Dritter Auftritt.

[7] Die Infantin. Leonore.


LEONORE.

Derselbe Wunsch drängt täglich Euch, Prinzessin,

und täglich, sprecht Ihr sie, hör' ich Euch fragen,

wie es mit ihrer Liebe sich verhält.

DIE INFANTIN.

Nicht ohne Ursach. Zwang ich sie doch fast,

ihr Herz dem Pfeil, der es verletzt, zu bieten.

Sie liebt Rodrigo – ich führt' ihn ihr zu,

und ich auch brach Rodrigos stolze Kälte.

Da ich das Liebesband also geknüpft,

seh' ich das Liebesleid auch gern geendet.

LEONORE.

Doch trotz des günstigen Erfolgs, Prinzessin,

zeigt Ihr die tiefste Traurigkeit. Erweckt

die Liebe, welche dieses Paar beseligt,

solch bittern Kummer Eurem großen Herzen?

Und macht der große Anteil, den Ihr nehmt,

Euch elend, da sie glücklich sind? Doch gehe

ich wohl zu weit und werde unbescheiden.

DIE INFANTIN.

Verheimlicht drückt verdoppelt mich mein Gram.

Vernimm, vernimm denn endlich, wie ich kämpfte:

Schilt meine Schwachheit, lobe meine Tugend!

Der Liebe Tyrannei verschont kein Herz:

Den Ritter, dessen Liebe ich verschenkte –

lieb' ich.

LEONORE.

Ihr liebt ihn!

DIE INFANTIN.

Fühle, wie mein Herz[7]

bei seines Siegers Namen klopft und bebend

ihn anerkennt!

LEONORE.

Verzeiht, Prinzessin, wenn

ich sonder Schonung diese Liebe tadle.

Wie! Diesen Ritter zum Geliebten wählen!

So weit vergißt sich eine große Fürstin!

Was würd' Kastilien, was der König sagen?

Bedenkt Ihr auch wohl, wessen Kind Ihr seid?

DIE INFANTIN.

Ja, ich bedenk' es, und würd' eh'r mein Blut

vergießen, als verleugnen meinen Rang.

Wohl könnt' ich dir entgegnen, schönen Seelen

weckt nur Verdienst mit Recht der Liebe Glut;

und suchte mein Gefühl Entschuld'gung, dienten

tausend bewährte Beispiele dazu:

doch folg' ich solchen nicht, gilt es die Ehre.

Wie stark die Liebe – stärker ist mein Mut.

Lehrt edler Stolz mir doch, der Königstochter

ist jeder unwert, der kein Herrscher ist.

Als ich mein Herz zu schwach fand zur Verteid'gung,

verschenkt' ich selbst, was ich nicht wagt' zu nehmen,

und knüpfte, statt an mich, ihn an Chimene:

Zu dämpfen meine Glut, schürt' ich die ihre.

Drum staune nicht, daß mein gequältes Herz

voll Ungeduld ihrer Vermählung harret;

du siehst ja, meine Ruh' hängt davon ab.

Lebt von der Hoffnung Liebe, stirbt mit ihr sie,

ein Feuer, das, fehlt Nahrung ihm, erlischt.

Und – ob auch hart mein Los – gehört Rodrigo

Chimenen erst auf ewig als Gemahl,

ist tot die Hoffnung und mein Herz genesen.

Doch leid' ich namenlose Qual, denn ach,

bis er vermählt, ist mir Rodrigo teuer:

Ich streb', ihn zu verlieren, und verliere

ihn ungern – das ist mein geheimer Gram.

Verzweifelnd seh' ich, daß mich diese Liebe

nach dem zu seufzen zwingt, was ich verschmähe!

Geteilt ist meine Seele in zwei Hälften –[8]

wie stolz mein Mut –, doch glüht mein Herz. Ich fürchte

und wünsche den für mich unsel'gen Bund –

ich hoff' darauf –, doch mit geteilter Freude,

und weil mir Lieb' und Ehre teuer, muß

ich sterben – ob er sich vollzieh' – ob nicht!

LEONORE.

Darauf, Prinzessin, hab' ich nichts zu sagen,

als, ich beseufze mit Euch Euer Leid,

erst tadelte, doch jetzt beklag' ich Euch.

Allein, da in so schmerzlich süßem Wehe

die Tugend seinen Reiz und seine Macht

bekämpft, dem Sturme wie dem Zauber trotzet,

gibt sie Euch endlich wohl die Ruh' zurück.

Vertraut ihr und der Zeit, hofft auf den Himmel,

der zu gerecht ist, als daß er die Tugend

so herbe Martern lange dulden läßt.

DIE INFANTIN.

Mein liebstes Hoffen ist, nichts mehr zu hoffen.


Quelle:
Corneille, Pierre: Der Cid. Leipzig 1945, S. 7-9.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
Three Masterpieces:
Le Cid and the Liar (Paperback) - Common
Le Cid (German Edition)
Le Cid
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