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[409] So zeigte denn in einer weißen Rose
Gestalt sich mir die heilige Streiterschar,
Die Christus durch sein Blut zur Braut sich machte.
Die andre Schar, die fliegend dessen Glorie
Der sie in Lieb' entzündet, und die Güte,
Die sie so hoch erhöht hat, schaut und preiset,
War Bienen zu vergleichen, die sich bald
In Blumen tauchen, und bald dahin kehren,
Wo ihre Arbeit sich in Honig wandelt.
Sie stiegen nieder in die große Blume,
Die so viel Blätter schmücken; dann erhoben
Sie dorthin sich, wo ihre Liebe weilt.
Das Antlitz aller glich lebend'ger Flamme,
Die Flügel waren Gold, so weiß das andre,
Daß solche Weiße nimmer Schnee erreicht.
Wenn in die Blumen sie sich senkten, teilten
Von Sitz zu Sitz sie Frieden aus und Inbrunst
Die, ihre Flanken fächelnd, sie erworben.
Und ob auch fliegend noch so viele zwischen
Die Blum' und das was drüber schwebte kamen,
So hemmten sie das Sehn nicht und den Glanz;
Denn es durchdringt das Gottentstammte Licht
Je nach der Würdigkeit das ganze Weltall,
So daß ihm nichts den Weg versperren kann.
Es richtete dies ganze freuderfüllte
Und sichre Reich, von Geistern alt und neu
Bevölkert, auf ein Ziel so Blick als Liebe
Dreifaches Licht, das du aus einem Sterne
Auf ihre Blicke strahlend sie beseligst,
Blick' auf den Sturm, der uns bedroht, hernieder!
Wenn die Barbaren, aus dem Lande kommend
Das stets, mit ihrem Sohn, nach dem sie schmachtet,
Den Pol umkreisend Helice bedeckt,[410]
Als Rom sie sahn und seine hohen Werke,
Erstaunten, um wie viel der Lateran
Was Menschen sonst geschaffen überragte,
Welch' Staunen mußte da sich mein bemächt'gen,
Der ich zum Göttlichen vom Menschlichen,
Zum Ew'gen von der Zeit gekommen war,
Und zu gerechtem, lautrem Volk von Florenz
Erfüllt von Staunen und von Freude, war mir
Willkommen stumm zu sein und nicht zu hören.
Und wie der Pilger in dem Tempel seines
Gelübdes am Beschaun sich freut, und schon,
Wie er beschaffen, zu erzählen hofft,
So ließ in dem lebend'gen Licht die Blicke
Lustwandelnd ich von Sitz zu Sitze schweifen,
Bald aufwärts, bald hinab, und bald im Kreise.
Antlitze sah ich, die zur Liebe mahnten,
Verschönt durch fremdes Licht und eignes Lächeln,
Gebärden auch im Schmuck der Zucht und Sitte.
Die allgemeine Form des Paradieses
War deutlich meinem Auge schon geworden;
Doch hatte nirgends noch mein Blick verweilet.
Da wandt' ich mich mit neuentflammtem Wunsche
Zu meiner Herrin, Dinge sie zu fragen,
Die mit Erstaunen meinen Geist befingen.
Sie meint ich; Antwort sollt' ein andrer geben.
Beatrix galt mein Blick, und einen Greis,
Gekleidet gleich den sel'gen Scharen, sah ich.
Wohlwollen übergoß und Freudigkeit
So Aug' als Wangen ihm, und die Gebärde
War teilnahmsvoll in väterlicher Liebe.
Und: Wo ist sie? – rief alsobald ich aus.
Er aber: Daß dein Wunsch sich ganz erfülle,
Entsandte mich von meinem Platz Beatrix.
Blickst du hinauf, so wirst im dritten Kreise
Vom obersten du auf dem Thron sie sehen,
Der ihr beschieden ward für ihr Verdienst. –[411]
Nicht Antwort gab ich und erhob die Augen;
Da sah ich sie, und wie die ew'gen Strahlen
In ihr sich spiegelten und sie umkränzten.
Kein sterblich Auge, das in's Meer am tiefsten
Sich tauchte, ist von jener Himmelsgegend,
Wo es am höchsten donnert, so entfernt,
Als Beatrice meinen Blicken dort war;
Doch hinderte mich's nicht, denn unentstellt
Durch Zwischenliegendes sah ich ihr Bild.
O Herrin, du, in der mein Hoffen lebt,
Die deiner Füße Spuren in der Hölle
Zu lassen du nicht scheutest, mich zu retten,
Die Gnade und die Heilskraft all der Dinge,
Die mir zu sehn gewährt ward, danke ich
Nur deiner Güte, danke deiner Macht sie.
Du hast vom Knechte mich auf allen Wegen,
In allen Weisen, so wie dir die Macht
Darüber zustand, hingeführt zur Freiheit.
Erhalte deine Herrlichkeit in mir,
So daß die Seele, die durch dich gesund ward,
Dir wohlgefällig sich vom Körper löse. –
So bat ich, und wie fern sie mir auch schien,
So lächelte und blickte sie mich an;
Dann kehrte sie zurück zur ew'gen Quelle.
Der heil'ge Greis begann: Damit du völlig
Den Weg beendest, welcher dir bestimmt ist,
Wozu mich heil'ge Lieb' und Bitte sandten,
So fliege mit dem Blick durch diesen Garten;
Sein Anschaun wird dein Auge mehr befäh'gen,
Empor dann durch den Gottesstrahl zu steigen.
Des Himmels Königin, für die in Liebe
Ich ganz entbrenne, wird uns Gnade spenden,
Dieweil ich Bernhard, ihr Getreuer, bin. –
Wie wer von fernher, etwa von Kroatien,
Gekommen die Veronica zu sehn,
Sich ob des alten Rufes nimmer satt sieht,[412]
Und während sie gezeigt wird, bei sich sagt:
Mein Heiland, Jesus Christus, wahrer Gott,
So war dein Antlitz also denn gestaltet?
So war mir, als ich die lebend'ge Liebe
Des Mannes ansah, der in dieser Welt
In frommem Schau'n den Frieden jener schmeckte.
O Sohn der Gnade, dieses heitre Sein,
Also begann er, wirst du nicht erkennen,
Wenn nur an diesem Grund dein Auge haftet.
Blick auf denn zu den Kreisen bis zum fernsten,
So daß die Königin du sitzen siehst,
Der in Verehrung untertan dies Reich ist. –
Ich schlug die Augen auf, und wie am Morgen
Was von dem Horizont gen Aufgang liegt,
Des Niederganges Gegend überstrahlt,
So sah ich, wie vom Tal zu Berg die Augen
Erhebend, einen Teil des obren Randes
An Helligkeit des Kreises Rest besiegen.
Und wie's am hellsten da ist, wo der Deichsel,
Die übel Phaëthon gelenkt, man wartet,
Indessen rechts und links das Licht sich mindert,
So sah ich jene Friedens-Oriflamme
Am hellsten mitten, und zu beiden Seiten
Die Flamme gleicher Weise sich vermindern.
Um jene Mitte sah ich tausend Engel
Und mehr mit ausgespanntem Fittig jubeln;
Verschieden war an Glanz und Weise jeder.
Zu ihren Spielen sah, zu ihren Liedern
Ich eine Schönheit lächeln, welche Wonne
Den Augen all der Heiligen gewährte.
Und gliche meiner Rede Reichtum dem
Der Phantasie, so wagt' ich dennoch nimmer,
Von ihrem Reiz das Mindeste zu schildern.
Als Bernhard meine Augen auf die Glut
Der eignen Wärme fest gerichtet sah,[413]
Wandt' er die seinigen mit solcher Inbrunst
Zu ihr, daß ich im Schau'n noch mehr entbrannte.
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