[152] Zimmer im Winterpalast zu St. Petersburg. Hoch und geräumig. Ein Eingang in der linken Seitenwand (aus dem Antichambre), eine breite Flügeltür in der rechten Hälfte der Rückwand (führt in die Gemächer der Kaiserin), eine kleine Tapetentüre links vorn. – Rechts vorn ein Fenster. – Die Einrichtung – Stil Louis XIV. – zeigt schwere, plumpe Pracht. Gegen rechts steht ein massiver, reich mit Silber verzierter Schreibtisch – Schreibzeug, Papiere und Glocke darauf – mit entsprechenden Sitzmöbeln, darunter ein besonders prächtiger Armsessel mit der Zarenkrone im Ornament. – In der rechten Seitenwand gegen hinten ein großer Spiegel: Wandtischchen davor. Ein reicher Ofen in der linken Ecke. – Sonst nur an passenden Stellen der Wand Sitzfauteuils, die – wie auch die Tapeten in blutrot und silbern gehalten sind. – Ein schwerer, venetianischer Luster hängt tief herab. – Der Boden ist blitzend parkettiert und ohne Teppiche. – Wintervormittag. –
Der Kabinettssekretär Johann Eichler, ein glatter Höfling, etwa vierzig Jahre alt, sitzt am Schreibtisch. – Vor ihm in der Mitte des Zimmers steht in respektvoll leicht gebeugter Haltung, den Hut in der Hand, der Stallmeister, ein
vierschrötiger Russe, dessen Bärengestalt nur mit Mühe in die schlecht sitzende Uniform gepreßt erscheint. –
EICHLER. Also hast du mich verstanden?
STALLMEISTER. Jawohl, Väterchen.
EICHLER scharf. Wie –!?
STALLMEISTER verbessert. Exzellenz –!
EICHLER. Bauerntölpel! – Also: Um die elfte Stunde!
STALLMEISTER. Um elf Uhr. Der Schlitten des Grafen Puschkin – mit dem schwarzen, türkischen Gespann – und Silberzeug – und weißen Wedeln –
EICHLER. Wo?
STALLMEISTER. An der Reitbahn des Prinzen.
EICHLER scharf. Wer ist das – dein Prinz?
STALLMEISTER. – des Prinzen Biron, des Herzogs von Kurland –
EICHLER. Nimm dich in acht, daß er dir's nicht eines Tages selbst erklären muß! Für das Fest heute abend ist in der Manege alles bereit –?
STALLMEISTER. Alles – wie befohlen. – Fünfzig Schlitten für den Maskenzug zum Eispalast. Wir haben Hunde, Esel und Schweine abgerichtet –
EICHLER lacht. Eine richtige Narrenauffahrt!
STALLMEISTER vertraulicher. Du kannst es glauben, Väterchen – Exzellenz! – es war kein leichtes Stück, das Viehzeug ins Gespann zu zwingen. Aber jetzt gehen sie alle – wie richtige Schlitten pferde gehen sie – – Es wird sehr lustig aussehen – ganz wie es einem Narrenkönig ziemt –[152]
EICHLER. Ja – schon gut – Aber jetzt denk vor allem an die Troika des Grafen Puschkin!
STALLMEISTER. Um elf Uhr – gewiß – die drei türkischen Rappen – Silberzeug – Weiße Wedel – –
EICHLER. Wehe dir, wenn Ihre Majestät die Zarin merkt, daß du besoffen bist! Ich lasse dich totprügeln – marsch!
STALLMEISTER neigt sich, küßt Eichlers Rocksaum und geht in bemüht strammer Haltung nach links ab.
EICHLER ihm nachsehend. Elefantenvolk – – Ein schweres Spielzeug in Weiberhänden – – Na – – Blättert in den Papieren.
WOLINSKI tritt von links hinten rasch ein.
EICHLER ihm entgegen. Ah! Sie kommen zur rechten Zeit!
WOLINSKI am Schreibtisch. Was gibt's?
EICHLER weist auf ein Schriftstück. Hier – seitenlange Klagen gegen Ihr Verfahren, Graf.
WOLINSKI indem er es durchfliegt. Gut, daß ich kam. Wir haben Glück. Indem er zum Ofen geht. Sieh doch, wie das Gezücht den Weg findet! Wirft die Schrift ins Feuer. Der klagt mir nicht mehr.
EICHLER wieder am Tisch. Hier – von Fedor Semenoff aus Moskau –
WOLINSKI schnell. Selbst übernommen –?
EICHLER. Keine Sorge – wie immer. Leicht gekränkt. Die Siegel sind unversehrt, wie er sie setzte.
WOLINSKI. Er arbeitet schnell – das ist brav.
EICHLER wie oben. Vom schwedischen Gesandten –
WOLINSKI sieht es an. Sie warten alle auf meine Winke –. Soll nicht mehr lange dauern. – Was noch?
EICHLER. Hier – von –
WOLINSKI horcht gegen die Türe links hinten. Still! Gibt ihm die Papiere. Nimm das und warte drinnen!
