Neunzehnter Abschnitt.

[294] Erkundigungen.


Unter solchen und ähnlichen Beschäftigungen und Gesprächen lebten wir drei Jahre glücklich und so zufrieden, daß ich gar nicht wünschte, von dieser Insel wegzukommen, sogar nicht einmal das feste Land zu besehen, dessen Nähe mich vorhin so oft beunruhigt und angelockt hatte; wohl aber wandelte mich die Neugierde an, es wenigstens durch Freitag kennen zu lernen, wozu denn ein Ausflug nach meinem Landhause besondere Veranlassung gab. Dort hatten wir Früchte einzusammeln, und mußten einige Tage verweilen, unter denen ein Sonntag[294] war. An dessen Nachmittag führte ich ihn an die Südwestküste meiner Insel, wo er sich sogleich wieder erkannte, und mir dann erzählte, daß er einmal hier einem Siegesmahle beigewohnt hatte, wo man zwanzig Männer, zwei Weiber und ein Kind verzehrt hatte. Um mir diese Anzahl deutlich zu machen, da er auf englisch noch nicht so viel zu zählen wußte, legte er drei Reihen Steine auf den Boden, nämlich in die erste zwanzig, in die zweite zwei und in die dritte einen, und hieß mich sie zählen. Da die Luft sehr helle war, so bestiegen wir einen der Hügel am Fuß der südlichen Bergkette. Freitag sah mit angestrengter Aufmerksamkeit gegen die entfernte lange Küste, und fieng dann auf einmal an zu tanzen, zu jubeln und auszurufen: O Freude! dort, sieh dort mein Land, mein Volk! Sehnsucht und Entzücken strahlten aus seinen Augen, und ergossen sich in Ausrufungen, bald in englischer, bald in seiner Sprache. Der ungekünstelte Natursohn bemerkte nicht, wie beunruhigend und folglich unangenehm die Bemerkung für mich war, daß er sich von mir weg in sein Land zurück wünschte, denn eine erneuerte Einsamkeit wäre mir jetzt unausstehlich und weit unerträglicher als vormals gewesen; ich eilte also, ihn von dieser Stelle wegzuführen, und in dieser Gegend meine Geschäfte so schnell als möglich zu beendigen. Mein Argwohn nahm täglich zu, dauerte mehrere Wochen, und so lange unterließ ich nicht, ihn auszuforschen, wozu ich Muße genug hatte, denn die Regenzeit war kurz nachher eingetreten. Ich war zurückhaltender und weniger freundlich als sonst. Allein ich that dem[295] Herzensjungen Unrecht; alle seine Antworten waren so aufrichtig und unbefangen, daß ich nicht die geringste Nahrung für meinen Argwohn darin finden konnte; alles athmete Ergebenheit, Dankbarkeit und Unschuld, so daß er nicht einmal mein verändertes Betragen bemerkte. Eines Abends fragte ich ihn: »du möchtest also gerne wieder zu deinen Landsleuten zurückkehren?«

Freitag. O ja, ich möchte wohl meinen Vater, Verwandte und Freunde wieder sehen.

Rob. Und wolltest wieder ein Wilder werden, Menschen schlachten und ihr Fleisch verzehren.

Fr. Nein, nein! ich will meinen Bekannten sagen, daß sie kein Menschenfleisch, sondern Thierfleisch, Kornbrod, Milch essen sollen.

Rob. Und wenn sie darüber böse werden, dich todtschlagen und selbst aufessen?

Fr. O sie schlagen mich nicht todt, sondern werden gerne von mir lernen.

Rob. Nun dann, so gehe wieder zu deinen Landsleuten.

Fr. O es ist viel zu weit, wie wollte ich bis dahin schwimmen können?

Rob. Ich will dir ein Boot geben, und darin sollst du in dein Land zurückkehren.

Fr. Warum bist du böse auf mich? Was hab' ich dir zu Leide gethan, daß du mich fortschicken willst?

Rob. Ich bin gar nicht böse auf dich, und wollte dir Freude machen; hast du mir nicht selbst gesagt, du möchtest wieder in dein Land?

Fr. O ja, ich will gerne hingehen, aber du mußt[296] auch mitkommen; Freitag ist nicht gerne da, wo sein Herr nicht ist.

Rob. Ich mit dir gehen? Deine Leute würden mich ja gleich todtschlagen und verzehren.

Fr. O nein, das wird nicht geschehen; ich will schon machen, daß sie dich viel lieb haben, will ihnen sagen, du hättest Freitags Leben gerettet und seine Feinde getödtet.

Rob. Aber was sollte ich dort, wo ich nicht das Geringste zu thun wüßte?

Fr. Du kannst dort sehr viel Gutes machen, die wilden Menschen lehren gut seyn, sie lehren Gott kennen, zu ihm beten, sie lehren Acker bauen, Korn pflanzen, Brod backen, neu leben.

Rob. Ach Freitag, du weißt nicht, wie schwer das ist; geh du nur bin!

Fr. O schlage mich lieber todt, als daß du mich fortschickst; mag nicht leben, ohne bei dir zu seyn.

Dies sagte er tief gerührt und mit thränenden Augen, so daß ich von seinem festen Willen, mich nie zu verlassen, völlig überzeugt und seinetwegen beruhigt ward, ihm meine vorige Liebe wieder schenkte, ihm herzlich die Hand drückte, und versprach, uns nie zu trennen, worüber er seine Freude nicht genug auszudrücken wußte.

Dies Gespräch veranlaßte mich, durch Fragen noch mehr von seinem Volke zu erfahren, wo er mir dann besonders viel von ihren Kriegen erzählte. Besiegt ihr eure Feinde, oder werdet ihr von ihnen überwunden?

[297] Fr. Wir schlagen sie immer. Mein Volk streitet am besten.

Rob. Du und deine Gefährten sind aber doch gefangen, zum Theil erschlagen und verzehrt worden.

Fr. Sie mehr waren als wir, und nahmen doch nur ein, zwei, drei und mich. Aber am andern Ort, wo ich nicht war, da nahm mein Volk nicht nur ein, zwei, drei, vier, aber gar viele, große Menge.

Rob. Wie kannst du denn das wissen, da du nicht dabei und selbst gefangen wardst?

Fr. Weil wir sie immer schlagen, am besten streiten.

Rob. Warum haben dich die von deiner Parthei denn nicht aus den Händen deiner Feinde gerettet?

Fr. Die Feinde brachten uns Gefangene gleich in das Kanot, aber meine Landsleute hatten keine Kanots bei sich.

Rob. Wenn ihr Gefangene habt, was macht dein Volk mit ihnen?

Fr. Mein Volk ißt sie alle auf, alle, alle.

Rob. Wohin führt ihr sie denn?

Fr. Auf die nächste, beste Insel; auch auf diese.

Rob. Bist du denn auch schon hier gewesen?

Fr. O ja, mehr als einmal, aber nicht da, wo ich weglief, sondern wo die Sonne weggeht. – Er wies nach West.

Rob. Wie weit ist es von hier bis an das feste Land?

Fr. Vom Morgen bis an den Abend. (Er konnte sich nicht anders erklären, um eine Tagreise aus zudrücken.)

[298] Rob. Ist denn keine Gefahr, daß so kleine Fahrzeuge zu Grunde gehen?

Fr. Niemals, nur muß man sich in Acht nehmen, nicht in einen Strom zu fallen, der einen weit in's Meer hinaus führt; auch weht ein Wind des Morgens und ein anderer des Abends.

Ich glaubte, er wolle von der Ebbe und Fluth reden, welche er irrig den Winden zuschrieb, allein seither gab ich darauf Acht, und bemerkte, daß wirklich ein Land- und Seewind in diesen Gewässern abwechselte, welches von der heftigen Zu- und Abströmung des mächtigen Flusses Orinoko herrührte, in dessen Mündung meine Insel lag.

Rob. Glaubst du denn, daß es möglich wäre, von dieser Insel an jenes Land zu kommen?

Fr. O ja, du kannst dahin fahren in zwei Kanots.

Rob. In zwei Kanots? was willst du damit sagen? –

Nun gab er sich viele Mühe, mit Worten und Geberden sich mir verständlich zu machen, und ich brachte endlich mit eben so viel Mühe heraus, daß das so viel bedeuten sollte, als ein Boot, das so groß als zwei Kanots wäre. Dieser Theil von unserm Gespräche war mir sehr angenehm, und weckte aufs neue die Hoffnung in mir, mit Hülfe Gottes und meines Freitags Gelegenheit zu finden, diese Insel zu verlassen, und wieder in bewohnte Gegenden und zu gesitteten Menschen zu kommen. So wenig bedurfte es, um schlafende Neigungen zu erwecken. Ich that noch eine Menge Fragen nach diesen Gewässern, nach den Küsten, nach dem Lande, dessen Einwohnern[299] und den benachbarten Völkerschaften, und Freitag beantwortete sie mit der größten Offenherzigkeit und so gut er's verstand, konnte mir aber von den letztern nichts weiter sagen, als daß sie Karibs hießen. Hieraus merkte ich, daß dies die Karaiben wären, die den Landesstrich von der Mündung des Orinoko bis nach Guiana und St. Martha bewohnen, und daß die Küsten, die sich von West bis Nordwest ausdehnten, und ich für festes Land hielt, die an der nördlichen Spitze jenes Flusses liegende Insel St. Trinidad sey.

Er erzählte mir auch, daß weit jenseits dem Monde – nämlich westwärts wo er untergieng – weiße Menschen wohnten mit Bärten wie der meinige – wobei er darauf wies – welche viele Leute getödtet hätten. Es war hieraus leicht zu errathen, er spreche von den Spaniern, deren Grausamkeiten in Amerika überall bekannt und allen Nationen ein Gegenstand der Verabscheuung sind, die sich mit dem Haß von Vater auf den Sohn fortgepflanzt hat.

Dieses Gespräch leitete mich auf den Einfall, ihm das auf dem Strande liegende, ganz in Stücken zerfallene Boot zu zeigen, in welchem wir uns vom gescheiterten Schiffe hatten retten wollen. Ich führte Freitag zu dessen Trümmern, und als er sie eine Weile stillschweigend betrachtet hatte, sagte er: So ein Boot wäre an das Land geschwommen, wo seine Nation wohnte. Ich verstand ihn nicht gleich, begriff aber endlich so viel, daß ein ähnliches Boot, welches wahrscheinlich einem europäischen Schiffe angehörte, das in diesen[300] Gewässern verunglückt war, an die Küste seines Vaterlandes getrieben worden seyn müsse. Die Beschreibung, die er davon machte, bestärkte meine Vermuthung, und beschäftigte mich so sehr, daß mir nicht einfiel zu fragen: ob auch Menschen in dem Boot gewesen, ob sie gerettet worden und woher sie gekommen wären? Freitag aber erinnerte mich selbst daran, indem er hinzusetzte: Wir haben die weißen, bärtigen Leute vom Ertrinken gerettet.

Robinson. Waren denn weiße Menschen in dem Boote?

Freitag. O ja, das ganze Boot war voll. (Es waren deren siebenzehn, die er mir auf ähnliche Art mit Steinen aufzählte.)

Rob. Und was ist denn aus ihnen geworden? Wo sind sie?

Fr. Sie wohnen bei meinen Landsleuten.

Rob. Wie kömmts, daß ihr sie nicht erschlagen und verzehrt habt?

Fr. Wir essen nur die Kriegsgefangenen, aber diese leben noch, wir haben ihnen Lebensmittel gegeben und Bruderschaft mit ihnen gemacht.

Rob. Ist es schon lange, daß sie bei euch wohnen?

Fr. Sie sind schon seit vier Jahren bei uns.

Dies erinnerte mich an das Schiff, das eben um dieselbe Zeit im Angesicht meiner Insel gescheitert, auf dessen Wrak ich gewesen, doch Niemand gefunden hatte, da sich die Mannschaft, als sie ihr Fahrzeug zertrümmert und sich ohne Rettung sah, in's Boot begeben hatte, mit selbigem wahrscheinlich an die Küste von [301] Freitags Vaterlande war getrieben worden. Diese konnte, nach dem Bau des Schiffs zu urtheilen, keine andern als Spanier oder Portugiesen seyn, und nun schien es mir möglich, mit Freitags Hülfe zu ihnen und gemeinschaftlich auf selbst gebautem Schiffe in Gegenden zu gelangen, wo Europäer wohnten, von wo es dann leicht wäre, in unser Vaterland zurückzukehren. Dies war nun der Gegenstand aller meiner Gedanken, denn nun hatte ich die Wahrscheinlichkeit des Gelingens vor mir.

In unsern Gesprächen beschrieb ich ihm nun die Länder von Europa, besonders England, unsere Religionsgebräuche, unsere Sitten, Wissenschaften, Künste, Fabriken und Handwerke, unsere Städte, Gebäude und die großen Schiffe, in denen wir nach allen Ländern der Erde fahren. Ich erzählte ihm von unsern Kriegen zu Wasser und zu Lande, besonders aber von dem Schiffe, auf welchem ich mich selbst befunden, auf welche Art es an jener Klippe zertrümmert und untergegangen, und wohin es nachher durch die steigende Fluth getragen worden, wie ich mich gerettet und auf diese Insel gekommen sey, wie lange ich nun schon hier gelebt, wie ich gearbeitet und alles zu Stande gebracht hätte, wie er es jetzt sehe. Ich zeigte ihm auch die Felsen, an denen das andere Schiff zerschmettert worden, und daß dieses wahrscheinlich das nämliche gewesen, auf welchem sich die bärtigen weißen Männer befunden hätten, welche jetzt bei seinen Landsleuten wohnten. An allem dem nahm er jenen lebhaften Antheil, den unbekannte Dinge so leicht erregen.[302]

Da ich nun seinetwegen ganz beruhigt war, entdeckte ich ihm das für ihn so große Geheimniß des Schießpulfers, der Kugeln und des Schießgewehrs, lehrte ihn schießen und zielen, worin er es mir gar bald zuvor that. Dann gab ich ihm eine Flinte, ein Pistol und ein Messer, woran er große Freude hatte, und machte ihm ein Gehänge, um ein Beil darin zu tragen, welches nicht nur in vielen Fällen ein gutes Gewehr ist, sondern bei öftern Gelegenheiten, besonders in unserer Lage, weit nützlicher war als ein Säbel.

Eines Tages, bei unserm Abendspaziergang, führte ich Freitag zu meinem Boote, welches ich immer noch in der Bay, aber seit mehreren Jahren, aus Furcht vor den Wilden, nicht gebraucht, sondern im Wasser versenkt hatte; theils damit sie es nicht sehen möchten, theils damit es nicht verfaule. Nachdem wir es heraufgezogen, und vom Wasser geleert hatten, setzten wir uns beide in selbiges, und ruderten auf dem Meerbusen herum, und ich fand, daß er ganz vortrefflich damit umzugehen, und es schneller fortzubringen und wieder aufzuhalten wußte, als ich selbst. »Nun Freitag, wollen wir in diesem Boot zu deinen Landsleuten gehen?« fragte ich ihn. – Aber er hielt das Boot für viel zu klein, um darin so weit zu fahren. Hierauf sagte ich ihm, ich hätte wohl ein größeres. Als wir nun jenes wieder an seine Stelle gebracht hatten, doch ohne es zu versenken, gieng ich mit ihm an dem Ort vorbei, wo das große Boot war, das ich vor einigen zwanzig Jahren gemacht hatte, und nicht in's Wasser bringen konnte, und das jetzt, theils von[303] der Sonne ausgetrocknet und zersprungen, theils durch Wind und Regen halb verfault war. Dieses Kanot, meinte Freitag, wäre groß genug, und da könnte man doch genug Brod, Fleisch und Trank darein thun.

Da ich nun immer eine unüberwindliche Neigung fühlte, die siebenzehn Europäer aufzusuchen, und mit ihrer Hülfe mich und sie wieder in die Gesellschaft gesitteter Menschen zu bringen, so machte ich mich mit Freitag unverzüglich und ernstlich darüber her, ein tüchtiges Boot zu bauen, um darin mit all meinen Habseligkeiten die ferne Reise anzutreten.

Hierzu fanden sich nun Bäume im Ueberfluß, um eine ganze Flotte, nicht nur von Böten, sondern von großen Schiffen zu bauen; das war aber nicht genug, sondern der Baum mußte so nahe am Ufer stehen, daß das verfertigte Kanot leicht in's Wasser gebracht werden könnte. Freitag, der sich besser als ich darauf verstand, fand bald einen tüchtigen Baum, der demjenigen ähnlich war, den wir Brasilienholz nennen, und eine Mittelgattung zwischen diesem und dem Nikoraguaholz seyn mochte, denn er war beinahe von eben der Farbe und Geruch.

Freitag wollte nach Gewohnheit seiner Landsleute das Boot vermittelst des Feuers aushöhlen, allein ich zeigte ihm, wie wir das mit unsern Werkzeugen mit viel weniger Mühe aushauen könnten, und da ich ihm gelehrt hatte, wie er selbige, besonders die Aexte, handhaben sollte, kamen wir nach angestrengter Arbeit von einem Monat mit unserm Boote glücklich zu Stande, hatten es recht hübsch gemacht und der Aussenseite eine[304] geschickte Form gegeben, um leicht und im Gleichgewicht auf dem Wasser zu schwimmen. Es kostete uns aber wohl noch eine Zeit von zehn oder vierzehn Tagen, um selbiges so zu sagen Zoll für Zoll, vermittelst Hebel und großer Walzen, ins Wasser zu bringen.

Als es nun endlich flott war, fragte ich Freitag, ob wir uns in diesem Fahrzeug wohl hinüber wagen dürften? O ja, erwiederte er, wenn schon ein starker Wind wehen würde. Er nahm hierauf die Ruder des kleinen Boots, aber ungeachtet sie zu klein waren, sah ich mit Erstaunen, mit welcher Geschicklichkeit und Schnelligkeit er das große Boot zu regieren, zu wenden und fortzurudern wußte. Von den Segeln und von der Einrichtung und Wirkung des Steuerruders war ihm aber nicht das Geringste bekannt, und ich machte mir eine Freude, in's Geheim daran zu arbeiten, und ihn damit zu überraschen, denn ich wollte unser Fahrzeug mit Mast und Segeln, Steuerruder, Anker und Tauen versehen.

Ein Mast war leicht zu bekommen. Ich suchte und fand eine junge Zeder, die sich vortrefflich dazu schickte, und nicht weit entlegen war, da es deren eine große Menge auf der Insel gab. Ich zeigte Freitag, wie er sie umhauen, zurechte machen und ihr eine taugliche Gestalt geben sollte, dann sollte er sie bis zum Boote tragen; ferner ließ ich ihn vier Ruder machen, um bei Windstille, wo man nicht segeln kann, fortrudern zu können. Er war auch recht fleißig und geschickt, und machte alles zu meiner Zu friedenheit.

Während dem war ich beschäftigt, die Segel zu[305] verfertigen, was aber nicht so leicht war als ich anfänglich glaubte, denn die Stücke von alten Segeln, und selbst das Segeltuch, das noch neu war, als ich es vom Schiff brachte, lagen nun seit mehr als fünfundzwanzig Jahren in einer Ecke, und waren zum Theil verfault. Ich fand jedoch einen Theil noch brauchbar, und brachte mit vieler Mühe ein Stagsegel und ein Gieksegel nebst dem nöthigen Tauwerk zu Stande, machte auch ein Steuerruder und befestigte es an dem Fahrzeuge. Der Dreganker und dessen Tau vom kleinen Fahrzeug, die in meinem Magazin lagen, ließ ich durch Freitag in das neue Fahrzeug tragen. Alle diese Arbeiten kosteten mich eben so viel Zeit und Mühe als der Bau des Fahrzeugs.

Nachdem nun alles fertig und das Boot völlig aufgetakelt war, wozu Freitag gar große Augen machte, setzte ich mich mit ihm zu Schiffe, um auf der Bay herumzusegeln, und er war voll Verwunderung, wenn er mich das Boot mit dem Steuerruder hin und herwenden, und durch die Segel, die ich nach dem Winde richtete, forttreiben sah. Diese Fahrten auf dem Meerbusen wiederholte ich nun täglich, um Freitag in der Schiffskunst zu unterrichten, und nach einiger Uebung lernte er recht geschickt mit dem Steuerruder und mit den Segeln umgehen. Nur den Kompaß konnte ich im nicht begreiflich machen. Er konnte aber einmal für jetzt dieser Kenntniß desto eher entbehren, da ich das Steuerruder handhabte, und es in diesen Gegenden selten Nebel oder trübes Wetter giebt, so daß man bei Tage die Küsten und bei Nacht die Sterne sehen[306] kann, ausser in der Regenzeit, wo es aber Niemanden einfällt, weder zu Wasser noch zu Lande zu reisen.

Eben, als wir mit dem Bau und der Zurüstung des Boots fertig waren, trat diese herbstliche Regenzeit ein, im Anfang des siebenundzwanzigsten Jahres meiner Gefangenschaft auf dieser Insel, obgleich die letzten drei Jahre, da ich meinen guten Freitag bei mir hatte, mein Aufenthalt diese Benennung nicht verdiente, sondern sehr angenehm war. In dieser Zeit setzte ich meine ehemalige Lebensart fort, bestellte mit Freitags Hülfe meine Landwirthschaft, gieng oft zu meinem Landhause, grub, pflanzte, umzäunte, sammelte mein Korn, mein Reis, meine Baumfrüchte, Melonen und Trauben ein, trocknete diese letztern, besorgte meine Ziegen, und schlachtete deren nach Bedürfniß, gieng aber selten auf die Jagd, backte Brod, machte Töpferarbeit, flocht Körbe, worin Freitag große Geschicklichkeit zeigte; mein Hund, meine Papageien, Katzen und Ziegen machten mir immer noch viele Freude. Ich feierte die mir bekannten Festtage, die Sonntage und das Jahrsgedächtniß meiner Ankunft, mit eben der Dankbarkeit gegen Gott, wozu ich jetzt noch mehr Ursache hatte als vorher, da ich so viele Proben seiner Güte und gegenwärtig so große Hoffnung hatte, wieder in die Gesellschaft der Menschen zurückzukehren.

Sobald die Witterung stürmisch zu werden anfieng, setzten wir unser Fahrzeug in Sicherheit in eine Aushöhlung, die ich Freitag, neben der Stelle, wo das kleine Boot lag, hatte graben lassen, worin es gerade[307] Raum und Tiefe genug hatte, um beständig flott zu bleiben, und auch bei der höchsten Fluth und dem heftigsten Sturm sicher lag; um es vor Regen zu sichern, machten wir ein Dach über die Stelle, und in dieser Verfassung erwarteten wir die Monate November oder Dezember, um die Fahrt anzutreten. Diese war unsere tägliche Unterhaltung, und wir machten alle Anstalten zur Ausführung. Wir sorgten für unsern Mundvorrath; auch legte ich viele Dinge zurechte, die ich mitnehmen wollte, fand aber endlich, daß es besser wäre, erst hinzufahren, und die Leute zu sehen und mit ihnen zu sprechen, ehe ich etwas Weiteres unternähme; setzte daher Alles wieder an seinen Ort.

Quelle:
[Defoe, Daniel]: Der vollständige Robinson Crusoe. Constanz 1829, Band 1, S. 294-308.
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