Achter Auftritt.

[205] In der Thüre erscheinen Censur, Polisëi, Kriechel und Diener, mit Stangen bewaffnet.


HANS vertritt Theodor den Weg.

Laßt! Ich will's nicht! Hört Ihr nicht, Herr Theodor, ich will es nicht!


Donnernd zu Censur und den Andern.


Fort! hinaus mit Euch! – Hier schwör' ich's, hört mich an, Herr Theodor,

Wenn Ihr diesen faulen Schurken nicht sogleich die Thüre weis't,

Künd'ge ich Euch die Verwaltung, giebt es Krieg, Krieg zwischen uns

Bis zum letzten Tropfen Blutes! – Wählt! noch ist es Zeit! ...


Zu Censur, Polisëi und den Andern.
[205]

Und Ihr,

Einmal hab' ich Euch geschüttelt, doch das zweite Mal zerbrech' ich,

– Jetzt von eig'nen Gottesgnaden, Ich, Hans Volk – brech' Euch in Stücke

Und in Scherben!


Pause des Schreckens für Alle außer Hans. – Theodor erholt sich.


THEODOR.

Ich befehle, daß Ihr Euch, Herr Doctor Censur,

Schleunigst fortbegebt; desgleichen Ihr, Gewissensrath, Herr Kriechel,

Denn ich will mit meinem Bruder, Herren Volk, allein nun bleiben.

Ihr, Herr Polisëi, folget jenen, daß sie keinen Aufruhr

Fürder in dem Land des Herren Volk zu machen sich erdreisten.


Alle, außer Hans und Theodor ab.


HANS.

Brav, Herr Theodor! Ich dank' Euch! Und wir werden einig werden.

Denn ich merk' es wohl, auch Ihr seid, so wie ich, von diesen Dienern

Unverschämt betrogen worden!

THEODOR.

Hört mich an, Herr Volk; Ihr scheinet

Mir der Meinung, daß Ihr Selbst von jetzt an Euer Ziel besorgen

Und verwalten wollt. Wenn Ihr nun wirklich glaubt, daß Eure Kraft

Und Geschicklichkeit genüge, das zu thun – wenn Ihr nicht fürchtet,

Daß Euch Unheil, Noth und Sorge, und noch manche Selbstverwundung,

Schlimmer, als die heut'ge, droht ... wenn Ihr All das wagen wollt,

Seht, so leg' ich hier das Zeichen meiner erblichen Verwaltung,

Diese schwarze Adlerfeder ab, und geb' sie Euch zu Händen.


Er thut es.
[206]

HANS.

Nein, Herr Theodor; ich bitt' Euch, das war meine Meinung nicht.

Gar zu gut hab' ich gesehen, daß ich bald zu träg und lässig,

Bald zu ungehalten hitzig – kurz, noch nicht gescheut genug bin,

Da mir ja in der Verwaltung – Dank den Schuften Polisëi,

Kriechel und dem Doctor Censur! – jegliche Erfahrung fehlt!

Aber da Ihr mir die schwarze Adlersfeder nun zu Händen

Habt gegeben, seht, so will ich auch mein Recht sie zu verleihen

Frei benutzen. Ihr seid mit mir einig, daß fortan ich Selber

Kenntniß nehmen soll von Allem, was geschieht in der Verwaltung,

Wie's geschieht, warum, wozu – kurz von Allem, wie's 'nem freien

Manne zukommt – seht, und darum geb' ich Euch hiemit das Zeichen

Eurer erblichen Verwaltung wieder in die Hand – und Ihr sollt's

Jetzt in meinem Namen tragen!

THEODOR die Feder aufsteckend.

Für Herrn Volk, und durch Herrn Volk!


Quelle:
Der deutsche Michel, Revolutionskomödien der Achtundvierziger. Stuttgart 1971, S. 205-207.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Wände
Die Wände

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon