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[308] Zurückkunft in England.
Als wir in Archangel angelangt waren, fanden wir noch keine Kauffahrteischiffe von irgend einer Nation gegenwärtig, was uns nicht wenig befremdete, da wir besorgt gewesen, eher zu spät als zu früh einzutreffen. Erst nachdem wir einen Monat lang mit Sehnsucht gewartet hatten, kam ein Hamburgisches Schiff, das erste, das dies Jahr seine Flagge in diesem Gewässer wehen ließ. Wir hatten aber unsere Zeit nicht unbenutzt verfliessen lassen; Herr Wilson, immer darauf bedacht, aus allen Umständen den größtmöglichen Vortheil zu ziehen, fand, daß wir einen Theil unserer chinesischen Waaren und was uns noch von den ostindischen übrig geblieben war, um einen gewinnvollen Preis absetzen und dadurch die Fracht nach England ersparen könnten; wir machten daher gute Geschäfte, verminderten bedeutend unsere Waaren und erhielten dafür baares Geld oder annehmliche Wechsel, welche seiner Zeit richtig bezahlt wurden. Wir machten mit dem Hamburger Bekanntschaft und ebenfalls gute Geschäfte, und entschlossen uns, da letztere ihn in Stand setzten, eher abzufahren, als andere Schiffe[308] durch ihre Ankunft und Konkurrenz den Ankauf vertheuerten, abzusegeln, die Reise nach Hamburg an Bord seines Schiffes zurückzulegen, da wir in letzterer Stadt auch einen Theil unserer Waaren eben so gut als in England verkaufen konnten. Wir kamen über die Fracht überein; ich sandte mein Gepäcke und meine Waarenballen an Bord und es war ganz natürlich, daß mein Sekretär zu ihrer Besorgung zu Schiffe gieng, was ihm ungesucht die beste Gelegenheit verschaffte, sich dahin zu begeben und daselbst zu bleiben, um sich vor Entdeckung zu sichern; ich fühlte mich ausserordentlich erleichtert, als ich ihn auf dem Schiffe geborgen wußte, wo er sich so lange still hielt, als wir genöthigt waren, noch in Archangel zu bleiben, bis das Fahrzeug segelfertig war. Endlich konnten wir am 20. Aug. 1704 absegeln und liefen nach einer glücklichen Fahrt am 13. Sept. in die Elbe, Tags darauf vor Hamburg ein und ankerten, wo wir beinahe alle unsere Waaren mit bedeutendem Gewinn absetzten und nur noch wenige nach England mitnahmen.
Hier in Hamburg trennte sich der Prinz von mir, um sich nach Wien zu begeben, wo er Schutz und Gelegenheit finden konnte, mit den Freunden seines Vaters, die sich noch am russischen Hofe und in Gunst befanden, in Verbindung zu treten. Unser Abschied war sehr rührend. Er dankte mir mit Thränen für den ausgezeichneten Dienst, den ich sei nem Herrn Vater und ihm so freundschaftlich und uneigennützig bewiesen habe und den er in seinem ganzen Leben nicht vergessen würde. Ich habe seit unserer Trennung weiter[309] keine Nachrichten von diesem Prinzen erhalten. Möge es ihnen so wohl ergehen, als sie es verdienen.
Nach einem Aufenthalt von sechs Wochen verliessen wir, Herr Wilson und ich, Hamburg und langten am 29. Oktober 1704 glücklich in London an, nachdem ich über zehn Jahre abwesend gewesen war. Ich berichtigte nun meine Rechnung mit Herrn Wilson und es fand sich, daß Jeder von uns für seinen Antheil an den gemeinschaftlichen Geschäften 3475 Pfund Sterling 15 Schilling reinen Gewinn hatte. Ausserdem hatte ich noch für diejenigen Waaren, die ich in Nanking für meine besondere Rechnung gekauft hatte und für die Diamanten, welche allein 600 Pfund Sterling an Werth betrugen, mit Einschluß von diesen 1389 Pfund Sterling gewonnen. Herr Wilson ist in folgendem Jahre wieder nach Bengalen gereiset und nach einer Abwesenheit von fünf Jahren wieder glücklich und mit einer großen Fortun nach London zurückgekommen, wo wir uns oft sehen und von unsern überstandenen Gefahren, Reisen und Abentheuern unterhalten.
Ich war entzückt, die gute Wittwe und meine beiden Kinder im erwünschtesten Zustande anzutreffen. Jene war freilich alt und schwächlich geworden, aber doch für ihre zweiundachtzig Jahre noch recht wohl und munter. Meine Kinder, ein Sohn von dreizehn und eine Tochter von eilf Jahren, befanden sich recht wohl, und hatten durch die Vorsorge der guten Wittwe eine vorzügliche Erziehung erhalten, zu welchem Ende sie ein wohl unterrichtetes, aber unbemitteltes Frauenzimmer[310] als Erzieherin angenommen hatte, die ihr als Gehülfin bei ihrem hohen Alter unentbehrlich und den Kindern sehr vortheilhaft war. Mit diesen vier Personen bewohne ich nun ein schönes Haus, in angenehmer Gesellschaft. Die schöne Jahrszeit bringe ich auf einem reizenden Landhause zu, das ich in den Umgebungen von London angekauft habe. Mein sicher angelegtes Vermögen hatte sich bedeutend vermehrt, und war noch durch das auf meinen letzten Reisen Erworbene noch mehr angewachsen, so daß ich mich in höchst günstigen Umständen befinde.
Mein Neffe war, während meiner Abwesenheit, zweimal aus Ostindien zurückgekommen. Die Nachricht von unserer Trennung und die Ungewißheit meines Schicksals hatte die Wittwe und meine Kinder desto mehr beunruhigt, da nach seiner zweiten Zurückkunft, vor ungefähr anderhalb Jahren, mein Neffe nichts weiter von mir zu berichten wußte, als daß ich nach China abgesegelt sey, und man nichts weiter von mir vernommen habe. Es hieß, mein Neffe habe Glück in seinem Berufe, und besitze ein artiges Vermögen. Von dem jungen Manne, dem wir in Quinschang unser Schiff übergaben, habe ich schon oben den Erfolg angezeigt.
Jetzt lebe ich glücklich in meinem Vaterlande, und fühle weiter keine Anregung, neue Reisen zu unternehmen. Ein Alter von zweiundsiebzig Jahren hat die Reiselust völlig ausgetilgt. Doch gewährt mir die Erinnerung an meine Reisen zu Wasser und zu Lande, und an die mannigfaltigen Schicksale und Begebenheiten,[311] die ich erlebt, und die vielen verschiedenen Länder und Völker, die ich gesehen habe, einen so hohen und angenehmen Genuß, daß ich um keine Schätze der Welt alles das nicht möchte erfahren haben. Still fließt mein Leben hin, und ich bereite mich zu einer weitern und letzten Reise vor, die allen Sterblichen bevorsteht, davon keiner zurückkehrt.[312]
Ausgewählte Ausgaben von
Robinson Crusoe
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