[135] Der Oberst. Von Brink. Einen Augenblick dazwischen Madame Welldorf.
DER OBERST immer in Unruhe. Sie waren vorhin schon zu kühn. Sie scheinen noch wenig begriffen zu haben, Herr Hauptmann, was Dienst ist.
VON BRINK. O doch! doch! Wenigstens hab' ich begriffen, Herr Oberst, dass ich dem Könige besser, als Andere, diene.
DER OBERST sich in die Brust werfend. Als wer? Als wer?
VON BRINK. Als Jeder, der ohne Menschlichkeit handelt.
DER OBERST. Ha! – Schon der Anfang zum Trotz! – Wir wollen doch[135] heute noch ausmachen, wer hier zu reden und zu urtheilen hat: ob Sie, oder ich? – Aber was wollen Sie jetzt? Was ist vorgefallen?
VON BRINK. Eine Kleinigkeit nur, ein Nichts. – Leicht und verächtlich hinwerfend. Ein Mann ohne Rechtschaffenheit hat sein Wort gebrochen; und ein Thor, der ihm glaubte, ist betrogen worden. – – Lebhaft, und dann hitzig. Sie wundern Sich? – Indem er die Uhr herausreisst und sie ihm hinhält. Ich; ich bin der Thor! – Dass ich auch Ihnen Ihr Wort heilig glaubte, ich Sinnloser! – Ihnen, der nichts Heiliges in der Natur kennt; der Väter im Angesichte der Kinder misshandelt, und Sterbende von ihren Todbetten aufreisst!
DER OBERST hitzig. Wie nun? Welche Sprache?
VON BRINK. Die Sprache der beleidigten Ehre![136]
DER OBERST. Dass nur nicht ich die Sprache des Befehlshabers rede!
VON BRINK. Dürfen Sie das? Kömmt's hier auf Dienst und Pflicht an! – Wenn der Befehl des Königs Ihnen zu zwingend schien, um mein Gesuch zu gewähren; so konnten Sie reden, und ich hatte schweigen müssen. Ich kenne meine Schuldigkeit, meinen Stand – Mit Verdruss. mein Verhältniss. – Aber weder Sie noch ein Andrer soll durch seine Wortbrüchigkeit mir selbst das Ansehn eines Verräthers geben.
DER OBERST zurücktretend. Eines Verräthers, mein Herr?
VON BRINK. Das war mein Wort. Eines Verräthers! – und des nichtswürdigsten unter allen, der mit der Miene, als ob er helfen wollte, das Elend, das er fand, noch vergrössert. – Mit dem Vater nun auch der Sohn im Unglück! Er,[137] dem ich mein Leben schuldig bin, durch mich, durch sein Vertrauen auf meine Ehre, im Unglück! – Was hat er gethan, frag' ich, dass Sie ihn wegschleppen lassen? ihn hingeworfen?
DER OBERST. Was er gethan hat?
VON BRINK. Die heiligste seinen Pflichten erfüllt, dem Himmel und seinem Herzen gehorcht.
DER OBERST. Der Elende! – Dinge hat er verübt; Thätlichkeiten, die – –
VON BRINK. Thätlichkeiten? – mit Gefahr seines Lebens? an Ihnen?
DER OBERST zwischen den Zähnen. An mir!
VON BRINK. Das gewinnt mich ihm ewig. – Und wenn ich ihn wieder habe, will ich ihn an mein Herz drücken, sei er gleich tausendmal ein Gemeiner! und will sein Freund seyn, so lang' ich athme! – – Treibt's nur fort, wie Ihr's anfingt![138] Stürmt nur bis in's Heiligthum der Natur! Tretet nur Alles, was Menschen ehrwürdig ist, unter die Füsse: und seht, was dann wird, Barbaren!
DER OBERST. Tod und Hölle! Auch Sie?
VON BRINK mit Innigkeit. Es ist ein rechtschaffner Sohn! Dass er so willig sein Leben für seinen Vater dransetzte, das rührt mich mehr, als was er für mich that. Es ist ein rechtschaffner Sohn! – Er soll mir frei, unverzüglich frei werden; oder bei Gott! – –
DER OBERST wild. Ha! Noch ein Wort, und – –
VON BRINK. Nicht so stürmisch, Herr Oberst! Treten Sie nicht zu hoch, damit Sie nicht desto tiefer stürzen! – Wenn Sie Ihr Glück, Ihre Ehre lieben, die ich in meinen Händen habe – – Ha, Ihr Blick voll Erstaunens, Ihr Zittern! – –[139] In meinen Händen, sag' ich! in meinen Händen, Herr Oberst! – Auf Madame Welldorf zueilend, die aus dem Seitenzimmer hervortritt. Was ist's? Wir müssen allein seyn, Madame, Sie müssen uns lassen. – Ich bürg' Ihnen für Ihren Mann, Ihren Sohn. Seyn Sie ruhig!
