[817] Wald. Man hört in der Ferne Hörnerklang, der nach und nach verhallt. Plauen und Graf von Schwarzburg treten auf.
PLAUEN in die Szene hinaussprechend.
Laßt nur die Roß verschnaufen noch, wir kommen
Vor Nacht doch immer nach Marienburg.
Zu Schwarzburg.[817]
Wo sind wir hier?
SCHWARZBURG.
Das ist der Wald von Schaken.
Dorthin liegt Rehden, hier geht's nach dem Haupthaus.
PLAUEN.
Da klingt die Jagd recht fröhlich noch herüber.
SCHWARZBURG.
Und alle Vögel singen zum Valet.
PLAUEN.
Laß uns ein wenig rasten hier im Grünen.
Sie lagern sich auf den Rasen.
Sieh, wie die Sonne herrlich untergeht
Und Feld und Strom und Wald in Feuer löst,
Als wollt sie all mit sich hinübernehmen.
Ein königlich Gestirn! Ich wollt, ich hätte
Mein Haus bestellt, wie sie, und schiede so.
SCHWARZBURG.
Sprich nicht vom Scheiden, Herr, schau nun einmal
Auch hinter dich und freu des reichen Blicks dich
Auf das, was du vollbracht.
PLAUEN.
Täusch dich nicht, Günther!
Ich glaubt es auch, es wäre was, den Orden
Herauszuschlagen aus der höchsten Not.
Was nützt's dem Greis, ihn aus der Haft zu lösen?
Er taumelt in der ungewohnten Luft.
Das Unglück fand sie zag, das Glück hoffärtig
So rennt die Zeit uns um, die Gott gegeben
In unsre Hand, sie zu ihm aufzurichten.
SCHWARZBURG.
Wie und du wendest dich, und gibst uns auf?
PLAUEN.
So gebe Gott mich auf, wenn ich das tue!
Nein, an den frischen Morgen glaub ich fest,
Solang die Sonn noch einzle Höhn vergoldet
Und einer noch das Rechte will, wie du.
Dich, Schwarzburg, traf ich überall, wo's galt,
Und komm ich nicht lebendig aus dem Handel:
Ich wüßte keinen sonst dich setzt ich gern
Zum Erben ein der freudigen Gedanken.
SCHWARZBURG.
Mein Herzblut, Herr, für dich! doch einsam nicht,
An deiner Seite denk ich einst zu fechten.
PLAUEN.
Gleichviel, wenn es nur ausgefochten wird.
Sieh, Günther, junge Ritter nahn aus Deutschland,
Die jetzt, zur Zeit der Not, in kühner Lust
Der ersten morgenfrischen Jugendliebe[818]
Das Kreuz genommen um des Kreuzes willen.
Sie will ich stellen über alle andre,
Wie Sterne über der verworrnen Nacht.
Mit neuer strenger Satzung, wie's mir leuchtend
Bei Tag und Nacht die Seele füllt, will ich
Den Orden rüsten und ein stark Geschlecht
Von Brüdern auferziehn, an die kein Herr
Der Erde fürder mehr Gewalt soll haben,
Weil sie dem höchsten Herren wahrhaft dienen.
Doch dazu brauch ich Krieg, daß er die Seelen
Aufrüttle aus dem Schlaf und erst den Grund
Uns feststampft zu dem Bau.
SCHWARZBURG.
Doch das Kapitel
Beschloß den Frieden jüngst und nimmer fügen
Sie solcher neuen Ordnung sich.
PLAUEN.
Sie müssen!
Du selbst warbst mir das Söldnerheer und führtest
Sie in das Land
SCHWARZBURG.
Herr ich versteh dich nicht.
PLAUEN.
Meinst du, ich dürfte hier noch andre fragen,
Als Gott und mich? Gab mir der Herr das Schwert,
So muß ich's brauchen nun! Da kommt ein Fremder.
Rominta in Ritterkleidung tritt auf.
ROMINTA.
Wer ruht so sorglos dort im Dämmerschein,
Durch den die Mörder schleichen?
Sie erkennt Plauen und sinkt zu seinen Füßen.
Hoher Herr!
PLAUEN.
Was bringst du, wunderlicher Bote, mir?
ROMINTA.
O Herr, brich eilig auf von hier! Trau nicht
Der falschen Stille! Sommerfäden spinnen
Im Zwielicht draußen Netze überm Plan,
Die Wipfel flüstern heimlich zueinander
Und auf den Zehen, wie wir sprechen hier,
Naht leis der Mord!
SCHWARZBURG aufspringend.
Was faselst du von Mord?
PLAUEN zu Rominta.
Dein Auge scheint verstört und sieht Gespenster
In stiller Luft.
ROMINTA.
O glaubt mir doch nur! glaub mir!
Ermorden wollen sie dich hier im Wald.[819]
Der Wirsberg sann es aus und harrt auf Rehden,
Dort sammeln sich die Mörder nach der Tat.
SCHWARZBURG.
Verworrne Mär! Und doch der schwanke Wirsberg
PLAUEN.
Wer bist du selbst? ich sah dich nie vorher.
ROMINTA.
O hätt auch ich dich nimmermehr gesehn!
PLAUEN.
Und suchst und warnst mich doch?
ROMINTA.
O frag mich nicht!
Ich lieb den Stern, kann er auch mein nicht werden,
Ich lieb den Blitz in Nacht, wenn er auch tötet,
So unermeßlich groß ist ja die Liebe!
Sie verbirgt ihr Gesicht an seinen Knien.
PLAUEN aufstehend.
Was ist dir denn? Du zitterst ja Du weinst
ROMINTA.
O fragt nicht weiter, unbarmherz'ge Männer!
Schwingt auf die Roß euch! draußen, wenn die Nacht
Mich dicht verhüllt, will ich dir alles sagen.
Mit meiner Brust will ich dein Herz beschirmen,
Und bin ich tot, gedenkst du meiner doch!
PLAUEN der sie aufmerksam betrachtet hat.
Seltsamer Knab. So junges Herz vergiftet
Mit Falschheit nicht der Augen reinen Quell.
So sage denn: ist Rehden schon bemannt?
ROMINTA.
Seitwärts vom Schlosse lagern fremde Scharen,
Geheimnisvoll in Schluchten rings zerstreut,
Doch auf der Burg, als ich vorüberritt,
War's leer und still vom Grund noch bis zur Zinne.
PLAUEN.
Wohlan! so will ich hin! Zeig uns den Weg!
Dein Leben haftet mir für deine Zunge.
SCHWARZBURG.
Bedenke! so allein in Wald und Nacht
PLAUEN.
Ich kenn die Schlüfte dort, rechts an den Wällen
Gelangen ungesehen wir ans Tor.
SCHWARZBURG.
Und wenn der Knabe wirklich wahr gesprochen?
PLAUEN.
So faß ich die Verräter, eh sie's denken,
Und lehr den Wirsberg, ehrlich sein
Mit seinem treuen Herrn! Frisch auf nach Rehden!
Alle ab.
[820] Nikolaus von Renys und Friedrich von Kinthenau treten auf.
KINTHENAU.
Er weilt im Walde noch das ist der Kreuzweg,
Hier muß er durch. Der Pfad ist schmal, sie pflegen
Zu Fuße hier den kurzen Weg zu gehn,
Derweil die Knecht am Saum des Waldes reiten.
Drei wackre Burschen lauern dort am Busch,
Sie sollen uns des Plauen Jagdtroß greifen.
RENYS.
Der Mond ist schon herauf. Wo bleibt der Wirsberg?
KINTHENAU.
Laß ihn! so schwerer wiegt am Zahlungstage
Des Dankes Schuld, wenn wir's allein vollbringen.
RENYS.
Ich wollt, es wär vorüber. Dieses Rauschen
Der Wälder durch die weite Einsamkeit,
Es macht mich noch verrückt.
KINTHENAU.
Horch, Pferdetritt!
STIMME draußen.
Führt dort die Roß herum und wartet drunten.
RENYS.
Ein Ordensmantel schimmert bleich
KINTHENAU.
Er ist's!
KÜCHMEISTER auftretend.
Eine schöne, klare Nacht
RENYS mit gezogenem Schwert auf ihn eindringend.
Mach Platz da, Dränger!
KINTHENAU ihm in den Arm fallend.
Zurück! Küchmeister ist's! Verfluchtes Blendwerk!
KÜCHMEISTER sie verwundert ansehend.
Was soll's, ihr Herrn? im Harnisch hier?
KINTHENAU.
Verzeiht
Wo zieht Ihr hin so spät noch?
KÜCHMEISTER.
Zum Kapitel
Nach der Marienburg. Ich aber meine,
Ihr hieltet hier für einen Höhern mich.
KINTHENAU nach einer Pause.
Und wär's nun so den Ihr im Sinne führt,
Ihr seid sein Feind und habt des guten Grund,
Er kränkt' Euch hart.
KÜCHMEISTER.
Das tat er, und ich will's
Ausfechten mit ihm doch was kümmert's Euch?
KINTHENAU.
Es könnte leicht die Nacht verhaltnem Groll
Das Schwert zur Rache reichen.
Man hört Lärm und Waffengeklirr.[821]
KÜCHMEISTER.
Horch, da zuckt
Das Schwert schon! Merkt ich's doch: Dem Meister gilt's!
Denkt, Buben ihr, daß ich im Finstern morde?
Den Plau'n regierte Gottes Hand, gen Rehden
Sah ich ihn sturmschnell eben ziehn.
KINTHENAU.
Gen Rehden?
So ist verloren alles!
KÜCHMEISTER.
Und kein Haar
Krümmt ihr dem Plau'n! nur über meine Leiche
Erreichst du ihn, Rebell! Zieh, grauer Sünder!
Er zieht.
RENYS der immer mürrisch schweigend dagestanden, plötzlich mit bloßem Schwert vortretend.
Nun denn! hervor! ich haß dich, Henkershelfer,
Gleichwie den Plau'n, und eure ganze Horde!
Sie fechten.
KINTHENAU zurücktretend.
Da drängt Küchmeisters Schar heran mit Fackeln,
Wie Furien rings aus allen Hecken wachsend!
Wir sind verraten! Fort! ich flieh nach Polen!
Mach Platz dem Wahnsinn, wem sein Hirn noch festhält!
Ab.
Küchmeisters Diener mit Fackeln treten auf.
ERSTER DIENER.
Wer eilte dort hinunter? Setzt ihm nach!
ZWEITER.
Laßt, laßt! dort ist der Bluthund!
DRITTER.
Helft dem Herrn!
Sie mischen sich in den Kampf. Renys wird verwundet.
RENYS.
Verflucht der falsche Boden, der das Blut
Der eignen Kinder trinkt! Molch, Schierling schieße
Aus jedem Tropfen und verpest die Luft!
Verflucht der Orden! und in Fluch verkehre
Berauschend sich sein Glück, Macht, Gold daß trunken
Dereinst von wilder Gier, wie Hunde einer
Den andern würgt bis alles öde wüst.
Er stirbt.
KÜCHMEISTER.
Der Wütende ist still auf ewig. Tragt ihn
Hinunter auf ein Saumroß und dann fort
Aus diesem Wald, wo Mord die Nacht befleckt.
Weh Plauen dir, der solchen Sturm geweckt!
Renys wird fortgetragen.
Alle ab.
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