenen, hauchte einige Augenblicke auf seinen Mund und sagte: Du Seele meines Sohns, liebliche Seele, dein Vater hat dich einst mit einem Kuß auf meinen Lippen geschaffen; ach, diese Lippen haben nicht die Macht, dir ein zweites Dasein zu geben! Dann entblößte sie ihre Brust, und drückte die kalten Ueberreste daran, die sich am Feuer des Mutterherzens wieder belebt haben würden, wäre die Kraft jenes göttlichen Hauchs, welcher da Leben giebt, nicht ein unbegreifliches Wunder, welches nur Gott, der Herr des Lebens und des Todes, zu wirken im Stande ist.

Sie erhob sich und suchte sich mit den Augen einen Baum aus, um ihr Kind an seine Aeste zu hängen. Sie wählte sich einen hellrothblühenden Ahornbaum aus, der vollhing von lauter Blumengewinden, und der die lieblichsten Wohlgerüche um sich her verbreitete. Mit der einen Hand bog sie einen Zweig herab, mit der andern legte sie den Körper darauf; als sie den Zweig losließ, kehrte dieser wiederum in seine frühere Lage zurück und nahm in der duftenden Blätterwiege die gebrochene Lilie der kindlichen Unschuld mit sich. O wie rührend ist dieser indianische Gebrauch! Ich hab' euch auf euern wüsten Gefilden gesehen, ihr prachtvollen Denkmäler eines Crassus, eines Cäsar; doch für unendlich schöner halte ich die luftigen Gräber der Wilden, jene Mausoleen von Blumen und Laubwerk, um welche die Biene schwärmt, auf denen der Zephir sich wiegt, die Nachtigall ihr Nest baut und ihr schmelzendes Klagelied anstimmt. Wenn es die sterblichen Reste einer Jungfrau sind, welche die Hand des Geliebten an den Baum des Todes hängt, wenn es die Ueberreste eines geliebten Kindes sind, welche die Mutter unter das grüne Zelt junger Vögel gehängt hat, so ist der Zauber noch größer.

Ich näherte mich Derjenigen, die am Fuß des Ahorns seufzte; ich legte ihr die Hände auf das Haupt und stieß den dreifachen[98] Schrei des Schmerzes aus. Dann nahm ich, ohne ein Wort zu sagen, wie sie einen Zweig und verscheuchte die Fliegen, die den Leichnam des Kindes umsummten. Ich hütete mich jedoch dabei, eine nahe Taube zu erschrecken. Die Indianerin sagte zu ihr: Taube, wenn du nicht die entflogne Seele meines Sohnes bist, so bist du gewiß eine Mutter, die etwas sucht, um ein Nest zu bereiten. Nimm von diesen Haaren, die ich nun nicht mehr, ach, zu meinem Schmerz nicht mehr in Chinamilch zu waschen brauche; nimm dir davon, um deine Kinder darauf zu betten; möge sie dir der große Geist am Leben erhalten!

Inzwischen weinte die Mutter vor Freude, als sie die Theilnahme des Fremdlings für sie bemerkte. Während dem trat ein junger Mann heran: Tochter Celutas, nimm dein Kind zu dir; wir werden nicht länger mehr hier verweilen, sondern mit der ersten Morgenfrühe abreisen. – Ich sagte hierauf: Bruder, ich wünsche dir blaue, sonnige Tage, Reichthum an Ziegen und Rehen, einen Mantel von Biberfell, und gute Hoffnungen. So bist du denn kein Bewohner dieser Wildniß? – Nein, versetzte der junge Mann, wir sind vertrieben, und suchen uns eine neue Heimat. Indem er dieses sagte, senkte der Krieger sein Haupt auf die Brust, und schlug mit dem Ende seines Bogens den Blumen die Köpfe ab. Ich sah Thränen im Hintergrund dieser Geschichte, und schwieg. Die Frau nahm ihr Kind wieder von dem Baumaste herab und reichte es dem Mann hin, um es zu tragen. Jetzt ergriff ich das Wort und sprach zu den Beiden: Erlaubt ihr mir denn, diese Nacht euer Feuer zu schüren? – Wir haben leider keine eigene Feuerstelle mehr, sprach der Krieger; – ist es dir indeß genehm, so komm mit uns, wir lagern am Niagarafall. – Ich bin es zufrieden, gab ich ihm zur Antwort.

Bald kamen wir hin an den berühmten Wasserfall, der sich schon von fern durch ein fürchterliches Getöse ankündigte. Er wird durch den Niagarastrom gebildet, welcher aus dem Eriesee hervorbricht und sich dann in den Ontariosee stürzt; seine senkrechte Höhe beträgt nicht weniger als 144 Fuß. Vom Eriesee bis zum Fall wälzt sich der Niagara grausenhaft jähen Laufs dahin; und im Augenblick des Falles ist er weniger ein Fluß, als ein[99] Meer, dessen Wogen sich mit Macht in den offenen Rachen des Abgrunds drängen. Der Fall theilt sich in zwei Arme und erhält dadurch die Gestalt eines Hufeisens. Zwischen beiden Armen tritt eine untenher durch die Flut hohl gewühlte Insel hervor, die mit all ihrer üppigen Vegetation hoch überm Chaos der Wogen hängt. Jener Schwall des Stromes, der gegen Süden läuft, wölbt sich empor zu einem ungeheueren Cylinder, entwickelt sich dann gleich einem Teppiche von Schnee und glänzt im Sonnenschein mit allen Farben. Jener hingegen, welcher ostwärts hinabrauscht, stürzt sich in einen grauenhaft schwarzen und nächtlichen Schlund hinab; er gleicht dem Wasserschwall einer Sündflut. Zahllose prächtige Regenbogen wölben und durchkreuzen sich über dem Abgrunde. Wenn die Wogen an den Fels anschlagen, so prallen sie wieder zurück in Wirbeln von Schaum, die über den Wäldern emporsteigen, wie die Rauchwolken einer ungeheuern Feuersbrunst. Fichten, wilde Nußbäume, gigantische Felsen verherrlichen das einzige Schauspiel. Adler, vom Luftzuge dahingetragen, kreisen über der Tiefe, und Carcajus hängen sich mit ihren hin und her schwankenden Schweifen an einen niedrigen Zweig, um so die den Strom heruntertreibenden Leichen der Elchen und der Bären zu erhaschen.

Während ich dieses Schauspiel mit einem von Lust und Schrecken zugleich gemischten Gefühle betrachtete, verließen mich die Indianerin und ihr Mann. Ich suchte sie oberhalb des Wasserfalles, und fand sie an einem Orte, der ganz zu der traurigen Lage paßte, in der sie sich befanden. Sie lagen im Grase in Gesellschaft von Greisen, bei einem Haufen von Menschengebeinen, welche in Thierfelle gewickelt waren. Ueberrascht von all dem Vielen, was ich in Zeit von wenigen Stunden gesehn, setzte ich mich neben der jungen Frau nieder, und sprach zu ihr: Wohin geht ihr, meine Schwester, und was soll es denn mit all diesen Dingen da? – Sie antwortete mir: Bruder, das da ist die Erde des Vaterlands; und das ist die Asche unserer Väter, die uns jetzt nachfolgt in den Gram des Exils. – Und was hat euch denn, fragte ich weiter, in eine so traurige Lage gebracht? – Die Tochter der Celuta erwiderte: Wir sind die Letzten von dem[100] Stamm der Natsches. Nach der Niederlage unserer Nation durch die Franzosen, welche ihre Brüder rächten, fanden diejenigen von uns, welche nicht unter den blutigen Streichen der Sieger fielen, eine Freistatt bei den Chikassas, unsern Nachbarn. Dort lebten wir eine geraume Zeit ruhig; vor sieben Monaten bemächtigten sich jedoch die Weißen aus Virginien unseres Landes, indem sie vorgaben, es sei ihnen von einem europäischen Könige geschenkt worden. Wir haben die Augen zum großen Geist erhoben, uns mit den Ueberresten unserer Väter beladen, und den Weg durch die Wildnisse angetreten. Ich bin auf dem Zuge niedergekommen, und da mir durch die letzten überstandenen Leiden die Milch zu Gift geworden ist, so ist unser armer Kleiner daran gestorben. – Indem sie dieses sagte, trocknete sie sich mit dem schönen, üppigen Haar die Thränen aus dem Gesichte, und ich selbst mußte mit ihr weinen.

Meine Schwester, sagte ich hierauf, laß uns den großen Geist anbeten; was geschieht hienieden, geschieht auf sein Geheiß. Wir sind sämmtlich nur Wanderer auf Erden; unsere Väter waren es wie wir, doch es giebt einen Ort, wo wir ruhen werden von der Wanderschaft. Wenn ich nicht fürchtete, daß ihr mich am Ende für einen verrätherischen Weißen anseht, so möchte ich dich fragen, ob du von Schakta, dem berühmten Saschem vom Stamm der Natsches, hast sprechen hören? Bei diesen Worten blickte mich die Indianerin an und sagte: Wer hat dir von Schakta dem Natsche erzählt? – Ich antwortete: Die Weisheit. – Die Indianerin erwiderte: Ich will dir sagen, was ich weiß, weil du mir die Fliegen vom Körper meines Kindes verscheucht und so schöne Worte vom großen Geiste gesprochen hast. Ich bin die Tochter der Tochter Renés des Europäers, den Schakta an Sohnesstatt annahm. Schakta, welcher sich taufen ließ, und mein unglücklicher Großvater René sind mit einander im Gemetzel umgekommen. – Der Mensch geht ohne Unterlaß von Schmerz zu Schmerz, antwortete ich mit gesenktem Haupt. – Vielleicht kannst du mir auch Nachricht vom Pater Aubry geben? – Er war nicht glücklicher als Schakta, sagte die Indianerin. Die Tscherokesen, Feinde der Franzosen, drangen in seine Missionsanstalt, zu der sie[101] durch den Ton der Glocke den Weg fanden, die gerade zum Beistande der Reisenden erklang; der Pater Aubry selbst wäre, hätt' er nur die Flucht ergreifen mögen, mit dem Leben davon gekommen; er mochte jedoch seine Pfarrkinder nicht im Stich lassen und blieb, um ihnen mit seinem eigenen muthigen Beispiel im Tode voranzugehen. Unter schrecklichen Qualen starb der heilige Mann mit heiterem Angesicht den Feuertod, und nichts war im Stande, ihm auch nur einen Laut zur Unehre seines Gottes und seines Vaterlands zu erpressen. Er hörte während seiner Martern nicht auf, für seine Henker zu beten und das Loos der armen Schlachtopfer zu beklagen. Um ihn mit Gewalt wenigstens zu einem Zeichen menschlicher Schwachheit zu zwingen, führten die grausamen Tscherokesen einen jungen, auf das Gräßlichste zugerichteten Wilden seiner Mission vor ihn. Wie erstaunten sie jedoch, als sie sahen, daß der Jüngling auf die Kniee fiel und die Wunden des greisen Einsiedlers küßte, der ihm zurief: Mein Sohn, sei standhaft und frohen Muths, wir stehen jetzt den Menschen und den Engeln zur Schau. Wüthend stießen ihm die Indianer ein glühendes Eisen in den Hals, und er starb, als er nicht mehr im Stand war, andere Menschen zu trösten.

Man sagt, daß die Tscherokesen, so gewohnt sie auch waren, die Wilden mit Ruhe die schrecklichsten Qualen leiden zu sehen, doch gestanden, es habe in dieser heldenmüthigen Ergebung des Paters Aubry eine Glorie gelegen, wie sie sie noch nie gesehen, und wogegen jeder andere Muth der Erde klein erscheine. Auch wurden mehrere unter ihnen von diesem herrlichen Tode so mächtig ergriffen, daß sie sich zum Christenthum bekehrten.

Als Schakta einige Jahre später, bei seiner Heimkehr aus dem Land der Weißen, das traurige Ende des Missionsgeistlichen vernahm, machte er sich auf, um Aubrys und Atalas Asche zu sammeln. Er kam in das Thal hin, wo früher die Missionskolonie lag, war jedoch kaum mehr im Stande, sie wieder zu erkennen. Der See war aus seinen Ufern getreten und die grüne Sawanne in einen Sumpf verwandelt; die schöne natürliche Felsenbrücke war eingestürzt, und die Gebüsche des Todes und Atalas Grab waren mit den Trümmern derselben bedeckt. Geraume Zeit[102] streifte Schakta in diesem Thal umher; er besuchte die Grotte des Einsiedlers und fand sie mit Dornen und Himbeerstauden bewachsen, und darin lag eine Hindin, die ihr Junges säugte. Er setzte sich auf den Felsen der Todtenwacht, wo er nichts als einige den Schwingen eines Zugvogels entfallne Federn erblickte. Während er in Thränen so dasaß, kroch plötzlich die zahme Schlange des Missionärs aus dem nahen Gesträuche hervor, und wand sich um seine Füße. Schakta erwärmte diesen treuen Freund, den einzigen und letzten, der unter all diesen Trümmern noch übrig geblieben war, an seinem Busen. Der Sohn Outalissis erzählte, daß er im dämmernden Nebelglanz des Abends mehr als einmal die Geister Atalas und des Pater Aubry zu sehen geglaubt habe; freundliche Erscheinungen, an denen er damals mit heiligem Schauer und süßer Wehmuth gehangen. Nachdem er vergebens die Gräber Atalas und des Einsiedlers gesucht, war er gerade im Begriff, wieder weiter zu wandern, als plötzlich die Hirschkuh der Grotte freudig vor ihm hersprang. Sie blieb am Fuß des Missionskreuzes stehen. Dieses Kreuz stand damals halb und halb im Sumpfe des Sees, das Holz desselben war mit Moos bedeckt, und der Pelikan der Wildniß saß, sich träge hin und her schaukelnd, auf seinen morschen Armen. Schakta vermuthete, das dankbare Thier habe ihn zum Grabe seines Wohlthäters geführt. Er grub nach unter dem Felsen, dem ehemaligen Altare der Mission, und fand wirklich die Skelette eines Mannes und einer Frau. Er zweifelte nicht daran, daß es die Gebeine des würdigen Geistlichen und der Jungfrau seien, die vielleicht die Engel hier begraben; er umwickelte sie mit Bärenhäuten, und kehrte in seine Heimat zurück, beladen mit den kostbaren Ueberresten, die auf seinen Achseln wie der Köcher des Todes erklangen. Zur Nachtzeit legte er sie unter sein Haupt, und träumte von Liebesglück und heiligen Tugenden. O Fremdling, du kannst hier ihre Asche, mit der des Schakta vermischt, betrachten!

Als die Indianerin die letzten Worte gesprochen, stand ich auf und näherte mich der heiligen Asche, vor der ich mich niederwarf. Dann entfernte ich mich mit großen Schritten, und rief: So geht denn dahin auf Erden, was gut, was tugendhaft und[103] gefühlvoll ist! O Mensch! Du bist nichts weiter als ein flüchtiger Traum, ein schmerzliches Wahngebild; das Unglück ist die Zone, in der du lebst, und du bist nur etwas durch die Traurigkeit deiner Seele und die ewige Schwermuth deiner Gedanken! – Diese Betrachtungen beschäftigten mich während der ganzen Nacht. Des andern Tages, am frühen Morgen, verließen mich meine gastlichen Wirthe. Die Kriegsmänner eröffneten den Zug, die Frauen schlossen ihn; die erstern waren mit den heiligen Reliquien beladen, und die letztern trugen ihre jüngsten Kinder; dazwischen gingen die Greise einher; so wandelten sie zwischen Erinnerungen und Hoffnungen, zwischen der verlornen und der künftigen Heimat. O welche Thränen fließen, wenn man so die Heimat verläßt, wenn man von der Höhe herab zum letztenmal das Dach erblickt, wo man seine Kindheit zugebracht hat, und den Strom der Heimat, der, als wäre nichts geschehen, zwischen Ufern, die jetzt mit Schmerz das Joch der Knechtschaft tragen, seine Wogen hinabwälzt!

Unglückliche Indianer, die ich mit der Asche eurer Väter durch die Wildnisse der neuen Welt wandern sah, und die ihr mir, trotz eures Elends, gastfreundliche Aufnahme gewährtet, ich könnte sie euch jetzt nicht vergelten! Denn wie ihr irre ich, von Fremdlingen abhängig, umher, und bin unglücklicher in meiner Verbannung, als ihr; denn ich war genöthigt, selbst die Gebeine meiner Väter zurückzulassen.

Quelle:
[Chateaubriand, François René, Vicomte de]: Chateaubriands Erzählungen. Leipzig und Wien [1855], S. 96-104.
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