Erster Auftritt

[24] Damon, hernach Lisette.


DAMON. Ich kann unmöglich länger bleiben, ich würde mich zu sehr verrathen. Himmel! wie reizend ist sie nicht!


Er will abgehen.


LISETTE. Pst! Pst! gnädiger Herr, wo gehen Sie hin? Herr Geronte schicket mich Ihnen nach; er fürchtet, Sie möchten es nicht gehöret haben, wie er Sie zum Mittagessen bath, weil Sie sich von der Gesellschaft abgeschlichen haben. Das gnädige Fräulein hat gleich nach Ihnen gefragt.

DAMON. Climene hat nach mir gefragt? – Ich werde in einigen Minuten wieder bey der Gesellschaft seyn.

LISETTE. Befinden Sie sich etwan nicht wohl, weil Sie sich von der Gesellschaft entfernen? Sie sehen wirklich recht unpäßlich aus.

DAMON. O nein! mir fehlet nichts.


Er will abgehen.


LISETTE. Werden Sie ja nicht krank! Das ganze Haus, und hauptsächlich mein gnädiges Fräulein, würde sich recht darüber betrüben.

DAMON. Climene würde sich um mich betrüben?

LISETTE. Ja, gewiß würde sie sich recht sehr betrüben. Sie stehen in tiefen Gedanken; Sie sehen mir schon seit ein Paar Monaten recht niedergeschlagen aus. Wenn ich wüßte, was Ihnen fehlte!

DAMON. Es ist nichts, als eine gewisse angebohrene Schwermuth und Ernsthaftigkeit. Es wird mit der Zeit schon vergehen.


Er will gehen.


LISETTE. Meinem gnädigen Fräulein geht es eben so.[24]

DAMON kömmt näher. Was hat Climene von mir gesagt? Ich habe es nicht recht verstanden.

LISETTE. Ich sagte nur, daß es meinem gnädigen Fräulein wie Ihnen geht. Sie ist tiefsinnig, zerstreuet, seufzet immer, liebet nichts, als die Einsamkeit. Es muß entweder eine natürliche angebohrne Schwermuth seyn, wie die Ihrige, oder sie ist heimlich verliebt.

DAMON. Sie seufzet? Du hältst sie heimlich verliebt? glücklicher Timant!

LISETTE. O! Sie sagen das mit einem so schwermüthigen Tone daß Sie mich ganz weichherzig ma chen. Aber, warum nennen Sie Timanten glücklich? Ich glaube nicht, wann Fräulein Climene verliebt wäre, daß er es gerade wäre, der ihr Seufzen und ihre Schwermuth verursachte. Wer weiß, ob sie nicht jemand anders, den Sie wohl kennen, heimlich liebet?

DAMON. Sonst jemand, den ich kenne, sollte Climene heimlich lieben! Das ist unmöglich! Und wer sollte denn der glückliche seyn? Etwan Clitander?

LISETTE. Sie spaßen. Trauen Sie doch meinem Fräulein einen bessern Geschmack zu. Den süßen Herrn, dessen größtes Verdienst die Unverschämtheit ist, und der alle Frauenzimmer in sich verliebt glaubet, weil er selbst in sich verliebt ist.

DAMON. Sollte es Euphemon seyn?

LISETTE. Was? Der steife Schwätzer? der nichts kann, als dem Frauenzimmer die Hände küssen, und der uns bisweilen mit seinem Wortgepränge und mit seinen abenteuerlichen Bücklingen plaget? Possen!

DAMON. Ist es Dorant, Nicander, Myrill?

LISETTE schüttelt zu allen, die er nennt, den Kopf. Aber ich sehe schon, Sie errathen es nicht; und Sie sollten es doch am ersten errathen können. Nein, Sie müssen besser rathen. Ach! wenn Sie wüßten, was ich wüßte.

DAMON. Was würde mir es helfen? Ich beneide den, der von Climenen geliebet wird, ohne ihn errathen zu können.

LISETTE. Sie würden vielleicht nicht so schwermüthig seyn; Sie würden auch niemand beneiden, wenn Sie das Herz meines Fräuleins so gut kenneten, als ich.[25]

DAMON. Was sagest du, Lisette? Ich würde nicht schwermüthig seyn; ich würde keinen Menschen beneiden? Fahre fort, ich beschwöre dich darum, fahre fort!

LISETTE. O ich bin verschwiegen; ich plaudere die Geheimnisse meines gnädigen Fräuleins nicht aus. Aber rathen Sie noch einmal: wen liebet Climene wohl?

DAMON. Ach! quäle mich nicht; ich weiß nicht, was ich sagen soll.

LISETTE. Ich weiß es selbst nicht recht. Aber das weiß ich wohl, daß Fräulein Climene oft im Schlafe einen Namen genennet hat – Rathen Sie einmal, wessen? – Sehen Sie mich starr an – Nun rathen Sie! – Sie erröthen. O, nun haben Sie es errathen.

DAMON. Was soll ich aus diesem allen schließen? Climene verliebt! Nein, es kann nicht seyn. Ich wäre zu glücklich. Sage es heraus, sage, liebste Lisette, welchen Namen sie genennet hat.

LISETTE. Sie wären zu glücklich, sagen Sie? Und Sie verlangen noch den Namen zu wissen? Sie stellten sich doch fast gar zu einfältig; verstellen Sie sich nicht mehr. Nun hilft es nichts! Glaueben Sie nicht, daß ich es Ihnen schon lange angemerket habe, daß Sie mein Fräulein lieben? Da hätte ich für ein Kammermägdchen sehr einfältig seyn müssen! Sie haben sich einmal verrathen; und wenn Sie nicht offenherzig sind, so will ich der ganzen Stadt unsere Unterredung erzählen.

DAMON. Ja – ich habe mich verrathen; ich kann dir nun die Regungen meines Herzens nicht mehr verbergen; ich liebe Climenen! Ich liebte sie von dem ersten Augenblicke an, da ich sie sah. Ich wußte schon damals, daß sie mein Freund liebte. Ich suchte, meine Leidenschaft zu unterdrücken: aber eine für mein Herz zu starke Macht zwang mich, sie ohne Hoffnung zu lieben. Dieß war die Ursache meiner Schwermuth! Ich entschloß mich, einen Trieb, den ich nicht aus meinem Herzen jagen konnte, doch so wohl darinnen zu verbergen, daß niemand, als ich, jemals etwas von meinem Unglücke hören sollte. Der Himmel weiß, wie viel ich dabey gelitten! Ich würde auch jetzt eher sterben, als es entdecken; wenn ich nicht einige schwache Hoffnung hätte, Climenen vielleicht einmal lieben zu können, ohne die Tugend und Freundschaft zu beleidigen. Orgon will seinen Sohn verheurathen. Wenn das geschieht, so kann ich mein Herz Climenen ohne Laster antragen. Ach! schon der Gedanke eines so großen Glücks entzücket mich![26]

LISETTE. Also weiß Climene selbst noch nichts von Ihrer Liebe? Ich hätte doch geglaubt, Sie hätten es ihr entdeckt!

DAMON. Nein, ich schwöre es dir! Ich gab mir die größte Mühe, es ihr zu verhehlen. Aber antworte mir einmal! Climene, die liebenswürdige Climene, sagest du, liebet! Ist es möglich, daß sie Mitleiden mit dem schwermüthigen Damon hat? Ist es möglich, daß sie bisweilen an mich denkt? Daß sie mich, wenn ich erblassen sollte, bedauern würde? Daß sie vielleicht mein Herz des ihrigen würdig schätzte? Daß mein Kummer vielleicht eine stille mitleidende Thräne von ihren himmlischen Wangen herablocken könnte! Ach! Himmel! sollte ich so glücklich seyn?

LISETTE. O wenn ich mich nicht irre: und ich irre mich selten: so sind Sie noch glücklicher, als das. Aber was wollen Sie denn nun mit Ihrer Liebe anfangen? Wollen Sie sich Climenen noch nicht entdecken?

DAMON. Nein, das kann ich nicht eher thun, als bis mein Freund außer Stande ist, sie mehr zu besitzen. Ich wäre ihres Herzens nicht werth, wenn ich es thäte. Was würde mein armer Freund nicht von mir sagen können? Ich bedaure ihn! Ich schließe aus meiner Liebe zu Climenen, wie groß sein Schmerz seyn muß, wenn ihn sein Vater zwingt, sich mit einer andern zu verbinden. Warum kann ich denn nicht glücklich seyn, ohne meinen Freund unglücklich zu sehen? Müssen alle meine Freuden mit einem unüberwindlichen Schmerze vermischt seyn? – Doch nein, ich murre nicht über mein Glück! Climene liebet mich! das ist genug, um froh zu sterben!

LISETTE. O fallen Sie nicht wieder in Ihre Schwermuth! Ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll.

DAMON. Nimm dieß kleine Geschenk, und sage niemanden ein Wort von dem, was du aus mir herausgelocket hast; Climenen am allerwenigsten.

LISETTE. St! St! sie kömmt; wohin laufen Sie?

DAMON. Ich kann in der Gemüthsverfassung, in der ich bin, unmöglich unter ihre Augen treten. Ich würde meinen Freund, die Tugend, mich selbst vergessen: ich muß meine Zärtlichkeit zu besänftigen suchen, um ruhig zu scheinen. Wie reizend ist sie nicht! und sie liebet mich! O Tugend! ich hätte nicht geglaubt, daß du meinem Herzen so schwer werden könntest!

LISETTE sieht ihm nach. Habe ich es nicht gesagt, daß ich es herausbringen würde? Still! hier kömmt die andere.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 24-27.
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