Dritter Auftritt.

[44] Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Rodrigo. Don Sancho.


DON FERDINAND.

Dich, edlen Erben so erlauchten Hauses,

das stets Kastiliens Ruhm und Stütze war,

und des Geschlecht so reich an tapfern Ahnen,

denen dein Prob'stück früh dich gleichgestellt;

dich zu belohnen, fühl' ich mich zu schwach,

denn wen'ger Macht hab' ich als du Verdienste.

Des Landes Rettung von so rohem Feind,

mein mir durch deine Hand erhaltnes Zepter,

der Mauren Niederlage, eh' ich noch

in diesem Schrecknis Widerstand zu leisten

anordnen konnte, sind nicht Taten, die

zu lohnen, deinem König Hoffnung geben;

allein die zwei gefangnen Könige

seien dein Lohn; ich hört' sie Cid dich nennen,

weil Cid in ihrer Sprache Herr bedeutet.

Ich mißgönn' dir den Ehrennamen nicht.

Sei denn fortan der Cid! Dem großen Namen

beug' alles sich; er sei Granadas wie

Toledos Schrecken, und zeig meinem Volk,

was du mir giltst und was ich dir verdanke.[44]

DON RODRIGO.

Spar' Eure Majestät mir die Beschämung!

Zu hoch schlagt so geringe Tat Ihr an,

und ich erröte vor solch großem König,

so wenig diese Ehre zu verdienen.

Ich weiß ja, daß ich Eures Reiches Wohl

mein Blut und Leben schulde, und erfülle,

wenn für so würd'gen Zweck ich sie verliere,

nur des getreuen Untertanen Pflicht.

DON FERDINAND.

Nicht alle, denen diese Pflicht obliegt,

entled'gen ihrer sich mit gleichem Mute,

und, wenn die Tapferkeit nicht ungewöhnlich,

erzielt sie nicht solch glänzenden Erfolg.

Duld es daher, daß man dich lobt, und künde

ausführlich dieses Siegs Geschichte mir.

DON RODRIGO.

Sire, Ihr wißt, daß in dem Schrecken, welchen

der Stadt die dringende Gefahr erweckt,

die Freundesschar, die sich bei meinem Vater

versammelt, mich, der tiefbewegt noch, drängte –

allein verzeihet meiner Kühnheit, daß

ich ohne Eure Vollmacht sie verwendet –

doch nah war die Gefahr, die Schar bereit,

den Kopf wagt' ich, wenn ich am Hof mich zeigte –

und, sollt' ich ihn verlieren, war es süßer,

im Kampf für Euch mein Leben einzubüßen.

DON FERDINAND.

Den Eifer, Rache für den Schimpf zu nehmen,

entschuld'ge ich; spricht doch des Staats Verteid'gung

für dich bei mir. Glaub, was Chimene sage,

nur sie zu trösten, hör' ich sie hinfort,

doch weiter!

DON RODRIGO.

Unter meiner Führung zog

die Schar nun aus, und kühnen Mannesmut

zeigt aller Stirn. Fünfhundert zählten wir,

doch schnell verstärkt, am Hafen angelangt,

dreitausend schon, und uns so wohl gerüstet

erblickend, schöpft' der Ängstlichste selbst Mut.[45]

Zwei Dritteil ihrer barg ich nach der Ankunft

gleich unten in den vorgefundnen Schiffen;

die andern, deren Zahl stets wuchs, entflammt

von Ungeduld, lagerten sich geräuschlos

rings um mich auf den Boden und verbrachten

also den größten Teil der schönen Nacht.

Ein gleiches tat auf mein Gebot die Wache

und half, versteckt so, meine Kriegslist glücken.

Und kühn gab den Befehl, den ich erteilt

und ausgeführt, ich für den Euren aus.

Der Sterne Dämmerlicht läßt endlich mit

der Flut auch dreißig Segel uns erblicken;

die Wogen schäumen, und mit gleicher Eil'

treiben die Mauren und das Meer zum Hafen.

Man läßt sie nahn. Sie wähnen alles ruhig;

kein Krieger in dem Hafen, auf der Mauer:

Getäuscht durch unser Schweigen, zweifeln sie

durchaus nicht, daß der Überfall gelungen.

Sie landen furchtlos – ankern – steigen aus

und eilen, sich den Händen auszuliefern,

die ihrer harrn. Nun stehn wir auf – einstimmig

tönt unser tausendfält'ger Ruf zum Himmel –

auf unsern Schiffen antworten die Unsern,

und nahn bewaffnet. Die bestürzten Mauren

erfaßt – zur Hälfte erst gelandet – Furcht,

sie geben vor dem Kampf schon sich verloren.

Anziehnd zur Plünderung, finden sie den Krieg.

Wir drängen sie zu Wasser, drängen sie

zu Land – in Strömen fließt durch uns ihr Blut,

eh' einer widersteht, eh' sie sich ordnen.

Doch ihre Fürsten sammeln sie bald wieder;

ihr Mut erwacht, vergessen ist die Furcht,

die Scham, so ohne Kampf zu sterben, hemmt

die Unordnung, gibt ihnen neue Stärke.

Sie stehn, ziehn ihre Schwerter, und zerschnitten

wird manches tapfern Kriegers Lebensfaden.

Land, Meer, der Hafen – ihre Flotte werden[46]

zum blut'gen Schlachtfeld, wo der Tod regiert.

O wieviel große Werke, hohe Taten

sind ruhmlos in der Dunkelheit geblieben,

wo jeder, selbst nur Zeuge seiner Hiebe,

nicht unterscheidet, wie das Los sich neigt.

Ich sprach ringsum den Unsern Mut ein, ließ

die vorwärts dringen, jene Beistand leisten,

ordnen, die kamen, trieb sie an und wußte

nichts vom Erfolge, bis der Tag erschien.

Doch endlich zeigt sein Licht uns unsern Vorteil,

ihren Verlust den Mauren, und ihr Mut

sinkt schnell, so daß, als uns Verstärkung nahet,

die Siegeslust der Todesfurcht muß weichen.

Sie eilen ihren Schiffen zu, zerhauen

die Taue, fliehn, furchtbar Geschrei erhebend,

in der Verwirrung achtlos, ob mit ihnen

auch ihre Könige sich retten können.

So unterlag der stärkern Furcht die Pflicht.

Die Flut bracht' sie – die Ebbe führt sie fort,

indes noch ihre Könige im Kampfe

und ein'ge ihrer Tapfern, schwer verwundet,

ihr Leben teuer zu verkaufen streben.

Ich selbst drängt' sie, sich zu ergeben, doch

umsonst – sie hören nicht, den Säbel schwingend,

nur als sie sehn, wie ihre Krieger falln,

wie sie allein noch fruchtlos sich verteid'gen,

begehrn den Führer sie – ich nenne mich,

und sie ergeben sich. Ich sandt' Euch beide.

Der Kampf war, weil die Kämpfer fehlten, aus.

Auf diese Weise ist in Eurem Dienste –


Quelle:
Corneille, Pierre: Der Cid. Leipzig 1945, S. 44-47.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
Three Masterpieces:
Le Cid and the Liar (Paperback) - Common
Le Cid (German Edition)
Le Cid
Der Cid

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