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[680] Des Schiermosers Franzl ist gerade am Tage des heiligen Antonius fünfundzwanzig Jährlein alt geworden, hat außer seinem körperlichen Ebenmaß und seinem strohgelben Schnurrbart auch noch einen ebenso blonden Lockenkopf und dazu ganz dunkelblaue Augen.

Dies alles schätzen die Weiberleut der Umgegend an ihm. Seine Kameraden aber und die Burschen der Gemeinde achten sein manniges Wesen und seine bäuerische Schlauheit, zählen auf sein gegebenes Wort und fürchten ihn in seinem Zorn. Was ihn aber besonders seinem Vater lieb und wert macht, ist seine Brauchbarkeit zu allem, was den Schiermoserhofund sein Gedeihen betrifft.

Soll ein Roß vertauscht oder eine Kuh gehandelt, ein Stadel gebaut oder Geld auf die Bank gelegt werden, der Franzl wird zuerst darüber gehört. Und hat er einmal eine Sache als gut und recht befunden, so dürfte der ganze übrige Schiermoserhof und ganz Berganger dazu dagegen[680] sein; es würde doch nur so gemacht, wie der Franzl meinte, und nicht anders.

Denn erstlich hatte er die drei Jahre drinnen in der Residenz bei den schweren Reitern gedient und sich dabei so ausgezeichnet, daß man ihm die goldenen Borten des Unteroffiziers auf die königsblaue Reitermontur setzte, und dann war er ein ganzes Jahr auf einem wirklichen königlichen Gutshof gewesen als Oberschweizer.

Ein naher Verwandter hatte nämlich daselbst eine Verwalterstelle, und der gute Vetter wollte nun auch dem Franzl einen Einblick in den Betrieb einer solchen Wirtschaft geben, auf daß es ihm einmal droben in seinem Schiermoserhof zu Nutz und Frommen gereichen möchte. Also hatte Franz doch allerhand gesehen, gehört und gelernt und konnte wohl ein Wörtlein mitreden, wenn es sein mußte.

Er tat dies auch zur rechten Zeit und brachte allmählich einen ziemlich neumodischen Zug in die väterliche Wirtschaft; allerdings sehr zum Verdruß seiner Mutter, die alles, was neu oder aus der Stadt war, haßte und verwarf, und nicht minder zum Ärger seiner Großeltern, der alten Schiermoserleut, die in allem Neumodischen eine Quelle von Unkosten, Verdruß und Unbehagen sahen und viel lieber an dem Althergebrachten und Gewohnten hingen.

Aber, wie gesagt, es half nichts, daß die drei anderer Meinung waren. Franzl hatte recht, auch wenn er einmal nicht ganz recht hatte, und sein Vater, der selber schon immer ein wenig zu den modischen Bauern und ihren Maschinen hielt, stand fest auf seiten seines Sohnes.

Wie wars doch gewesen damals, als der neue Motorpflug auf den Schiermoserhof kam und die Dreschmaschine?

Natürlich, der Franz hatte das Zeug beim Herrn Vetter droben im königlichen Gutshof gesehen, und sofort hieß es: »So a Motor muaß her und so a Maschin. Da hat ma[681] grad mehr die halbate Arbeit und dabei den doppelten Nutzen. Dees langweilige Drischeldreschen paßt mir eh scho lang nimmer. Den ganzen Winter wieder aufn Dreschbodn außegfriern! Mir waars recht!«

Wohl fuhr die Schiermoserin mit Himmel Kreuz und Laudon dazwischen und plärrte: »Nix da! So viel Geld außeschmeißen! Sinst nix mehr! Ös mit enkern neumodischen Graffel. So lang i no a offens Aug hab, werd mit der Drischel 'droschen, daß ihrs wißt! Bal i amal gstorbn bin, könnts vo mir aus mit den Dreschflegl toa, was's mögts. Und an Motorpflug! Zu was mir an Motorpflug brauchen, möcht i wissen! Für was mir an Stall voll Roß habn, möcht i wissen!...«

Was halfs?

Umsonst war ihr Greinen.

Der Franzl hatte geredet, und der Alte reiste sofort zum Herrn Vetter, ließ sich die Neuheit zeigen und kam heim mit der Botschaft: »Auf d' Woch müaßts den neuen Motorpflug von der Bahn holn und die neue Dreschmaschin.«

Jawohl. So wars.

Und so gings mit dem elektrischen Licht und mit der Gsottmaschine, mit der Zentrifuge und mit der Wasserleitung. Alles Neue, was irgendwo den Kopf in die Höhe streckte, mußte her.

Denn der Herr Sohn hatte geredet.

So wars, und so ist es auch heute noch; und gerade am Tag, da der Schreibebrief von der Frau Rechtsrätin Scheuflein mit der Botschaft kommt, daß sie, ihre Frau Schwägerin Adele und ihre Tochter Rosalie die Absicht hätten, nächsten Samstag wieder in Berganger und auf dem Schiermoserhof zu landen und daselbst den Sommer über zu verbleiben – gerade an dem Tag zeigt es sich wieder, daß Franz Schiermosers Wille der allein maßgebende ist[682] und daß der ganze Hof nach seiner Pfeife zu tanzen hat, gehe es, wie es wolle.

Grad um die Abendessenszeit ist es.

Die Schiermoserin steht greinend und brummend in der Kuchel und kann erst die Nudelpfanne nicht finden und dann das Backschäuferl, darauf die Schmarrenschüssel nicht und zuletzt den Dreihax.

»Mit enkana Ausweißlerei und Umanandräumerei!« wettert sie. »Dee Kuchel hätts leicht no to bis zum Kirta! Aber naa, ausg'weißelt muaß werd'n! Zwegn dene Stadtscheesen da! Mir moanat schon, der Kini kaam oder der Kaiser! Mir woaß' ja do, daß nix dahinter is hinter dera Rechtsrätin und ihrane Töchter! Und hinter der andern alten Schachtel aa net! Was aus der Stadt kemma ist, hat no nia eppas taugt! No gar nia net!«

Und da ihr Mann, der Schiermoser, in die Kuchel kommt und sich dreinmischt, indem er meint: »No, grad gar so unrecht sans net, insane Sommerfrischler! Mir muaßt scho d' Kirch beim Dorf lassen – sie ham alleweil schee zahlt!«, da fährt sie ihn giftig an: »Natürli! Er, der ganz G'scheite! Dees glaab i! Solln's net vielleicht no schuldi bleib'n aa! Is's no net Sach gnua, daß ma's geduldt, die Stadtg'sellschaft! Daß mir net amal mehr Herr is über sei Sach! Derf ma sich sei Haus voll anräuma lassen – und d' Betta z'sammliegn – und's Gras zertreten – und d' Sach ausschnüffeln ...«

In diesem Augenblick treten der Großvater und die Großmutter in die Kuchel, und die Alte weiß sogleich, um was es geht: »Und da hat's aa ganz recht, d' Wabn!« unterbricht sie ihre Tochter, die immer noch Wabn von ihr genannt wird. »I habs aa gar net mit dene Sommerfrischler! Daß s' guat zahln ... no ja, dees is wahr. Aber Gaude hat mir aa grad gnua damit! Grad gnua, sag' i. Und alle Daama lang fragns di epps anders – und möchtns epps[683] anders – und wissens epps anders! – Is 's eppa net wahr, Vata?« Sie schreit die letzten Worte ihrem tauben Eheherrn ins Ohr.

Und der Alte lacht mit seinem zahnlosen Mund, lacht übers ganze Gesicht und meint: »Ja, ja. Recht warm is gwen. Recht scheene Täg ham mir. Da trückert d' Sach guat!« Und vergnügt zündet er seine Pfeife an.

Der Schiermoser aber wiederholt eigensinnig: »Mir muaß d' Kirch beim Dorf lassen. Gar so zwider is 's net, d' Frau Rechtsrat. Und wenn die andern Sommerfrischler habn, kinnan mir aa oa habn. Dees ist koa Schand net. Dees g'hört zum Verschönerungsverein.«

Damit hat er's aber ganz und gar verdorben bei den zwei Weibsbildern, und er muß sich ein schönes Donnerwetter gefallen lassen.

»Zum Verschönerungsverein!« ruft die Schiermoserin giftig aus, und die Alte meint; »Weil's scho so schee san, die Stadterer! Hint mager und vorn dürr! Und z'sammgricht wie d' Spatzenscheuchan! Da balst mir net gehst mit dera Verschönerung!«

»Und mit enkam neumodischen Glump überhaupts!« fängt die Wabn wieder an, »mit enkane Genossenschaften und Verein übereinand! An Raiffeisenverein ließ i mir ja no g'falln .... aber ...«

Franz Schiermoser tritt im selben Augenblick ein.

»Was is's mit'n Raiffeisen?« fragt er.

»Ah nixen.«

Die Schiermoserin stößt wütend in dem Mehlschmarren herum, während sie es sagt.

Und die Alte geht schnell hinaus. Aber sie kommt sogleich wieder, denn die Neugier plagt sie doch zu stark.

Der Schiermoser aber sagt grad in dem Augenblick zu seinem Sohn: »A Kreiz is's halt mit dee Weiberleut. Auf amal paßt eahna d' Reditsrätin nimmer.«[684]

Worauf die Schiermoserin heftig erwidert: »Dee hat mir no nia net paßt! Daß ihr's wißt's!«

Da hält die Alte ihre Zeit für gekommen, auch dreinzureden. »No ja«, meint sie, »mir tuat eahna ja nix wega. Aber mir hätten aa ohne Sommerfrischler auskemma kinna. Mir hätten durchaus gar koa braucht. Gar koa. Dessell sag'i.«

Und ihre Tochter fährt abermals giftig dazwischen: »I hab's no gar nia net mögn, die Stadtfrackn. I hab' mi alleweil gespreizt dagegen. Aber no, insaroana is ja der Garneamd! Insaroana hat ja daherin nix mehr zum Redn, seitdem daß der Bua 's Mäu offa hat!...«

Bis hierher hat sie ihr Sohn ruhig reden lassen. Jetzt aber fährt er ihr doch wild ins Wort.

»Und jetzt glangt's nachher, sag' i. Und an Ruah möcht' i hab'n! Und insane Sommerfrischler bleib'n da, so lang sie's g'freut, und bals da san, sans da. Verstanden! Und bals net a so g'macht werd da herin, wias recht und richti is, nachher geh' i! Auf der Stell geh' i! Nachher kinnts mit fremde Leut wirtschaften. Daß d'es woaßt.«

Das hilft.

Die Schiermoserin werkt mit brennrotem Kopf und klappert mit Tellern und Tiegeln, aber sie erwidert kein Wort mehr.

Und die Alte läuft eilends davon.

Der Schiermoser aber pfeift gellend durchs Haus und ruft die Leut zum Essen, indes der Franz ruhig, als wäre nichts gewesen, fragt: »Gibts a Milli oder an Tauch zum Schmarrn, Muatta?«

Darauf ihm die Schiermoserin bockig erwidert: »An Tauch. – Zweschbn.« –

Und also ist es bestimmt, daß die Frau Rechtsrätin Scheuflein, ihre Tochter Rosalie und ihre Schwägerin Adele am nächsten Samstag zu Schiermosers aufs Land gehen.[685]

Quelle:
Lena Christ: Werke. München 1972, S. 680-686.
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