Vierter Auftritt.

[33] Don Rodrigo. Chimene. Elvira.


DON RODRIGO.

Wohlan! Auch ohn die Müh' mich zu verfolgen,

wahrt Euch den Ruhm, zu hindern, daß ich lebe!

CHIMENE.

Wo sind wir denn, Elvira? Und was seh' ich?

In meinem Haus Rodrigo! Mir vor Augen!

DON RODRIGO.

Spart nicht mein Blut! Genießt ganz ungestört

die Lust, mich zu verderben, Euch zu rächen.

CHIMENE.

Ach!

DON RODRIGO.

Hör mich!

CHIMENE.

Weh mir!

DON RODRIGO.

Einen Augenblick!

CHIMENE.

Geh! Laß mich sterben!

DON RODRIGO.

Nur vier Worte! Dann

antwort mir nicht als nur mit diesem Schwerte!

CHIMENE.

Wie! Das getränkt mit meines Vaters Blut?

DON RODRIGO.

Chimene!

CHIMENE.

Fort mit diesem Schreckenswerkzeug,

das deine Schuld mir vorwirft und dein Leben!

DON RODRIGO.

Betracht es lieber, daß dein Haß erwache,

dein Groll sich steigre – meinen Tod beeil!

CHIMENE.

Es ist mit meinem Blut gefärbt!

DON RODRIGO.

In meines

tauch es, daß deines Farbe es verliert!

CHIMENE.

O Grausamkeit, an einem Tag den Vater

durch diesen Stahl – die Tochter durch des Anblick

zu töten! Fort damit! Ich trag' es nicht!

Ich soll dich hören, und du tötest mich!

DON RODRIGO.

Ich tu', was du begehrst, doch ich entsage

dem Wunsch nicht, daß dies jammervolle Dasein

durch dich geendet werde; denn erwarte[33]

von mir nicht feige Reu' ob guter Tat.

Ein Schlag von deines Vaters Hand entehrte

unwiderruflich das ehrwürd'ge Alter

des meinen; weißt du doch, wie auf den Tapfern

ein Backenstreich wirkt! Mich auch traf der Schimpf.

Ich sucht' und fand des Schöpfer – rächte meine

und meines Vaters Ehre, tät es nochmals,

blieb' es zu tun. Wohl kämpfte gegen mich

und meinen Vater lang für dich die Liebe,

denn, daß ich schwankte, Rechenschaft zu fordern

nach solchem Schimpf selbst, zeigt dir ihre Macht!

Dir zu mißfallen oder Schmach zu dulden

gezwungen, zauderte noch meine Hand,

schien mir zu rasch mein Arm, und als zu heftig

klagt' ich mich an; gesiegt hätt' deine Schönheit,

stellt' ich nicht die Gewißheit deinem Reiz

entgegen, daß kein Feigling dich verdiene,

daß, wem ich teuer, als ich tadellos,

edel mich lieben – ehrlos hassen würde;

daß deiner Liebe Stimme hören, unwert

ihrer mich macht, und schimpflich deine Wahl.

Ich wiederhol's – will's unaufhörlich, bis

ich sterbe, denken – unaufhörlich sagen.

Ich kränkte dich, und mußt' es, meine Schmach

zu tilgen und dich zu verdienen. Fertig

mit meiner Ehre, meinem Vater, gilt's,

auch dir noch zu genügen; und mein Blut

dir darzubieten, bin ich hier. Ich tat,

was ich gemußt – tu, was ich soll. Wohl weiß ich,

daß gegen mein Vergehn ein toter Vater

dich waffnet: Nicht entgehn soll dir dein Opfer.

Standhaft weih dem gefloßnen Blute den,

des größter Ruhm ist, daß er es vergossen.

CHIMENE.

Rodrigo! Ach! Als Feindin selbst kann ich

nicht tadeln, daß Ehrlosigkeit du meidest,

und, wie mein Schmerz sich äußre, ich beschuld'ge

dich nicht – beweine nur mein Mißgeschick.[34]

Ich weiß, was von des Tapfern Mut die Ehre

verlangt nach solchem Schimpf; du hast die Pflicht

des Ehrenmannes nur erfüllt; doch zeigtest

du mir zugleich die meine; mich belehrte

verhängnisvoll dein Mut durch deinen Sieg.

Den Vater rächt' er, wahrte deine Ehre;

mir ziemt die gleiche Sorge – trauernd muß ich

die Ehre wahren – meinen Vater rächen.

Ach, deinetwegen macht mich das verzweifeln!

Denn, raubte andres Unglück mir den Vater,

hätt' in der Wohltat, dich zu sehn, mein Herz

den Trost gefunden, den es könnt' empfangen,

und meinen Schmerz besänftigte die Wonne,

daß meine Tränen von so teurer Hand

getrocknet. Doch verlieren muß ich dich,

nachdem ich ihn verlor. Gebeut die Ehre

den Sieg doch über mein Gefühl, und dies

grausame Pflichtgebot, das mich zerschmettert,

will, daß ich selbst für dein Verderben wirke!

Denn, halt mein Herz zu schwach nicht, dich zu strafen.

Wie Liebe für dich wirbt, entsprechen muß

mein Mut dem deinigen: Du zeigtest dich,

indem du mich verletztest – meiner würdig –

ich muß durch deinen Tod dein wert mich zeigen.

DON RODRIGO.

Verschiebe nicht, was Ehre dir gebeut!

Sie will mein Haupt – ich überlass' es dir.

Bring deiner edlen Neigung es zum Opfer;

süß ist das Urteil – süß der Todesstreich!

Nach meiner Tat langsam Gericht erwarten,

heißt, deinen Ruhm, wie meine Pein verzögern.

Sterb' ich solch schönen Tod, sterb' ich beglückt.

CHIMENE.

Geh! Deine Feindin bin ich, nicht dein Henker.

Darf ich dein Haupt, das du mir bietest, nehmen?

Angreifen soll ich es, du sollst es schützen.

Nicht du – ein andrer müßt' es mir verschaffen.

Verfolgen soll ich dich – doch strafen nicht.

DON RODRIGO.

Wie Liebe für mich wirbt, entsprechen muß[35]

dein Mut dem meinigen; doch einen Vater

zu rächen, andre Arme leihen, heißt –

ihm nicht entsprechen, glaub es mir, Chimene!

Des meinen Schmach rächt' meine Hand allein,

und deine Hand nur muß den deinen rächen!

CHIMENE.

Auf welchen Vorschlag, Grausamer, bestehst du?

Hast du dich ohne Beistand doch gerächt,

und willst mir beistehn? Gleich dir will ich handeln.

Mein Mut verschmäht, mit dir den Ruhm zu teilen.

Mein Vater, so wie meine Ehre, wollen

nichts deiner Liebe noch Verzweiflung danken.

DON RODRIGO.

O starrer Ehrgeiz! Was nur tu' ich, um

dich zu erweichen? Hör mich, in dem Namen

des toten Vaters oder unsrer Freundschaft!

Bestraf aus Rache oder Mitleid mich!

Viel mindre Qual ist es, durch deine Hand

zu sterben, als von dir gehaßt zu leben!

CHIMENE.

Ich hasse dich nicht.

DON RODRIGO.

Doch du mußt.

CHIMENE.

Ich kann nicht.

DON RODRIGO.

Wie! Fürchtest du nicht tadelnde Gerüchte?

Wenn mein Verbrechen man erfährt und hört,

du liebst mich noch? Was würden Neid und Lüge

boshaft verbreiten? Zwinge sie zum Schweigen!

Kurz, rette deinen Ruf durch meinen Tod.

CHIMENE.

Sein Glanz strahlt heller nur, schon' ich dein Leben.

Ich will, daß selbst der schwarze Neid mich rühmt

und meinen Schmerz beklagt, erfahrend, daß

ich dich vergöttre und dennoch verfolge!

Geh! Zeig nicht länger, mir zur bittern Qual,

dich, den ich muß verlieren und noch liebe!

Entferne dich, geschützt von nächt'gem Dunkel!

Gefährlich meiner Ehre wär's, säh' man

von hier dich kommen. Ursach' zur Verleumdung

gäb' es, wüßt' man, ich litt dich hier – darum gib

nicht Anlaß, meine Tugend anzugreifen![36]

DON RODRIGO.

O laß mich sterben!

CHIMENE.

Geh!

DON RODRIGO.

Was ist dein Vorsatz?

CHIMENE.

Der schönen Glut zum Trotz, die meinen Zorn

erschüttert, will ich meinen Vater rächen.

Allein, wie streng auch diese herbe Pflicht,

mein einz'ger Wunsch ist – daß ich's nicht vermöchte!

DON RODRIGO.

O Kraft der Liebe!

CHIMENE.

O vernichtend Weh!

DON RODRIGO.

Wie kosten uns die Väter Leid und Tränen!

CHIMENE.

Wer hätte je gedacht –

DON RODRIGO.

Wer sagte wohl –

CHIMENE.

Daß unser Glück so nah – so bald verloren –

DON RODRIGO.

Und daß, im Hafen fast, ein Ungewitter

würd' plötzlich unser Hoffen scheitern machen!

CHIMENE.

O Todesschmerz!

DON RODRIGO.

Ach! Klagen sind vergeblich!

CHIMENE.

Noch einmal – geh! Nicht länger hör' ich dich.

DON RODRIGO.

Leb wohl. Ich will mein todgeweihtes Dasein

hinschleppen, bis du es, dich rächend, endest.

CHIMENE.

Gelingt mir das – so werd' ich – nimm mein Wort –

nicht nach dir einen Augenblick mehr leben!

Leb wohl! Geh! – Hüte dich, daß man dich sieht!

ELVIRA.

Senhora, welches Leid der Himmel sendet –

CHIMENE.

O quäle mich nicht länger! Laß mich klagen!

Ich such', zu weinen, Nacht und Stille auf!


Quelle:
Corneille, Pierre: Der Cid. Leipzig 1945, S. 33-37.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
Three Masterpieces:
Le Cid and the Liar (Paperback) - Common
Le Cid (German Edition)
Le Cid
Der Cid

Buchempfehlung

Reuter, Christian

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Der ehrlichen Frau Schlampampe Krankheit und Tod

Die Fortsetzung der Spottschrift »L'Honnête Femme Oder die Ehrliche Frau zu Plissline« widmet sich in neuen Episoden dem kleinbürgerlichen Leben der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«.

46 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon