Vierter Auftritt

[16] Timant, Philipp.


TIMANT kömmt leise herein, und sieht sich allenthalben um. War niemand bey dir? Mich dünkt, ich habe jemand reden gehört.

PHILIPP. Niemand, als Lisette, gnädiger Herr. Aber eine Neuigkeit –

TIMANT. Lisette? Was hat sie denn hier gesucht? Hat sie nicht etwan Climene hergeschickt, mich zu belauschen, oder mir sagen zu lassen, daß sie völlig entschlossen ist, mit mir zu brechen?

PHILIPP. Lisette hat nur mit mir etwas zu sprechen gehabt. Machen Sie sich nur nicht wieder fürchterliche Vorstellungen: hören Sie nur.

TIMANT sieht den Philipp starr an. Mit dir hat sie etwas zu sprechen gehabt. Philipp, sage mir auf dein Gewissen, war es nicht von etwas, das mich angeht? Ich bin in großer Gefahr; Climene liebet mich nicht; sie hat etwas wider mich im Sinne; ich habe sie gestern mit ihrem Vater hören leise reden.

PHILIPP. Aber, gnädiger Herr, was hat denn das zu bedeuten, wenn eine Tochter mit ihrem Vater redet? Ich kann Ihnen zuschwören, daß wir nicht von Ihnen geredet haben.

TIMANT. Du redest wie ein Narr wie – ein Mensch, der noch gewaltig neu in der Welt ist. Ich sage dir, daß gewiß etwas gefährliches dahinter stecket. Das verstehst du nicht. Ich will dir beweisen, und das so klar, als der Tag, daß –

PHILIPP. Erlauben Sie mir nur, Ihnen noch vor Anfange des Beweises zu sagen, daß Ihr gnädiger Herr Vater angekommen ist, und –

TIMANT. Was? Was sagest du? Mein Vater? o Himmel, was muß das zu bedeuten haben?

PHILIPP. Sie erschrecken, gnädiger Herr, über die Ankunft eines Vaters, den Sie schon seit zehn Jahren nicht gesehen haben! Ich dachte eine recht fröhliche Nachricht zu bringen.[16]

TIMANT. So unvermuthet, ohne mir es vorher wissen zu lassen, kömmt mein Vater an? – Ach! er wird ganz gewiß etwas von meiner Liebe erfahren haben, und mich von hier nehmen wollen. Wer muß es ihm doch wohl geschrieben haben? Damon? Ich weiß nicht, was ich aus ihm machen soll. Er ist eine Zeit her so traurig, so niedergeschlagen, als wenn er ein böses Gewissen hätte. Er kömmt seltner zu mir, und sieht so geheimnißvoll aus – Ja, Damon hat es gewiß an meinen Vater geschrieben. Aber warum kömmt mein Vater selbst? Sollte er etwan seine Grausamkeit noch weiter treiben, und mir gar ein Gefängniß zur Strafe meiner allzu heftigen Liebe zugedacht haben? – Ach! du bist gewiß auch wider mich! Du lachest, Verräther!

PHILIPP. Verzeihen Sie mir, gnädiger Herr! Ich habe Ihnen lange ruhig zugehöret: aber diese letzten Einfälle sind, mit Ihrer gnädigen Erlaubniß, doch immer ein bißchen lächerlich. Ihr Herr Vater Sie in ein Gefängniß werfen lassen? Er kömmt, Sie auf eine angenehme Art zu überfallen; und Sie trauen ihm so viel Böses zu! Und der arme Herr Damon! Was hat denn der Ihnen gethan? Nun, wenn Sie ihrem eigenen Vater, und Ihrem besten Freunde nicht trauen: so weiß ich nicht, was ich sagen soll?

TIMANT bey Seite. Sollte etwan Damon oder mein Vater den Kerl bestochen haben?

PHILIPP. Was befehlen Sie?

TIMANT. Nichts, laß mich zufrieden!


Er geht eine Weile im Zimmer stillschweigend auf und nieder; Philipp äffet ihm nach.


Philipp!

PHILIPP. Gnädiger Herr!

TIMANT. Wo ist mein Vater? Hast du ihn gesprochen? Sieht er freundlich aus? Hat er viel Bediente bey sich? Warum ist er noch nicht hier?

PHILIPP. Er ist bey dem Herrn Geronte. Ich habe ihn hier im Saale gesprochen; und er hat mir auf das freundlichste befohlen, Ihnen zu sagen, Sie möchten hinauf kommen.

TIMANT. Ach! nun ist es gewiß! Zu meiner größten Beschämung will er mir, in Gegenwart meiner Liebsten, verbiethen, jemals mehr an sie zu denken. Seine Freundlichkeit ist Verstellung. Unglücklicher Timant! Von deinem Freunde verrathen, von deiner[17] Geliebten gehasset, von deinem Vater nicht geliebet! Wohin sollst du dich wenden? Vielleicht haben sie recht! Was sollen sie an mir finden, das ihrer Liebe oder Freundschaft würdig wäre? Ich bin es vielleicht werth, daß sie mich verachten! Ich habe vielleicht noch viele schlimme Eigenschaften an mir, die ich selbst nicht kenne! Aber wodurch habe ich sie so sehr beleidigen können? Ist denn meine Liebe so strafbar? Ist denn mein Herz so gar hassenswerth? Bin ich denn zu nichts, als zum Unglücke und zum Schmerze gebohren?

PHILIPP. Sie machen mich weichherzig! Trösten Sie sich doch! Sie sind selbst die Ursache Ihrer Schmerzen, weil Sie sich immer das Schlimmste vorstellen – Ich muß Ihnen das Geheimniß entdecken! Ihr gnädiger Herr Vater kömmt, Sie zu verheurathen.

TIMANT. Mich zu verheurathen? Himmel! Was sagest du? Was muß er für eine Absicht haben? Ach! mein Herz saget mir, daß es keine andere ist, als nur mich von Climenen, von dem, was ich liebe, zu trennen! Ich gehe, zu seinen Füßen zu sterben, oder meinem Unglücke vorzukommen.

PHILIPP. Was wollen Sie machen? Halten Sie doch, gnädiger Herr!

TIMANT. Du hörest es! zu meinem Vater gehen, und ihn fußfällig bitten, seinen Entschluß zu ändern!

PHILIPP. Warten Sie doch nur! Lassen Sie sich sagen: Mein Rücken läuft Gefahr, wenn er erfahren sollte, daß ich Ihnen nur ein Wort gesagt hätte.

TIMANT. Er hat dir verbothen, mir etwas zu sagen? Ach, mein Unglück wird immer größer! Laß mich gehen!

PHILIPP. Er schlägt mich todt –

TIMANT. Was liegt daran? Laß mich gehen! Jede Minute ist kostbar.

PHILIPP. Hmm! Was liegt daran? Und ich sollte ihm noch ein Wort sagen? Nun hat er mich einmal böse gemacht.

TIMANT. Was murmelst du zwischen den Zähnen, Verräther? Ach, du hast gewiß etwas Böses im Sinne! Gesteh es nur, ich will dir alles verzeihen.

PHILIPP. Und was soll ich gestehen, gnädiger Herr? Ohne mich etwa groß zu machen, ich bin ein ehrlicher Bedienter, und habe nicht Böses im Sinne.[18]

TIMANT. Schwöre darauf!

PHILIPP. Nach Ihrer löblichen Gewohnheit würden Sie es nicht glauben, wenn ich und der ganze hochweise Rath Ihnen einen körperlichen Eidschwur wegen unserer Ehrlichkeit ablegten. Doch hier kömmt Herr Damon.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 16-19.
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