Siebenter Auftritt.

[31] Vorige. Der Arzt.


MADAME WELLDORF ihm entgegen. Seh' ich Sie endlich?

DER ARZT. Leider! noch ohne Hülfe, selbst ohne Nachricht. – Der Oberst war zu beschäftigt; ich kam nicht vor. – Indessen bitte ich Sie: seyn Sie ruhig! ganz ruhig!

MADAME WELLDORF. In solchen Umständen?

DER ARZT. Ich traf jetzt gleich Ihren Sohn. Er sagte mir, dass er auf dem Wege zum Obersten wäre.

MADAME WELLDORF. Und wird er mehr vermögen, als Sie?

DER ARZT. Ich hoff' es, Madame. Wenigstens wird man ihn vor sich lassen, ihn hören; und mit diesem einzigen Vortheil ist schon viel, ist oft Alles gewonnen.[32] – Auch ich lasse mich so noch nicht abweisen; ich kehre zurück. – Wenn ein Sohn, der selbst in Dienst ist, für seinen Vater; ein Arzt, dem man Verpflichtungen hat, für seinen todkranken Freund spricht: wär' es da möglich, Madame –? –

LUISE. O gewiss nicht! Sie reden wie aus meinem eigenen Herzen. Das wäre gewiss nicht möglich. – Zur Mutter. Seyn Sie dann auch wieder froh, liebe Mutter! Werden Sie heiter! Es steht doch auch hier etwas besser. – Sich wieder zum Arzt wendend. Denn was ich Ihnen sogleich würde gesagt haben, wenn nicht diese neue Unruhe gekommen wäre: mein Vater scheint itzt wirklich auf gutem Wege. Er liegt so eben in einem recht sanften, recht erquickenden Schlummer.

DER ARZT. Dass er also noch nichts von seiner Gefahr weiss?[33]

MADAME WELLDORF. Kein Wort. Wozu auch?

DER ARZT. Das meint' ich, Madame. Böse Zeitung kömmt wohl jedem zu früh; und für ihn ist die erste, wesentlichste Bedingung des Wiederaufkommen: Ruhe.

MADAME WELLDORF. Hörst du, Luise? – Geh dann wieder hinein; und wenn er erwachen sollte – –

LUISE. Ich schweige. Seyn Sie um mich nicht bekümmert! Ich sage kein Wort. – Auf halbem Wege wieder umkehrend. Aber nicht wahr, liebe Mutter; wenn nun Eduard wiederkömmt – einen Wink doch von Ihnen! einen einzigen kleinen Wink, damit ich nur wisse – –

MADAME WELLDORF. Geh! Ich verspreche es dir. – Nachdem Luise zurückgeschlichen. Wir sind allein, liebster Freund. Sie rühmten sonst meine Standhaftigkeit, meine Fassung; aber diese ewige Unsicherheit[34] wird mich zu Boden drücken. – Sagen Sie mir unverhohlen: haben Sie Hoffnung?

DER ARZT einen Augenblick sie ansehend. Wozu? – Zur Wiederherstellung des guten Greises? – kaum. Zu seinem Hierbleiben? – wenig.

MADAME WELLDORF nach einer kurzen Pause. Wohl! – Ich will ausdauren und meine Pflicht thun, und will aussehn zu Gott, dass er mir tragen helfe!


Ab mit dem Arzte.


Ende des ersten Aufzugs.


Quelle:
J[ohann] J[akob] Engel: Eid und Pflicht. Berlin 1803, S. 31-35.
Lizenz:
Kategorien: