|
[308] Die Geretteten.
Jetzt war die schöne Zeit eingetreten, und wir waren sehr beschäftigt, alles zu unserer Abfahrt einzurichten, welche in acht oder zehn Tagen vor sich gehen sollte. Eines Morgens schickte ich Freitag an den Strand, um eine Schildkröte zu holen, wie wir von Zeit zu Zeit, sowohl des Fleisches als der Eier wegen, zu thun pflegten. Jetzt wollte ich eine bedeutende Menge von Lebensmitteln mitnehmen, weil ich hoffte, den unter die Wilden gerathenen Europäern damit eine Freude und sie mir gefällig zu machen. Aber [308] Freitag kam viel eher wieder, als ich vermuthen konnte. Er flog über den Zaun, wie einer, der kaum den Boden berührte, und rief mir schon von der Höhe desselben zu: O Herr, Herr, o Jammer! ein, zwei, drei Kanots! ein, zwei, drei! Nach seiner Art sich auszudrücken, glaubte ich, es wären sechs Kanots gelandet, sah aber nachher durch das Fernglas, daß ihrer doch nur drei waren. Ich merkte, daß dem guten Burschen sehr bange war, indem er sich einbildete, das wären keine andern als seine Feinde, welche ihn gefangen hatten, und jetzt bloß seinetwegen gekommen wären, um ihn in Stücken zu zerhacken und aufzuessen. Er zitterte und bebte, und war vor Schrecken ganz ausser sich. Ich suchte ihm Muth einzusprechen, und ihm begreiflich zu machen, daß nach so langer Zeit seine Feinde gar nicht mehr an ihn denken konnten, und daß ich in eben so großer Gefahr wäre, von ihnen gefressen zu werden, als er. Ich holte hierauf einen Trunk Rum, womit ich so gut gewirthschaftet hatte, daß mir noch ein guter Vorrath davon übrig blieb, und dieser that mehr Wirkung als alle Trostgründe.
Robinson. Freitag, wir müssen mit ihnen fechten; kannst du das wohl?
Freitag. O ja, ich schiesse auf sie; aber es sind ihrer gar Viele.
Rob. Hat nichts zu bedeuten; die, welche wir nicht tödten, werden vor dem Gewehr, vor dem Knall und der Flamme erschrecken. Wenn ich dich aber vertheidige, willst du mir auch treulich beistehen, und alles thun, was ich dir sage?
[309] Fr. Ja Herr? ich will sterben, wenn du sagst, daß ich für dich sterben soll.
Als ich ihn nun in dieser guten Stimmung sah, ließ ich ihn die drei Musketen und eine Flinte aus der Grotte holen, und stieg während der Zeit auf meine Warte, um zu sehen, was ich entdecken könnte, und vermittelst meines Fernglases sah ich, daß einundzwanzig Wilde in drei Kähnen gelandet waren, und zwar an der Südostküste meiner Insel, welches mich desto mehr verwunderte, da ich auf dieser Seite niemals die geringste Spur von den Wilden bemerkt hatte, weil dieses Ufer just zwischen den beiden Strömen lag, die in Nord und Süd der Insel so heftig gegen Ost strömten. Der Ort, wo sie sich befanden, war ein flacher, niedriger Strand von lauter Sand, beinahe ohne Vegetation, ausser daß ein paar hundert Schritte davon die Spitze eines dicken Waldes war, der sich bis an die Felsen hinaufzog, die jenseits meiner Quelle sich aufthürmten, und zum Theil über einander geworfen waren. Ich bemerkte auch, daß sie zwei Gefangene bei sich hatten, und aus keiner andern Ursache gekommen waren, als sie zu ihrem Siegesmahl zu schlachten.
Dies erneuerte meinen Grimm und Abscheu gegen diese Wilden; ich stieg herab mit dem Entschlusse, sie alle umzubringen, und konnte kaum erwarten bis Freitag zurück war. Sobald er kam, lud ich jede Muskete mit zwei Stückchen zerhackten Eisens und mit fünf kleinen Kugeln, die Flinten mit grobem Schroot und die Pistolen jede mit zwei Kugeln. Hierauf gab ich Freitag ein Pistol in den Gürtel, nebst einem Säbel[310] und Beil am Gehänge, überdas zwei Musketen und seine Flinte, nebst einem großen Beutel mit Pulfer und Blei. Das andere Pistol steckte ich gleichfalls ein, und nahm die andern Schießgewehre, nebst meinem Säbel, steckte auch einige Büschel Rosinen, zwei Brode und ein Fläschchen mit Rum in den Tragekorb, um uns zu erquicken, zu stärken und Muth zu machen.
So gerüstet zogen wir aus. Ich gab Freitag den Befehl, ganz dicht hinter mir herzugehen, nicht zu schießen oder das Geringste zu thun, bis ich es ihm heissen würde, auch sich nicht zu rühren noch ein Wort zu sprechen. Dann gieng ich längs dem Rande des Gehölzes hin, bis fast vorn an die Spitze, so daß ich ihnen schon auf einen Schuß nahe wäre, ehe sie mich entdecken konnten.
Während wir so schweigend hingiengen, kamen mir meine Bedenklichkeiten über die Rechtmäßigkeit eines Angriffs auf diese armen Wilden in den Sinn, und mein Entschluß fieng an zu wanken. Nicht die Furcht vor ihrer Anzahl, denn schon allein war ich ihnen überlegen, und noch mehr durch den Beistand meines mir so ganz ergebenen Freitags; sondern die Ueberlegung, welche Nothwendigkeit mich bewegen könne, meine Hände in Blut zu tauchen, und Leute anzufallen, die mir kein Leid zugefügt hätten. Freitag wäre noch eher zu rechtfertigen, denn sie waren seine erklärten Feinde, mit denen er im wirklichen Kriege begriffen, und ihm daher erlaubt sey, sie anzugreifen, ich aber hatte keine solche Gründe für mich anzuführen. Diese und ähnliche Gedanken drängten sich den ganzen Weg[311] über so sehr im Kopfe herum, daß ich mir vornahm, mich ihnen bloß zu nähern, ihre Blutmahlzeit mit anzusehen, mich aber in nichts einzulassen, es müßte denn etwas vorfallen, das mich berechtigte, mehr zu unternehmen.
Mit diesem Entschluß gelangte ich nebst Freitag mit aller möglichen Vorsicht und Stille an das Ende des Waldes, so daß nur noch die äussersten zwei, drei Bäume mich vor den Wilden verdeckten. Hier winkte ich Freitag, bis zum letzten Baum heranzuschleichen, und zu sehen was sie machten. Er that es, und berichtete mir, daß man sie deutlich sehen könnte um ein Feuer hersitzen, und einen Gefangenen verzehren. Auch läge ein anderer nahe dabei auf dem Sande, an Händen und Füßen gebunden, den sie bald todt schlagen würden; dieser wäre keiner von seinen Landsleuten, sondern ein weißer bärtiger Mann von denen, die in einem Boote zu ihnen gekommen wären. Grausen und Entsetzen erfüllten mich, sobald er mir von einem weißen Menschen sprach, ich eilte zum vordersten Baum, und sah ganz deutlich mit meinem Fernrohr, einen weißen Mann gebunden auf der Erde liegen, der bekleidet, und ohne Zweifel ein Europäer war. Meine ganze Seele gerieth in Feuer bei diesem Anblick, und sofort hatten alle meine Bedenklichkeiten ein Ende; ich hielt es nicht nur für erlaubt, sondern für Pflicht, einen Christen aus den Händen dieser Unmenschen zu retten.
Ein Gebüsch zog sich von der Waldspitze noch ungefähr hundert Schritte nach dem Strande, wo die[312] Wilden waren, und da es sich etwas links bog, konnte ich gar leicht unentdeckt bis dahin kommen; als ich beinahe das Ende erreicht hatte, fand ich einen kleinen Sandhügel oder Düne, wo ich, kaum achtzig Schritte von den Kannibalen entfernt, ungesehen alles überschauen konnte, und bemerkte, daß ich keinen Augenblick zu verlieren hatte, da zwei Wilde sich bereits bückten, um dem weissen Manne die Füße loszubinden, ihn dann zum Feuer zu führen und zu schlachten. Ich hieß Freitag thun wie ich, legte dann die beiden Flinten auf die Erde; er legte gleichfalls seine Flinte und eine Muskete auf den Boden, und nun zielten wir jeder mit einer Muskete gegen die Wilden, und feuerten zu gleicher Zeit, ich auf die beiden nächsten, welche den Weissen losbanden, Freitag auf die, welche um das Feuer saßen. Ich tödtete den Einen und verwundete den Andern, er aber hatte zwei erlegt und drei verwundet. Der Schrecken und die Verwirrung, die der Knall und die Wirkung unsers Gewehrs unter den Wilden verbreitete, ist unbeschreiblich. Die Verwundeten, eben so sehr durch Angst als Schmerzen gequält, strengten sich an zu entfliehen, fielen dann hin, und wälzten sich in ihrem Blute; die übrigen, die nur leicht oder gar nicht verwundet waren, sprangen auf, und liefen hin und her, denn sie wußten nicht, woher das Verderben kam. Freitag hatte seine Augen auf mich gerichtet, damit er mir alles nachthun könne. Sobald wir losgefeuert hatten, legte ich meine Muskete ab, und nahm meine Flinte, Freitag die andere, und als ich ihn schußfertig sah, feuerten wir zugleich unter die erschrockenen[313] Wilden; da unsere Flinten bloß mit grobem Schroot geladen waren, so stürzten nur zwei zu Boden, verwundet aber waren so viele, daß die meisten blutig und heulend herumliefen, von denen nachher noch drei zur Erde fielen. Nachdem wir die abgeschossenen Flinten weggelegt, und ich die letzte, er aber die dritte Muskete aufgenommen hatte, rief ich ihm zu: Nun mir nach! Mit diesen Worten und lautem Geschrei stürzten wir aus dem Gebüsche hervor, und mit starken Schritten auf die Feinde los. Von den beiden, welche den Weißen losbinden wollten, lag der eine todt neben ihm, der andere, nur verwundet, war geflohen und in einen Kahn gesprungen, wohin ihm noch vier andere folgten. Als ich dies bemerkte, rief ich Freitag, er sollte auf sie feuern, welches er auch sogleich und so richtig that, daß ich glaubte, er hätte sie alle fünfe getödtet, denn sie fielen alle zu Boden, doch standen drei gleich wieder auf, die andern blieben liegen; wahrscheinlich waren sie todt oder schwer verwundet.
Ich begab mich während dem zum Gefangenen, schnitt mit meinem Messer die Binsen entzwei, womit er gebunden war, hob ihn dann auf, und fragte ihn auf portugiesisch: wer er sey? Er antwortete: Christianus, war aber so entkräftet, daß er kaum sprechen und stehen konnte. Ich reichte ihm mein Rumfläschchen, aus dem er einen tüchtigen Schluck nahm, der ihn sichtbar stärkte; ich gab ihm auch ein Stück Brod, und nachdem er sich ein wenig erholt hatte, gab er mir durch allerlei Zeichen zu verstehen, wie sehr er mir für seine Rettung verbunden wäre, allein ich sagte ihm auf so gut spanisch[314] als ich konnte, wir wollten uns nachher sprechen, jetzt müßten wir fechten, und reichte ihm ein Pistol und meinen Säbel; kaum hatte er selbige gefaßt, als er ganz neu von Muth und Kraft beseelt schien; er fiel mit Ungestüm über seine Feinde her, und hieb im Augenblick deren zwei nieder; es ist wahr, daß sie sich gar nicht vertheidigten, denn die Bestürzung und der Schrecken über unser Feuern hatte sie ganz gelähmt, so daß sie unsern Anfällen eben so wenig als ihre Haut unsern Kugeln zu widerstehen vermochten.
Ich hielt meine Flinte ohne loszufeuern, um wenigstens einen Schuß im Vorrath zu haben, und nicht ganz vertheidigungslos zu seyn, da ich dem Geretteten mein Pistol und Säbel überlassen hatte. Ich rief Freitag, und hieß ihn seine Muskete bei mir lassen und die abgeschossenen Gewehre holen, was er auch mit unglaublicher Geschwindigkeit that. Wir luden sogleich das mir gelassene und auch die hergeholten Gewehre; ich gab ihm dann eine Muskete, und sagte ihm, mehr bei mir zu holen, wenn er dessen bedürfe. Jetzt bemerkte ich, daß der Spanier mit einem Wilden im heftigsten Kampf begriffen war, der mit einem hölzernen Schwerte auf ihn einhieb; allein Jener, der so kühn und brav war, als man sich's nur vorstellen kann, vertheidigte sich geschickt, und hatte dem Indianer schon zwei große Wunden in den Kopf gehauen, doch dieser, ein starker Kerl, hatte den Spanier gefaßt, und da er noch schwach war, unter sich auf die Erde geworfen, wo er ihm den Säbel aus den Händen zu entwinden suchte; der Spanier ließ ihn weislich fahren, zog[315] schnell sein Pistol hervor und schoß seinen Gegner durch den Leib, ehe ich ihm noch zu Hülfe eilen konnte, so daß er auf der Stelle todt blieb.
Freitag blieb seinerseits auch nicht müßig, verfolgte die Flüchtlinge, und gab allen die er einholen konnte, oder die verwundet auf der Erde lagen, mit seinem Beil den Rest. Der Spanier bat mich um meine Flinte, mit der er zwei Wilden nachsetzte und sie auch beide verwundete, da er sie aber nicht einholen konnte, so flohen sie in den Wald, wo sie auf Freitag stießen, der den Einen sogleich niederschlug, der Andere aber kehrte gleich um, lief nach dem Strande, warf sich ins Wasser, und schwamm dem Boote nach, worin zwei Todte oder schwer Verwundete und drei Lebende waren, die sich zu retten suchten. Diese vier waren die Einzigen, die wirklich davon kamen, die übrigen siebenzehn wurden entweder auf der Stelle getödtet, starben an ihren Wunden, oder wurden durch Freitag beim Nachsetzen erschlagen.
Die Viere im Kanot arbeiteten mit großer Anstrengung, um sich zu entfernen, und es gelang ihnen, aus dem Schusse zu kommen, denn obgleich Freitag sehr gut und zweimal nach ihnen schoß, so sah ich doch keinen fallen. Er sagte, wir müßten eines ihrer Kanots nehmen und sie verfolgen, und in der That war mir vor ihrem Entrinnen bange, weil ich befürchtete, sie möchten ihre Landsleute zur Rache aufhetzen, in hundert oder mehr Kähnen wieder kommen, und durch ihre Menge uns zu Grunde richten; ich lief also gleich mit Freitag ans Ufer, und sprang in einen Kahn,[316] war aber nicht wenig verwundert, hier noch einen an Händen und Füßen gebundenen Wilden zu finden, der vor Angst halb todt war. Ich zerschnitt sogleich die Bande und suchte ihm aufzuhelfen, allein er konnte weder sprechen noch sitzen, noch weniger stehen, und er stöhnte ganz erbärmlich, weil er wahrscheinlich glaubte, er werde nur losgebunden, um geschlachtet zu werden. Ich gab Freitag mein Rumfläschchen, mit dem Befehl, dem Wilden einen Schluck zu geben und ihm zu sagen, er hätte gar nichts zu befürchten. Beides belebte ihn so, daß er im Boote aufsaß. Als aber Freitag ihm jetzt in's Gesicht sah, so fieng er an ihn zu küssen, zu umarmen, an sein Herz zu drücken; er schrie, lachte, sang, tanzte, hüpfte, rang die Hände, sprang wie ein Unsinniger herum, und es dauerte lange, ehe ich die Ursache seines seltsamen Betragens erfahren konnte; endlich als er wieder ein wenig zu sich selber kam, sagte er mir, der Gerettete wäre sein – Vater.
