[48] Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Sancho. Don Alonso. Chimene. Elvira.
DON FERDINAND.
Seht Euch denn befriedigt,
Chimene, Euch nach Wunsch ist der Erfolg.
Rodrigo schlug den Feind, jedoch wir sahen
ihn auch an den erhaltnen Wunden sterben.
So dankt dem Himmel, welcher Euch gerächt.
Zu Don Diego.
Seht, wie sich ihre Farbe schon verändert.
DON DIEGO.
Seht auch, wie nah sie einer Ohnmacht ist:
Erkennt die Wirkung ihrer Liebe, Sire.
Ihr Schmerz verrät Euch ihr Geheimnis und
läßt über ihr Gefühl Euch nicht im Zweifel.
CHIMENE.
So ist Rodrigo tot?
DON FERDINAND.
Nein, nein, er lebt
und wahrt dir unverändert seine Liebe!
Laß deinen Schmerz um ihn sich sänftigen!
CHIMENE.
Sire, man wird aus Freude wie aus Trauer
ohnmächtig. Großes Glück macht leicht uns schwach.
Und kommt es plötzlich, schwinden uns die Sinne.
DON FERDINAND.
Du willst Unmögliches uns glauben machen.
Dein Schmerz, Chimene, zeigte sich zu klar!
CHIMENE.
Wohl, häuft mein Unglück, Sire, immer mehr;
nennt meine Ohnmacht Wirkung meines Schmerzes;[48]
gerechter Unmut brachte mich so weit.
Entzöge doch sein Tod ihn der Verfolgung.
Stirbt er an Wunden, für des Landes Wohl
empfangen, wär' verloren meine Rache,
mein Zweck verfehlt. Ein solches schönes Ende
beleidigt mich. Er sterbe, doch nicht glorreich,
nicht so, umstrahlt von hohem Ruhmesglanz,
nicht auf dem Bett der Ehre, sondern auf
dem Blutgerüst! Für meinen Vater sterb' er,
nicht für das Vaterland! Geschändet sei
sein Name und befleckt sein Angedenken!
Kein traurig Los ist's, für sein Land zu sterben,
Unsterblichkeit erwirkt solch schöner Tod.
Ich freu' mich seines Sieges, darf es, denn
er schützt den Staat, gibt mir mein Opfer wieder,
doch edel, hochberühmt vor allen Kriegern,
bekränzt mit Lorbeern statt mit Blumen – kurz,
wert meines Vaters Manen es zu weihn.
Ach, welcher Hoffnung geb' ich mich da hin!
Hat doch Rodrigo nichts von mir zu fürchten.
Was schaden Tränen ihm, die man verachtet?
Für ihn ist Freistatt Euer Reich – ihm alles
erlaubt! Er triumphiert so über mich,
wie über alle Feinde; als Trophäe
dient das in deren Blut erstickte Recht
des Siegers Schuld: Wir mehr'n den Prunk, denn die
Verachtung der Gesetze läßt uns mit
zwein Kön'gen seinem Siegeswagen folgen!
DON FERDINAND.
Du bist zu heftig, meine Tochter; alles
muß man erwägen, um gerecht zu richten.
Getötet ist dein Vater; er gab Anlaß;
deshalb mahnt mich die Billigkeit zur Milde.
Eh' du mich aber tadelst, zieh dein Herz
zu Rat: Rodrigo herrscht darin, und heimlich
dankst du wohl deinem König, dessen Huld
dir den so heiß Geliebten will bewahren.
CHIMENE.
Mir! Meinen Freund! Ihn, meines Zornes Ziel![49]
Den Unheilstifter! Meines Vaters Mörder!
So wenig gilt meine Anklage, daß
man gar mich dankbar glaubt, mich nicht zu hören!
Versagt Gerechtigkeit Ihr meinen Tränen,
so laßt mich zu den Waffen Zuflucht nehmen;
durch sie gekränkt, muß ich durch sie mich rächen.
Von allen Euren Rittern fordre ich
sein Haupt! Ja, bringt es einer mir, so bin
ich selbst sein Lohn, sie mögen mit ihm kämpfen!
Und ist vorbei der Kampf, bestraft Rodrigo,
vermähl' ich mich dem Sieger. Laßt es, Sire,
als Euren Willen öffentlich verkünden.
DON FERDINAND.
Die alte Sitte, üblich hierzuland,
raubt durch den Vorwand, ungerechten Angriff
zu strafen, einem Staat die besten Krieger.
Denn solchen Mißbrauchs trauriger Erfolg
trifft oft den Schuldlosen und schont den Schuld'gen.
Rodrigo sei davon befreit. Zu kostbar
ist er mir für die Launen des Geschicks;
und welche Schuld solch großes Herz begangen,
die fliehnden Mauren nahmen sie mit fort.
DON DIEGO.
Wie! Hebt für ihn Ihr die Gesetze auf,
die Euer Hof so oft befolgte, Sire?
Was dächte Euer Volk? Was spräch der Neid,
schont unter Eurem Schutze er sein Leben,
und nützt den Vorwand, dort nicht zu erscheinen,
wo jeder Ritter schönen Tod erstrebt?
Würd' solche Gunst doch seinen Ruhm so trüben,
daß er des Sieges Frucht nicht ohn' Erröten
sich könnt' erfreun. Der Graf war kühn – er strafte
als Tapfrer ihn und muß sich so behaupten.
DON FERDINAND.
Sei's denn, da Ihr es wollt; doch werden tausend
an des besiegten Kämpfers Stelle treten,
denn ihm macht der, dem Sieger von Chimene
versprochne Preis, zum Feinde alle Ritter.
Ihn aber allen gegenüberstellen[50]
wär' ungerecht. Genug, wenn er den Kampfplatz
einmal betritt. Wähl, wen du willst, Chimene,
wähl gut, doch nach dem Kampf begehr nichts mehr.
DON DIEGO.
Dadurch entschuldigt die nicht, die ihn fürchten.
Gebt frei den Kampfplatz – niemand wird erscheinen.
Welch eitler Mut erkühnt sich, mit Rodrigo
es nach den heut'gen Taten aufzunehmen?
Wer wagte sich an solchen Gegner? Wer
ist dieser Tapfre, nein, vielmehr Verwegne?
DON SANCHO.
Öffnet den Kampfplatz! Seht den Gegner! Ich
bin der Verwegne oder vielmehr Tapfre!
Zu Chimene.
Gestattet meiner Liebe diese Gunst!
Ihr wißt, daß Ihr sie mir versprochen, Dame!
DON FERDINAND.
Willst du dein Los ihm anvertraun, Chimene?
CHIMENE.
Sire, ich gab mein Wort.
DON FERDINAND.
Bereit seid morgen!
DON DIEGO.
Nein, Sire, zögern darf man länger nicht;
wer Mut besitzt, ist jederzeit bereit.
DON FERDINAND.
Kaum aus der Schlacht zurück, und wieder kämpfen!
DON DIEGO.
Beim Schlachtbericht erholte sich Rodrigo.
DON FERDINAND.
So ruh' er ein', zwei Stunden mindestens.
Doch, daß nicht dieser Kampf als Beispiel diene
und daß solch blutiges Verfahren, welches
mir nie gefiel, ich ungern seh', zu zeigen,
will ich nicht noch mein Hof dabei erscheinen.
Zu Don Arias.
Nur Ihr sollt Kampfesrichter sein. Seht zu,
daß beide Kämpfer auch als Tapfre handeln,
und nach dem Kampf bringt mir den Sieger – wer
er sei – der Preis gebühret seinem Mute.
Ich selbst führ' ihn Chimenen zu, damit
als Lohn er ihr Gelöbnis mög' empfangen.[51]
CHIMENE.
Sire! Solch hart Gebot legt Ihr mir auf!
DON FERDINAND.
Du klagst, doch deine Liebe klagt nicht, sondern
nimmt, ist Rodrigo Sieger, ohne Zwang
ihn an. Murr nicht ob solchem milden Urteil,
wer es von beiden sei – er wird dein Gatte.
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