Viertes Kapitel
Ein junger vielversprechender Held tritt auf.

[97] Jetzt machte sich unser Wild an einen andern von der Bande, der auch seinen Befehl ohne alles Bedenken annahm und bloß fragte, ob er auch den andern Passagieren nebst dem Kutscher das Lebenslicht ausblasen sollte. Wild, dessen Mäßigung wir schon einmal herausgestrichen haben, verbot ihm dies ernstlich. Nachdem er ihm also eine genaue Beschreibung des Herrn, auf dessen Ruin es abgesehen war, nebst anderen Verhaltungsmaßregeln gegeben hatte, entließ er ihn mit der gemessenen Ordre, keinem Menschen ein Leid zu tun, wenn er umhin könnte.

Der Name dieses Jünglings, der in der Folge als der Achates unseres Äneas oder vielmehr als der Hephästion unseres Alexanders eine beträchtliche Rolle in dieser Geschichte spielen wird, war Fireblood. Er hatte alle Eigenschaften zu einem großen Mann vom zweiten Range, das ist er war von Natur trefflich zum Werkzeug eines großen Mannes vom ersten Range ausgerüstet. Daher wollen[97] wir ihn bloß negativ beschreiben und unserm Leser erzählen, welche Eigenschaften er nicht hatte, und diese waren Menschlichkeit, Scham und Furcht, von welcher letzteren sich auch kein Gran in seinem Temperamente befand.

Doch lassen wir diesen Burschen, der von allen in der Bande am meisten versprach, und von dem Wild oft sagte: er wäre einer der schönsten Jungen, die er je gesehen hätte, welcher Meinung auch alle seine Bekannten waren, und heften wir unsere Aufmerksamkeit auf unsern Helden, der immerfort mit starken Schritten auf den höchsten Gipfel des menschlichen Ruhmes zuging.

Gleich nach seiner Rückkunft in die Stadt stattete Wild seiner Miß Lätitia Snap einen Besuch ab; denn er hatte nun einmal die Schwachheit, sich von Weibern fesseln zu lassen, eine Schwachheit, die man nur zu oft mit einem Heldentalent verbunden findet. Die Wahrheit zu sagen, war er wohl mehr der Sklave seiner Begierden, als der Sklave eines Weibes, und hätte er diese nur befriedigen können, wäre es ihm gewiß gleichgültig gewesen, was auch immer aus der kleinen Tyrannin geworden sein möchte, für die er so viele Achtung bezeugte. Hier gab man ihm die Nachricht, Herr Hartfree sei den Tag zuvor nach Newgate gebracht worden. Über diese Neuigkeit war er ein wenig betreten; nicht, daß ihn Hartfrees Schicksal gejammert hätte, nein – auf diesen hatte er einen so unversöhnlichen Haß geworfen, daß man hätte denken sollen, Hartfree habe ihn so beleidigt, wie er Hartfree beleidigt hatte. Seine Bestürzung schrieb sich von anderen Ursachen her; es verdroß ihn, daß Hartfree an einem Ort gefangen saß, welches der Schauplatz seines künftigen Ruhmes sein sollte und wo er sich folglich oft in der Verlegenheit befinden würde, ein Gesicht zu sehen, das ihm Haß allein und nicht Scham verabscheuungswürdig machte.

Um diesem vorzubeugen, fiel er auf verschiedene Mittel. Erst sann er darauf, ihn durch einen kleinen Meuchelmord aus dem Wege zu schaffen, und er zweifelte nicht, Fireblood würde sich dazu bereit und willig finden lassen; denn dieser Jüngling hatte bei ihrer letzten Zusammenkunft geschworen, der Teufel solle ihn holen, wenn er einen besseren Zeitvertreib kennte, als einem Manne den Hals zu brechen. Aber außer der damit verbundenen Gefahr schien ihm dies Mittel nicht hart und demütigend genug für Hartfree. Nach reiferer Überlegung beschloß er daher, ihn womöglich bei der nächsten Sitzung des Sheriffs an den Galgen zu bringen.

Ist nun gleich die Bemerkung bekannt genug, daß der Mensch denjenigen sehr leicht haßt, den er beleidigt, und daß man einem andern Beleidigungen, die man ihm selbst zugefügt, nimmer vergeben[98] kann, so hat sich doch meines Wissens noch niemand Mühe gegeben, dieses Phänomen zu erklären. Unserer Meinung nach gründet sich dieser unversöhnliche Haß in der ebenso mächtigen Leidenschaft der Furcht, die uns besorgen läßt, eine Person, die wir beleidigt haben, werde alle möglichen Mittel anwenden, sich zu rächen und Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Dieser Glaube wurzelt in großen und boshaften Gemütern so fest, daß kein Wohlwollen, keine Großmut von des Beleidigten Seite ihn auszurotten vermag. Im Gegenteil sehen wir alle diese Beweise von Freundschaft für Betrug und für Kniffe an, wodurch jene ihren Argwohn einzuschläfern denken, bis sich eine Gelegenheit findet, ihnen heimlich desto sicherer eins beizubringen, und während der gute beleidigte Mann sein erlittenes Unrecht längst vergessen hat, behält es der Beleidiger beständig in frischem Angedenken.

Da wir unsern Lesern, um deren Unterhaltung und Unterricht es uns immer zu tun ist, nicht gerne eine Entdeckung vorenthalten, so können wir nicht umhin, jedem einfältigen guten Manne folgende kurze Maxime mitzuteilen: Bist du gleich als Christ verbunden, deinem Beleidiger zu verzeihen, so traue doch nimmer dem Manne, der vermuten kann, du weißt, daß er dich beleidigt hat.

Quelle:
-, S. 97-99.
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