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[61] Weil mich das Mitgefühl der gleichen Heimat
Bewegte, sammelt' ich die losen Blätter
Am Fuß des matt gewordenen Strauches auf.
Dann kamen dorthin wir, wo von dem zweiten
Der dritte Ring sich trennt und wir die grause
Kunst göttlicher Gerechtigkeit erblickten.
Was sich hier zeigte wohl zu schildern, sag' ich
Daß wir zu einer weiten Fläche kamen,
Die keiner Pflanze Wuchs auf sich gestattet.
Der Wald des Weh's umgibt gleich einem Kranz sie,
Wie diesen wiederum der heiße Blutstrom.
Dort gingen wir entlang am letzten Saume.
Die Tenne war von dichtem, trocknem Sande,
Beschaffen gleich dem Wüstensande, den
In Lybien Cato's Füße einst betreten.
Wie sehr, o Rache Gottes, sollte jeder
Dich fürchten, der da liest, was meinem Auge
Auf diesem Sandgefild sich offenbarte:
Von nackten Seelen sah ich manche Schar
Und alle jammerten vor Schmerz, obwohl
Verschiedner Ordnung sie botmäßig schienen.
Die einen lagen rücklings ausgestreckt,
Am Boden sitzend kauerten die zweiten,[61]
Noch andere rannten rastlos hin und wieder.
Die größte Zahl war deren, die da liefen
Die liegend Qual erlitten waren minder,
Doch lauter klagend regten sie die Zunge.
Und große Feuerflammen fielen leise
Auf jenes Sandes weite Fläche nieder,
Wie Schnee bei stiller Luft im Hochgebirge.
So wie die Flammen, die auf Alexander's
Heerschar im heißen Indien niederfielen
Und ihre Glut am Boden noch bewahrten
(Weshalb der König seine Leute hieß,
Das Erdreich festzustampfen, weil die Dünste
Für sich allein sich besser löschen ließen),
So regnete die ew'ge Glut hernieder,
Wovon der Sand, zur Qualverdopplung, brannte,
Wie unterm Feuerstahl sich Schwamm entzündet.
Es war ohn' Unterlaß der Tanz der Hände,
Womit bald hier bald dort sich die Gequälten
Des frischen Brandes zu erwehren suchten.
O, Meister, hub ich an, der alle Dinge
Bezwingt, die bösen Teufel ausgenommen,
Die uns am Eingangstor entgegentraten,
Wer ist der Große, welcher diese Flammen
Für nichts zu achten scheint und trotzig daliegt,
Als ob der Feuerregen ihn nicht kümmre? –
Doch jener, der vernahm, daß seinetwegen
Ich meinen Führer frug, schrie mir zur Antwort:
Der ich im Leben war, bleib' ich im Tode!
Mag Jupiter nur seinen Schmied ermüden,
Von dem im Zorn den scharfen Blitz er nahm,
Zu Boden mich am letzten Tag zu schmettern,
Mag in des Mongibello schwarzer Esse
Im Wechseldienst die andren er ermatten
Und schrein: Zur Hilfe komm, Vulcan zur Hilfe,
So wie er schrie bei jenem Kampf von Phlegra,
Mag Blitz' er nach mir schleudern wie er will;[62]
Nie soll er Freud' an seiner Rach erleben. –
Da sprach mein Führer mit gehobner Stimme,
Daß ich so laut ihn nimmer noch vernommen:
O Kapaneus, daß ungebeugt dein Stolz ist,
Darin erleidest du die schwerste Strafe;
Denn keine Qual vermöchte deinen Frevel
So zu vergelten, als wie deine Wut. –
Dann, freundlicheren Blicks zu mir gewendet:
Von jenen sieben Königen war er einer,
Die Theben einst belagert, und noch scheint er
So wie er damals tat, Gott zu verachten.
Doch ist sein Schmähen, wie ich eben sagte,
Für seine Brust die wohlverdiente Zierde.
Nun aber folge mir und habe acht,
Den Sand, der glimmend ist, nicht zu betreten;
Stets halte hart am Walde sich dein Fuß. –
Wir gingen schweigend, bis wir zu der Stelle
Gelangten, wo dem Wald' ein kleines Flüßchen
Entquillt, ob dessen Röte noch mir schaudert.
Wie aus dem heißen Sprudel bei Viterbo
Der Bach rinnt, den die Sünderinnen teilen,
So rann dies Flüßchen durch den Sand dahin.
Sein Boden und die Ufer beiderseitig,
So wie die Ränder, waren fester Stein;
Daraus erriet ich, daß dort unser Weg sei.
Von allem was seither ich dir gewiesen,
Seitdem durch jene Pforte wir gekommen,
Durch welche einzutreten jedem freisteht,
Sah nichts dein Auge, das bemerkenswert
Gleich diesem Bach ist, welcher über sich
Jedwede Glut des Feuerregens auslöscht. –
So lauteten die Worte meines Meisters;
Drum bat ich, daß die Speis' er mir gewähre,
Zu der die Lust in mir er wachgerufen.
Einsam im Meer liegt ein verwüstet Eiland,
Entgegnet' er darauf, des Nam' ist Kreta.[63]
Keusch war die Welt, als einst sein Fürst regierte.
Dort ist ein Berg, der sonst durch Wald und Quellen
Das Aug' erfreut, und den man Ida nannte;
Verwüstet ist er jetzt und ungeachtet.
Den wählte Rhea einst zur sichren Wiege
Für ihren Sohn, und ließ, sobald er weinte,
Ihn übertönendes Geschrei erheben.
Aufrecht in jenem Berge steht ein Greis!
Die Schultern wendet er nach Damiette,
Und Rom als seinen Spiegel schaut er an.
Es ist sein Haupt aus feinem Gold gebildet,
Von reinem Silber sind so Brust als Arme,
Das weitre bis zur Gabelung ist Kupfer.
Von da nach unten folgt erles'nes Eisen;
Doch ist der rechte Fuß gebrannter Ton,
Und mehr auf ihm, als auf dem andern ruht er.
Das Gold ist unversehrt; sonst zieht durch alle
Die Glieder sich ein Spalt, der Tränen träufelt,
Die dann vereinigt diesen Fels durchfressen.
Zu diesem Tal senkt sich ihr Lauf hernieder;
Sie bilden Acheron, Styx, Phlegethon,
Und fließen dann durch diese enge Rinne
Zu jenem Punkt, wo man nicht weiter absteigt.
Dort bilden sie Cocytus, welchen Teich
Du selber sehn wirst. Drum laß hier mich schweigen. –
Drauf sagt' ich: Wenn nun also dieser Graben
Bis hier von unsrer Oberwelt herabfließt,
Warum begegneten wir ihm nicht früher? –
Und er zu mir: Du weißt, daß rund der Raum ist,
Und ob du wohl, fortwährend links gewendet,
Schon weit hinabgestiegen in die Tiefe,
Hast du den ganzen Kreis noch nicht vollbracht.
Wenn also neues unserm Blick sich zeiget,
Soll sich dein Auge darum nicht verwundern. –
Drauf sprach ich weiter: Sage mir wo sind denn
Lethe und Phlegethon? Du schweigst vom einen,[64]
Den andern sagst du bilden jene Tränen. –
In allen deinen Fragen lob' ich dich;
Allein des roten Wassers Sieden konnte
Dir eine, die du tatest, füglich lösen.
Lethe wirst du, doch nicht hier unten sehn.
Es waschen sich in ihm die reu'gen Seelen,
Wenn Buße ihnen jede Schuld getilgt hat. –
Dann sagt er: Uns vom Walde zu entfernen
Ist es nun Zeit, drum folge meinen Schritten,
Gehn wir den Damm entlang; die Glut verschont ihn
Und über ihm erlischt der Feuerregen. –
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