MADAME WELLDORF voll Angst seine Hand haltend. Und ist er frei? – ist er sicher?
VON BRINK indem er sie zurückzwingt. Er ist's. Er ist's. Seyn Sie ruhig!
DER OBERST umhertreibend, halb voll Zorn, halb in Unruhe. Nein, wo ich das länger dulde – mir das länger gefallen lasse – von einem Mann, den ich vorzog – der Alles bei mir galt und vermogte – –
VON BRINK spöttisch. Wer war das?
DER OBERST. Sie! Sie, der Sie nun trotzen!
VON BRINK. Ich? –[140]
DER OBERST. Der Sie auf Ihre Reichthümer, Ihr Haus, auf den General, Ihren Oheim trotzen.
VON BRINK. O ja! Sie schildern mich, wie ich hin, nach dem Leben! – Ich erkenne Sie an dieser Seelé, die Alles so klein denkt. – – Wollen Sie besser wissen, worauf ich trotze? – Auf den Muth, mein Herr, womit ich für den König mein Leben wagte; auf die Reinigkeit dieser Hände, mein Herr Indem er sie hinhält. die noch nie nach dem griffen, was Ihm gehörte.
DER OBERST schnell. Wer griff darnach? – Tod und Teufel! Sie hätten den Muth –?
VON BRINK fest. Den hab' ich. Jedes Kind könn't ihn haben. – Mit bittrer Verachtung. Wer sind Sie?
DER OBERST. Ihr Chef! Ihr Oberst!
VON BRINK. Und sind Sie werth, dass Sie's sind?[141]
DER OBERST. So will ich verdammt seyn, wenn ich Sie länger trotzen lasse! – In Arrest! Ihren Degen!
VON BRINK sich fassend, und abziehend. Sehr wohl! Hier ist er. – Ihm in dem Augenblick, da er zugreifen will, in den Arm fallend. Sie hätten die Kühnheit? – ein einziger Griff Ihrer Hand bringt Sie um Ihre Wohlfahrt und Ihre Ehre. – Wenn Sie bei den vorjährigen Lieferungen den König bevortheilten – Sie wissen am besten, durch welche Einverständnisse; – wenn Sie auf Posten, die Ihnen vertraut wurden, der Erste waren, der sie verliess – ich erinnere Sie an die letzten Tage des letzten Rückzugs; – wenn Sie glauben, dass Menschen da sind, die es auf jeden Wink Ihnen in's Angesicht sagen – denn der Elende lebt nicht, der Sie nicht hasste: – zittern Sie dann! Zittern Sie, diesen Degen zu nehmen! – Bei Gott[142] sei's geschworen! bei Allem, was einer rechtschaffnen Seele werth ist! Wenn Sie hier diesen nehmen, so will ich den Ihrigen vor Ihren Füssen zerbrechen sehn; und dann gern – geachtet von meinen Richtern selbst – ein Opfer der ganzen Strenge unsrer Gesetze werden. – – Sie kennen mich, hoff' ich. Da ich's Ihnen einmal geschworen habe; so kann Sie jetzt nichts, als ein Meuchelmord oder ein Wunder vom Himmel retten. Ich sage Jedem der hören will, schreibe an jede Wand – Ihre Geschichte. – Plötzlich kalt. Und hiemit, mein Herr, stellt Thun und Lassen bei Ihnen. Ich bin das, was Sie zufrieden sind, auch zufrieden. – Ihm den Degen darbietend. Da hier! Da haben Sie mich!
DER OBERST. Ist man je – Hat man je –
VON BRINK. Kein Wort mehr! Ein[143] Ende gemacht! – Sind Sie der Mann, der Sie sollen: so dürfen nicht Sie vor mir; so muss ich vor Ihnen zittern, und wenn mein Haus das Erste des ganzen Königreichs wäre. – Sie haben mich in Ihren Händen, mein Herr. Nehmen Sie hin!
DER OBERST umhertreibend. Ohne Beispiel! – Ein Hauptmann das seinem Obersten? – Ohne Beispiel!
VON BRINK. Mags's! Eins war immer das Erste.
DER OBERST. Ha, ich dürfte nicht noch bedenken –
VON BRINK. Und was? Und was?
Buchempfehlung
Kammerspiel in drei Akten. Der Student Arkenholz und der Greis Hummel nehmen an den Gespenstersoirees eines Oberst teil und werden Zeuge und Protagonist brisanter Enthüllungen. Strindberg setzt die verzerrten Traumdimensionen seiner Figuren in steten Konflikt mit szenisch realen Bildern. Fließende Übergänge vom alltäglich Trivialem in absurde Traumebenen entlarven Fiktionen des bürgerlich-aristokratischen Milieus.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro