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[753] Es ist gerade um die Vesperzeit, als die Schiermoserin mit ihrem Fuhrwerk und ihrer Begleiterin daheim anlangt.

Ihr Sohn, der Franz, steht eben mit Rosalie unter der Haustür und lacht und scherzt und bettelt um eine kleine Gunst, als der Schimmel gemächlich in den Hof trabt.

Da will der Bursch eilends hin und seiner Mutter beim Ausspannen helfen, aber auf halbem Wege bleibt er stehen und starrt in den Wagen, indem er murmelt: »Jessas, d' Marai! Was möcht denn die da?«

Doch die Schiermoserin läßt ihm nicht viel Zeit zum Sinnieren.[753] Sie schwatzt ihm mit schier unnatürlicher Lebhaftigkeit von den Ferkeln vor, von ihrem Besuch und vom Marai.

Indes Rosalie einen unsicheren Blick auf die Reisertalertochter wirft und danach eilends wieder ins Haus geht und sich eine Arbeit sucht.

Draußen sagt grad der Franzl ein wenig hölzern: »Soo, hast ins aa amal hoamgsuacht, Marai?«

Worauf ihm seine Mutter ins Wort fällt: »Dees siechst ja! – Red't der Bua no dumm daher! Hilf ihr liaber a bißl aus'm Wagl außa! Stehst da wie a hölzerner Wandheiliger und rührst di net!«

Das Marai lacht hell und geziert und meint dann: »Laß nur, Franzl, i kimm scho alloans aa abe aufn Bodn. Hinab gehts leichter wia herauf!«

Die Schiermoserin tut wichtig: »Ja, ja, a diam scho! Aber a so a bravs Madl wie du braucht net von abekemma z'redn! Dees kimmt, solang's lebt, alleweil no besser auffe! Gar, bals eahm oan nimmt, der wo rechtschaffa is! An bravn Mo und an richtign Bauern. – Der nachher aa no so viel goldene und silberne Pflasterstoa auf der Seiten hat, daß er, wenn's grad nöti is, a paar Löcher zuamacha kann, durch die der Hof eppa aberutschen kunnt.«

Ihr Sohn hat derweil das Marai ruhig allein aus dem Wagen steigen lassen; nun sagt er bloß kurz: »Weibergwasch!« und weist danach den Schimmel in den Stall.

Die alte Großmutter las eben droben in ihrer Kammer still in ihrem Andachtsbuch.

Da sie aber ihre Tochter kommen hört, steht sie so rasch, als es ihre alten Knochen erlauben, auf und begibt sich hinab zu ihr und der »Hochzeiterin«.

Schöne Reden kreuzen sich wieder, die Schiermoserin gießt dem Marai ein Glas Met ein, und die Alte kann das schöne Haar, das frische Rot des Gesichts und das hübsche[754] Blau des Gewandes von dem Maidl nicht genug bewundern.

Bald ist das Gespräch da, wo man es haben will, und man begibt sich hinauf in das obere Stockwerk des Hauses.

Nur der, den's eigentlich angeht, und der, dem's recht sein muß, daß eine Reisertalertochter Schiermoserin wird – die beiden sind nicht da.

Der Bauer selber ist mit seinen Leuten auf dem Feld; Franz aber hat sich lautlos aus dem Stall davongemacht und sitzt nun hinter dem Holzschupfen, wo er etwas am Sattelzeug der Rösser flickt.

So kommt es, daß die Schiermoserin mit ihrer Mutter ganz allein für die Unterhaltung Marais sorgen muß und daß sie nicht Zeit hat oder auch gar nicht daran denkt, für die Leute zu kochen.

Die Schiermosertöchter sind gleich den andern auf dem Felde, und es möchte wahrscheinlich übel aussehen mit der Abendsuppe für Mensch und Vieh, wenn nicht Rosalie, trotz ihres seltsam unruhigen Gemüts, für den Rest des Tages die Bäuerin machte.

So aber versorgt sie wieder den Stall, trägt die Eier ab, sperrt die Hühner ein und richtet danach den Mehlschmarren und den Apfeltauch. Ihre Mutter, die Rätin, liegt derweil droben in ihrer Stube schwer gichtkrank und wird von Tante Adele gepflegt.

Das heißt, die Schwägerin braucht alle ihr zu Gebote stehenden Mittel, um die Rätin davon zu überzeugen, daß doch alles in der Welt so kommen werde, wie es eben vorbestimmt sei.

Man könne höchstens im Fall, daß es sich um irgendein Glück drehe, dies Glück ein wenig korrigieren. Und dies tue sie auch, fügt sie in bestimmtem Tone bei, trotz aller Zustände und allen Sträubens der Schwägerin!

Mittlerweile wird es Abend. Das Gesinde kommt hungrig[755] heim, setzt sich an den Tisch, und der Schiermoser pfeift seinem Eheweib und Franz zum Essen.

Rosalie trägt wie mittags selber das Essen auf und sagt genau, wie sie es gewohnt ist von der Schiermoserin: »Vater, tua bet'n, ogricht is.«

Und da die Bäuerin endlich daran denkt, daß es Essenszeit ist – da sie sich durch den Pfiff des Bauern plötzlich wieder in die Wirklichkeit des Alltags versetzt sieht, nachdem sie sich den ganzen Tag in ihre ehrgeizigen Pläne hineingesponnen hatte -, da findet sie drunten in der Eßstube bereits alles einträchtig beieinander sitzend, mit vollen Backen essend und sich lustig unterhaltend.

Und Franz, für den sie eben die Hochzeiterin zur Tür hereinbringt, sitzt lachend neben der Stadtjungfer und tut, als wäre er seit Jahr und Tag mit ihr verheiratet!

Und er selber, der Schiermoser – er sitzt zur Rechten dieses Weibsbildes, lobt ihre Kochkunst, ihre Tüchtigkeit und sagt vor dem ganzen Gesinde: »Guat hast dei Sach' g'macht, Bäuerin! Da brauch' ma die Alt' gar nimmer, bals du alleweil dableibst!«

So eine Niedertracht!

Wie mag's dem Marai zumut sein!

Aber die läßt sich nichts anmerken.

»Aha, eßt's scho«, sagt sie bloß, »bals erlaubt is, nachher gehn mir aa a weng zuawa.«

Und damit geht sie mit der Schiermoserin, die vor Wut ganz blaurot im Gesicht wird und gar keine Worte mehr findet, in die Stube.

Rosalie beeilt sich, noch zwei Löffel aus der Tischlade zu nehmen, und sagt: »Ruckts z'samm da drent und laßts mich aa hin, daß sich der B'such und d'Bäuerin auf eahnan Platz hinsetz'n können!«

Aber Franz befiehlt ihr ganz energisch: »Du bleibst, wost bist!« und läßt sie nicht von seiner Seite.[756]

Der Schiermoser dreht sich halb um auf seinem Sitz, schaut auf die Reisertalertochter und sagt: »Ja, was is dees? D' Marai! – Hock di nur zuawa, Marai. Is scho no a Platz auf der Bank.«

Auf die Bank zu dem Dienstvolk läßt er sie sitzen!

Die Schiermoserin droht der Schlag zu treffen.

Und sie kann nicht anders, sie muß sich dreinmischen »Freili! Auf d' Bank! Nix da! D' Marai sitzt si neben 'n Franzl, daß d' es woaßt! D' Sommerfrischlerin g'hört a so net an Tisch her!«

Leider hat ihre Rede gar keinen Erfolg, außer diesem, daß Franz erwidert: »Wer kocht hat, ißt aa mit. Und wen i neben meiner sitzen lass', der sitzt neben meiner. – Gell, Marai, du hast scho Platz da, neb'n der Liesi!«

Freilich hat sie dort auch Platz!

Mit süßsaurem Lächeln beteuert sie es.

Aber gutmachen kann er diesen Fehler nie mehr!

Und wenn sie zehnmal Schiermoserin werden sollte!

Nachtragen wird sie es ihm, solange er lebt, daß er sie einer Städtischen zulieb auf den Gesindeplatz genötigt hat – grad an dem Tag, an dem sie gekommen war, sich und ihre Geldsäcke ihm anzutragen!

Dasselbe denkt auch die Bäuerin.

Und es ist ihr unmöglich, auch nur einen Bissen zu genießen, schon weil es die da gekocht hat!

Daß der Alte auch noch mittut bei der Lumperei!

Aber gnade Gott!

Dem wird sie es heut abend schon hinsagen!

Der erhält seinen Landler!

Der Rüpel! Der Tropf, der alte!

»Geh weiter, Marai!« sagt sie sehr freundlich zu ihr. »Geh mit mir auße, nachher koch' ma ins selber epps. Werd z'erscht recht epps G'scheits sei, was die z'sammkocht ham.«[757]

Doch leider geht es ihr auch mit dieser Rede nicht sonderlich gut.

Denn einstimmig wird ihr von allen, ja sogar von den Töchtern, versichert, daß man noch nie einen so guten Schmarren gegessen hätte – und dann will Marai plötzlich »gern« da sitzen bleiben, nimmt den Löffel zur Hand und versucht die Kunst dieser Person, die alle miteinander rein verhext hat!

Ja, Marai betrachtet es plötzlich als eine heilige Mission, Franz wieder aus dem Bann dieses Weibsbildes zu erlösen!

Und sie beginnt damit sofort, indem sie sagt: »No – hoaklig seids ös net! Bei ins dahoam essat ma an solchen Schmarrn net! Bei ins werd er scho besser g'macht! – Wer hat 'n denn kocht?«

Jetzt wird es wohl kommen, das, was ihr und der Schiermoserin Musik in den Ohren ist!

Aber nein, es kommt nicht!

Denn Franz sagt ganz kurz und sachlich: »Dees is gleich, wer 'n kocht hat. Ins schmeckt er. Wie daß 'n ös kochts, dees is uns gleich.«

Und der Schiermoser ißt gerade jetzt, als hätte er schon seit drei Tagen nichts mehr gehabt, und sagt dabei: »I woaß 's net, mir schmeckt er recht guat. Recht guat. Wahr is's!«

Freilich, Rosalie fühlt sich nicht wohl in dieser Stunde.

Aber ringsum sieht sie Mienen, die ihr wohlgewogen zulächeln – sie spürt den Druck der Finger des Jungen und hört den Lobspruch des Alten – da weicht ihr unbehagliches Gefühl doch wieder einem angenehmeren.

Immerhin ist sie froh, als der Bauer seinen Löffel ans Tischtuch wischt, das Zeichen zum Aufstehen gibt und das Tischgebet hersagt.

Das Geschirr trägt sie nicht mehr hinaus.[758]

Sie bittet Barbara, die eine Tochter, darum und begibt sich sogleich hinauf in ihre Stube.

Nun erst wird dem Mädchen schwer ums Herz. Dazu macht sich doch eine große Müdigkeit und Abspannung bemerkbar, so daß sie sich kurzerhand entschließt, zu Bett zu gehen.

Und also sucht sie ihr Lager auf und gibt keine Antwort mehr, als Franz nach einer Weile unter ihrem Fenster steht und ruft: »Roserl! Roserl! Geh no a weng außa! – I muaß dir was sag'n!«

Aber sie weint ihre ersten heißen Tränen in die Kissen des Schiermoserbetts.

Nachdem an diesem Abend das Gesinde Feierabend gemacht und auch der Schiermoser sich auf die Hausbank gesetzt hat, tritt die Reisertalertochter hinter der Schiermoserin aus der Kuchel und vors Haus.

Und die Hausfrau nötigt sie, doch neben dem Bauern auf der Bank Platz zu nehmen, bis der Franzl mit seinem Tagwerk fertig wär' und auch käme.

Aber Marai äußert plötzlich sehr bestimmt den Wunsch, sie möchte doch lieber heute noch nach Haus.

»I woaß, d' Muatta braucht mi«, sagt sie, »und da is mir do net extra guat woanderst. Und dees, was d' mir zoag'n hast woll'n, dees hast mir zoagt. Sinst ham mir ja nix mehr z' red'n mitanand, denk i. Zweg'n dee Fakei kannst ja mit'n Vatan selber aushandeln.«

»Aber um Gott's willen!« ruft da die Schiermoserin erschrocken aus. »Heut no hoamfahr'n! Kimmst ja in de stockfinster Nacht eini! Naa, naa! Bleib nur bei ins über Nacht! Jetzt hab' i dir dei Bett scho aufdeckt. Und morg'n früah muaß i dir epps sag'n, was dir a Freud' macht. Woaßt, heunt san d' Mannsbilder müad und d' Weibsbilder z'wider. Aber morgen is a jed's frisch und lusti, da kinnt's enk nachher aa a weng unterhalten mitanand!«[759]

So und auf ähnliche Weise sucht sie Marai zum Bleiben zu überreden.

Sie stößt ihren Eheherrn wütend in die Seite und flüstert ihm zu: »Alsdann, zwiderns Mannsbild! Red halt aa mit, wennst siechst, daß s' extra da is, d' Marai!«

Der Schiermoser zündet sich die Pfeife an.

»I hab koan Fiduz drauf, heunt auf d' Nacht.«

»Aber so viel kunnst do sagn, obs dir recht is oder net!«

»Mir is alls recht, was an Buam recht is. Bal er die Rechte gfunden hat, nachher werd ers scho sagn. Nachher kann i alleweil no mei Meinigung dazua äußern, obs mir paßt oder net.«

Damit bläst er dicke Wolken vor sich hin und schaut geradeaus.

Die Schiermoserin zittert vor Zorn.

Mit süßen Worten nötigt sie Marai, doch noch ein wenig auf der Bank Platz zu nehmen, bis der Franzl mit seiner Arbeit fertig wär'.

Aber das Marai hat kein Verlangen darnach, sondern besteht auf ihrem Wunsch: sie möchte wieder heim.

Nun, soll sie wenigstens der Franz heimbringen, denkt die Schiermoserin, der es zumut ist, als stünde sie vor einem Abgrund, in dem all ihre Hoffnungen und Wünsche begraben liegen.

Und sie rennt im ganzen Hof herum, ihn zu suchen.

Aber als sie ihn endlich in seiner Kammer im Bett findet, kann sie vor Verdruß und Zorn nicht einmal mehr sagen, was sie sagen wollte. Und so geht sie voller Bitterkeit zum Hans, ihrem Knecht, und bittet ihn, daß er das Marai gegen eine Extramaß noch nach Reisertal hinüberbringe.

Der murmelt zwar etwas vom Leut und Viech Zusammenschinden, sagt, daß er erst morgen früh wieder zurückkäme, und richtet dann scheltend und greinend das Fuhrwerk.[760]

Der Abschied ist sehr kühl und frostig, und das Marai schaut nicht einmal zurück, als sie, neben dem Knecht sitzend, dahinfährt.

Kaum ist sie aber außer Seh- und Hörweite, da bricht das Wetter bei der Schiermoserin los.

»So. Jetz is's dahi. Ös Lackln, ös abscheuliche! – Jetz habt's enka Bäuerin. Jetzt kinnt's mit enkan Stadtdrak'n weiterhausen vo mir aus!«

Da rührt sich der Schiermoser zum erstenmal, seit er auf der Bank sitzt, und sagt: »Dees war dees g'fahrlicher no lang net! D' Rosl waar mir liaber wie woaß Good was für oane von heraußt. Lieber als wie die Betschwestern vo Reisertal amal g'wiß!«

Die Schiermoserin tut, als drohe ihr der gache Tod.

»Insa heilig's Kreiz! Versünden tuat er sie aa no! – Hast scho recht! Tua nur a so weiter, so gottlos und so modisch! Werst es scho sehgn, wia weit daß d' kimmst!« Der Schiermoser muß lachen.

»I woaß gar net, was d' hast auf amal!« sagt er, »fahrt's mittendrin dahi um a Schwieger und woaß gar net, ob der Bua 's Heirat'n im Sinn hat – nachher bringt's dees bigotte Weibsbild daher – und z'letzt redt's vom Versünden! – Und derweil 's dees tuat, versaamt's d' Hauptsach'!«

Er muß wieder lachen. Da wird sie stutzig.

»Was für a Hauptsach'?« fragt sie gespannt.

Der Bauer schmunzelt: »Siechst, Alte«, sagt er, »daß d' koane von dee ganz G'scheiten bist, dees hab' i lang g'wißt. Aber daß d' insan Buam behüat'n möchst vor der Rosl und dabei laßt d' die zwoa den ganzen Tag alloa mitanand arbat'n ... daß d' so dumm wärst, dees hab' i do net g'moant.«

Die Schiermoserin muß sich setzen und reißt die Augen sperrangelweit auf. »Warum ... wieso ... ist eppa was g'schegn?...« fragt sie voller Angst.[761]

Aber ihr Eheherr bleibt ganz ruhig.

»Was wird g'schehgn sein!« meint er. »Weiter gar nix is g'schehgn, als daß die zwoa handelsoans san. Daß d' dein'm Buam zwanz'g Hochzeiterinnen bringa kannst – er wird dir a jede abweisen. – Weil er sein eigna Kopf auf hat ...«

Seine Wabn unterbricht ihn voller Aufregung: »Ja, und du? Du schaugst zua und laßt den Kerl werken, wie er mag! – Du rührst di gar net, wenn er die Stadtflugga nimmt!«

Der Schiermoser bleibt immer noch ganz ruhig.

»Was soll i mi da lang rühr'n? Bal der was will, nachher will er's. Und was er will, dees is epps Rechts. Was er tuat, hat Hand und Fuaß. – Und wenn i's sag', wie i mir's denk: Mir g'fallt's, dees Weibsbild. Daß s' wenig Geld hat ... no ja ... deessell is ja z'wider. – Aber sinst is s' mir lieber wie a jede zehn Stund im Umkreis!«

Die Bäuerin meint, nicht recht zu hören.

»Ja ... dees kaam ja grad außa ... als wia wennst du selber dabei waarst bei dem Handel ...«

»I bin net dawider, bal i's aufrichti sag'...«

»Alter!«

»Ja no ... es muaß net alleweil nach dem alten Schlag geh'. – Es derf aa amal epps Neumodisch's aufkemma. Heirat'n d' Bauernweibsbilder Stadtherrn – warum soll a Bauernbursch net aa amal a Stadtfrailein heirat'n. – Gar a so a richtigs, ordentlichs und saubers Leut'!«

Allmählich ist es der Schiermoserin möglich, das, was in ihr tobt und rast, in Worte zu kleiden.

»A so is's dir!« ruft sie aus. »A solchana bist du word'n! Du hilfst zu dere Stadtbruat! – Und du willst es hab'n, daß insa Sach' in dene eahnane Klauen kimmt! – Mei Liaba! Dei Sach' kannst geb'n, wemst magst. Aber dees mei ... dees bleibt mir in meiner Hand. Daß d' es woaßt. Und[762] mei Geld kriagts mir aa net, dees Weibsbild. Heunt no will i 's z'ruckhab'n! Heunt no!«

Sie kocht vor Zorn.

Aber der Schiermoser ist, als wär' er von Holz, so ruhig.

»Dees kannst macha, wiast willst«, sagt er gelassen, »dee paar tausad Markl machen eahm's Kraut aa nimmer fetter. Der langt mit dem, was i eahm derhaust hab'...«

»Er! – Er hat 's derhaust! – Und i nachher? – Und mei Arbat? – Und dees, was i verdeant hab' von dee Sommerfrischler?...«

Aber damit hat sie sich eine Schlinge gedreht.

»Aha«, erwidert ihr der Bauer, »d' Sommerfrischler! Da zählen's auf amal mit! – Eahna Geld hast eing'schob'n. Wenn's aa a Stadtgeld g'wen is. Aber i sag' dir was: Dees mit dein Geld kannst macha, wiast magst. – Und der Franzl kann toa, was er mag – und i geh jetz in mei Bett. – Und bal er mir an Hof bald abnimmt, der Bua, is's mir ganz recht. – I bin a so gutding alt und müad. – Guate Nacht.«

Damit verschwindet er im Haus und läßt die Schiermoserin in ihrer Wut und ihrem Schmerz allein.

Diese kommt sich vor wie eine, die einen schweren Traum träumt. Sie versucht immer wieder, das Ganze von sich abzuweisen.

Aber es geht nicht. Es ist schon so, wie es ist.

Sie ist verraten und verkauft von ihren eigenen Leuten.

Ihre Töchter kommen ihr in den Sinn.

Wenn sie wenigstens die auf ihrer Seite hat! Wenn die diesem Weibsbild die Hölle heißmachen!

Jawohl. Ihre Töchter werden keine Städtische dulden auf ihrem Heimatl!

Sie springt auf und läuft eilends hinauf in die Dirndlkammer. Die beiden Maidln schlafen schon. Aber die Schiermoserin hat keine Ruhe, sie muß es ihnen noch heute beibringen, daß sie tun, was sie ihnen rät.[763]

Darum weckt sie beide noch mal auf, indem sie jede fest rüttelt.

»Mariedl!... Bawettei! -... Geh, lust's a weng auf! – He da! – Ös zwoa!... I hab' epps zu red'n mit enk! Merkt's a weng auf, alle zwoa!«

Mit vieler Müh' bringt sie die beiden aus dem ersten Schlaf.

Die Barbara ist am ehesten munter und fragt erschreckt:

»Muatta! – Was gibt's? – Was is passiert?«

Die Schiermoserin bricht in Tränen aus.

»Was werd passiert sein! – Insa Hoamatl g'hört nimmer ins!... Insa scheens Sach' geht dahin!...«

Die Barbara reibt sich schlaftrunken die Augen. »Ha sagst? Was is dees?«

Und die Mariedl sagt aus dem Traum heraus: »Wo geht er hin?«

Aber die Schiermoserin ist nun mitten drin in ihrem Unglück und Verdruß und jammert und klagt so laut, daß ihre beiden Töchter aus dem Bett springen und endlich etwas Bestimmtes wissen wollen.

Denn ihre Mutter redet vom Judas in der Familie, der seine angestammte Heimat verschachert, von der Niedertracht dieser Stadtjungfer, die den Franzl schlau eingefädelt hat, und daß sie, die Schiermoserin, auf und davon gehe, denn die Schand könne sie nicht verwinden ihr Lebtag!

»Was für a Schand?« fragen ihre Töchter gleichzeitig.

Diese Frage steigert den Zorn und Schmerz ihrer Mutter noch um vieles.

»Was für a Schand?! – Fragen tät i aa no! – Is dees koa Schand, bal oan der Bua so a Weibsbild ins Haus einabringt?«

Aber ihre Töchter finden gar nicht, daß die Schande so groß sei, ja, die Barbara meint sogar, sie würde ganz gern[764] einen Stadtherrn heiraten, wenn einer käm'. Dies dreckige Bauernleben mit seiner ewigen schweren Arbeit wär' ihr schon lange zuwider!

Und die Mariedl gähnt und schlüpft wieder ins Bett, indem sie brummt: »Z'weg'n dem hätt'st ins net extra aus'n Schlaf reiß'n braucha! Laß s' halt heirat'n, dee zwoa, bals anand gern hab'n. I heirat aa amal grad den, wo i mag.«

Und damit dreht sie sich gegen die Wand, gähnt noch einmal und schläft wieder weiter.

Die Barbara sucht noch die Mutter zu beruhigen. »Jetz geh nur ins Bett, Muatta«, meint sie. »No san s' net verheirat'. Wer woaß's, ob er's überhaupts ernst moant damit. Und wenn, nachher is 's aa net weit g'feit. Sie is a riegelsam's Leut', dees wo guat einapaßt zu ins, und mir ham 's gern. Liaber wia jede an dere ...«

Der Schiermoserin steht der Verstand fast still.

Also alle sind sie zusammengeschworen!

Alle halten sie zu dieser Stadtbrut!

Aber sie weiß schon, was sie tut!

Sie wird ihnen schon zeigen, wie sie über die Sache denkt. Und sie geht hinüber in die Schlafkammer ihrer Mutter.

Da sitzen denn die beiden Frauen die halbe Nacht beisammen und beraten gleich Feldherren vor einer Schlacht.

Und am andern Morgen erscheint ein Maurer, richtet ein kleines Austragshäuschen, das seit Jahren neben dem Schiermoserhof steht, wieder zusammen und weißelt es sauber herunter.

Denn die Schiermoserin und ihre Mutter wollen keine Gemeinschaft mehr mit den Ihren.

Sie verlassen das Haus.[765]

Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 753-766.
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