Er denkt:

[20] Warum sie lieben? ... Gleicht sie denn nicht Allen?

Wär' sie auch besser, was gewänn' ich dann?

Ein Glück, das meine Hand erfassen kann,

In meiner Hand zerbrechen kann, zerfallen.


Das ist vorbei ... doch wenn ich suchend drücke

Die Fänge meines Geistes in ihr Hirn,

Dünkt mich, daß hinter dieser hohen Stirn

Ein Etwas liegt, das einst gefehlt dem Glücke.
[21]

Ich grüble, denke, weil voll Uebermuth

Sie mich in einer tollen Stunde rief.

Weil sie nun selber sich vergarnt so tief,

Und zu mir spricht in schamvoll-scheuer Gluth?


Weil sie verwirrt und ungeschickt mir schreibt,

Und laut zu lachen sich vergeblich müht,

Und weil ihr feines Angesicht verblüht?

Das ist nicht gut ... Ist das vorbei, was bleibt?


Was bleibt am Weib Erträgliches uns noch,

Wenn er verschwand, der sanfte Schönheitsglanz,

Und über allen Herzensfirlefanz

Der erste graue Herbstesnebel kroch.

Quelle:
Ada Christen: Aus der Tiefe. Hamburg 1878, S. 20-22.
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