|
[198] Zwistigkeit und Trennung.
Dies Ereigniß hatte meine ganze Stimmung verändert; das Betragen der Schiffsmannschaft hatte mich auf's Aeusserste empört, und ich war selbst mit meinem Neffen höchst unzufrieden, seine Pflichten gegen die Rheeder der sowohl als seine Untergebenen ganz hintangesetzt zu haben; ich machte ihm darüber bittere Vorwürfe, deren Richtigkeit er anerkannte, und daher auch, ohne Empfindlichkeit, sich damit entschuldigte, daß der Anblick des ermordeten Jeffery ihn so empört habe, daß das[198] Rachegefühl ihn überwältigte. Es war wirklich zu verwundern, daß mein Neffe sich bis dahin, und besonders bei dieser Gelegenheit, so nachgiebig erzeigte; denn der Leser wird schon öfters bemerkt haben, daß ich mir eine Autorität anmaßte, die mir im Grunde nicht zukam. Ich war nichts weiter als Passagier, und hatte keine andere Begegnung zu verlangen, als was die gesellschaftlichen Verhältnisse forderten. Wenn aber mein Neffe aus Gefühl von Dankbarkeit und Ehrerbietung sich nicht über mein Betragen beschwerte, so war dies ganz anders bei der Schiffsmannschaft, die sich laut über meine Anmaßungen und die ihr gemachten Verweise beklagte, und erklärte, von mir keine Befehle annehmen zu wollen. Vorzüglich betrug sich der Bootsmann sehr feindselig gegen mich, so daß er von meinem Neffen mehrere Verweise erhielt, aber er nahm sich vor, sich anders, als durch bloße Aeußerungen, empfindlich an mir zu rächen.
Am folgenden Morgen giengen wir unter Segel, ohne uns weiter mit den Eingeborenen abzugeben, noch weniger den erschlagenen Jeffery in die See zu versenken; seine Kameraden hatten sich begnügt, ihn vom Baum abzunehmen und liegen zu lassen. So wenig Mühe gaben sie sich für den, den sie mit der Ermordung von 150 oder 200 Menschen gerächt hatten.
Unsere Bestimmung war erst nach dem persischen Meerbusen, von wo wir dann nach Bengalen segeln sollten, und wenn der Supercargo daselbst seine Geschäfte nicht mit Vortheil betreiben konnte, so sollten wir gerade nach China segeln.[199]
Als wir uns im persischen Meerbusen befanden, sandten wir eine unserer Schluppen an das Land. Wahrscheinlich aber vernachläßigte die Mannschaft die nöthige Vorsicht; sie ward von den Arabern überfallen, und es gelang ihr nur mit Mühe, sich in's Boot zu retten, nachdem sie fünf Mann verloren hatte, die entweder waren erschlagen oder als Sklaven weggeführt worden; die Zurückgekommenen waren sehr erschrocken, besonders der Bootsmann, der sie befehligt hatte. Ich war thöricht genug zu glauben, bei ihrer gegenwärtigen, niedergeschlagenen Stimmung einigen Eindruck auf sie zu machen, und sagte: das wäre die Strafe, für die auf Madagaskar verübten Grausamkeiten. Allein der Bootsmann fiel mir sogleich in die Rede, und hatte sogar einen Vers aus der Bibel bei der Hand, um mir zu beweisen, daß ihr Betragen auf jener Insel gerecht, hingegen meine Ansicht derselben völlig falsch sey, daher er erwarte und verlange, daß ich endlich aufhöre, ihnen Vorwürfe zu machen. Mein Neffe gebot ihm Stillschweigen, mich aber bat er sehr dringend, meine Verweise zu mäßigen, oder lieber gar einzustellen, da ich ja bemerken müßte, daß sie an ihnen verloren wären, für mich aber unangenehme Folgen haben könnten.
So blieben die Sachen, bis wir in Bengalen vor Anker giengen. Als ich mich aber einige Tage nach unserer Ankunft mit dem Supercargo an das Land begab, um den Tag über dort zu verweilen, und wir uns des Abends bereit machten, mit der Schluppe an Bord zurückzukehren, so erinnerte mich einer unserer[200] Matrosen, ich möchte mich nicht bemühen, an den Strand zu gehen, da die Mannschaft des Boots Befehl habe, mich nicht einzunehmen und an Bord zu bringen. Auf meine Frage: Wer ihm befohlen hätte, mich davon zu benachrichtigen, erwiederte er: der Bootsmann habe sowohl ihm als der Mannschaft der Schluppe diese Befehle gegeben, und diese sey mit ihm völlig einverstanden. In diesem Augenblicke kam der Supercargo, der einige Geschäfte in der Stadt gemacht hatte, um mit mir an Bord zu gehen. Ich erzählte ihm das, und fügte hinzu, daß ich befürchte, es möchte eine Meuterei auf dem Schiffe im Werke seyn, und bat ihn, sich mit einem indischen Fahrzeuge dahin bringen zu lassen, und den Kapitän davon zu benachrichtigen. Da man ihn aber unweigerlich in die Schluppe nahm, so hätte es nur Verdacht erregt; er fuhr also mit dieser zurück. Indeß konnte er die Mühe sparen, dem Kapitän den Vorfall zu melden, denn kaum war ich am Morgen mit de Schluppe vom Schiff abgefahren, so trat der Bootsmann, der Konstabel, der Zimmermann und überhaupt alle Deckoffiziere zusammen, und verlangten bei'm Kapitän Audienz, wo der Bootsmann, als Wortführer, jenem die Beschwerden der Mannschaft gegen mich auseinander setzte und hinzufügte: »sie hätten mit Vergnügen gesehen, daß ich aus eigener Bewegung das Schiff verlassen, weil sie sonst den Entschluß gefaßt hätten, mich wider meinen Willen zu entfernen, indem sie meine Verweise nicht länger dulden wollten, und ich nicht befugt wäre, die geringste Autorität an Bord auszuüben; auch wäre gar wohl zu vermuthen, daß, wenn ich mit[201] ihnen nach England käme, ich sie vor dem Richter verklagen würde über das, was auf Madagaskar vorgefallen sey. Sie hätten sich verpflichtet, auf dem Schiff unter seinem, des Kapitäns, Kommando zu dienen, und würden es treu und redlich thun; sollte aber er, der Kapitän, oder ich selbst nicht in meine Entfernung willigen, so würden sie sämmtlich das Schiff verlassen.« Als der Sprecher hier geendigt, riefen die Uebrigen: Ja! wir Alle, Alle!
Hierauf erwiederte der Kapitän. »Er würde die Sache überlegen, setzte aber mit entschlossenem Tone hinzu: es sey die größte Ungerechtigkeit, mich, der einen so großen Antheil an der Schiffsladung habe, so zu sagen aus meinem Eigenthum vertreiben und berauben zu wollen, und wenn sie auf ihrem Beschluß beharrten, so würde er solche Maßregeln zu treffen wissen, daß es sie gereuen werde.« Allein weder Drohungen noch Vorstellungen vermochten das Geringste auf diese fühllosen Kerls; sie verwarfen alles, sogar den Vorschlag: der Bootsmann solle den Kapitän an's Land begleiten, um mit mir einen Vertrag nach ihrem Guthbefinden abzuschliessen. Sie antworteten kurzweg: sie wollten mit mir nichts zu thun haben, und dabei blieb es.
Der Kapitän ließ sich sogleich an's Land bringen, und traf unterwegs unsere Schluppe an, die den Su percargo an Bord fahren sollte; dieser kehrte nun mit jenem zu mir zurück, indem er ihn berichtete, was vorgefallen war, und fand, daß er's schon wußte, oder leicht vermuthen konnte. Ich war sehr froh, ihn ankommen[202] zu sehen, denn ich fürchtete, daß die Meuterer, die aller Verbrechen fähig sind, ihn an Bord in Verhaft behalten würden, was mich genöthigt haben würde, ohne Effekten und ohne Geld in der größten Verlegenheit zurückzubleiben. Als mein Neffe mir die ganze Lage der Dinge eröffnet hatte, und hinzusetzte: er würde nie zugeben, daß ich aus meinem Eigenthum verstoßen würde, so beruhigte ich ihn mit der Erklärung: auch ich hätte keine Lust, mit solchen Taugenichtsen etwas zu thun zu haben, und sey entschlossen, andere Gelegenheit zu suchen, um nach Europa zurückzukehren; er möchte nur dafür sorgen, daß ich alle meine Effekten nebst einer bedeutenden Geldsumme erhielte. Das versprach er mir sogleich, meinte aber doch, ich sollte mich nicht so leicht abwendig machen lassen; denn ihm that es sehr leid, sich von mir trennen zu müssen. Auch der Supercargo, mit dem ich auf der ganzen Reise im freundschaftlichen Verhältnisse gestanden, suchte mich zu bereden, meinen Entschluß zu ändern. Ich hatte aber einen solchen Widerwillen gegen das Schiffsvolk, und die Nothwendigkeit, in einem so engen Raume mit ihm zu leben, bekommen, daß ich auf meinem Entschluß bestand. Als sie sich überzeugt hatten, daß dies mein völliger Ernst war, so kehrte mein Neffe auf sein Schiff zurück, verwies der Mannschaft mit scharfen Worten ihr Betragen, erklärte aber zugleich, daß auch ich einen zu großen Abscheu vor ihnen habe, um auf dem nämlichen Schiffe mit ihnen weiter fahren zu wollen, und nichts weiter verlange, als daß man mir meine Habe übersende. Damit[203] waren sie sämmtlich wohl zufrieden, ausser jenem Matrosen, der sich immer zu mir gehalten hatte; dieser bat den Kapitän, ihn bei mir zu lassen, was ihm mein Neffe gern bewilligte. Er kam auch den folgenden Vormittag mit allem, was mir gehörte, zu mir, und bat mich, ihn als Bedienten zu behalten, wie er seit Freitags Tode bereits gethan hatte; dies war mir sehr lieb, da ich mich auf ihn verlassen konnte.
Demungeachtet befand ich mich in nicht geringer Verlegenheit, an einem ganz fremden, mehrere tausend Meilen von England entfernten Orte, wo ich keinen Menschen kannte. Es boten sich mir freilich mehrere Wege an, um dahin zurückzukehren. Entweder durch Indostan über Surate, Basra und Alev, von wo ich mich nach Konstantinopel oder Smyrna wenden, und weiter, entweder durch Italien und Frankreich oder durch Deutschland und die Niederlande nach England reisen konnte. Außerdem konnte ich auch mit ostindischen Schiffen die Rückreise machen.
Während den acht Tagen, daß das Schiff meines Neffen noch gegenwärtig war, kam dieser alle Tage zu mir in die Stadt, wo ich bei einer Engländerin ein hübsches Quartier bezogen, welche verschiedene, sowohl englische als französische, italienische und jüdische Kaufleute beherbergte, und wo auch der Supercargo sich eingemiethet hatte, damit wir uns die wenigen Tage noch genießen möchten. Durch seine Sorge und die meines Neffen erhielt ich, ausser einer bedeutenden Geldsumme, die ich baar besaß, und einer ansehnlichen[204] Menge englischer Waaren, die mir gehörten, von meinem Neffen 1000 Stücke von Achten baar, und einen Kreditbrief von 5000 Pfd. Sterling, so daß ich keinen Mangel zu befürchten hatte. Nachdem diese Geschäfte berichtigt waren, nahmen Beide mit großer Rührung von mir Abschied, und segelten den folgenden Tag ab; ich kann nicht verhehlen, daß ich mich nicht ohne Mißvergnügen zurückgelassen sah. Noch muß ich beifügen, daß mein Neffe mir, ausser jenem Matrosen, auch noch den Schreiber des Proviantmeisters zurückließ, welcher lieber bei mir bleiben als weiter zu fahren wünschte.
Nachdem das Schiff abgesegelt war, für mich sich aber noch keine Gelegenheit zur Abreise zeigte, so gewöhnte ich mich täglich besser an meinen hiesigen Aufenthalt, so daß ich ihn neun ganzer Monate verlängerte, während welcher Zeit ich meine Waaren, die von großem Werthe waren, mit beträchtlichem Vortheil absetzte, und wie ich es mir schon Anfangs vorgenommen hatte, erhandelte ich eine ansehnliche Partie Diamanten, so daß ich mein Vermögen in einem kleinen Besteck ohne die geringste Unbequemlichkeit verwahrte.
Während meinem dortigen Aufenthalte kamen mehrere Schiffe aus England und fuhren wieder dahin ab, und ich hätte daher leicht Gelegenheit gefunden, die Rückreise anzutreten, wozu mir auch mehrere Vorschläge gemacht wurden; ich hatte aber immer etwas, bald dies, bald jenes dagegen; ich wußte selbst nicht recht, was ich eigentlich wollte. Es wohnte in dem[205] nämlichen Hause, wo ich im Quartier lag, ein englischer Kaufmann, Namens Wilson, mit dem ich in guter Freundschaft lebte. Eines Morgens trat er in mein Zimmer und sagte: »Wir befinden uns in einem Lande, wo sich treffliche Geschäfte darbieten, und dennoch sind wir Beide müßig, als ob uns das nichts angienge. Lassen Sie uns etwas unternehmen, um nicht in dem allgemeinen Treiben unthätig die Zeit zu verlieren. Wenn Sie tausend Pfund Sterling daran wagen wollen, so lege ich eben so viel dazu; wir kaufen ein Schiff, werben Seeleute, kaufen eine tüchtige Fracht Waaren und segeln damit nach China, wo Sie Ihre Neugier, fremde Länder zu sehen, befriedigen, und ich meinen Spekulationsgeist beschäftigen können. Sie sind Schiffskapitän und ich Supercargo. Wir hangen von keinen Rheedern ab, arbeiten für uns selbst, und wenn uns die Umstände auch nur auf gewöhnliche Weise begünstigen, so erzielen wir mehr Vortheile als Andere.«
Dieser Vorschlag gefiel mir desto mehr, da ich anfieng meiner unthätigen Lebensart überdrüssig zu werden; denn seitdem ich meine mitgebrachten Waaren verkauft und beinahe in Taschenformat verwandelt, hatte ich gar nichts zu thun, als dem Zeitvertreibe nachzugehen. Der Mensch muß aber Etwas haben, das ihn antreibt, Etwas, das gethan seyn muß, ohne von seinem guten Willen abzuhängen, ohne jedoch zu sehr überhäuft zu seyn, so daß er diesem Etwas Zufriedenheit, Lebensgenuß und die gehörige Ruhe[206] aufopfern müsse, und sind dann seine Geschäfte in Uebereinstimmung mit seinen Neigungen, so ist der Mensch in einem glücklichen Zustande, falls keine andern widrigen Umstände sein Glück trüben. Der Handel war zwar meinen Neigungen wenig angemessen, desto mehr aber entsprach ihnen die Aussicht, meine Reiselust zu befriedigen. Ich willigte daher unbedenklich in seine Vorschläge. Noch am nämlichen Tage schossen wir die verabredeten Summen zusammen, machten den Entwurf des ganzen Unternehmens, und arbeiteten täglich an dessen Vollziehung. So emsig wir indessen diese betrieben, so vergieng doch eine geraume Zeit, ehe wir ein Schiff zu kaufen fanden, das für unsere Absichten paßte, und noch mehr Mühe hatten wir, die nöthige Anzahl tüchtiger Deckoffiziere und Matrosen zu bekommen, weil eben die Thätigkeit im Handel, die meinen Freund aufgeregt hatte, damals sehr groß war, die Ausführung erschwerte und vertheuerte. Es gelang uns jedoch, einen Schiffer, einen Steuermann, einen Bootsmann und Konstabel – alles Engländer, – einen holländischen Zimmermann und drei portugiesische Matrosen zu bekommen, die hinlänglich waren, um die Indier zu leiten und zu beaufsichtigen, die den übrigen Theil der Mannschaft ausmachten und leicht aufzufinden waren.
Nach zwei Monaten waren wir segelfertig, lichteten die Anker und nahmen unsern Lauf zuerst gegen Atschim auf Sumatra, von da nach Siam, wo wir einen Theil unserer Waaren mit Vortheil absetzten[207] und eine gute Partie Opium einhandelten, welches zu jeder Zeit, vorzüglich aber jetzt in China sehr gesucht war, und daher in hohem Preise stand. Auch machten wir in den drei Vierteljahren, die uns diese erste Reise wegnahm, vortreffliche Geschäfte. Es ist bekannt, daß die Angestellten der ostindischen Kompagnie in gar kurzer Zeit oft sechszig, achtzig, ja hunderttausend Pfund Sterling gewinnen; dies wird aber Niemand befremden, der diese Gegenden und die große Menge der Seehafen kennt, wo die Engländer freien Handel haben, und deren Einwohner alle fremde Waaren mit großer Begierde aufkaufen, oder gegen solche vertauschen, die man mit ungeheurem Vortheil anderswo absetzen kann. Ausser dem ansehnlichen Gewinn, lernte ich nicht nur den Handel, sondern machte auch große Vorschritte in der Schifffahrtskunde, worauf ich mich mit besonderm Fleiße legte, zu welchem Ende ich mich mit den vorzüglichsten Lehrbüchern und Instrumenten versehen hatte. Uebrigens beschränke ich mich auf meine Begebenheiten, ohne auf die Beschreibung der Länder und Völker auszuschweifen, da man diese zahlreich genug findet. Diese erste gewinnvolle Reise spornte mich zu einer zweiten an, obgleich ich nichts weniger als gewinnsüchtig, noch geizig und überdies so reich war, daß ich meine Einkünfte kaum zur Hälfte zu verzehren vermochte. Aber die Reiselust, die jetzt, in meinem mehr als sechszigsten Lebensjahre, noch so lebhaft schien als in meiner Jugend, ließ mir keine Ruhe. War ich am Lande, so sehnte ich mich nach der See, und durchsegelte ich diese, so wünschte ich mich[208] auf's Land, und war ich in einem Lande, so verlangte ich ein anderes zu sehen, und da ich in Umständen war, diesen Hang zu befriedigen, so gab ich ihm ohne Bedenken nach. Ich befand mich in Ostindien, einem Lande, von dem ich schon in meiner Jugend viel hatte erzählen hören, und wollte es nun auch besehen und gründlich kennen lernen, vorzüglich aber zog mich das Wunderland China an, und das Wenige, was ich davon gesehen, machte mich nur desto begieriger, es näher zu betrachten.
Ganz andere Beweggründe leiteten meinen Genossen, die mehr auf's Solide gerichtet waren. Um dieses möglichst zu befördern, hätte er sich's gar nicht verdrießen lassen, wie ein Postpferd, immer auf demselben Wege hin und her zu traben, im nämlichen Gasthofe einzukehren, wenn er nur seine Rechnung dabei fand. So hat Jeder seine besondern Neigungen, und obgleich die unserigen so abweichend waren, so begegneten sie sich doch auf einem Punkte, nämlich uns zu einer zweiten Reise eifrigst einzurichten. Sie war schon nach fünf Monaten glücklich beendigt, ohne daß uns etwas Interessantes zugestoßen wäre.
Herr Wilson fand, daß bei der Ausdehnung unserer Geschäfte unser Fahrzeug zu klein wäre, und drang darauf, solches zu verkaufen, und ein größeres dafür anzuschaffen. Mir war es ganz recht, da die Fahrt auf einem großen Schiffe weit angenehmer ist, man sich auch mehrere Bequemlichkeiten verschaffen kann, da man hingegen auf einem kleinen oft sehr eingeschränkt sich behelfen muß.[209]
Wenige Zeit nach unserer Rückkehr lief ein holländisches Schiff von 300 Tonnen in den Hafen ein, das sich recht gut für unsere Absicht zu schicken schien; ich vernahm auch bald, daß der Kapitän es zu verkaufen wünschte, weil er Willens wäre, den Seehandel zu verlassen, und mit einem Ostindienfahrer nach Europa zurückzukehren, indem er eine hinlängliche Fortun gemacht habe. Ich benachrichtigte sogleich Herrn Wilson davon, wir besahen und untersuchten das Schiff, in Begleitung eines Schiffsbaumeisters, und befanden es im besten Zustande, schlossen den Kauf, und bezahlten es dem Kapitän baar. Am folgenden Tage nahmen wir davon Besitz, indem ich mit der Mannschaft unsers kleinern Fahrzeugs mich dahin begab. Wir hatten uns entschlossen, auch die Mannschaft desselben in unsere Dienste zu nehmen, und ich wollte mit ihr darüber unterhandeln, war aber nicht wenig betroffen, als ich vernahm, sie hätten sich, bis auf fünf Mann, welche erst kürzlich angeworben worden, entfernt, nachdem sie nicht bloß ihre Besoldung, sondern jeder auch seinen Antheil an der Verkaufssumme erhalten. Diese Nachricht setzte uns in nicht geringe Verlegenheit, wir gaben uns alle Mühe, wo nicht alle, doch einige dieser Seeleute zu finden, vernahmen aber, sie wären ins Innere des Landes gegangen, der Kapitän aber bereits nach Batavia abgefahren, so daß keine Spur mehr von ihnen zu entdecken war. Dies mußte nothwendig Verdacht gegen sie erregen, aber es vergieng noch einige Zeit, ehe wir die Lage der Dinge erfuhren, und wären beinahe die Opfer einer abscheulichen Betrügerei geworden, denn[210] jene fünf Mann wußten uns nicht das Geringste davon zu berichten.
Wir glaubten indeß einen vortrefflichen Kauf gemacht zu haben, und obgleich wir wohl fühlten, bei unsern Erkundigungen nicht vorsichtig genug gewesen zu seyn, so zweifelten wir doch keineswegs, daß wir unser Fahrzeug rechtmäßig besaßen, warben daher die noch fehlende Mannschaft, sowohl Engländer als Holländer und Indier, befrachteten unser Schiff mit Waaren und Lebensmitteln, und segelten wieder nach der Bai von Siam, und erst, als wir diese verlassen hatten, bemerkten wir einige Tage nachher, daß wir einen Leck bekommen hatten, konnten aber nicht dessen Stelle entdecken; wir richteten daher unsern Kurs nach dem Flusse Cambodia, wo wir die Anker fallen liessen. Ich begab mich, wie man gewöhnlich that, wenn man einige Zeit in See gewesen, an's Land, und konnte dies desto eher, da ich, um mehr Muße zu haben, das Schiffskommando niedergelegt hatte, indem wir schon in Bengalen mit einem braven und geschickten englischen Schiffskapitän, der eben ohne Anstellung war, Bekanntschaft gemacht und ihm den Befehl unsers Schiffes übergeben hatten.
Als ich kaum am Lande war, kam er Bootsmann eines englischen Ostindienfahrers, der weiter oben bei der Stadt Cambodia vor Anker lag, in mein Quartier, und begehrte, mit mir zu sprechen, indem es mich sehr nahe angienge. Und was wäre denn dies? fragte ich ihn verwundert, da mir der Mann ganz unbekannt war. Es ist, erwiederte er, die große Gefahr,[211] die Euch droht, die mich bewogen hat, Euch davon zu benachrichtigen, da Ihr sie nicht zu beachten, oder nicht zu kennen scheint, obwohl letzteres beinahe unglaublich ist. Wißt Ihr denn nicht, daß bei der Stadt Cambodia zwei englische und drei holländische Schiffe liegen, davon jedes Euch überlegen ist. Ich bemerkte ihm dagegen: daß, da zwischen England und Holland Friede sey, so glaubte ich weder von meinen Landsleuten, noch von den Holländern das Geringste befürchten zu müssen, und die einzige Besorgniß, die ich habe, ein Leck wäre, den unser Schiff bekommen hätte. »Nun in Wahrheit, versetzte er, ich dächte, Ihr hättet wohl wichtigere Gründe, besorgt zu seyn; ich glaubte, Euch einen wichtigen Dienst zu leisten, wenn ich Euch warnte, und riethe sogleich, und ohne nur an den Leck zu denken, die Anker zu lichten, und davon zu segeln, denn fünf bewaffnete Schluppen, eben von jenen fünf englischen und holländischen Schiffen, sind bereit, Euch anzugreifen, und als Seeräuber zu bestrafen, und ich sollte meinen, ein Rath von solcher Wichtigkeit hätte mir eine bessere Aufnahme verschaffen sollen.« – Ich bin kein Seeräuber, erwiederte ich, und war es nie, auch werde ich nicht undankbar seyn, wenn Ihr mir nähere und sichere Berichte hierüber geben könnt. – »Ihr habt keinen Augenblick zu verlieren, wenn Ihr Euch retten wollet, und die Geschichte, die Euch übrigens nicht unbekannt seyn kann, würde zu lang seyn, und Euch zu lange aufhalten, denn ich wiederhole es, und stehe dafür, daß kein Augenblick zu verlieren ist, wenn Ihr euer[212] Leben und das eurer ganzen Mannschaft nicht muthwillig auf's Spiel setzen wollet. Von eurer frühern Fahrt weiß ich nichts, wohl aber, daß, sobald unsere Schiffe das Eurige erkannten, alles vorbereitet wurde, um Euch mit Uebermacht anzugreifen. Die fünf Schluppen sind Euch auf dem Flusse weit überlegen, und wären schon da, wenn sie gegen die Fluth anrudern könnten; so aber müssen sie die Ebbe erwarten, und dies, so wie der frische Wind, begünstigen euere schnelle Abfahrt; ich habe aber einen Gefährten hier, dem eure ganze Geschichte wohl bekannt ist, ich will ihn holen, und er wird Euch alles erzählen.« – Es sey, versetzte ich, und ich werde Euch reichlich belohnen, wenn es sich zeigt, daß euer Bericht gegründet ist. – Hierauf erwiederte er: »Ihr scheint noch nicht überzeugt, sondern mißtrauisch zu seyn; wenn es Euch wirklich Ernst ist, mich zu belohnen, so ist dies leicht. Ich habe neunzehn Monate Besoldung auf einem jener englischen Schiffe zu gut, und mein Kamerad, ein Holländer, hat eine siebenmonatliche zu fordern; wollt ihr uns diese Ansprachen vergüten, und uns in euern Dienst nehmen, so sind wir zufrieden.«
Ich nahm ihn sogleich bei'm Wort, wodurch er sich ganz in unsere Gewalt übergab. Ich befahl ihm, unverzüglich seinen Gefährten zu holen, und begab mich zum Boote, wo beide bald darauf eintrafen, und mit mir zum Schiffe ruderten. Als wir uns soweit genähert hatten, daß man sich verstehen konnte, rief mir Herr Wilson zu, daß der Leck entdeckt und bereits verstopft sey. – Vortrefflich! Nur geschwind die Anker gelichtet,[213] auf und davon gesegelt, was das Zeug halten mag. – Herr Wilson machte große Augen, und that viele Fragen, aber ich bedeutete ihm, daß zu Erläuterungen jetzt nicht Zeit wäre, sondern Alles Hand anlegen müsse, um fortzukommen. Obgleich seine Neugierde eben so groß als sein Erstaunen war, so widersetzte er sich doch keineswegs mei nen Anordnungen, sondern unterstützte sie vielmehr durch Anmuthigung der Mannschaft. Die Fluth hatte zwar noch nicht Hochwasser erreicht, aber der günstige Wind, der zu unserm Glücke noch immer frisch seewärts wehete, brachte uns bald in die offene See.
Nun erzählte ich meinem Genossen die saubere Geschichte, in die wir verwickelt waren, und ließ, zur Ergänzung derselben, die beiden Männer in die Kajüte kommen. Der Holländer erzählte uns dann Folgendes: »Derjenige, der uns unter dem Namen Klosterhoven, als Kapitän, das Schiff verkauft hatte, war nur der Konstabel und ein Erzbösewicht. Als das Schiff an der Insel Sumatra anlegte, gieng der Kapitän mit dem Boot ans Land, ward aber nebst drei seiner Matrosen von den Eingebornen erschlagen, die Uebrigen entkamen nur mit großer Mühe dieser Gefahr. Der Schiffer floh mit Dreien in die Wälder, und nur ihrer Fünfe, die schon bei der Schluppe waren, flüchteten sich mit selbiger an Bord. Nun bemächtigte sich der Konstabel des Oberbefehls, segelte fort, ohne sich um die noch am Lande Gebliebenen zu bekümmern. Er, der Holländer, war einer der drei Flüchtlinge, die sich in die Wälder retteten, und hatte das Glück, als[214] er sich von seinen Kameraden entfernt hatte, um am Strande Fische oder Muscheln zu suchen, ein Boot anzutreffen, das eben Wasser eingenommen hatte, an Bord eines holländischen, von China kommenden Schiffes zurückkehren wollte, und ihn mitnahm, ohne warten zu wollen, bis er jene geholt hätte. Einige Zeit, nachdem dieser Chinafahrer in Batavia eingelaufen, erfuhr man durch zwei andere Matrosen, die sich auch gerettet hatten, daß der Konstabel das Schiff in Bengalen einem Trupp Seeräuber verkauft habe, die bereits ein englisches und zwei holländische reichbeladene Fahrzeuge gekapert hätten.« Dies gab uns nun völligen Aufschluß über unsere Lage. Denn gewiß hatte der Konstabel und sein Schiffsvolk Seeräuberei getrieben, und jene drei Schiffe weggenommen, und sein eigenes verkauft, um der Gefahr, gehangen zu werden, zu entrinnen. Wir glaubten, das Beste wäre, sogleich nach Bengalen zurückzukehren, wo wir Beide wohl bekannt waren, und wo wir uns mit Erfolg vertheidigen konnten; nur war zu befürchten, daß wir, noch vor unserer Ankunft daselbst, angegriffen und weggenommen, und unverhört, ohne Gnade aufgehängt werden möchten.
Wir überlegten sehr ernstlich, was zu thun sey, als der Kapitän in die Kajüte trat und meldete, man bemerkte fünf starkbemannte Schluppen, die uns verfolgten; ein Beweis, daß der Bericht der beiden Männer nur allzugegründet war. Ich ließ sogleich die Schiffsmannschaft auf den Halbdeck versammeln, und berichtete ihr unverholen unsere Lage und Gefahr, und daß[215] uns nichts übrig bliebe, als Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Unbedenklich und muthvoll waren sie bereit, bis auf den letzten Mann zu fechten. Wir setzten daher alles zu einer verzweifelten Gegenwehr in Bereitschaft.
Die feindlichen Boote schienen eben so eifrig zum Angriff als wir zur Vertheidigung; sie setzten alle Segel bei, um uns einzuholen, und halfen noch mit den Rudern nach; auch gewannen sie beträchtlichen Fortgang über uns, besonders zwei, die wir durch unsere Fernröhren für englische erkannten, und den übrigen zuvoreilten. Als sie nahe genug waren, thaten wir einen Schuß – doch ohne Kugel – und hißten eine weisse Flagge auf, beides Signale, daß wir mit ihnen sprechen wollten; sie kehrten sich aber gar nicht daran, daher wir, mit ihren Absichten nur zu wohl bekannt, statt der weissen die rothe Flagge – die sogenannte Blutflagge – aufzogen, und zugleich hart über ihren Köpfen eine Kugel wegfeuerten, wodurch sie sich aber nicht abwendig machen liessen. Da nun die eine schon so nahe war, daß sie uns durch das Sprachrohr verstehen mußte, so warnten wir sie abzustehen, weil wir sie sonst in den Grund bohren würden; aber wir schienen Taubstummen zu predigen. Daher ließ ich ein paar Kugeln auf sie feuern, davon die eine über die nähere Schluppe hinflog, und den Hintertheil der Entfernteren zerschmetterte, was ihre Mannschaft nöthigte, die Segel einzuziehen und sich in den Vordertheil zu drängen, um nicht zu sinken. Auch dies vermochte nicht, die nähere Schluppe aufzuhalten, und sie kam so nahe gegen den Hinterbug, daß zwei Schüsse über sie weggiengen,[216] ohne zu treffen, was ihre Mannschaft bewog, die Hüte zu schwingen und uns zu verspotten. Aber wir machten eine kleine Wendung und zwei neue Schüsse, wovon einer mit Kartätschen, bessere Wirkung that; zwar hatte der Kugelschuß wieder gefehlt, aber jener fiel mitten in die Mannschaft und richtete schreckliche Verwüstung unter ihr an, und drei kurz darauf folgende Kanonenschüsse zertrümmerten das ganze Boot. Da unsere beiden Boote neben dem Schiffe flott und bemannt waren, so gab ich dem einen Befehl, der herumschwimmenden feindlichen Mannschaft zu Hülfe zu eilen, sie vom Ersaufen zu retten und so viel sie erfassen könnte, zu uns an Bord zu bringen. Unsere Leute thaten zwar ihr Bestes, konnten aber nur Drei auffangen, davon der Eine schon halb ertrunken war, weil von den Uebrigen die meisten verwundet untersanken, oder gegen die andere Schluppe hinschwammen, indem die drei folgenden Schluppen sich dieser nun auch genahet und Arbeit genug hatten, ihnen Beistand zu leisten, ohne sich weiter um uns zu bemühen. Sobald unser Boot die Geretteten an Bord brachte, setzten wir ohne Aufenthalt unsern Lauf mit immer günstigem Winde und veränderter Richtung fort, froh einer solchen Gefahr entgangen zu seyn. Nachdem unser Fahrzeug wieder ordentlich seinen Lauf fortsetzte, ließ ich die drei Aufgefangenen zu mir kommen; sie konnten mir aber nichts mehr sagen, als ich schon von jenen Beiden erfahren hatte. Sie blieben bei uns als Matrosen an Bord. Wir entschlossen uns vorerst, nach der Küste von Tunking, wohin nur wenige europäische Schiffe[217] segelten, hinzusteuern, um einen bequemen und zugleich abgelegenen Ort zu finden, wo wir unser Schiff, das dessen sehr bedurfte, ausbessern, dann nach China segeln und solches nebst unsern Waaren verkaufen könnten. Dem zufolge steuerten wir Nord-Nordost; aber die Fahrt ward immer unangenehmer, indem Windstille eintrat und wir anfiengen, Mangel an Lebensmitteln zu leiden. Vorzüglich aber war ich über unsere gefährliche und ungewisse Lage sehr niedergeschlagen. Nach meiner Zurückkunft von meiner Insel befand ich mich in England in der erwünschtesten Lage von der Welt; ich besaß ein mehr als hinlängliches Vermögen, um als ein Gentleman anständig zu leben, genoß der Achtung aller derjenigen, die mich kannten, und war nun im Verdacht eines schändenden Verbrechens, woran ich in meinem Leben nie gedacht hatte und von Herzen verabscheute, das mich nun der Gefahr eines schmählichen Todes oder wenigstens dem Verlust meines guten Namens aussetzte. Während geraumer Zeit träumte ich von nichts als von Gefechten, Verfolgungen, Schaffoten und Henkern, und dies machte mein Leben höchst elend. Die langsame Fahrt und die Geschäftlosigkeit boten mir nicht die geringste Zerstreuung und Aufheiterung dar, und ich würde wahrscheinlich ganz schwermüthig geworden seyn, wenn wir nicht endlich drei Wochen nach jenem Gefechte die Küste von Cochinchina entdeckt hätten, wo sich ein Fluß in die See ausmündete. Wir liessen der Mündung gegenüber die Anker fallen und setzten die Pinasse aus, worin der Kapitän sich selbst an das Land fahren ließ, um eine[218] zuverlässige Rekognoszirung anzustellen, ob der Fluß unser Fahrzeug aufnehmen könne und ob keine Schiffe in dem umliegenden Hafen sich befänden. Der Erfolg entsprach unsern Wünschen: der Fluß, obwohl klein, war tief genug, unser Schiff über fünf englische Meilen weit einlaufen zu lassen, und andere Fahrzeuge waren weit und breit keine da. Wir hoben daher noch am nämlichen Tage den Anker, liefen in die Mündung des Flusses ein, und ankerten ungefähr drei englische Meilen aufwärts derselben, jenseits eines vorspringenden Hügels, der uns allen vorbeifahrenden Schiffen verbarg, da wir hingegen vom Gipfel desselben weit in die See hinausschauen konnten, und wirklich am folgenden Morgen zwei holländische Schiffe, am Nachmittage zwei englische und ein paar Tage nachher noch ein Schiff, das keine Flagge führte, aber uns doch an der Bauart ein holländisches zu seyn schien, in der Entfernung von sechs bis acht englischen Meilen, vorbei segeln sahen, welche alle den Lauf ostwärts, wahrscheinlich nach China, richteten. Sie bemerkten uns gar nicht, und wir waren hocherfreut, an diesem Zufluchtsorte so verborgen zu seyn. Demungeachtet waren wir nicht ganz ohne Besorgnisse, da bei der, wie es schien, etwas lebhaften Schifffahrt in diesen Gewässern, Andern dieser Ankerplatz besser als uns bekannt seyn, und sie bewegen konnte, neben uns vor Anker zu gehen. Die Lage dieser Flußmündung war höchstens zwanzig englische Meilen von der nördlichen Grenze von Cochinchina, gegen Tunking hin, entfernt. Ueberdies gehörten die Landeseingebornen in unsern nächsten[219] Umgebungen zu den barbarischsten Völkern der Erde; sie waren diebisch, grausam und verrätherisch, und dennoch waren wir genöthigt, wegen den Lebensmitteln mit ihnen in Verkehr zu treten, aber wir geriethen oft in Streitigkeiten mit ihnen, und hatten nicht wenig Mühe, uns vor ihren Betrügereien und Beleidigungen zu schützen. Sie lebten meist von Früchten, Gewild und Fischen, und überdies hatten sie noch die abscheuliche Gewohnheit, wenn Schiffe an ihren Küsten strandeten, die unglücklichen Schiffbrüchigen zu Sklaven zu machen, um sie ins Innere des Landes zu verkaufen, wie wir selbst würden erfahren haben, wenn wir ihnen nicht überlegen gewesen wären.
Als wir, wie bereits gemeldet, einen Leck bekommen, ihn nach langem Suchen gefunden und verstopft hatten, sahen wir, daß das Schiff verschiedentlicher Ausbesserung, besonders der Kalfaterung bedurfte, und der Ort, wo wir uns jetzt befanden, schien uns sehr bequem zu dieser Arbeit. Zu dem Ende legten wir das Geschütz des einen Bordes an das andere, so wie die Anker und andere schwere Gegenstände, um das Schiff so viel möglich auf die eine Seite zu legen, damit wir an der andern bis zum Kiel gelangen könnten. Wir hatten diese Arbeit am dritten Tage und schon vor Aufgang der Sonne angefangen, so daß die Landeseinwohner, als sie erwacht waren, das Fahrzeug sehr auf die Seite geneigt erblickten, und in ihrer Unwissenheit glaubten, es sey in der Nacht verunglückt, obwohl das Wetter sehr stille gewesen war. Sie sahen sofort das Schiff für gute Prise an, und wir bemerkten,[220] daß ich viele Thätigkeit und Lebhaftigkeit unter einem Haufen von hundert bis hundertfünfzig Menschen zeigte. Es mochte etwa gegen zwei Uhr Nachmittags seyn, als zehn bis zwölf Kanots, mit Leuten gefüllt, heran ruderten, ohne daß sie unsere Leute, die hinter dem Schiffe arbeiteten, ansichtig wurden; wir aber hatten sie schon lange entdeckt und beobachtet, und da wir uns nichts Gutes von ihnen versahen, so waren wir auf alle Fälle gefaßt, hatten in jeder Schluppe, worin die Arbeiter sich befanden, einige mit Feuergewehr bewaffnete Matrosen einsteigen lassen, und auch jenen Waffen geben lassen. Als nun die Indianer näher kamen, sahen sie wohl, daß wir das Fahrzeug nicht verlassen hatten, sondern noch gegenwärtig waren, worüber sie sehr betroffen waren, und Anfangs nicht gleich wußten, was sie thun sollten; da sie uns aber so ruhig sahen, und meinten, wir seyen erschrocken, so hofften sie, leichtes Spiel mit uns zu haben, und naheten sämmtlich mit großem Geschrei und drohenden Gebehrden, was einigen unserer Leute Furcht anjagte; zwei der Kanots waren so nahe an die Pinasse gekommen, daß bereits ein paar Arbeiter ergriffen wurden, der eine von diesen war aber ein rüstiger Kerl, dem wenig daran lag, Gefangener zu seyn, und da er eben eine Kelle voll Theer in der Hand hielt, so schwang er diesen brühheiß dem beinahe nackten Indianer auf den Leib; die brennende Suppe preßte ihm ein lautes Gebrülle aus, er sprang ins Wasser, um sich abzukühlen; als unsere übrige Mannschaft die gute Wirkung erblickte, bedienten sie sich des nämlichen[221] Mittels gegen die andringenden Feinde, und belustigten sich an ihren seltsamen Sprüngen und Geheul. »Die Suppe schmeckt – rief einer – denn sie singen und tanzen dazu.« Die Andern machten ähnliche Anmerkungen, und fuhren fort, die Indianer mit heißem Theer zu bespritzen. Die Wirkung war schnell und entscheidend; in weniger als einer halben Stunde waren wir von diesen lästigen Besuchern befreit, und hörten noch in weiter Ferne ihr abscheuliches Geheul, das mich an das jener Wölfe erinnerte, die uns auf den Pyrenäen anfielen. Es ist doch sonderbar, daß, da der Schmerz allen Menschen ein Geschrei auspreßt, dieses doch bei allen Völkern eben so verschieden ist als ihre Sprachen, da es doch nur der unwillkührliche Ausdruck des Leidens ist, der mit der Sprache selbst nichts gemein zu haben scheint. Uebrigens war ich sehr froh, so schnell und so wohlfeilen Kaufs, ohne Jemand getödtet zu haben, aus dieser, Anfangs so drohenden Gefahr gerettet zu seyn, und wahrscheinlich keine weitern Angriffe befürchten zu müssen; wir setzten also unsere Arbeiten mit so gutem Erfolge fort, daß unser Schiff nach fünf Tagen im besten Zustande und segelfertig war. Doch unterließen wir nicht, alle Sicherheitsanstalten zu treffen, um einen allfälligen Angriff der Feinde mit solchem Nachdruck zurückzuschlagen, der ihnen alle Lust benehmen würde, uns ferner zu beunruhigen.
Ausgewählte Ausgaben von
Robinson Crusoe
|
Buchempfehlung
Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.
86 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro