[154] Vorige. Madame Welldorf.
MADAME WELLDORF da beide hineinwollen, sie in der Thüre zurückhaltend. Bleibt hier! Wo wollt Ihr hin, meine Kinder?
EDUARD. Zu unserm Vater! Er lebt doch?
LUISE. Sie schweigen? Sie wollen reden, und zittern?[154]
MADAME WELLDORF. Fasst euch! Ergebt euch, wie ich mich ergab! – Er ist hin, wohin wir ihm folgen weiden. Ihr habt ihn nicht mehr.
LUISE. Er ist todt? todt? – Gott, mein Vater! Sie wirft sich in einen Sessel und weint. Die Mutter schleppt sich mühsam in einen andern.
EDUARD nach mehreren stummen Augenblicken, mit erstickter Stimme. Todt! – Ich erwartete das. – Er ist dann frei, ist erlöst. Erquicke Gott seine Seele! – – Wieder nach einigen Augenblicken, zu Luisen. Du weinst? – O, weine um mich, nicht um ihn! Nur der, der hier bleibt, ist elend.
VON BRINK seine Hand ergreifend. Welldorf! – Sage das nicht! Es soll anders werden. – Bliebst du elend, so wär's nicht Wohlthat, dich gerettet zu haben. Ich sing an; und so ist's Pflicht, dass ich[155] vollende. – Du dienst wider dein Vaterland, dienst mit Abscheu. Nimm hier meine Hand! Du sollst frei seyn. – Da Eduard fühllos dasteht. Du hörst nicht? Ich sage: frei sollst du seyn.
EDUARD kalt und in Gedanken verloren. Vom Dienst? – Unmöglich!
VON BRINK. Lass mir das über! Wer das Grössere konnte, wird das Geringere können. – Ich vermag's; ich habe Einfluss; ich bin dir's schuldig. – Aber hier – diese Unglücklichen, die mit deinem Vater Alles verloren – Wer wird sie durchbringen? erhalten?
EDUARD mit Feuer. Ich! ich! – nur Freiheit!
VON BRINK. Aber im Anfang; jetzt im Anfang: wer da? – Ihn mehr zur Seite führend und leiser. Höre mich, Freund! Als du mich auf deinen Schultern in's Lager trugst; da sammelte ich meine letzte[156] Kraft, und bot dir mit zitternder Hand meine Börse. Du warfst sie mir verächtlich zu Füssen. So ein Dienst; riefst du, will keine solche Belohnung. – Sieh hier noch einmal eine Mutter und eine Schwester weinen! Ich weiss nur zu wohl; dass ihrer Mangel und Kummer wartet. – Indem er ihm eine volle Börse in die Hand drückt. Wirfst du mir auch diese zu Füssen?
EDUARD sieht auf die Seinigen zurück, und nimmt sie. O nein! Nein, bei Gott nicht! Ich danke.
VON BRINK. Du entzückst mich. – Lass mich jedes deiner Bedürfnisse wissen! Habe Vertrauen zu mir! – Sieh, ich habe Reichthümer und Güter; und ihr schönster Genuss ist für mich, dass ich meine Freunde zufrieden sehe. – Du weinst?
EDUARD. Muss ich denn nicht? – Ich fühle wieder dass Leben gut ist;[157] und Er – – Indem er, mit ausgebreiteten Armen, langsam auf das Seitenzimmer zutritt.
VON BRINK ihn sanft zurückhaltend. Lass ihn! Gönn' ihm seinen ewigen Schlummer! Er ist itzt glücklicher, als wir Alle.
EDUARD mit Begeisterung aufblickend. Das ist er! Ich nähme die Welt nicht um den Gedanken. – Und gewiss! Indem er Brinks Arm ergreift. Er hat auch dort, was ich hier habe. Sonst wär's kein Himmel.
VON BRINK gerührt. Welldorf!
EDUARD. Sie versöhnen mich mit den Menschen. Ich lebte, wie in einer Räuber – in einer Mörderhöhle. Ich verabscheute sie alle.
VON BRINK. Wie ungerecht warst du! Wie ungerecht gegen sie und den Himmel! – Glaube mir: es wird Rechtschaffenheit unter Menschen wohnen, so lange Vorsehung dort oben wohnt. – – Doch[158] ich lasse dich jetzt. Hemme den Schmerz dieser Unglücklichen, und trage deinen eigenen, als ein Mann!
EDUARD. Das will ich. Das kann ich. – Ich bin gekränkt bis in's Innerste; aber ich bin mit Gott und mit mir zufrieden. Da trägt sich Alles. – – Sie gehen?
VON BRINK. Schmerz, ist gern ohne Zeugen.
EDUARD. Nun wohl! wohl! – Ihm bis zur Thür nach. Nur das noch! das Einzige noch! Der unglücklichste Tag meines Lebens war auch mein glücklichster. Ich fand an ihm eine Seele – eine der edelsten, besten, die jemals aus Gottes Händen gingen.
VON BRINK ihm die Hand drückend. Wir sehn uns wieder, Welldorf – und öfter! Ab.