EICHLER nimmt die Schriften und geht rasch durch die Tapetentüre links vorn ab.
WOLINSKI strafft sich, nimmt eine gleichgültige Miene an und macht sich am Schreibtisch zu schaffen.
PETER JEROPKIN ein jüngerer Mann, in Tracht und Aussehen einfach und gerade, von energischem, etwas finsterem Gesichtsausdruck, ein Mensch, der nie lacht und nie weint, aber auch nie lügt und am wenigsten jemals einer Schwierigkeit oder Gefahr ausweicht, kommt von links hinten.
WOLINSKI angenehm überrascht. Ach, du? Tritt immer ein, Peter Jeropkin, wir sind allein.
JEROPKIN reicht ihm die Hand. Sollte mich wundern, wenn da nicht wo einer hinter der Tür steckte.[153]
WOLINSKI. Keiner, der uns nicht hören dürfte – Doch, wie siehst du wieder drein? Wie Brutus, bevor er den, Cäsar erdolchte! Wenn du mir immer ein so bitteres Gesicht machst, so sehen sie am Ende noch durch deine Augen meine Pläne! – Glatte Miene, Freundchen! Helle Augen!
JEROPKIN ruhig und ernst. Ich fasse es ernst.
WOLINSKI. Schon gut, das sollst du auch. Wir alle tun es. Daß du es sehen läßt, verrät den Neuling.
JEROPKIN. Man stürzt nur einmal einen Thron. Wers zweimal tut, ist ein Schuft!
WOLINSKI. Sssst! Denk' mehr daran – und rede weniger davon! Im übrigen tut man es, sooft es not ist, du hast es auch dieses erste Mal noch nicht getan.
JEROPKIN. Ich werde meinen Mann stellen.
WOLINSKI. Ich weiß. Du bist mir fest. Wären es nur auch die andern alle.
JEROPKIN. Ich wüßte keinen, der wankte.
WOLINSKI. Keiner ist sicher, bevor er nicht hängt.
JEROPKIN ehrlich entrüstet. Es sind unsere Freunde, Graf Wolinski, unsere Brüder!
WOLINSKI. Es sind Menschen. Weiter nichts. – Glaubst du, ich weiß nicht, daß auch hinter mir schon einer schleicht und auf die Stunde lauert, wo er mich fassen kann? – Das war nie anders, solange Rußland heilig ist. Es kommt nur darauf an, im rechten Augenblick zu wissen, wer es ist. Und man muß! schneller sein, als er. Das ist alles.
JEROPKIN macht eine abwehrende Gebärde.
WOLINSKI. Hast du Andrei Chruschtschow gesehen?
JEROPKIN. Seit gestern abend noch nicht.
WOLINSKI lauernd. Was hältst du von ihm?
JEROPKIN. Er ist so sicher wie wir beide.
WOLINSKI sieht ihn an. Wie wir beide – –? Weißt du das so bestimmt? Weiß ich es –?
JEROPKIN. Was?
WOLINSKI. Ob nicht einer von uns beiden einmal dem andern den Dolch in den Rücken bohrt – –
JEROPKIN tritt unwillkürlich einen Schritt zurück und sieht ihn mit einem Ausdruck von Schauder und Abscheu an.
WOLINSKI. Na – na – mein Brutus! Kein solches Gesicht! Glatte Miene – immer glatte Miene! – Was ist mit Puschkin?
JEROPKIN. Graf Puschkin folgt mir auf dem Fuß hieher zum Lever der Zarin.
WOLINSKI. Der ist am sichersten Auf einen erstaunten Blick des andern. weil er dumm ist.[154]
JEROPKIN lacht kurz und hart.
WOLINSKI. Kein Scherz. Wer dumm ist, ist auch treu. Kleine Pause. An einen denk ich noch.
JEROPKIN. Wen meinst du?
WOLINSKI. Kurakin. – Du staunst – nicht wahr? Aber siehst du, ihn brauche ich.
JEROPKIN. Was sollte der alte Säufer helfen?
WOLINSKI. Helfen? – Ich muß einen neben mir haben, der mein Gewissen ist Sieht ihn fast ängstlich von der Seite an. Verstehst du das?
JEROPKIN. Ich habe mein Gewissen in mir selber.
WOLINSKI. Das ist freilich einfacher.
JEROPKIN. Und ich weiß nur eines: Die Fremden müssen fallen, – mag Fürst Kurakin nun mit uns gehen oder nicht.
WOLINSKI. Brav, brav, Peter Jeropkin, verlaß dich darauf: Es kommt auch noch an die Fremden die Reihe. – Doch jetzt geht anderes vor. Diese Puppenzarin muß weg!
JEROPKIN nickt finster.
WOLINSKI. In ihr Grab – oder in mein Bett. Jedenfalls muß sie still werden.
EICHLER kommt von links vorn. Ich erkannte die Stimme nicht gleich. Guten Morgen, Peter Jeropkin.
JEROPKIN gibt ihm die Hand. Was haben Sie Neues, Sekretär?
EICHLER deutet auf Wolinski. Wir sprachen schon darüber.
JEROPKIN. Was sagte die Zarin gestern noch alles?
EICHLER. Nicht mehr viel. Von Bedeutung gar nichts. Sie schwärmte noch eine Weile von ihrem Fest heute abend – dann spielte sie noch eine Partie Billard – und ging. Gegen elf – wie gewöhnlich, Wie jeden Abend – zehn Jahre lang. Aber jetzt hat sie ja mächtig zu denken. Ich glaube, sie hat seit Tagen nichts anderes im Kopf als den neuen Narrenkönig – –
JEROPKIN. Weiß man schon, wers werden soll?
EICHLER. Nein, sie macht Geheimnisse.
WOLINSKI lacht. Die soll sie haben!
EICHLER. Ich glaube, sie hat noch keine Wahl getroffen.
WOLINSKI. Umso besser; so hat sie zu denken. Wir denken auch. Stöbert in den Papieren. Was hast du noch –?
EICHLER den Brief hervorziehend. Daß ich beinahe vergaß! Freilich! Was glaubst du, wer gekommen ist?
WOLINSKI nimmt den Brief; mit Staunen. Der Galizyn?!
EICHLER. Fürst Anatol Galizyn! Heimgekehrt nach langen Jahren!
WOLINSKI sieht in den Brief. Aus Frankreich –? Jetzt –![155]
JEROPKIN nahe der Tür links, gibt Zeichen zur Vorsicht. Fürst Kurakin! Man hört laut sprechen und lachen.
EICHLER. Am Morgen schon betrunken – wie immer.
WOLINSKI. Kurakin – –? Er kommt zurecht!
Von hinten kommen Andrei Chruschtschow, ein Mensch zwischen vierzig und fünfzig, mit Schnurrbart, ziemlich unordentlich gekleidet, von lauernder Art, Graf Platen Mussin-Puschkin, ein sehr eleganter, fast geckenhafter, aber recht alberner Aristokrat etwa gleichen Alters, und Fürst Kurakin, dem man die zehn Jahre Schnaps und Roheit, die seit dem Vorspiel vorgingen, erschreckend anmerkt. Er ist ein vollkommen ruinierter Greis, seine Riesengestalt nur noch ein Gerüst ehemaliger Kraft, sein Gesicht rot und die Augen schwimmend. Er spricht immer geräuschvoll, aber trotzdem undeutlich lallend – bald mehr, bald minder – und wirkt im ganzen traurig, komisch, ruinenhaft.
KURAKIN den man schon draußen lachen hört. Ich sag es euch auf den Kopf zu: Ihr seid nicht richtig im Herzen! Wer recht im Herzen ist, der liebt den Branntwein! Wer den Branntwein liebt, der macht kein so unzufriedenes Gesicht, wie du hier Peter Jeropkin! Schlägt ihm auf die Schulter.
CHRUSCHTSCHOW UND PUSCHKIN haben mit den anderen vertrauliche Händedrücke getauscht.
WOLINSKI zu Kurakin. Dir ist die Gurgel auch zu weit, Väterchen!
KURAKIN. Sie wurde manchem schon zu eng, mein Freund!
CHRUSCHTSCHOW. Er träumt von alten Zeiten –
PUSCHKIN. Von seinem Zaren Peter.
KURAKIN. Der euch schon alle hätte hängen lassen!
JEROPKIN. Weil wir nicht morgens schon betrunken sind!
KURAKIN. Weil ihr zusammen flüstert! Wer trinkt, der flüstert nicht!
PUSCHKIN. Wie wäre das, wenn alle bei Hof so brüllten, wie du!?
KURAKIN. Gut wäre es! Man hörte, was sie denken!
WOLINSKI. Oder daß sie nichts denken.
KURAKIN. Bei Hofe braucht nur einer zu denken: Das ist der Zar!
PUSCHKIN. Und wenn es eine Zarin ist?
KURAKIN. Dann denkt eben niemand! Alle lachen laut; er merkt, was er sagte. Verdammte Wortfecherei! Wer recht im Herzen ist, spricht nicht von Zar und Gott! Der trinkt und ist zufrieden! Ich möchte euch lieber die Rippen einschlagen, als da mit euch herummaulen! Geht auf sie los; sie weichen lachend aus.
Graf Löwenwolde, ein sehr vornehmer Kavalier deutscher Art und Fürst Trubetzkoj, ein stets unbekümmert fröhlicher Mann, kommen von links herein.
TRUBETZKOJ. So fröhlich allseits? Wir haben am Ende eine heitere Neuigkeit versäumt; das wäre jammerschade![156]
WOLINSKI. Noch nicht – das Neueste noch nicht. Das meld' ich erst jetzt. Alle wenden sich ihm zu. Der Hof erhält Besuch.
TRUBETZKOJ. Heute –? Zum Fest –?
WOLINSKI. Dauernden Besuch, wenn ich richtig sehe.
ALLE durcheinander. Wie – Wer –?
WOLINSKI. Fürst Galizyn ist wieder hier.
KURAKIN. Der Galizyn –? Anatol Galizyn, der damals – –?
WOLINSKI. Kein anderer. Reicht ihm den Brief. Was hältst du davon?
KURAKIN. Das wird die Zarin freuen.
TRUBETZKOJ, LÖWENWOLDE UND KURAKIN lesen eifrig das Schreiben, wobei sie etwas von den andern abrücken.
EICHLER mit den andern ganz vorn. Wie sehen wir ihn an?
JEROPKIN. Weshalb kam er?
WOLINSKI. Es ist wieder einer mehr, der alles Schlechte bringen kann. Er kann viel für uns bedeuten – – – Still jetzt!
TRUBETZKOJ der mit den andern zweien näher kommt und nun das Schreiben an Eichler zurückgibt. Bravo, das nenn' ich eine heitere Überraschung! Die Zarin – und Fürst Galizyn – – Man hat da vor Jahren manches hören können – – ungewöhnlich interessante Geschichten –
LÖWENWOLDE. Zehn Jahre sind das schon! Fast nicht mehr wahr.
TRUBETZKOJ. Warum schlägt die Zarin jede Heirat aus?
KURAKIN. Der Vertrag –!
TRUBETZKOJ. – den sie damals schon zerrissen hat!
LÖWENWOLDE. Witwentrauer –
TRUBETZKOJ lacht. Wittib mit achtzehn Jahren –!
PUSCHKIN. Aber – was seither geschehen –!
EICHLER. Der Galizyn war ihr geheimer Sekretär –?
TRUBETZKOJ. Wer von uns war in Mitau in jenen Tagen?
LÖWENWOLDE. Sie ist älter geworden – – beinahe schon alt.
TRUBETZKOJ. Im Herbst erscheint der Frühling am schönsten. Sie werden sehen – – – Er geht mit Löwenwolde und Chruschtschow im Gespräch nach hinten.
WOLINSKI vorn mit Eichler, Jeropkin, Puschkin. Er kommt mir ungerufen – – –
KURAKIN tritt hinzu. Es waren damals in Mitau viel rote Rosen –!
WOLINSKI. – und viele Tränen – –!
KURAKIN. – Viel Freude – –!
WOLINSKI. Und viel bitterer Haß!
KURAKIN. Das ist vorbei; sie hat mir längst den Streich verziehen – –
WOLINSKI. Was die Zarin verzeiht, muß das Weib nicht vergessen – –
Die Flügeltüren rechts hinten öffnen sich weit; man sieht in eine[157] Flucht von Zimmern, in denen gedämpfte Lichter über prunkvoll verzierte Möbel und Wände gleiten. – Pagen ordnen sich.
ZWEI ZEREMONIENMEISTER treten vor und rufen. Die Zarin!
ALLE ANWESENDEN rufen kniend, mit gegen die Tür erhobenen Händen. Lang lebe Rußlands Kaiserin!
Kleine Pause. – Dann kommt mit raschen Schritten, als müsse sie sich einen Anlauf nehmen, die Zarin Anna Iwanowna, gefolgt vom Kanzler Grafen Ostermann und Biron, der durch Tracht und Orden
seinen Rang als Herzog von Kurland verrät. – Die Zarin ist im Morgenkleid, ohne Perücke, mit eigenem, tiefschwarzem Haar. Sie ist älter geworden, nicht nur um die zehn Jahre ihrer Regierung. Ihr Mund hat einen herben Zug bekommen, das mongolisch Grausame, das immer in ihren Zügen lauerte, hat die Herrschaft über die russische Gemächlichkeit gewonnen. – Dennoch ist ihr Gehaben beinahe unsicher und hat etwas Katzenartiges, sprungbereit Lauerndes an sich. Ihre Hände sind nervös darauf aus, etwas zu greifen, ihre Blicke schnell und unzugänglich – sie bleibt am Schreibtisch stehen und überfliegt die Hofgesellschaft mit einem raschen, alles erfassenden Blick.
ANNA winkt. Aufstehen! Ich will das nicht. Guten Morgen! – Setzt sich. Was bringt der Tag?
WOLINSKI auf den Hof deutend. Die treuesten Diener Eurer Majestät –!
CHRUSCHTSCHOW. Ihrer Winke harren die Sklaven –
ANNA angewidert, winkt ab. Ja – ja –!
PUSCHKIN. Uns bringt dieses Tages Sonne eine weise Kaiserin!
TRUBETZKOJ. Des großen Zaren Peter würdiges Ebenbild.
ANNA. Kühne Vergleiche, Fürst Trubetzkoj! Kühne Vergleiche!
KURAKIN. Und falsche dazu!
ANNA. Weshalb wohl –?
KURAKIN. Du gleichst dem Zaren Peter doch nicht ganz. Es ist wahr: Du hast einen guten Feldmarschall, einen Admiral und viele tapfere Soldaten, wie er – aber in einem bleibst du zurück, Mütterchen –!
ANNA belustigt. Und was wäre das?
KURAKIN. Du prügelst deine Hunde zu wenig. Deutet auf den Hof.
ANNA. Wie –?
KURAKIN packt Wolinski beim Kragen und schiebt ihn vor die Zarin. Zum Exempel den da! Zar Peter legte ihm das Seil schon um den Hals – du aber ziehst es noch nicht zu!
Gelächter.
ANNA. Was sagen Sie dazu?
WOLINSKI. Der Branntwein fördert Worte – aber er zerbricht die Tat. Befiehl mir eine Tat, Kaiserin, die soll für mich sprechen. Reden mögen andere.[158]
ANNA. Ich will mich zur Zeit daran erinnern. Zu Kurakin. Und ich will keine Schmähungen mehr hören, die nach Branntwein riechen.
KURAKIN sieht sie an und torkelt unbeholfen näher. Mütterchen! Schau in mein Herz, ob du einen Blutstropfen darin findest, der nicht dir gehört und dem Thron des Zaren Peter! Er kniet nieder und küßt ihr Kleid.
ANNA. Das alte Lied! – Ich hab dir einmal schon ins Herz geschaut – und meines schweigen heißen – –
KURAKIN. Du sprichst von Mitau, Zarin – –?
ANNA. Du tätest besser, mich nicht daran zu erinnern. Warum mahnst du mich an das – gerade du – –? Verscheucht die Gedanken, zu allen. Doch nun: Was meldet ihr?
EICHLER auf ein Papier weisend. Majestät, was soll mit den Gefangenen geschehen –?
ANNA nervös. Freilassen – köpfen – – Macht, was ihr wollt mit dem Gesindel! Marschall Münich soll über sie entscheiden. Zu Ostermann, der neben ihr steht. Immer das Gleiche – immer dasselbe Stück! Zu allen. Habt ihr nichts anderes?
PUSCHKIN. Majestät, es ist mein Dreigespann bereit.
ANNA. Ja – ja – laß es warten – – Stöbert in den Papieren. Bitten – – Bitten –
EICHLER. Hier ein Kurier vom Fürsten Galizyn –
ANNA. Was will Fürst Michael –?
EICHLER. Fürst Anatol –
ANNA oberflächlich. Wer –?
WOLINSKI mit Nachdruck. Fürst Anatol Galizyn!
ANNA zuckt zusammen. Wie – –!? Pause.
EICHLER. Heimgekehrt – nach vielen Jahren – bittet um die Gnade – seine Kaiserin zu sehen – –
ANNA schweigt noch immer, dann plötzlich. Wie? Antja Galizyn – –? Wie war das –?
EICHLER. – bittet vor Eure Majestät zu treten –
ANNA abweisend. Bittet –? Plötzlich scharf. Wer von euch hat ihm den Weg verlegt –!?
WOLINSKI. Wer sollte es wagen –?
ANNA. Nun –?
EICHLER mit fragender Geste. So will ich – –
ANNA. Wie? Was willst du? Was siehst du mich so an? Ihr alle. Was habt ihr in den Augen?! Weg mit dir! Weg mit diesen Augen –
EICHLER ab links hinten.
ANNA deren Augen von einem zum andern sprangen, zu Ostermann, der ruhig neben ihr steht. Graf Ostermann – Sie tun mir die[159] Liebe – nicht wahr – da – Weist auf die Akten am Tisch und spricht halblaut mit dem Kanzler, indes ihre Aufmerksamkeit aber ganz bei den Kavalieren ist, vor deren Blicken sie sich so zu verschanzen sucht.
TRUBETZKOJ auf der anderen Seite der Bühne zu Puschkin. Haben Sie gesehen – –? Tuscheln weiter.
ANNA zu Ostermann. Wie stets – Sie wissen ja – Sieht auf, zuckt zurück. Noch immer diese dummen Augen – – Weg! Alle weg! Den Fürsten sprechen wir allein –!
Der Hof verneigt sich und geht, – Ostermann mit den Schriftstücken durch die Flügeltüre hinten, Wolinski den halb eingenickten Kurakin weckend und mitnehmend, durch die Tapetentüre links vorn, die anderen links hinten ab. – Nur Biron bleibt. – Auch er ist stark verändert. Von der geschmeidigen Unterwürfigkeit des Lakaien ist nichts mehr zu sehen. Sein Gesicht ist durchaus von niedriger Brutalität. Er trägt eine unermeßlich reiche, aber sehr ungepflegte Tracht, die eine Mischung von Hofkleidung, Nationalkostüm, Reitlivree ist: Stiefel, Hetzpeitsche, Seide, Pelz und Diamanten erinnern in gleicher Weise an Stallknecht und Herzog, wie denn auch sein ganzes Gehaben ebensoviel Roheit und Lüsternheit wie Überlegenheit und kraftvolle Energie zeigt.
ANNA sieht ihn zunächst nicht, erschrickt dann über seine Anwesenheit, wagt aber nicht, ihn fortzuweisen.
BIRON. Der Galizyn? He! Sieh doch! Was will er –?
ANNA. Du hast es ja gehört –
BIRON. Ich habe nicht gehört, was er will. Und das muß ich wissen.
ANNA. Ich weiß es nicht.
BIRON. Ich werde daraufkommen.
ANNA. Ich bitte dich, geh!
BIRON. Eine Kanaille mehr an diesem Hof! Vielleicht juckt auch ihn der Kopf nach der Zarenkrone wie das andere Geschmeiß!
ANNA. Ich bitte dich – –
BIRON. Was bittest du? Ich habe wohl zu wenig Ehrfurcht vor dem Glücksritter – he? Da sie zuckt. Was ist er sonst? Warum bleibt er nicht, wo er war? Ich habe schon viele hier herumschnüffeln sehen – es gelüstet ihm wohl auch – und er sieht ganz klug voraus, daß er mit dir leichtes Spiel haben dürfte! Wie schlau. Hehe –! Ganz nahe. Aber mit mir spielt keiner! Das sollst du nur wissen – und vielleicht sagst du es dem schönen Herrchen, daß es von Vorteil ist, mir zu Zeiten nicht über den Weg zu laufen. Hörst du?
ANNA gequält. Ja – ach ja –
BIRON packt sie an der Hand. Du! Nimm dich in acht!
ANNA unter seinem Griff wie gebannt. Laß – mich allein – ich bitte dich – ich bitte dich – –[160]
BIRON lacht und läßt sie los. Der Schlitten wartet.
ANNA aufbäumend. Er soll warten –!
BIRON kommt wieder näher. Ich fahre einmal um die Reitbahn – ich werde im Schritt fahren – einmal um die ganze Bahn – Faßt sie wieder an der Hand. Bist du dann nicht zur Stelle, so hole ich dich! Hörst du?
ANNA mit schwachem Versuch, sich seinem Griff zu entwinden. Laß – laß los – –
BIRON. Es wird besser sein, du kommst, ehe ich ganz herum bin – denk daran! Läßt ihre Hand los und geht ohne Wort und Blick durch die Flügeltüre ab.
ANNA steht zuerst regungslos, die Augen geschlossen; plötzlich geht ein Schütteln durch ihren Körper, ihre Hände suchen etwas zu fassen, sie stampft auf und bricht tief aufschluchzend in den Sessel am Schreibtisch nieder, den Kopf auf den Arm gelegt, weint sie in wilden Stößen wie ein Kind – – Lange Pause –.
ANATOL GALIZYN tritt durch die Türe links hinten ein. Die Zarin hört ihn nicht. Er geht einen Schritt vor und blickt betroffen auf die Weinende. Da sie nicht aufsieht, will er ruhig wieder an die Tür zurück. Da hört sie seinen Schritt und fährt empor, wie er eben die Hand nach der Klinke hebt. – Er wendet sich ihr zu und neigt sich tief.
ANNA verwirrt. Wer –? Er hat den Blick erhoben. Ach –! Sie sehen einander lange wortlos an. – Dann geht Anatol auf die Zarin zu, beugt ein Knie und will den Saum ihres Kleides küssen.
ANNA sieht wie gebannt, regungslos auf jede seiner Bewegungen und blickt nun auf ihn nieder, indes Triumph und Ergriffenheit in ihren Zügen streiten. Auch ihre Stimme ist nicht in ihrer Macht, als sie halblaut ein wenig bebend sagt. Nein – das sollst du nicht – – Steh auf –
ANATOL ergreift ihre Hand und führt sie an die Lippen.
ANNA zieht ihn langsam empor und sieht ihn an. Du bist ein Mann geworden – – Page Galizyn – –. Wie lange ist das nun?
ANATOL. Zehn Jahre, Kaiserin.
ANNA. Zehn Jahre. – Kleine Pause; dann drohend. Und sehr kühn bist du –
ANATOL einfach. Ich bin nur ohne Frage.
ANNA. Und ohne Furcht – nicht wahr. Laß sehen. Nimmt die Glocke wie spielend in die Hand. Wenn ich jetzt läute, so warten hundert Arme – hundert Augen – hundert Gehirne. Alle Herzen setzen aus, bis ich spreche – Und wenn ich sage: Hier steht ein Verräter – einer, der mir das Schlimmste getan hat – Hebt die Glocke. – – Es könnte sein, daß meine Hand zittert, – ohne daß ich es wollte, – ich weiß nicht, warum – und tritt[161] einer herein – und fragt, – ich kann nicht sagen: Meine Hand hat gezittert, – das kann ich nicht sagen, – denn die Hand einer Kaiserin darf nicht zittern, – – zehn Jahre mußte sie lernen, hart und fest zu sein –! Und ich sage: Greift ihn! Richtet ihn – wie man einen Mörder richtet –! Er zuckt beim Worte »Mörder« zusammen. Erschrick nicht vor einem Wort, das mir so gewöhnlich ist wie Morgen und Abend. Es sind viele um mich – viele – ich weiß es –. Ich kenne sie. Jeden kenne ich. Lacht bitter. Du wärst mir nicht der Schlechteste, wenn ich wählen dürfte – –. Plötzlich, wie ihn überfallend. Weshalb bist du gekommen?
ANATOL vom Gesagten sichtlich betroffen. Zarin – ich wollte dich auf deiner Höhe grüßen –
ANNA lacht kurz. Jawohl: Auf meiner Höhe! Du wunderst dich – nicht wahr? Hast eine kleine Herzogin verlassen – eine kindische, kleine Herzogin – irgendwo – in einem Rosengärtchen – lang – – Lacht wieder kurz und trocken. Haha – wie dumm von dir! Siehst du jetzt, wie dumm du warst? Aus der kleinen, lachenden, plappernden Rosenprinzessin ist eine Kaiserin geworden – –
ANATOL langsam, ihr in die Augen sehend. Eine weinende Kaiserin.
ANNA aufs tiefste getroffen, zieht den Kopf ein, starr, sieht ihn lange wie entdeckend an. Weshalb bist du gekommen? Weshalb kamst du, Antja Galizyn?
ANATOL. Dich auf deiner Höhe zu grüßen, Zarin, auf deiner Höhe – von der meinen.
ANNA. In welchem Lande warst du?
ANATOL. In vielen –
ANNA etwas versonnen. In der Welt – –
ANATOL. Welt? Was ist Welt? – Es gab wohl eine Zeit, da dachte ich mir Länder, Dinge, nahes Vielerlei – und dachte Witz und Werk von Menschenart, wenn ich den großen Gottesnamen »Welt« erfassen wollte. – Und suchte sie auf diesen Wegen – und fand doch stets nur Dinge und Mensch, die ihre kleine Einzelheit hinstellen zwischen mich und etwas, was hinter ihnen lag – und nach mir rief, wie Heimweh ruft – wie Kinderlied und Liebeswort. – Und ahnte erst – und sah und wußte dann, daß all das Kleine – Ding für Ding uns fordert, – stets neu um unser Bestes fragt – und sich nicht gibt, eh' wir das Letzte geben. Bis Schatten fließend werden, – Nebel fliehen – und Leeres nicht mehr ist und Unvereintes, – bis alles, was wir kämpfend ohne Frage und ohne Rast aus uns emporgerissen, heilig und groß in lichter Weiten fruchterfüllten Segen auf uns wartet. – Näher.[162] Zarin! Die Welt ist nicht das kleine Spiel der Menschen, nicht enge Sucht und Angst um dürre Dinge – sie ist der großen Einheit Melodie – und Sieger, wer sie klingen hörte!
ANNA in maßlosem Staunen. Sieger –? Du kommst nicht um Gnade bitten? Weißt du, was deine ganze Welt ist? Das Hin und Her in deinem Hirn – in einem Hirnchen, das in einem Kopf gefangen sitzt – den ich in meiner Hand halte, wie einen Spielball! – Du solltest betteln, daß ich die herrliche Weltkugel nicht fallen lasse – –!
ANATOL. Betteln? Kaiserin! Das freie Weite reicht dir durch mich die gabenvolle Hand. Nimm sie, wie Kinder Gottes Hand ergreifen, einfach und fest und ohne scheues Blinzeln. – Ja, ich dachte dran voll Eifersucht, es könne dir ein anderer dies weisen, was doch so jedem offen liegt: Das Freie!
ANNA nach kurzer Pause, langsam. Du hast – mir wehe getan – Warum –? Warum –? Sag mir, warum du mir weh getan hast –
ANATOL. Mach dich frei vom Schmerz und empfange seine Früchte! Sie sind herrlicher, als er jemals schrecklich war! Tritt aus der Enge des Ich – aus den Klammern des Gewesenen! Sieh um dich, Zarin, wieviel auf dich wartet! Dieses Land ist jung, wie ein Frühlingsacker, dieses Volk streckt seine Hände nach dir! Menschen rufen nach Menschen – Brüder nach Brüdern! Grenzen fallen, Kerker und Paläste stürzen – Brücken gilt es zu bauen, Wege ins Ungemessene, ewig werdende! – Ich bring dir, – diesem Land, diesem Land, diesen Menschen alles, was dieses Hirn ergreifen und sich zu eigen machen, was diese Brust durchbeben und überwinden konnte! Wer hätte mir dies geben können? Ist es nicht tausendmal mehr als alles Ich und Du?! Ist es nicht überreiches Entgelt für den Schmerz einer fliehenden Stunde?
ANNA weh. Die Blüten sind verwelkt – –
ANATOL. Sie tragen Frucht!
ANNA. Sie sind verdorrt und abgefallen – Ohne ihn anzusehen; schmerzvoll, fern. Du hättest niemals gehen dürfen – niemals – Page Galizyn – –
ANATOL nach kurzer Pause. Es rief – – und bäumte sich – und wurde übermächtig groß – wuchs über alles Wollen –: Es geschah! – Nicht unser Sorgen und wonach wir weinen zwingt aus der Allbereiten die Erfüllung. – Nur das Ereignis hat Gebot – hebt und verwirft und bildet und vernichtet – ein ewig junger Gott in schaffender Berauschtheit! – O, es ist wunderbar, an seiner Hand zu gehen – und nichts, als was er will, zu sein.
ANNA. Es rief dich fort – – damals –? Und jetzt – –? O, ja – ich[163] weiß: Du hörst nur auf die eine Stimme – jetzt rief es dich zu mir – –
ANATOL. Ja – Kaiserin – –
ANNA wie in einem Aufschrei. Nicht Kaiserin! Das ist ein Spottwort! Nicht Kaiserin! Nicht Zarin! Alles weg! Wie einen drückend schweren Mantel voll Pracht und Dornen! Nichts von ihnen mehr – sie alle weg – die Rohen, Feigen, – Herzenterb ten, – Kriecher, Mörder –! Ah! Hilf mir! Es hat auch einst nach mir gerufen – wie nach dir – Hilf mir – hilf mir – –
ANATOL mit einem Unterton von Mitleid. Anna Iwanowna – –!
ANNA schmiegt sich an ihn. Ja – so – Nur so – – Und wieder Rosen – und wieder du – du, Page Galizyn – – du – Antja – du!
ANATOL schonend. Nicht du – nicht ich: Nur unser Werk, das sich aus dir und mir befreite – Mehr als ein Rosengarten: Unser Land! Aus Schmerz und Welt ein überwinden, ein Händereichen – und das große eine nur: Die Tat!
ANNA die während seiner Worte immer mehr von ihm abrückte und in ihre abwartende Starrheit zurückkehrte. Das Werk – mehr als wir selbst – – – Förmlich. Ich will daran denken. Reicht ihm die Hand zum Kusse. Er ist in Gnaden willkommen, Fürst Galizyn.
ANATOL sieht sie voll an, küßt die Hand.
ANNA sieht undurchdringlich auf ihn, dann winkt sie leicht, er sei entlassen.
ANATOL neigt sich tief und geht gegen die Türe links zurück; dort grüßt er die regungslos stehende Zarin noch einmal und geht ab.
ANNA bleibt starr aufrecht stehen und sieht auf die Türe. Ihre Hand zerknüllt das Taschentuch, sie beißt die Lippen zusammen. Dann sagt sie in schwebender Betonung. Nicht ich – nicht du – –?
Geräusch in der Ferne; sie wendet sich gegen die Flügeltüre und kommt dabei zufällig vor den Spiegel, erblickt ihr Bild, erschrickt zuerst davor, sieht es dann lange, wie forschend an.
Ah – Zarin – – Anna – du siehst meine Gedanken nicht – Haha – nichts weißt du –! Näher. Deine Stirn ist niedrig und boshaft – – ja – ich seh' es – und deine Haut ist gelb – und deine Schlitzaugen haben ganz kleine, blinkende Lichter –! Aber bist du nicht Herrin –? Zarin Anna!
BIRON tritt unvermittelt durch die Flügeltür ein. Ich bin herum. Wo bleibst du? He? Schlägt mit der Reitpeitsche auf seine Stiefel. Vorwärts! Die türkischen Rappen dürfen nicht in der Kälte warten. Ich hab' sie schon eingefahren. Indem er ihr den kostbaren Pelz umhängt, den er brachte. Der Eispalast sieht prächtig[164] aus. Das wird dir heute ein Fest! Man möchte beinah' selbst Narrenkönig werden! – Was hat der Kerl wollen? Sie schweigt im Banne seiner Gegenwart und Stimme. He! Antworte! Packt sie um die Hüften und spricht ihr mit begehrender Roheit ins Gesicht. Ich will dich sprechen lehren – du –!
ANNA wehrt sich schwach. Laß – mich – –
BIRON. Nein! Daß du's nur gleich weißt: Da können tausend solche süße Affen kommen – – So halt ich dich – – so – und so und so – – Küßt sie gewaltsam und rauschig. Das soll dir heute ein Jagen werden! Daß dir die Sinne vergehen! Puschkin hat seine drei neuen Rappen geschickt – prachtvolle Wildlinge! – Dazu ist er doch noch nütze – der Esel! Ihm gebührt ein Orden dafür! – Vorwärts! Wenn dir erst die Schneeluft um die Ohren saust, dann wirst du den albernen Narren bald vergessen haben.
ANNA versucht zu trotzen. Laß – ich will nicht – ich will nicht.
BIRON lacht roh auf. Hahahaha! Sieh doch? Mütterchen will nicht – Aber ich will –! Und Mütterchen muß! Komm!
Führt sie lachend durch die Flügeltür ab.
Rascher Vorhang.
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