Es hätte wohl den Fühllosesten Thränen entlocken müssen, zu sehen, in welches Entzücken die kindliche Liebe den guten Freitag über den unvermutheten Anblick seines Vaters und dessen glückliche Errettung versetzte, und es ist unmöglich, die Ausbrüche seiner Zärtlichkeit zu beschreiben, denn unzählige Male sprang er in das Boot und wieder heraus, setzte sich bald bei ihm nieder, öffnete sein Kleid, um den Kopf seines Vaters an seiner Brust zu erwärmen; bald nahm er seine Hände und Füße, die von dem starken Zuschnüren mit Binsen starr und steif und ganz aufgeschwollen waren, und rieb sie mit seinen Händen. Als[317] ich das merkte, gab ich ihm etwas Rum, sie damit zu waschen, welches dem Alten sehr wohl that.
Freitag war so sehr mit seinem Vater beschäftigt, daß ich es anfänglich nicht übers Herz bringen konnte, ihn von selbigem abzurufen; endlich aber fragte ich ihn, ob er seinem Vater Brod gegeben hätte? Er schüttelte den Kopf, schlug sich in's Gesicht, und bekannte, daß er's nicht gethan, sondern es schon vorher selbst aufgegessen habe. Ich gab ihm ein Büschel Rosinen, den Rest Brod und noch ein wenig Rum für sich selbst, was er aber alles seinem Vater brachte. Dann sah ich ihn aus dem Kanot springen und mit der Schnelligkeit eines Pfeils davon rennen, denn er war der schnellfüßigste Läufer, den ich je gesehen habe; all mein Rufen und Schreien war vergebens, und ich verlor ihn in wenigen Augenblicken aus dem Gesichte; ehe aber eine Viertelstunde vorbei war, kam er zurück, und ich bemerkte, daß er viel behutsamer gieng, weil er etwas in den Händen trug. Er war nämlich bis in die Burg gewesen, hatte einen Krug geholt und für seinen Vater mit Wasser gefüllt, wobei er zugleich noch einige Brode mitbrachte, die er mir gab; ich that auch einen guten Trunk Wasser, der mich ausserordentlich erquickte, so wie auch seinen Vater, der vor Durst beinahe ohnmächtig wurde.
Als dieser getrunken hatte, fragte ich Freitag, ob noch Wasser im Kruge wäre? und schickte ihn damit nebst einem Brod zu dem Spanier, der dessen eben so sehr als wir bedurfte, und auf dem Rasen im Schatten eines Baums ausruhte. Als Freitag mit dem[318] Wasser und Brod zu ihm kam, saß er auf, aß und trank; ich gieng auch zu ihm, und reichte ihm eine Handvoll Rosinen. Er blickte mich mit allen Zeichen der innigsten Dankbarkeit an, war aber, ungeachtet er so brav gefochten hatte, so schwach und erschöpft, daß er nicht auf den Beinen zu stehen vermochte, denn sie waren durch das feste Binden ganz aufgeschwollen, und schmerzten ihn sehr, ich sagte ihm also, er möchte nur still sitzen, um sich zu erholen. Ich hieß Freitag dessen Knöchel mit Rum waschen und reiben. Während dieser Beschäftigung drehte er alle Augenblicke seinen Kopf herum, um zu sehen, was sein Vater machte, und als er ihn nicht mehr in seiner vorigen Stellung sah, flog er so schnell, daß seine Füße kaum die Erde berührten, zu dem Boote, wo er fand, daß sein Vater sich niedergelegt hatte, um zu ruhen, worauf er sogleich zurückkam, und seine Geschäfte beendigte.
Alles das verhinderte uns, die flüchtigen Wilden zu verfolgen, und sie waren uns schon aus dem Gesichte, als wir wieder an sie dachten; dies war ein Glück für uns, denn es erhob sich ein heftiger Wind, der den übrigen Theil des Tages und die ganze Nacht anhielt, und uns in einem so leichten Kahn gewiß sehr gefährlich geworden wäre.
Hierauf sagte ich dem Spanier, daß wir nach meiner Wohnung zurückkehren wollten, wo ich besser für ihn sorgen könnte, allein er war noch immer so schwach, daß er nicht stehen konnte. Freitag aber nahm ihn mit Leichtigkeit auf seinen Rücken, und trug ihn in das Kanot, wo er ihn erst auf den Rand, und dann bequem[319] neben seinen Vater niedersetzte, hierauf das Boot vom Ufer stieß, und so weit in die Bucht hinauf ruderte, bis er dahin kam, wo unser Fahrzeug lag. Hier ließ er sie, und als er zurück und neben mir vorbei lief, fragte ich, wohin er wolle? Das andere Kanot holen, antwortete er, damit flog er davon, und war beinahe eben so geschwind bei dem ersten Boote als ich.
Aber nun war die Schwierigkeit, die beiden Geretteten in meine Wohnung, und zwar über den Wall zu bringen. Freitag wußte lange nicht, was er anfangen sollte, und ich war nicht wenig verlegen, denn eine Oeffnung in das, mit so vieler Mühe aufgerichtete und so stark gewordene, Pfahlwerk zu machen, war mir gar nicht gelegen. Endlich sagte ich ihnen, sie möchten hier am Ufer sitzen bleiben und ein Stündchen warten, dann machten ich und Freitag mit zwei Stangen und Flechtwerk eine Tragbahre, und so trugen wir sie beide bis auf den freien Platz, zwischen dem äussern Walle und dem umgebenden Gebüsche, wo wir denn ein hübsches Zelt aufrichteten, einen Tisch und ein paar Stühle nebst einer Bank hineinsetzten, auch zwei Lagerstätten von gutem Reisstroh zurecht machten, und auf jede ein Bettuch, um darauf zu liegen, und einen Wachtrock zum Decken ausbreiteten.
Sobald ich meine Gäste unter Dach gebracht und ihr Lager bereitet hatte, war ich auch auf eine gute Mahlzeit bedacht. Ich befahl Freitag, eine jährige Ziege von meiner Heerde zu schlachten, und dann aussen vor dem Stalle Feuer anmachen, schnitt dann das Hinterviertel in Stücke, ließ es kochen, that Reis und [320] Gerste hinzu, und machte ein gutes Gericht von Fleisch und Suppe zurechte, und dann setzten wir uns, zwar etwas spät, zu unserm Mittagsmahl, wo ich meinen Gästen zusprach, es sich schmecken zu lassen. Freitag war dabei mein Dollmetscher, sowohl bei dem Spanier als bei dem Alten, denn jener redete die Sprache der Wilden sehr gut.
Nachdem wir gespeiset hatten, hieß ich Freitag seinen Vater fragen, was er von den Wilden dächte, die sich in dem Kanot entfernt hatten, und ob sie wohl in allzu großer Anzahl wiederkommen möchten, um sich zu rächen? Seine Meinung war, daß ihr Fahrzeug dem stürmischen Gegenwinde desto weniger widerstehen konnte, da sie kaum den vierten Theil ihres Weges gemacht hätten, da er sie überfiel, und daß sie also nothwendig ertrinken müßten; wenn sie aber nicht zu Grunde giengen, so würden sie unvermeidlich an Küsten verschlagen werden, wo feindliche Stämme wohnten, die sie eben so gut als Kriegsgefangene auffressen würden. Sollten sie endlich, wider Vermuthen, so glücklich seyn, in ihre Heimath zu kommen, so würden sie ihre Landsleute eher abschrecken als aufmuntern, je wieder an dieser Insel zu landen, denn er hätte gehört, daß sie, von Furcht und Gefahr geängstigt, einander zuriefen: Die beiden Gestalten, ich und Freitag, wären nicht Menschen, sondern böse Geister, die mit Blitz und Donner bewaffnet vom Himmel herabgestiegen seyen, sie zu vertilgen, denn ein Mensch könne nicht Donnersprechen, und ohne eine Hand zu bewegen, Feuer schleudern und in der Ferne tödten; gewiß müßte diese[321] Insel bezaubert seyn, so daß, wer hieher komme, durch das Feuer vertilgt werde. – Dies alles war nicht unwahrscheinlich, da ich jedoch den Erfolg nicht genau wußte, so war ich eine geraume Zeit nicht ohne Besorgniß, und mit meiner ganzen Armee beständig auf der Hut. Doch da wir unser Viere und wohl bewaffnet waren, so hätte ich mir wohl getraut ihrer Hundert anzugreifen. Da jedoch keine Wilden erschienen, so verschwanden nach und nach meine Besorgnisse.
Als wir uns noch eine Weile unterhalten hatten, überließ ich meine Gäste der so sehr bedürftigen Ruhe, und stieg mit Freitag in meine innere Wohnung, wo wir nicht lange zögerten, uns ebenfalls zu Bette zu legen, denn wir waren Beide auch sehr müde. Dennoch konnte ich nicht sobald einschlafen, als ich gewünscht hätte, denn die Begebenheiten dieses Tages und ihre wahrscheinlichen Folgen beschäftigten mich zu sehr. Meine Insel war nun bevölkert, und ich war nun so eitel, mich einem Könige zu vergleichen. Die Insel war unstreitig mein Eigenthum. Ich war unumschränkter Herr und Gesetzgeber, meine Unterthanen waren mir alle die Rettung ihres Lebens schuldig, und ich konnte hoffen, daß sie bereit wären, es im Nothfall zur Rettung des meinigen zu wagen. Auch war es merkwürdig, daß, obgleich ich nur drei Unterthanen, doch jeder seine eigene Religion hatte. Freitag war ein Protestant, sein Vater ein Heide und der Spanier ein Katholik. Ich war aber entschlossen, vollkommene Gewissensfreiheit zu gestatten.
Des andern Morgens früh machte Freitag ein[322] gutes Frühstück zurechte, und als es fertig war, hieß ich ihn den Spanier und seinen Vater holen; das gute Lager und ein ruhiger Schlaf hatten Beide vollkommen hergestellt, nur ihre Füße schmerzten sie noch, doch konnten sie den Wall ohne Mühe übersteigen, und ich gab ihnen, nachdem wir gefrühstückt hatten, etwas Branntewein, um ihre geschwollenen Knöchel damit zu reiben. Als sie damit fertig waren, zeigte ich ihnen meine Wohnung, worüber sich Beide, doch aus verschiedenen Beweggründen, und jeder auf eigene Art verwunderten; der Spanier über den Ueberfluß und die Ordnung, der Indianer über die Menge unbekannter Dinge, die sie hier erblickten, und Freitag hatte genug zu thun, diesem alles zu erklären.
Diesen und einige folgende Tage gieng ich mit Freitag unsern Geschäften nach, ohne die beiden Ankömmlinge zur Mitarbeit aufzufordern, obgleich wir ihretwegen allerdings mehr zu thun hatten; nachdem aber der Schmerz an ihren Händen und Füßen sich verloren hatte, boten sie sich selbst an, uns beizustehen, und verlangten, ich sollte ihnen Beschäftigung geben. Ich hieß also vorerst Freitag, der so gern bei seinem Vater verweilte, mit diesem seine Arbeit theilen, und ihn dazu anweisen, und während ich die leichtern Arbeiten vornahm, wobei der Spanier mir an die Hand gieng, unterhielt ich mich mit ihm über das, was alle meine Gedanken beschäftigte, nämlich über die Art und Weise, eine Reise an das feste Land zu thun (wo ich, wie Freitags Vater versicherte, um seinetwillen die beste Aufnahme von seiner Nation zu erwarten hätte),[323] um dort mit Hülfe seiner Gefährten ein Fahrzeug zu bauen, und nach bewohnten Gegenden zu segeln. Zuerst erkundigte ich mich, wer er und seine Gefährten wären, und Folgendes war seine Antwort:
»Er heiße Don Gusman und sey von Valladolid.1 Er war Kapitän eines spanischen Schiffes, das von Rio de la Plata nach Havanna gehen, und daselbst seine Ladung, die vorzüglich in Häuten und Silber bestand, gegen europäische Waaren umtauschen wollte; durch einen Sturm habe er einige seiner Leute verloren, aber kurz nachher durch fünf portugiesische Matrosen, die er von einem gescheiterten Schiffe aufgenommen, ersetzt. Mit diesen und eilf spanischen Seeleuten sey er, nachdem das Fahrzeug durch einen zweiten Sturm in der Nacht an einem Felsen zerschmettert worden, in die Schluppe gestiegen, und beinahe halb todt vor Hunger, Mühe und Gefahr an die kannibalische Küste verschlagen worden, wo sie in Gefahr waren, von den Eingebornen gefressen[324] zu werden; doch wurden sie noch gut aufgenommen, lebten zwar mit denselben in Frieden, erhielten aber so wenig und schlechte Lebensmittel, daß sie kaum hinreichten, nicht vor Hunger zu sterben. Sie hatten freilich einige Feuergewehre und Säbel bei sich, da sie aber in den ersten Tagen ihrer Landung das wenige Pulfer und Blei verbraucht hatten, um sich Unterhalt zu verschaffen, so waren die Ersteren völlig unbrauchbar geworden. Sie litten den größten Mangel, und hatten schon oft berathschlagt, die Flucht zu nehmen; aber wohin? Da sie weder ein Schiff, noch Werkzeuge hatten, eines zu bauen, noch Lebensmittel, um selbiges mit hinlänglichem Vorrath zu versehen, so waren Thränen und Verzweiflung jeder Zeit das Ende ihrer Berathschlagungen gewesen.«
Hierauf fragte ich ihn, wie er wohl glaubte, daß seine Gefährten einen Vorschlag zu ihrer Rettung aufnehmen würden?
Gusman. Wie Leute, die in der größten Noth stecken, die man sich nur denken kann, die den äussersten Mangel an Kleidern, Lebensmitteln und den nöthigsten Bedürfnissen leiden, und das Wenige, was ihnen gereicht wird, bloß der Gnade der Wilden zu danken und keine Hoffnung haben, jemals aus diesem Elende befreit zu werden, und zu den Ihrigen zu kommen.
Robinson. Das Beste wäre demnach, sie Alle herüber zu holen, wo wir dann mit so vielen Händen wohl ein Fahrzeug werden zu Stande bringen können, das groß genug seyn wird, uns Alle, nebst einem hinlänglichen[325] Vorrath von Lebensmitteln aufzunehmen, um uns entweder nach Brasilien oder nach irgend einer spanischen Kolonie zu bringen. Wenn sie dann aber, zur Vergeltung, daß ich sie von ihrem Elend gerettet, sie bewaffnet, gepflegt, und zu ihren Landsleuten gebracht habe, mir übel begegnen, mich zum Gefangenen machen, in ihre Bergwerke oder in die Inquisition schleppen und tödten, welches bekanntlich jedem Engländer wiederfährt, der das Unglück hat, auch mitten im Frieden, in ihre Hände zu fallen, so würde mein Zustand weit beklagenswerther seyn als jetzt.
Gusman. Meine Gefährten sind alle redliche und ordentliche Menschen, die das Elend ihrer jetzigen traurigen Lage viel zu tief fühlen, als daß sie nicht den leisesten Gedanken verabscheuen sollten, Jemand, dem sie ihre Rettung schuldig wären, unfreundlich zu begegnen.
Robinson. Die Dankbarkeit ist eine seltene und nur wenigen Menschen eigene Tugend, und gewöhnlich bestimmt nicht die Wohlthat, sondern der Eigennutz, die Art den Wohlthäter zu behandeln.
Gusman. Um Sie gänzlich hierüber zu beruhigen, will ich mit dem alten Mann mich wieder zu ihnen begeben, mit ihnen sprechen, ihnen Ihre Bedingnisse mittheilen, und selbige mit einem körperlichen Eide beschwören lassen, und Ihnen den von Allen unterschriebenen Vertrag zurückbringen. Ehe ich abreise, will ich Ihnen aber selbst schwören, so lange ich lebe, Sie ohne Ihren Befehl nie zu verlassen, Ihnen treu und gehorsam zu seyn, Ihnen in allem beizustehen, und[326] wenn meine Landsleute sich widersetzlich oder untreu bezeigen sollten, auf Ihre Seite zu stehen und Sie bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen.
Auf diese Versicherungen und Bedingnisse hin glaubte ich es wagen zu dürfen, seinen Gefährten zu Hülfe zu kommen, und Gusman nebst Freitags Vater zu ihnen abzusenden, um den Vertrag zu schließen.
Unter diesen und ähnlichen Gesprächen, und den Veranstaltungen zur Abreise, waren nun einige Monate seit ihrer Ankunft verflossen. Während dieser Zeit hatte ich ihnen gezeigt, wie ich mit Gottes Hülfe mir meinen Unterhalt verschaffte; sie hatten mein Landhaus, mein Kornfeld, meine Fruchtbäume und meine Ziegenheerden gesehen, und sie sollten in den nächsten Tagen abreisen; aber Gusman machte mir eine Bemerkung, aus der so viel Klugheit und Aufrichtigkeit hervorleuchtete, daß ich seinen Rath befolgen, und die Abholung seiner Landsleute noch auf ein halbes Jahr verschieben mußte.
Als er nämlich meine Vorräthe an Reis und Gerste sah, äusserte er sich, daß sie zwar für mich und Freitag überflüssig, und selbst jetzt für Vier, nicht aber für Zwanzig zureichend wären; noch weniger würden wir hinlängliches Saatkorn und Schiffsvorrath übrig haben. Ich möchte daher ihn und die beiden Indianer noch mehr Feld, zu so viel Saat als ich missen könnte, umgraben und besäen lassen, und die Erndte erwarten, damit der Vorrath hinreiche, und seine Gefährten nicht aus Mangel an Lebensmitteln aus einer Noth in die andere versetzt würden, und dadurch in Versuchung[327] gerathen möchten, ihre Verpflichtungen unerfüllt zu lassen. Ich wüßte ja wohl, daß selbst die Kinder Israel, so sehr sie über ihre Errettung aus Egypten frohlockten, doch gegen Gott ihren Erretter sich auflehnten, als sie in der Wüste Mangel litten.
Dieser Vorschlag war nicht nur an sich selbst vortrefflich, sondern kam auch zur gelegensten Zeit, weil wir gleich Hand anlegen konnten. Wir machten uns alle Vier an die Arbeit, so gut es mit den hölzernen Werkzeugen gehen wollte, Land umzugraben, und in Zeit von einem Monat, an dessen Ende die Saatzeit eintrat, hatten wir so viel Ackerfeld eingezäunt und zurechte gemacht, daß wir 22 Scheffel Gerste und 16 Krüge voll Reis säen konnten, und hatten so viel übrig behalten, um bis zur Erndtezeit damit auszukommen.
Da wir jetzt die Wilden nicht zu fürchten hatten, so giengen wir unbesorgt auf der ganzen Insel herum, um alles Nothwendige zu unserer Befreiung, die uns ausschließlich beschäftigte, zu veranstalten. Als es Zeit war, Trauben zu trocknen, ließ ich deren eine solche Menge an die Sonne hängen, daß wir sechszig bis achtzig Fässer hätten anfüllen können, wenn wir in Alikante gewesen wären, wo die besten Rosinen gemacht werden; sie machten eines unserer vorzüglichsten Nahrungsmittel aus, denn sie sind sehr nahrhaft und gesund.
Ehe die Regenzeit eintrat, brachten wir auch eine große Menge biegsamer Zweige zusammen, und beschäftigten uns während derselben, eine beträchtliche Anzahl[328] von Körben zu flechten, die uns zur Aufbewahrung unserer Vorräthe unentbehrlich waren.
Zugleich war ich darauf bedacht, meine Heerde zahmer Ziegen zu vermehren. In dieser Absicht gieng ich abwechselnd mit dem Spanier auf die Jagd, wohin uns Freitag begleitete; wir schossen die alten Ziegen und fiengen die Jungen, und auf diese Art brachten wir an die zwanzig junge Ziegen zusammen, die ich mit den übrigen erzog.
Ich zeichnete verschiedene zu unserm Vorhaben taugliche Bäume, und ließ sie durch Freitag und seinen Vater fällen, zeigte ihnen und Gusman, der die Aufsicht darüber hatte, wie ich Dielen gezimmert, und ließ sie zwölf Stücke derselben, jedes 2 Fuß breit und 30-35 Fuß lang, von gutem Eichenholze anfertigen, welches freilich nicht ohne große Anstrengung geschah.
Als die Erndtezeit kam, arbeiteten wir mit Lust und Eifer an Einsammeln; sie war zwar keine der ergiebigsten, denn ich hatte verhältnißmäßig weit reichere erlebt, aber doch völlig befriedigend, denn wir erhielten über zweihundert und dreißig Scheffel Gerste und beinahe eben so viel Reis. Daran hatten wir nicht nur bis zur nächsten Erndte genug, wenn bereits die 16 Gefährten Gusmans hier gewesen wären, sondern auch um ein Schiff damit hinlänglich zu versehen, um jede von Europäern bewohnte Küste von Amerika zu erreichen. Nachdem wir unsere Vorräthe unter Dach in Sicherheit gebracht hatten, fanden wir für gut, das Feld noch einmal zu bearbeiten und zu besäen, weil[329] wir zum Schiffsbau, wegen Mangel an Werkzeugen, noch eine geraume Zeit uns hier aufhalten mußten.
Nachdem nun unser Feld bestellt war, setzten wir unser Boot in Bereitschaft, damit Gusman mit dem alten Indianer absegeln könnte, um zu sehen, was mit den, auf dem von mir immer so benannten festen Lande befindlichen Europäern anzufangen wäre. Den Tag vor seiner Abreise setzte ich ihm in portugiesischer Sprache einen schriftlichen Befehl auf, des Inhalts: »Keinen Menschen mitzubringen, der nicht in Gegenwart von Freitags Vater bei den heiligen Sakramenten und dem Evangelium schwören würde, mich, Robinson Crusoe, für ihren obersten Befehlshaber zu erkennen, mir treu und gehorsam zu seyn, mir nie keinen Schaden zuzufügen, mich nie anzugreifen, noch wider mich zu fechten, sondern im Gegentheil, mir gegen Jedermann beizustehen, mich zu vertheidigen, meinen Nutzen nach Möglichkeit zu befördern, mir dahin zu folgen, wohin ich sie führen werde, sich meinen Befehlen und meiner Leitung nie zu widersetzen, noch weniger mich zu zwingen in ein Land zu gehen, wohin ich nicht wollte, u.s.w.«
Dies alles sollte von einem Jeden unter ihnen unterschrieben und beschworen werden. Mit dieser Instruktion versehen, begab sich Gusman mit Freitags Vater in meinem kleinern Boote auf die Reise. Ich gab Jedem von ihnen eine Muskete nebst ungefähr acht Ladungen Pulfer und Blei, wobei ich ihnen sehr empfahl, damit haushälterisch zu seyn. Ich versorgte sie mit so viel Brod und Rosinen, daß sie für sich und[330] die Spanier auf acht Tage genug hatten. Ich gab auch dem Don Gusman ein Fläschchen mit Tinte und einige Federn mit, zum Unterschreiben des Vertrags, und verabredete noch ein Zeichen mit ihnen, das sie bei ihrer Wiederkehr vom Mast sollten wehen lassen, damit ich sie schon in der Ferne, noch ehe sie landeten, sogleich erkennen könnte.
Ende des ersten Bändchens.
1 Im Original hat dieser Spanier keinen Namen, was eben so unbequem als unangenehm ist. Warum gerade dieser Name ihm hier beigelegt wird, kommt daher, daß er denselben in nachstehender Schrift führet, wo sich die Fortsetzung und der Beschluß der Geschichte der Insel des Robinson Crusoe befindet: »Der dänische Avanturier oder wunderbare Begebenheiten und Reisen des Herrn von R ..., eines Verwandten des Robinson Crusoe u.s.w. Frankfurt und Leipzig 1752. Zweiter Theil, Seite 197 bis 270.« Da nun der vorerwähnte Name so gut als jeder andere ist, so ward er vorgezogen.
[331]
Ausgewählte Ausgaben von
Robinson Crusoe
|
Buchempfehlung
In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro