[41] Chimene. Elvira.
CHIMENE.
Weißt du, daß es kein falsch Gerücht, Elvira?
ELVIRA.
Ihr glaubt nicht, wie ein jeder ihn bewundert
und einstimmig des jungen Helden Taten
bis in den Himmel hebt! Zu ihrer Schmach
zeigten vor ihm die Mauren sich. Voll Eile
geschah der Angriff – eil'ger noch die Flucht.
Drei Stunden Kampfes brachten unsern Kriegern
vollständ'gen Sieg, zwei Kön'ge als Gefangne.
Dem tapfern Führer ward kein Widerstand.
CHIMENE.
Rodrigos Hand vollführte solche Wunder!
ELVIRA.
Lohn seiner Müh'n sind die zwei Könige;
sein Arm besiegte sie – nahm sie gefangen.
CHIMENE.
Von wem kam dir so wunderbare Kunde?
ELVIRA.
Vom Volk; das überall sein Lob verbreitet,
ihn aller Freude Gegenstand und Schöpfer,
Schutzengel und Befreier nennt.
CHIMENE.
Und wie denn blickt auf so viel Mut der König?
ELVIRA.
Rodrigo wagte nicht, sich ihm zu zeigen;
doch freudig brachte, in des Siegers Namen,
ihm die gefangnen Könige Don Diego,
als Gunst erfleh'nd, des edlen Fürsten Blick
mög' huldvoll auf des Landes Retter schauen.
CHIMENE.
Und blieb er unverwundet?
ELVIRA.
Nichts erfuhr ich.
Doch Ihr entfärbt Euch – o gewinnet Fassung!
CHIMENE.
Und neu ersteh' der halberloschne Groll!
Darf ich, um ihn besorgt, mich selbst vergessen?
Man rühmt, man preist ihn – und mein Herz stimmt ein;
stumm ist die Ehre, ohnmächtig die Pflicht.
Schweig, Liebe, gib dem Zorne Raum! Besiegte
er auch zwei Könige – er tötete[41]
doch meinen Vater! Dieses Trauerkleid,
mein Unglück zeigend, ist die erste Frucht,
die seine Tapferkeit erzielt. Was immer
von seinem hohen Sinn man sage – hier
spricht alles mir von seiner Schuld! Ihr, die
aufs neu Ihr meinen Schmerz wachrufet, Schleier,
Gewänder, Flöre, düstre Zierden, die
durch seinen ersten Sieg mir vorgeschrieben,
wahrt meine Ehre gegen meine Liebe
und mahnt, spricht sie zu laut, an meine Pflicht!
Furchtlos greif' ich ihn an, den stolzen Sieger!
ELVIRA.
O mäßigt Euch, dort nahet die Infantin.
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