Fünfter Auftritt.

[197] Aufrecht tritt ein mit Brod, Käse und einer Flasche sammt Glas in einem Korbe.


AUFRECHT.

Du entschuldigst –

HANS.

Ich entschuld'ge Nichts! es müssen Alle sich nach mir bequemen,

Sagtest Du, und meinen Hunger zwingst Du sich nach Dir zu richten?

Deine Langsamkeit verdiente harte Strafe.

AUFRECHT.

Du vergissest –

HANS.

Ich vergesse Nichts! Ich habe das vortrefflichste Gedächtniß.

AUFRECHT.

Zu der Speisekammer eilt' ich, doch die Thüre war verschlossen.

HANS.

Unglückseeliger, Du bringst mir nichts zu essen?

AUFRECHT.

Doch! Ich bringe

Käs' und Brot.


Er giebt es; Hans nimmt ein Messer vom Tische und schneidet das Brot.


HANS essend.

Erbärmlich mager ist die Speise! früher hatt' ich

Doch was Warmes!

AUFRECHT.

Künftig sollst Du –

HANS.

Künftig, künftig! Zum Versprechen

Ist der dümmste Teufel immer noch hinlänglich klug.[198]

AUFRECHT.

Ich hätte

Bess're Nahrung aufgetragen, wenn die fortgelauf'nen Schufte

Nicht die Speisekammerschlüssel mitgenommen.

HANS.

Ehrenmänner

Waren sie mit Dir verglichen! Käs' und Brot! Entschuldigungen

Haben pflichtvergess'ne Diener immer bei der Hand! – Was bringst Du

Mir zu trinken?

AUFRECHT.

Wundervollen Doppelkümmel.

HANS.

Wundervoller

Unsinn.

AUFRECHT.

Auch den Keller fand ich fest verschlossen

– doch ich werde

Für Censur's Johannisberger bei der nächsten Tafel sorgen.

HANS.

Ja, auf Morgen Alles schieben! Steh' nicht müßig, wie ein Pfahl,

Schenk mir ein. –


Aufrecht schenkt ein. Hans ergreift das Glas und wirft es auf die Erde.


Ha, welche Bosheit! Nieder auf die

Kniee, Heuchler,

Nieder!

AUFRECHT.

Hans, ich bin unschuldig.

HANS.

Hund, Du wolltest mich vergiften!

AUFRECHT.

Ich?[199]

HANS.

Zur rechten Zeit entsinn ich mich, daß Brantewein und Käse

Steinbeschwerden machen, daß man unter grausenvollen Leiden

Daran stirbt! Auf morgen läßt Du den Johannisberger Censur's,

Weil Du hoffst, ich werde morgen bei den Todten todt schon liegen!

Ich durchschaue Deine Pläne! Niederträchtiger Verräther!

Mich beerben willst Du! Nieder, nieder auf die Kniee! Bete!

Und dann stirb!


Er schwingt das Messer.


AUFRECHT.

Um Gotteswillen!

HANS.

Bete, Schurke! Deine letzte

Stunde kam!

AUFRECHT.

Sieh doch! sieh dort am Fenster das Gespenst!

HANS von ihm ablassend.

Wo? Was?


Aufrecht entwischt.


Ich erblicke Nichts! – wo ist es? Aufrecht! Ha, er ist entflohn!

Dieser Hund! Solche Complotte! ... Aber Rache will ich nehmen!


Er springt auf zum Nachsetzen.


Dich bekomm' ich noch!


Stürzt über einen Stuhl, und verwundet sich dabei mit dem Messer.


Weh, weh mir! ach! zerbrochen alle Glieder!

Au! verflucht, satanisch! Das ist ja ein Schmerz als hätt' ich Alles,

Arm und Bein und Hals, gebrochen –


Sieht die Wunde im linken Arm.


– Und was ist das? Herr im Himmel!

Blut! Mein Blut fließt! Doctor Censur! Polisëi, Polisëi!

Helft! Kommt! Rettet! ich verblute! Ach, ich hab gefrevelt – Kriechel,[200]

Holder Kriechel! Hört! ich will Euch fortan streng gehorsam sein,

Nicht mehr klagen, nicht mehr mucken –


Sich besinnend.


Aber, Donnerwetter, nein!

Diesen Schuften wieder dienen? – Au! – Von diesem Galgenpack

– Au! – Mich wieder streichen, kneifen – Au! – betrügen, schinden lassen?!

Eh'r soll mich der Teufel holen – Schäm' Dich, Hans


Indem er aufsteht.


Du bist wahrhaftig,

Wenn Du winselst, noch der Mann nicht, der Du sein willst unter Männern!

Laß doch seh'n, am Ende kann ich Selber meine Wunden heilen.

Ach! 'ne Schramme! kaum ein Zoll breit – und mein Herz ist noch gesund!


Er nimmt sein Halstuch ab, um sich zu verbinden.


Bleibt mir nur vom Hals, ihr Schurken! Kommt mir nicht zurück!


Drohend.


Noch kann ich

Mit dem unverletzten rechten Arme Euch zu Brei zerschlagen.


Verbindet sich mit Hülfe des Mundes.


So – es wird schon gehn – zwar mühsam –


Quelle:
Der deutsche Michel, Revolutionskomödien der Achtundvierziger. Stuttgart 1971, S. 197-201.
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